A. Verschonung unternehmerischen Vermögens bei unentgeltlichem Übergang Das seit 2009 geltende Erbschaftsteuerrecht geht zurück auf die Entscheidung des BVerfG v. 7.11.2006 1. Das BVerfG hatte seinerzeit entschieden, dass die Besteuerung der erbschaft- und schenkungsteuerrechtlich maßgebenden Bereicherung auf der ersten Ebene einheitlich am gemeinen Wert/Verkehrswert als dem maßgeblichen Bewertungsziel auszurichten ist (Ermittlung der Bemessungsgrundlage). Erst auf einer zweiten Ebene könne der Steuergesetzgeber entscheiden, ob er nach der grds. erfolgenden Steuerbelastung Lenkungsziele verfolgt, bspw. durch unterschiedliche Steuersätze, Freibeträge oder andere Verschonungsregelungen. Mit der Umsetzung dieser Vorgaben sollte insbesondere eine zielgenaue Verschonung bestimmter Vermögenswerte erreicht und u.a. die Begünstigung sog. vermögensverwaltender Personengesellschaften beseitigt werden. Das Zusammenspiel von Verschonung und Verwaltungsvermögen der gesetzlichen Neuregelung durch das ErbStGRG ermöglichte jedoch insbesondere folgende Gestaltungen im Zusammenhang mit Verwaltungsvermögen: 1 BStBl II 2007, 192 4
Übertragung von bis zu 50 % an sich nicht begünstigungswürdigem Verwaltungsvermögen in einer begünstigten Einheit unter Inanspruchnahme der Verschonung, 50 v.h. Grenze für Verwaltungsvermögen Gesichtspunkte, die i.r.d. Gestaltungsspielräume zu beachten sind: Bis zur 50 v.h.-grenze kann im Grundsatz Privatvermögen durch Umstrukturierung in Betriebsvermögen in die Begünstigung (Verschonungsabschlag 85 v.h.) einbezogen werden; um jedoch junges Verwaltungsvermögen zu vermeiden, ist insbesondere bei einer Zuführung aus dem Privatvermögen eine langfristige Steuerplanung erforderlich. Bei zu hohem Verwaltungsvermögen kann dessen Reduzierung erfolgen. Hierbei gibt es anders als bei Zuführung von Verwaltungsvermögen keine Vorbesitzzeit von Verwaltungsvermögen, in der nicht mehr vorhandenes Verwaltungsvermögen fiktiv dem vorhandenen hinzugerechnet wird. steuerfreie Übertragung von Geldvermögen in beliebiger Höhe als Vermögen einer Gesellschaft, Einsatzmöglichkeiten cash-gmbh 5
Strukturierung von schädlichem Verwaltungsvermögen mit der Folge einer begünstigten Übertragung. Kaskadenmodell Veräußerungsmodell O-GmbH GmbH I 240 240 vorher: VV M-GmbH 120 120 T-GmbH 60 60 nachher: GmbH I GmbH II KP-Ford VV KP-Verb. E-GmbH 30 30 6
B. Verfassungsrechtliche Bedenken des BFH Dieses neue Verschonungskonzept des ErbStRefG 2009 für unternehmerisches Vermögen unterlag bereits seit seiner Verabschiedung verfassungsrechtlichen Bedenken. Mit seinem Vorlagebeschluss hat der BFH diese nunmehr in aller Deutlichkeit aufgegriffen. 2 Er hält 19 Abs. 1 i.v.m. 13a, 13b ErbStG in der im Jahr 2009 geltenden Fassung wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG für verfassungswidrig. Dies beruht darauf, dass die in 13a und 13b ErbStG vorgesehenen Steuervergünstigungen nicht durch ausreichende Sach- und Gemeinwohlgründe gerechtfertigt sind und einen verfassungswidrigen Begünstigungsüberhang aufweisen. Die Verfassungsverstöße führen teils für sich allein, teils in ihrer Kumulation zu einer durchgehenden, das gesamte Gesetz erfassenden verfassungswidrigen Fehlbesteuerung, durch die Steuerpflichtige, die die Vergünstigungen nicht beanspruchen können, in ihrem Recht auf eine gleichmäßige, der Leistungsfähigkeit entsprechende und folgerichtige Besteuerung verletzt werden. Im Kern stellt der BFH darauf ab, dass die Begünstigung von Betriebsvermögen eine verfassungswidrige Überprivilegierung darstelle, da sie nicht durch ausreichende Gemeinwohlgründe gerechtfertigt sei und zwar unter zwei Gesichtspunkten: I. Verfassungswidriger Begünstigungsüberhang bei Verwaltungsvermögen Die gesetzlichen Regelungen zum Verwaltungsvermögen ermöglichen es, durch rechtliche Gestaltung nicht betriebsnotwendiges Vermögen in unbegrenzter Höhe ohne bzw. mit lediglich geringer Steuerbelastung zu erwerben, und zwar ohne Gemeinwohlbindung und Gemeinwohlverpflichtung. Auch insoweit fehle es insbesondere an einer zielgenauen Ausgestaltung der Begünstigungswirkung, da es an einer sachgerechten Abgrenzung zwischen zu begünstigendem Betriebsvermögen und nicht begünstigungswürdigem weil weitgehend risikolosem Betriebsvermögen fehle. 2 BFH v. 27.9.2012 II R 9/11, DStR 2012, 2063 = ZEV 2012, 599 m. Anm. Hannes; hierzu Thonemann-Micker, DB 2012, 2538 7
Verfassungswidriger Begünstigungsüberhang bei Verwaltungsvermögen 50 %-Grenze für unschädliches Verwaltungsvermögen = keine zulässige Typisierung Geldforderungen als Verwaltungsvermögen ( cash-gmbh ) = i.d.r unabhängig von Lohnsumme/Behaltensregeln Umwandlung von Verwaltungsvermögen = Veräußerungsmodell / Kaskadenmodell 1. 50 %-Grenze für unschädliches Verwaltungsvermögen Es widerspricht Art. 3 GG, dass bei der Regelverschonung Privatvermögen, das an sich der vollen Besteuerung unterliegen würde, nach Einlage in das Betriebsvermögen als nicht betriebsnotwendiges Vermögen von der Begünstigung erfasst wird. Insoweit liege auch keine zulässige Typisierung vor, denn es sei nicht erkennbar, dass Betriebe z.b. aus Gründen der Liquidität, Kreditabsicherung oder Eigenkapitalstärkung typischerweise bis zu 50 % Verwaltungsvermögen i.s.d. 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG haben müssen. 2. Geldforderungen als Verwaltungsvermögen Da Geldforderungen (Sichteinlagen, Sparanlagen, Festgeldkonten, Kundenforderungen) nicht zum Verwaltungsvermögen gehören, kann ein GmbH- Anteil, dessen Vermögen ausschließlich aus solchen Forderungen besteht, ggf. voll steuerfrei erworben werden; zudem komme es in diesen Fällen wegen fehlender Arbeitnehmer auf die Einhaltung der Lohnsumme bzw. Erhaltung von Arbeitsplätzen nicht an. Diese häufigen Gestaltungen z.b. sog. Cash-GmbH werden auch durch die Behaltensregelungen nicht wesentlich erschwert, da etwa Ausschüttungen und Entnahmen bis zu 150.000 Euro höher sein können als Gewinne und Einlagen und nur 8