13. September 2012 Jörg Finkeldei

Ähnliche Dokumente
Urbane Gebiete. Dr. Rainer Voß Fachanwalt für Verwaltungsrecht/AnwaltMediator (DAA/FU Hagen) Kompetenz durch Spezialisierung

Realisierung von Bauvorhaben bei problematischen Immissionssituationen

Baunutzungsverordnung

Schleswig-Holstein Der echte Norden

Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Abteilung II

Das Baurecht in der Krise

Prof. Dr. Alexander Windoffer. Öffentliches Baurecht

Ergänzung zur Begründung der 7. Änderung des Bebauungsplans Nr. 6

Spannungsfeld Lärm zwischen Gewerbe und Wohnen. Urbanes Gebiet. Änderung der BauNVO, TA Lärm und 18. BImSchV. Klaus Meyer

Gemeinde Juist. Neuaufstellung der Bebauungspläne in Bensersiel (insbesondere Taddigshörn, Lammertshörn und Oll Deep)

Vorhaben im unbeplanten Innenbereich nach 34 BauGB

Städtebaurecht. BauGB 34. Vorlesungsthema!

Mischgebiete und Dorfgebiete

Allgemeine Zweckbestimmung eines allgemeinen Wohngebiets

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Erfolglose Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung für Flüchtlingsheim im Mischgebiet

Was bringt das Urbane Gebiet für die Stadtplanung?

Stadt Esens Landkreis Wittmund

Rechtsgutachten. zur Frage

GENEHMIGUNG VON VORHABEN IN GEMISCHTEN STRUKTUREN

BauGB-Novelle 2017 und Fallstricke bei städtebaulichen Verträgen

Anwendung des Leitfadens KAS 18 - Bericht des Stadtplanungsamtes

Aus der Praxis. Erfahrungen mit dem neuen Baugebietstypus MU (Urbane Gebiete) Gewerbeflächenkongress IHK

Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke

BEBAUUNGSPLAN NR. 1. zur Regelung von Art und Maß baulicher Nutzung der Grundstücke

Neue Rechtsprechung zu 34 Abs. 1 BauGB. Dr. Markus Johlen Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht

Thüringen. Freistaat. 3 Anlagen. Arbeitsgruppe Stadt Sickingenstraße Kassel

SATZUNG. zur 2. Änderung des Bebauungsplanes Nr Gewerbestraße, Gemeinde Südbrookmerland

Einzelhandelsbetrieb; Lebensmittelmarkt; Verkaufsfläche; Geschossfläche; Einkaufswagen; Abstellen von Einkaufswagen; Gebäude; Überdachung.

Bauen im Außenbereich nach 35 BauGB. Prof. Dr. Hilde Schröteler-von Brandt Planungsrecht /// WS 2016/17

BauNVO 1 Abs. 5 und 6 Nr. 2, 3, 4, 6 Abs. 1 und 2, 10, 11 Abs. 1 und 2, 13a ZPO 560

2. vereinfachte Änderung Bebauungsplan Nr. 5 Windland", Gemeinde Breege

Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 4. Juni 2009 ( 11 E 929/09)

Veranstaltung der BKM 2016 BauGB-Novelle zur Unterbringung von Flüchtlingen

Bebauungsplan Sachsenpark Dittersbach

L A N D B R A N D E N B U R G

Öffentliches Baurecht, TU Dresden Die planungsrechtliche Zulässigkeit baulicher und sonstiger Vorhaben

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

III. Die Zulässigkeit von Einzelbauvorhaben

Sachgebiet: BVerwGE: nein Fachpresse: ja

Inhaltsverzeichnis. vii

Präambel. Teil B Text

Baurechtliche Steuerung des Onlinehandels? Dr. Christian Wiggers Rechtsanwalt

SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT. Beschluss

Planen und Bauen im Grunewald

Entwicklungsziele Gemeinde Wangerooge

Zweckverband Gewerbepark Nürnberg Feucht Wendelstein. 1. Änderung des Bebauungsplans Gewerbepark Nürnberg-Feucht

Zulässigkeit von Bauvorhaben 30 BauGB

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Nicht privilegierte Biomasseanlagen und Bauleitplanung

