Der Lebensraum von Quantenteilchen Michael Eder - Vortrag bei PRO SCIENTIA, Graz am 17.04.2018 Einführung: Die Quantenmechanik gilt als eine der erfolgreichsten Theorien der Physik. Sie ist tatsächlich derartig erfolgreich, dass sie heute von nahezu allen Physikern als die fundamentale Theorie akzeptiert wird, die den physikalischen Prozessen zu Grunde liegt. Kein Mensch ist dazu im Stande, sie wirklich anschaulich zu verstehen, und dennoch ist sie in zahlreichen Experimenten bestätigt bzw. nicht widerlegt worden. Sie ist eine allgemeine Theorie, die alle Quantenphänomene, angefangen mit der Strahlung des Schwarzen Körpers bis hin zum Verhalten von Atomen und Molekülen, umfasst. Durch ihre Vorhersagen wurden viele praktische Instrumente (z.b. der Laser) ermöglicht und sie ist Voraussetzung für den technologischen Fortschritt unserer Zeit. Das Ziel dieses Vortrags ist, zu verdeutlichen in welchen physikalischen Dimensionen sich die Natur nun derartig speziell verhält und so andersartig ist, als die Welt, die wir täglich beobachten. Was ist der Lebensraum dieser Quantenteilchen und wie sind diese beschaffen, bzw. verhalten sie sich? Geschichtliche Entwicklung: Die Physik am Ende des 19. Jahrhunderts konnte mit Stolz auf erfolgreiche vergangene hundert Jahre zurückblicken. Es war gelungen eine konsistente Theorie zu Elektrizität und Magnetismus aufzustellen: die Elektrodynamik. Man hatte Wissen über die Thermodynamik erlangt, und die von Newton begründete Mechanik wurde mathematisch weitgehend vollständig ausgearbeitet. Um zu verstehen, warum eine Quantentheorie notwendig wurde, ist es unerlässlich ein paar Grundprinzipien bzw. Erkenntnisse der klassischen Physik zu verstehen. Zu aller erst ist es notwendig, aber auch sehr intuitiv, zwischen zwei physikalischen Erscheinungsformen zu unterscheiden: Welle und Teilchen In der klassischen Physik gibt es Teilchen. Ein Teilchen ist an einem festen Ort und hat einen festen Impuls. Einem Teilchen kann man Masse und Ladung zuschreiben. Wenn ein Ort bereits von einem Teilchen besetzt wird, dann kann sich dort kein anderes Teilchen aufhalten. Zusätzlich gibt es Wellen, z.bsp. Wasserwellen, Schallwellen oder elektromagnetische Wellen (Licht). Eine Welle ist nicht an einen Ort fest gebunden. Sie kann als eine sich räumlich und zeitlich ausbreitende Veränderung betrachtet werden. Eine Welle kann keine Materie transportieren, aber Energie. Das unterscheidet sie grundlegend vom Prinzip des Teilchens.
Ein wesentliches Prinzip von Wellen, ist das Prinzip der Überlagerung. Mehrere Wellen können sich gegenseitig überlagern und es gibt sogenannte Interferenz-Effekte. In der nachfolgenden Abbildung kann man beobachten, wie sich zwei radial-ausbreitende Wellen überlagern. Wenn zwei Wellenberge zur selben Zeit am gleichen Ort sind, verstärken sie sich. Wenn ein Wellental und ein Wellenberg mit der gleichen Amplitude sich überlagern, dann löschen sie sich aus. Eine wesentliche Erkenntnis der klassischen Physik ist zum Beispiel, dass eine beschleunigte Ladung (also ein Teilchen) Energie in Form von elektromagnetischer Strahlung (also einer Welle) aussendet. Dieser Effekt wird zum Beispiel für Radiosender genutzt. Man wusste zu Ende des 19. Jahrhunderts auch, dass es elektromagnetische Wellen in ganz unterschiedlichen Wellenlängen bzw. Frequenzen gibt. So gibt es zum Beispiel das Radiosignal mit einer langen Wellenlänge, Wärmestrahlung (Infrarot), sichtbares Licht und Röntgenstrahlen (kurze Wellenlänge). Probleme der klassischen Physik: Zu einem Problem der Physik wurde es allerdings, als man versuchte die Intensität der Strahlung eines Schwarzen Körpers mathematisch zu beschreiben. Wie wir täglich erfahren, geben Körper Strahlung ab, wenn man sie erwärmt, z.b. Heizkörper (Infrarot-Strahlung), glühender Eisenstab, Heizelement in einem Toaster, Draht in der Glühlampe. Dabei wird elektromagnetische Strahlung in vielen Wellenlängenbereichen abgegeben. Die Intensitätsverteilung ändert sich aber mit der Temperatur. Es war bis 1900 nicht möglich in einer mathematisch konsistenten Theorie zu beschreiben, dass sich die Intensität so verhält, wie man sie misst. (Siehe Abbildung) Erst im Jahr 1900 gelang es Max Planck, einem deutschen theoretischen Physiker, ein mathematisches Gesetz zu formulieren: Die Plancksche Strahlungsformel. Dabei benutzte er allerdings einen mathematischen Kunstgriff. Planck behauptete, dass die Strahlung von einem Körper nicht kontinuierlich abgegeben wurde, sonder in kleinen Energiepaketen. Wie wir aus der Elektrodynamik wissen, gibt ein geladenes Teilchen Strahlung ab, wenn es beschleunigt wird, also zum Beispiel schwingt. Max Planck formulierte sein Strahlengesetz nun so, dass diese molekularen Schwingungen in einem erhitzten Körper diskret sind und nicht kontinuierlich.
