Epidemiologie 3. Thomas Kohlmann Maresa Buchholz. Institut für Community Medicine Abteilung Methoden Universitätsmedizin Greifswald

Ähnliche Dokumente
Hinweis: Runden Sie wenn möglich, auf zwei Stellen nach dem Komma!

Epidemiologie 10. Thomas Kohlmann Maresa Buchholz. Institut für Community Medicine Abteilung Methoden Universitätsmedizin Greifswald

Medizinische Biometrie (L5)

Früherkennung im Kindes- und Jugendalter

Diagnostische Verfahren

Was bedeutet p<0.05?

Ist gut gemeint auch gut gemacht? Chancen und Grenzen von Screening-Programmen

Täuschung und Manipulation mit Zahlen

Diagnostische Tests Über den Umgang mit Risiken

Vorlesung - Medizinische Biometrie

Epidemiologie und HIV-Tests

Bitte lesen Sie die folgende Musteraufgabe konzentriert durch. Musteraufgabe I

Südtiroler Akademie für Allgemeinmedizin. Seminar

2. Übung Diagnostik. Ein erfundenes Beispiel (H.P.Beck-Bornholt und H.-H.Dubben)

Analyse kategorieller Daten

Prostatakrebs. Vorsorge mit dem PSA-Test. Das Labor an Ihrer Seite

Chancen und Risiken der digitalen Gesundheitsversorgung: Diagnose vor Therapie und Abwägung vor Versand

Täuschung und Manipulation mit Zahlen Teil 1

MaReCum Klausur in Biomathematik WS 2006 / 2007 Freitag, den 27. Oktober 2006

Um diese Begriffe (Sensitivität, Spezifität, prädiktive Werte etc.) geht es im Folgenden!

Die Früherkennungsuntersuchungen. Das Plus. für Ihre Gesundheit

Seminar Diagnostik L5

Schilddrüsen-Ca- Screening

Statistical Coaching. Thomas Forstner

Wie ist die Datenlage zur Früherkennung des Prostatakarzinoms

Prüfung nicht bestanden. Die gleiche Tabelle kann man auch mit den entsprechenden Wahrscheinlichkeiten (relative Häufigkeit) erstellen.

Prostatakrebsvorsorge im Fokus

Früherkennung und Diagnostik

PSA Screening Sinn oder Unsinn? Prof.Dr.Rüdiger Heicappell Asklepios Klinikum Uckermark Schwedt

Welche Präventionsangebote gibt es?

Klausur in Epidemiologie SS 2006 Freitag, den 14. Juli 2006

Akademie für Sozialmedizin M-V Epidemiologie Thomas Kohlmann Institut für Community Medicine Universität Greifswald

EXPERTEN-MEETING Mammographie-Screening

Muss Mann zur Früherkennungsuntersuchung?

Einführung in die Sozialepidemiologie

PSA? PSA ist ein von der Prostata gebildeter Eiweißkörper. auch bei gesunden Männern vorhanden.

lyondellbasell.com Prostatakrebs

VORLESUNG ALLGEMEINMEDIZIN. Auswahl Folien Früherkennung

WIE SICHER IST DIE DIAGNOSE?

EVIDENZ KOMPAKT. PSA-Test zur Früherkennung von Prostata-Krebs

Welche Hinweise liefern aktuelle Daten und Fakten zur Männergesundheit?

Krebsvorsorge für den Mann

Ätiologie und Risiko SS2010 Seminar Tag 2

NATIONALE STRATEGIE PRÄVENTION NICHTÜBERTRAGBARER KRANKHEITEN. Im Rahmen von:

Prävention III Gesundheitsförderung

EbM-Splitter 10 Sensitivität und Spezifität: Auswirkung der Wahl des Trennpunktes

Ursachen gefühlter Risiken

Bearbeiten Sie bitte das Fallbeispiel A. Fallbeispiel A

Einführung in die Sozialepidemiologie

Der Hund, der Eier legt

Athanasios Makristathis. Klinische Abteilung für Mikrobiologie Klinisches Institut für Labormedizin

med. Fakultät der Universität Bonn Vorlesung Medizinische Soziologie Ralf Reiche

Aussagekraft von Anamnese, körperlicher Untersuchung und EKG in der Diagnostik der KHK. Eine systematische Übersichtsarbeit.

Mammographie-Screening in der Diskussion um Nutzen und Schaden: Was glauben wir und was wissen wir über den Nutzen?