Lernfeld 8 Bauprojekte entwickeln und begleiten

Teil B Textliche Festsetzungen zum Bebauungsplan G Steuerung des Einzelhandels im Bezirk Marzahn-Hellersdorf, Ortsteil Marzahn

Verordnung über die bauliche Nutzung der Gundstücke (Baunutzungsverordnung) vom 26. November 1968 (BGBl. I S. 1237)

Drucksache 6/637. Landtag Brandenburg

Der Drittschutz in der Baunutzungsverordnung durch die Vorschrrften über die Art der baulichen Nutzung

VERWALTUNGSGERICHT MAINZ

Sommersemester 2017 Übung im Öffentlichen Recht für Fortgeschrittene. 12. Mai Dr. Sönke E. Schulz

Vorstellung Nutzungskonzept für die Innenstadt von Coesfeld & frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung 80. Änderung FNP

SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT. Beschluss

Folgende kleinteilige Änderungen sind nicht in den Folien enthalten: Ergänzung der Grundsätze und des Belangekataloges:

Baurechtliche Herausforderungen bei der Schaffung von Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge. Dr. Christian Giesecke, LL.M.

Vermeidung von Konflikten bei der Ansiedlung von Gewerbe in Wohngebietsnähe

Bebauungsplanes Nr. 161 Industriepark Heilshorn-Süd

Bebauungsplan. Vorlesungsthema

Start Projektplanung durch Bauherrn / Entwurfsverfasser (Bauantrag) u.a. Art. 64 BayBO

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Prof. Dr. M. Ronellenfitsch WS 2009/2010. Übung im Öffentlichen Recht für Fortgeschrittene. Fall 5

BFW Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen e.v.

SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT. Beschluss

Teil 2 Bauleitplanung: Erläuterung der Fachbegriffe

Allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung

Öffentliches Baurecht Band I: Bauplanungsrecht

109 BI. Keile/berg \;)11.--::;

Bebauungsplan 94/7 "Vergnügungsstätten im Bereich Gewerbegebiet

Baunutzungsverordnung

Gemeinde Plüderhausen Rems-Murr-Kreis

S T A D T V R E D E N

Zulässigkeit im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans

Gemeinde Lohme. 3. Änderung des Flächennutzungsplans. Begründung Beschlussfassung: in Zusammenarbeit mit:

Neuregelungen zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen in 246 BauGB

Aktuelle rechtliche Rahmenbedingungen zur Nahversorgung

Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke (Baunutzungsverordnung BauNVO)

Flächennutzungsplan Potsdam. Medienstadt Babelsberg

B. Abstandsflächengebot

TEIL B TEXTTEIL. Bebauungsplan Nr.7 Alte Schäferei der Stadt Wiehe

Anhang 1: Übersicht zur Zulässigkeit von Vergnügungsstätten nach BauNVO 1990

Gemeinde Offenbach/Queich

Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke (Baunutzungsverordnung - BauNVO)

Planungsrechtlicher Umgang mit dem Lebensmitteleinzelhandel. Dr. Christian Wiggers Rechtsanwalt

BESCHLUSS. In der Verwaltungsstreitsache

Windkraft und die 10-H-Regelung. Konsequenzen für die Regional- und Bauleitplanung in der Region Donau-Wald

Fehlervermeidung bei Einzelhandelskonzepten: Was geht und was geht nicht? vhw-praxisseminar, München, 16. September 2010

Werbeanlage wie Gewerbebetrieb zu behandeln - Unzulässigkeit im Geltungsbereich eines Bebauungsplans

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke (Baunutzungsverordnung BauNVO)

Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke

Baukostenzuschuss (BKZ)

1. Änderung Bebauungsplan Hauptstraße / Sacco-Vanzetti-Straße Gemeinde Birkenwerder

Stellungnahme. Deutscher Ferienhausverband e. V. Deutscher Tourismusverband e.v. zum Referentenentwurf vom

Satzung über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen in der Gemeinde Rockhausen. 1 Erhebung von Erschließungsbeiträgen

Transkript:

Zulässigkeit von Vorhaben in Mischgebieten im Hinblick auf die Wahrung der allgemeinen Zweckbestimmung 13. September 2012 Jörg Finkeldei Ministerium für Mischgebiete dienen gemäß 6 Abs. 1 BauNVO dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Die erste Hauptnutzung umfasst dabei das Wohnen in Wohngebäuden und Wohnungen im Sinne des 3 BauNVO. Welche Nutzungsarten unter den Begriff des Gewerbebetriebs im Sinne der Zweckbestimmung des Mischgebiets fallen, ist 6 Abs. 2 Nr. 2 bis 8 BauNVO zu entnehmen. 1

Aus der allgemeinen Zweckbestimmung folgt eine Gleichwertigkeit und Gleichgewichtigkeit von Wohnen einerseits und das Wohnen nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben andererseits (u. a. BVerwG, B.v. 11.04.1996 4 B 51.96 ZfBR 1997, 51). Das damit verbundene Nebeneinander dieser beiden Hauptnutzungsarten hat sowohl eine berechtigende als auch eine verpflichtende Funktion: Zum einen setzt dies eine grundsätzliche wechselseitige Rücksichtnahme der beiden Nutzungsarten voraus. Zum anderen muss das Mischgebiet beiden Nutzungsarten aus bauplanungsrechtlicher Sicht zugänglich sein, d. h. keine der beiden Nutzungsarten soll ein deutliches Übergewicht gegenüber der anderen darstellen. Ministerium für Daraus folgt, dass eine quantitative und qualitative Mischung von Wohnen und entsprechenden Gewerbebetrieben gewahrt sein muss. Ab welcher Anzahl oder ab welchem Umfang eine solche Mischung nicht mehr gegeben ist, kann nicht verallgemeinernd beantwortet werden, sondern bedarf immer der Betrachtung des jeweiligen Einzelfalls. Eine pauschale Forderung nach einer Mischung der Nutzungen von 50:50 ist unzulässig! 2

Grundsätzlich bestehen deshalb keine konkreten Vorgaben hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Wohnen und Gewerbe: So ist es beispielsweise durchaus zulässig, dass bestimmte Teile durch jeweils eine der beiden Hauptnutzungsarten stärker geprägt sind (deutlich mehr als 50 %). Das in der allgemeinen Zweckbestimmung formulierte Gebot der Durchmischung gilt erst dann als verletzt, wenn eine der Hauptnutzungsarten optisch eindeutig dominiert. Nutzungsverhältnis im MI? Gewerbe zulässig! Gewerbe Wohnen Keine Nutzung 3

Das Bundesverwaltungsgericht sah die Verletzung dieses Gebotes in einem konkreten Fall als gegeben, bei dem ein Mischgebiet zu 85 % durch Gewerbebetriebe genutzt wurde. Die übrigen Flächen dienten der Wohnnutzung; potentielle Erweiterungsflächen für das Wohnen existierten nicht. In diesem Fall widersprach sowohl die Anzahl als auch der Umfang der Gewerbebetriebe der typischen Eigenart eines Mischgebietes (BVerwG, U.v. 4. Mai 1988 4 C 34.86 BauR 1988, 440). Umkippen eines Mischgebiets B-Plan setzt neben größerem GE ein MI gemäß 6 BauNVO fest. Tendenz: Zunehmende Wohnnutzung, 16 Grdst. Wohnen, 1 Grdst. Gewerbe. Weitere Verkäufe und Teilungen lassen dominierende Wohnnutzung erwarten. 4

Umkippen eines Mischgebiets BVerwG: Mischung und Nebeneinander von Wohnen und nicht wesentlich störendem Gewerbe ist typische Eigenart des Mischgebietes. Typische Eigenart ist nicht erst verlassen, wenn eine der beiden Nutzungsarten verdrängt ist. Umkippen eines Mischgebiets Keine der gleichwertigen Nutzungsarten darf völlig dominieren. Wenn es zu einem deutlichen Übergewicht einer Nutzungsart kommt, dann ist ein beantragtes Vorhaben im Einzelfall nach 15 BauNVO unzulässig, weil es nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart eines MI widerspricht. 5

Umkippen eines Mischgebiets Wann und mit welchem Vorhaben das Kippen erreicht ist, muss in jedem Einzelfall ermittelt werden Missverhältnis der Grundflächen, Geschossflächen oder der Anzahl von Betrieben und Wohngebäuden zueinander. Wichtig: Konkrete Eigenart und Situation des Baugebietes berücksichtigen! 6