Man kann sich das so vorstellen: Wenn man eine Gitarrensaite anschlägt und dann die Saitenlänge mit dem Finger auf dem Griffbrett verkürzt, änder sich die Saitenlänge und damit auch die Wellenlänge der Schwingung. Man kann die Saitenlänge kontinuierlich mit dem Finger verkürzen. Bei einem Klavier werden auch Saiten angeschlagen, allerdings sind die Schwingungslängen diskret. Max Planck quantisierte die Schwingungsenergie in Portionen E = n h f. Einer neuen physikalischen Naturkonstante, dass wir heute Planck sches Wirkungsquantum nennen, multipliziert mit der Frequenz der Schwingung/Welle. (n ist eine ganzzahlige Zahl) Das war die Geburt der Quantentheorie. Man muss allerdings dazusagen, dass diese Quantenhypothese in der Welt der Physik als rein mathematisches Hilfsmittel betrachtet wurde und nicht als große Revolution. Fünf Jahre später verallgemeinerte aber ein gewisser Albert Einstein im Jahr 1905, seinem Annus mirabilis, die Quantenidee. Zum Annus mirabilis: Im Jahr 1905 veröffentlichte Einstein neben seiner Dissertation drei bahnbrechende Arbeiten: Die Erklärung der Brown schen Bewegung, den photoelektrischen Effekt (Nobelpreis), und die spezielle Relativitätstheorie mit der berühmten Formel zur Masse-Energie- Äquivalenz. Einstein stellte die Photonentheorie des Lichtes auf. Er behauptete, dass Licht, also elektromagnetische Wellen, nicht bloß eine Welle sei, sondern auch Teilcheneigenschaften besitze. Licht tritt in diskreten Energiepaketen, sogenannten Photonen, auf. So wie nach Max Planck ein Strahler Licht in diese Energiepaketen abgibt, so besitzt das Lichtteilchen dann exakt die Energie E = h f. Ein Körper kann wiederum nur diskrete Energieportionen, also Lichtteilchen, aufnehmen. Zur Überprüfung dieser Theorie schlug Einstein einen Versuch vor: Um den Photoelektrischen Effekt zu beobachten bestrahlt man eine Metallplatte mit Licht einer bestimmten Wellenlänge bzw. Frequenz. Die Lichtteilchen können Elektronen aus der Metallplatte herausschlagen, wenn sie genügend Energie besitzen. Vor Einsteins Quantenhypothese dachte man, dass eine Lichtwelle mehr Energie hat, wenn sie eine höhere Intensität hat. Umgangssprachlich würde man sagen, dass das Licht heller sei. Dementsprechend würden erst Elektronen herausgeschlagen werden, wenn das Licht intensiv genug ist. Einstein aber konnte zeigen, dass erst Elektronen aus der Metallplatte geschlagen wurden, wenn das Licht eine bestimmte Frequenz besitzt. Ein Elektron kann als auch von einem einzigen Photon herausgeschlagen werden, es muss nur die nötige Energie besitzen, aber die Intensität (Anzahl
der Elektronen) ist nicht wichtig. Dies war der Beweis dazu, dass Licht ein Teilchen sei, dass eine diskrete Energie besitzt. E = h f Welle-Teilchen-Dualismus: Man stand also vor einem Problem: Einerseits konnte man seit langer Zeit zeigen, dass Licht Welleneigenschaften besitzt, da man Interferenzerscheinungen oder Beugung beobachten konnte. Andererseits sagte Einstein nun, dass Licht auch ein Teilchen sei. Was ist Licht nun? Eine Welle oder ein Teilchen? Bisher gab es in der klassischen Physik entweder Welle, oder Teilchen, aber nicht beides gleichzeitig. Licht hat aber offenbar beide Eigenschaften. Je nach Experiment kann man es mit einer der beiden Theorien erklären. Aber die Natur des Lichtes ist komplexer, für uns nicht vorstellbar. Wir können uns keine Kombination aus Welle und Teilchen vorstellen. Welle und Teilchen sind zwei Gesichter, wie sich Licht den Experimentatoren zeigt, deshalb spricht man vom Welle-Teilchen-Dualismus. Es scheint, als ob die wirkliche Natur des Lichtes nicht visualisierbar sei. Die Welt der Quantenphysik verhält sich also anders, als die von uns beobachtete makroskopische Welt. Einige Jahre später konnte vom französischen Physiker De-Broglie sogar gezeigt werden, dass auch jedem Teilchen Welleneigenschaften zugeschrieben werden können. Diese Welleneigenschaften von Materie kann man aber im Alltäglichen nicht beobachten, weil der Impuls der makroskopischen Objekte so groß ist, dass