Die steuerliche Gewinnermittlung am Wendepunkt? Prof. Dr. Wolfram Scheffler Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Inhaltsübersicht 1. Interpretation des Maßgeblichkeitsprinzips nach dem 2. Entwicklungen des Verhältnisses zwischen Handels- und durch das 3. Möglichkeiten und Grenzen einer Einheitsbilanz nach dem 3.1. Umfang der Übereinstimmungen und Abweichungen zwischen Handels- und 3.2. Auswirkungen auf die Rechnungslegungspolitik 4. Denkbare Entwicklungen der steuerlichen Gewinnermittlung 4.1. Schwierigkeiten bei der Suche nach der richtigen Gewinnermittlung 4.2. Vorschlag: Kodifizierung eines eigenständigen rechts 4.2.1. Bedeutung von Konventionen 4.2.2. Beibehaltung der traditionellen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung 4.2.3. Stärkere Objektivierung der Gewinnermittlung 4.2.4. Vorteile und denkbare Folgewirkungen des Vorschlags 2
1 1. Interpretation des Maßgeblichkeitsprinzips nach dem } Ausgangspunkt: 5 Abs. 1 Satz 1 EStG Bei Gewerbetreibenden, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, ist für den Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist, es sei denn, im Rahmen der Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts wird oder wurde ein anderer Ansatz gewählt. } Finanzverwaltung: Übergang zur materiellen Maßgeblichkeit } Modifikation der Maßgeblichkeit abweichende steuerliche Regelung handelsrechtliches Bilanzierungswahlrecht bei fehlender steuerlicher Regelung steuerliches Wahlrecht 3
2 2. Entwicklungen des Verhältnisses zwischen Handels- und durch das } Zielkonflikt zwischen Zahlungsbemessungsfunktion (Teilhabergedanken) und Informationsfunktion } Zielkonflikt des es Annäherung des HGB an die IFRS (kostengünstige Alternative zu den IFRS) Handelsbilanz als Grundlage für die steuerliche Gewinnermittlung ( Einheitsbilanz ) } Auswirkungen des es auf das Verhältnis zwischen der Handelsbilanz und der Annäherung der Handelsbilanz an die grundsätzlich weder in der Handelsbilanz noch in der Veränderung Aufhebung von Vorschriften des Handelsgesetzbuches mit steuerlichem Hintergrund Neuinterpretation der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung 4
2 2. Entwicklungen des Verhältnisses zwischen Handels- und durch das } Der Zielkonflikt wird voraussichtlich immer größer werden Übernahme der steuerlichen Regelungen zu den GWG in die Handelsbilanz Passivierungspflicht für Altzusagen und / oder für Verpflichtungen aus mittelbaren Versorgungszusagen Einführung der Umsatz- und Gewinnrealisierung nach Auftragsfortschritt ( percentage of completion-method ) Aktivierung zukünftiger Ausgaben für Rekultivierung, Entsorgungs- und ähnliche Verpflichtungen mit ihrem Barwert und korrespondierender Bildung einer Rückstellung 5
3 3. Möglichkeiten und Grenzen einer Einheitsbilanz nach dem 3.1 Umfang der Übereinstimmungen und Abweichungen zwischen Handels- und } Ausgestaltung der gesetzlichen Vorschriften Handelsbilanz: zwingende Vorschrift (Pflicht, Verbot), Wahlrecht oder Ermessensspielraum : keine zwingende Norm, zwingende Vorschrift (Pflicht oder Verbot), Wahlrecht, Ermessensspielraum } Dreiteilung zum Verhältnis zwischen Handels- und Einheitsbilanz aufstellbar Einheitsbilanz nicht möglich trotz unterschiedlicher Regelungen Einheitsbilanz möglich 6
3 3. Möglichkeiten und Grenzen einer Einheitsbilanz nach dem 3.1 Umfang der Übereinstimmungen und Abweichungen zwischen Handels- und } Einheitsbilanz aufstellbar Handelsbilanz verbindliche Vorschrift verbindliche Vorschrift Bewertungswahlrecht Ermessensspielraum Ermessensspielraum keine Regelung übereinstimmende verbindliche Vorschrift keine Regelung keine Regelung übereinstimmender Ermessensspielraum 7
3 3. Möglichkeiten und Grenzen einer Einheitsbilanz nach dem 3.1 Umfang der Übereinstimmungen und Abweichungen zwischen Handels- und } Einheitsbilanz nicht möglich Handelsbilanz verbindliche Vorschrift keine vergleichbare Regelung abweichende verbindliche Vorschrift spezielle steuerliche Grundsätze 8
3 3. Möglichkeiten und Grenzen einer Einheitsbilanz nach dem 3.1 Umfang der Übereinstimmungen und Abweichungen zwischen Handels- und } trotz unterschiedlicher Regelungen Einheitsbilanz möglich a) Gestaltungsspielraum in der Handelsbilanz größer Handelsbilanz Wahlrecht Bilanzierungswahlrecht Ermessensspielraum verbindliche Vorschrift keine Regelung engerer Ermessensspielraum / verbindliche Vorschrift 9
3 3. Möglichkeiten und Grenzen einer Einheitsbilanz nach dem 3.1 Umfang der Übereinstimmungen und Abweichungen zwischen Handels- und b) Gestaltungsspielraum in der größer Handelsbilanz verbindliche Vorschrift Wahlrecht keine vergleichbare Regelung Wahlrecht Wahlrecht spezielles steuerliches Wahlrecht 10