die Wellenlänge so klein ist, dass keine Interferenz beobachtet werden kann. Um Interferenzeffekte zu beobachten, darf ein Spalt die Wellenlänge nicht wesentlich überschreiten. Einfaches Beispiel: Eine Kugel mit 0,20 kg und einer Geschwindigkeit von 54 km/h hat eine Wellenlänge von 2,2 10 34 m. Diese Wellenlänge ist so klein, dass keine typischen Wellenphänomene wie Beugung oder Interferenz beobachtet werden können. Anders verhält sich das aber bei Elementarteilchen, z.bsp. Elektronen. Darum lautet der Name meiner Präsentation auch Lebensraum von Quantenteilchen. Quantenphänomene sind ausschließlich in der mikroskopischen Welt beobachtbar. Wenn ein Elektron durch eine Spannung von 100 V beschleunigt wurde, beträgt seine Wellenlänge 1,2 10 10 m. Das ist ungefähr der Abstand, in dem sich die Atome zueinander in einem Kristall befinden (Atomabstand.) Man kann daher bei Elektronen die klassischen Wellenphänomene beobachten. Nur wegen dieser Welleneigenschaft von Elektronen ist es möglich, zum Beispiel ein Elektronenmikroskop zu bauen. Bohrsches Atommodell: Ein weiteres ungelöstes physikalisches Problem zu Ende des 19. Jahrhunderts war das Atommodell. Verschiedene Experimente haben vermuten lassen, dass es Atome gibt, mit einem positiv geladenen Kern und negativ geladenen Elektronen, die den Kern umkreisen. Eine beschleunigte Ladung müsste allerdings elektromagnetische Strahlung emittieren und würde somit in den Kern stürzen. Die Beobachtung zeigte aber, dass Atome stabil waren und nicht grundsätzlich ständig Strahlung emittierten. Der dänische Physiker Niels Bohr postulierte, dass es stabile Elektronenbahnen gibt, die keine Strahlung aussenden. Diese Bahnen sind nicht beliebig, sondern existieren wiederum nur
quantisiert. (Der Drehimpuls ist quantisiert.) Wenn ein Elektron von einer höheren Bahn in eine niedrigere springt, dann wird die Energiedifferenz dieser Bahnen in Form von EM-Wellen (Photonen) abgegeben. Wenn man sich Elektronen nun wiederum als Wellen vorstellt (De-Broglie-Wellenlänge), dann sind die stabilen Elektronenbahnen gleichzusetzen mit stehenden zirkularen Wellen. Allerdings konnte weiterhin nicht erklärt werden, warum diese von Bohr postulierten Bahnen stabil sind. Man benötigt also eine neue Theorie: Die Quantenmechanik Die Quantenmechanik: Das Bohrsche Atommodell war eine Mischung aus klassischer Physik und Quantentheorie, und passte mit den experimentellen Ergebnissen zum Wasserstoff Atom in exzellenter Weise überein. Das Modell versagte aber bereits beim nächst komplizierteren Atom, dem Helium-Atom. Weiters konnte nicht erklärt werden, warum gewisse Spektrallinien heller waren und wie die Bindung zwischen den Atomen funktionierte. Darüberhinaus stehen Wellen- und Teilcheneigenschaften weiterhin nebeneinander. Sie sind nicht in einer Theorie vereinheitlicht. Im Jahr 1925 entwickelten der deutsche Physiker Werner Heisenberg und der österreichische Physiker Erwin Schrödinger unabhängig voneinander eine neue Theorie: Die Quantenmechanik Die Quantenmechanik vereinheitlicht den Welle-Teilchen-Dualismus zu einer einzigen mathematischen konsistenten Theorie. Es wird nun statt Teilchen oder Welle die Wellenfunktion Ψ eingeführt. Dies wird auch als Zustand bezeichnet. Im Falle messebehafteter Teilchen kann man sich das nun als Materiewelle vorstellen. Die Wellenfunktion ist die die Auslenkung (Amplitude) als Funktion von Ort und Zeit. Wenn man das Betragsquadrat dieser Wellenfunktion Ψ bildet erhält man die Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Wellenfunktion. Diese Aufenthaltswahrscheinlichkeit bezieht sich wiederum auf die Teilcheneigenschaften. Ψ(r, t) 2 : gibt als Funktion von Ort und Zeit die Wahrscheinlichkeit dafür an, das Elektron am gegebenen Ort zur gegebenen Zeit zu finden. Eine weitere wesentliche Eigenschaft der Quantenmechanik ist, dass zwischen Zustand (Wellenfunktion) und Messgröße (z.bsp. Ort, Impuls oder Energie) unterschieden werden muss. Das lässt sich am einfachsten an Hand des Doppelspalt-Experimentes erklären.
Das Doppelspalt-Experiment: Beim Doppelspalt Experiment mit Elektronen oder Licht werden Quantenteilchen auf einen Doppelspalt geschossen. An einem Schirm beobachtet man anschließend ein Interferenz-Muster, wie wenn eine Welle auf den Doppelspalt treffen würde. An diesem Versuch kann man sehen, dass sich Quantenteilchen nicht deterministisch verhalten, sondern probabilistisch. Die klassische Physik hält sich an die Regeln des Determinismus. Wenn man den Ort und den Impuls eines Teilchens kennt, weiß man, wo es sich nach einer bestimmten Zeit befinden wird. Bei Quantenteilchen ist dies nun anders. Sie unterliegen den Regeln der Statistik. Es gibt eine gewisse Wahrscheinlichkeit ein Teilchen anzutreffen. Am Interferenz-Muster sieht man, dass ein Teilchen an ganz unterschiedlichen Stellen am Schirm gemessen wird. Auf Grund der Welleneigenschaften der Quantenteilchen interferieren diese miteinander und man kann dieses Interferenz-Muster beobachten. Auch wenn die Teilchen gleich präpariert auf den Doppelspalt geschossen werden, gibt es unterschiedliche Aufprallorte und diese unterliegen einer Statistik. Es ist sogar möglich, dass nur ein einzelnes Elektron auf den Doppelspalt geschossen wird und dieses mit sich selbst interferiert, also durch beide Spalten gleichzeitig geht. Das bedeutet nun in der Quantenmechanik: Wie vorhin schon angesprochen wird zwischen Zustand und Messgröße unterschieden. Der Zustand bzw. die Wellenfunktion beschreibt, dass das Teilchen durch beide Spalten gehen kann. Man spricht von einer Superposition von Eigenzuständen. Wenn man nun ermitteln will, durch welche Spalte das Teilchen geht, es also misst, beeinflusst man diesen Zustand. Die Messgröße ist zum Beispiel, dass das Teilchen durch den 1. Spalt geht, weil man es dort misst. Ab dem Zeitpunkt, wo es allerdings gemessen wurde, kann man keinen Interferenz-Effekt am Schirm mehr beobachten. Die Messung beeinflusst also den Zustand.
Heisenberg sche Unschärferelation bzw. Unbestimmtheitsprinzip Wenn man nun den Ort des Teilchens misst, überträgt man gleichzeitig Impuls auf das Teilchen und man kann nicht mehr wissen, wo es sich kurz nach dem Messen befinden wird. Es ist in der Quantenphysik prinzipiell unmöglich sowohl Ort als auch Impuls gleichzeitig beliebig genau zu messen. Es klingt nun aber so, als ob diese Unschärfe ausschließlich durch das Messen entstehen würde. Tatsächlich gibt es aber diese Unschärfe auf Grund des Welle-Teilchen-Dualismus. Wenn man ein Elektron beliebig genau an einem Ort messen will, dann betrachtet man es ausschließlich als Teilchen und kann daher seinen Impuls nicht messen, weil man die wahre Natur nicht beachtet. Auf Grund des Welle-Teilchen-Dualismus ist die Unschärfe eine inhärente Eigenschaft der Quantenteilchen. Es gibt immer eine Fluktuation bzw. eine Unbestimmtheit. Das ist der Grund, warum das Elektron nicht in den Kern stürzt. Würde sich das Elektron genau beim Kern befinden, ist seine Geschwindigkeit unbestimmt. Wäre diese nicht der Fall, würde es einfach in den Kern stürzen und die Geschwindigkeit (in diesem Fall Null) und der Ort wären gleichzeitig bestimmt. Genau das ist aber nach den Regeln der Quantenmechanik nicht erlaubt. Dies Unbestimmtheit gilt nicht nur für Ort und Impuls sonder auch für Energie und Zeit. Für eine sehr kurze Zeit kann daher auch die Energieerhaltung verletzt werden. Es können aus dem Vakuum Teilchen entstehen und wieder verstrahlen und verschwinden. Heisenberg aber hat gezeigt, dass die Unschärfe aber immer auf begrenzt ist. h /2π