3 3. Möglichkeiten und Grenzen einer Einheitsbilanz nach dem 3.2 Auswirkungen auf die Rechnungslegungspolitik } bei zahlreichen Regelungen Übereinstimmung zwischen Handelsund } häufig Übereinstimmung durch Orientierung der Handelsbilanz am Bilanzsteuerrecht erreichbar } Schwierigkeiten bei der Aufstellung einer Einheitsbilanz spezifische Regelungen für die Besteuerung von Unternehmen Bilanzierung und Bewertung von Rückstellungen Reichweite des Imparitätsprinzips spezielle steuerliche Wahlrechte 11
4 4. Denkbare Entwicklungen der steuerlichen Gewinnermittlung 4.1 Schwierigkeiten bei der Suche nach der richtigen Gewinnermittlung } Notwendigkeit einer Leitlinie } Verfassungsrecht zu allgemein } Ziele Verbreiterung der Bemessungsgrundlage bzw. Abschaffung von Ausnahmen zu unbestimmt } Forderung nach Erfassung des vollen Gewinns nicht prüfbar Gewinn ist kein empirisch beobachtbarer Sachverhalt, sondern ein modellmäßiger Begriff erster Schritt: Bilanzierungs- und Bewertungsregeln vorgeben zweiter Schritt: anhand dieser Regeln den Gewinn ermitteln } durch Rechtsprechung nicht lösbar } Entscheidungsneutralität nicht verwirklichbar Besteuerung des kapitaltheoretischen ( ökonomischen ) Gewinns nicht rechtssicher umsetzbar Cash-Flow-Besteuerung, sparbereinigte Einkommensteuer und zinsbereinigte Einkommensteuer politisch nicht durchsetzbar (Nichtsteuerbarkeit von Zinsen) 12
4 4. Denkbare Entwicklungen der steuerlichen Gewinnermittlung 4.2 Vorschlag: Kodifizierung eines eigenständigen rechts 4.2.1 Bedeutung von Konventionen } Vorschlag: Kodifizierung eines eigenständigen rechts } Kernfrage: Wie weit geht die Periodisierung von Einzahlungen in Erträge bzw. von Auszahlungen in Aufwendungen? } Notwendigkeit von Konventionen Wilhelm Rieger die Bilanz als Mischung zwischen Dichtung und Wahrheit à theoretische Unmöglichkeit den richtigen Jahresgewinn zu ermitteln } Grundüberlegungen Realisationsprinzip und Imparitätsprinzip bleiben erhalten Grundsatz einer Objektivierung hohe Bedeutung einräumen 13
4 4. Denkbare Entwicklungen der steuerlichen Gewinnermittlung 4.2 Vorschlag: Kodifizierung eines eigenständigen rechts 4.2.2 Beibehaltung der traditionellen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung } die meisten Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung sind allgemein anerkannt } Zeitpunkt der Erfassung von Vermögensmehrungen Realisationsprinzip keine Bewertung mit dem beizulegenden Zeitwert Stichtagsprinzip: zu erwartende Preissteigerungen (noch) nicht berücksichtigen Abzinsung nur, wenn ein Kreditverhältnis vorliegt } Zeitpunkt der Erfassung von Vermögensminderungen Verlustverrechnung gewährleistet: Imparitätsprinzip nicht notwendig Verlustverrechnung nicht gewährleistet: Imparitätsprinzip notwendig 14
4 4. Denkbare Entwicklungen der steuerlichen Gewinnermittlung 4.2 Vorschlag: Kodifizierung eines eigenständigen rechts 4.2.3 Stärkere Objektivierung der Gewinnermittlung } Bedeutung des Objektivierungsgedankens } Konsequenz für Wahlrechte Einschränkung auf Vereinfachungswahlrechte und Übergangsregelungen Steuererleichterungen zur Anregung von Investitionen nicht an der Bemessungsgrundlage ansetzen (Sonderstellung: UmwStG, 6b EStG, R 6.6 EStR) } Konsequenz für Ermessensspielräume Pflicht zur Angabe der Bewertungsannahmen strenge Interpretation des Stetigkeitsgebots 15
4 4. Denkbare Entwicklungen der steuerlichen Gewinnermittlung 4.2 Vorschlag: Kodifizierung eines eigenständigen rechts 4.2.4 Vorteile und denkbare Folgewirkungen des Vorschlags } Orientierung der steuerlichen Gewinnermittlung an den traditionellen handelsrechtlichen Rechnungslegungsprinzipien } kein Zielkonflikt zwischen Handels- und in der Praxis weitgehend anerkannte Leitlinie langjährige Verwaltungspraxis und gefestigte Rechtsprechung } kein nationaler Alleingang, sondern Blick über die Grenze } keine entscheidungsneutrale Besteuerung, sondern nur Kompromiss zwischen dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und dem Grundsatz der Rechtssicherheit 16
4 4. Denkbare Entwicklungen der steuerlichen Gewinnermittlung 4.2 Vorschlag: Kodifizierung eines eigenständigen rechts 4.2.4 Vorteile und denkbare Folgewirkungen des Vorschlags } Nebenbedingungen Aufhebung der Normen des EStG, die mit den traditionellen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung nicht vereinbar sind Ablehnung einer zu starken Betonung des Grundsatzes der Bewertungsvorsicht } Ausgestaltung der Rechnungslegung nach der Kapitalmarktorientierung des Unternehmens nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen als Handelsbilanz übernehmen kapitalmarktorientierte Unternehmen nebeneinander von und IFRS-Rechnungslegung 17
Was ist Ihre Meinung? Ich freue mich auf die Diskussion! 18