Früherkennung und Diagnostik

Brustkrebs Screening mittels Mammographie : Contra oder «a case for reasonable doubts»

PROSTATA (C61) SITUATION IN DEUTSCHLAND SITUATION IN RHEINLAND-PFALZ

Bitte lesen Sie die folgende Musteraufgabe konzentriert durch. Musteraufgabe I

PROSTATA (C61) SITUATION IN DEUTSCHLAND SITUATION IN RHEINLAND-PFALZ

Südtiroler Akademie für Allgemeinmedizin. Brustschmerzen: ein häufiges Symptom in der Allgemeinpraxis

Früherkennung von Tumoren

Systematik der SFA. Nationale Fachtagung «Worauf basiert die Suchtprävention?» 24. Mai Jacqueline Sidler Leiterin der Präventionsabteilung

Screeningmaßnahmen - klinische Beispiele

Medizinische Entscheidungstheorie

Wichtige Aspekte der Qualitätskontrolle in der Infektionsserologie. Ilka Richert, Bio-Rad Laboratories GmbH

VTF Ausbildung B-Lizenz (kompakt)

Die Mutterschaftsrichtlinien als Früherkennungsprogramm: Eine evidenzbasierte Bewertung der Untersuchungen

Leistungen zur Früherkennung von Krankheiten

Faktenbox Brustkrebs-Früherkennung durch Mammographie

Inhalt. I Aufgaben 1. 2 Statistische Methoden Lage- und Streuungsmaße Kindersegen MorbusCrohn 15

Für das Leben stark machen. Ihre Vorsorge, Prävention und finanzielle Soforthilfe bei Krebs

Früherkennung des Prostatakarzinoms in der hausärztlichen Praxis

Factsheet Vorsorgemodell des G-BA Co-Testung

Fakten zu Prostatakrebs

Screening und Überleben

Bedingte Wahrscheinlichkeiten & Unabhängigkeit

Krebs im Wallis 2016

Prinzipien der klinischen Epidemiologie

Bedingte Wahrscheinlichkeiten & Unabhängigkeit

Diagnostikstudien. Dr. Dirk Hasenclever IMISE, Leipzig.

BipoLife A DGBS Jahrestagung, 17. September Dipl.-Psych. Jana Fiebig, Charité Universitätsmedizin Berlin

VII. Inhalt. Vorwort...

Nutzen einer diagnostischen Tests in der Praxis: prädiktive Werte

Diagnostisches Vorgehen bei Leberraumforderungen. H. Diepolder

Bewertung diagnostischer Tests

Medizinische Entscheidungstheorie. Stiftungslehrstuhl Health Economics

ifobt, PSA und HKS: der heilige Gral der Früherkennung practica 2018: Kurs 159 ifobt, PSA, HKS:

Medizinische Psychologie. Bewertung wissenschaftlicher Ergebnisse, Evidenzbasierte Medizin, Anwendung statistischer Information

Qualität der Gesundheitsinformation für Bürger und Patienten. Gerd Gigerenzer. Max-Planck-Institut für Bildungsforschung Berlin

Mathematik EP - Stochastik VIERFELDERTAFEL UND BAUMDIAGRAMM

Gutes RCT? Krebsfrüherkennungs. herkennungs- programme schaden, manche können. Alle. Alle

3.3.1 Referenzwerte für Fruchtwasser-Schätzvolumina ( SSW)

Früherkennung findet oft Krebsgewebe, das nie Beschwerden verursacht hätte. Prostatakrebs: PSA-Test kann auch schaden

Vorsorgemedizin mehr Schaden als Nutzen? Ingrid Mühlhauser Gesundheitswissenschaften Universität Hamburg

Diabetes Surveillance am RKI Konzept und aktuelle Daten

Diagnose Krebs - und nun?

Transkript:

Epidemiologie 3 Thomas Kohlmann Maresa Buchholz Institut für Community Medicine Abteilung Methoden Universitätsmedizin Greifswald

Wiederholung Von 2.872 Personen, die als Kinder wegen einer vergrößerten Thymusdrüse eine Strahlentherapie erhalten hatten, entwickelte sich bei 52 Personen ein benigner Schilddrüsentumor. In einer Vergleichsgruppe befanden sich 5.055 Kinder, die diese Behandlung nicht erhalten hatten. Im Laufe der Nachuntersuchungsphase entwickelte sich in der Vergleichsgruppe bei 6 Personen ein benigner Schilddrüsentumor. 1) Stellen Sie den Sachverhalt in einer Vierfeldertafel dar! 2) Berechnen Sie das relative Risiko! 2

Benigner Schilddrüsentumor Ja Nein Strahlentherapie Ja Nein 52 2.820 2.872 6 5.049 5.055 RR= 15 58 7.869 7.927 3

Merke Odds Ratio ist ein nützliches Zusammenhangsmaß, sowohl in Fall-Kontroll-Studien als auch in prospektiven Studien In Kohortenstudien kann das relative Risiko direkt berechnet werden Bei einer Fall-Kontroll-Studie kann das RR nicht direkt berechnet werden, so dass OR verwendet wird Das OR stellt bei seltenen Erkrankungen eine gute Annäherung an das RR in Fall-Kontroll-Studie dar 4

5 Prävention & Screening

Verhalten Umwelt Psychosoziale Faktoren Gesundheitsversorgung Erkrankung Heilung Bestehen Tod Krankheit vermeiden Gesundheit fördern 6

Risikofaktoren Verhalten Umwelt psychosoziale Faktoren Gesundheitsversorgung - Krankheit, Mortalität Protektive Faktoren z.b. soziale Unterstützung aktive Bewältigung + 7

Prävention und Gesundheitsförderung Prävention Ist die gezielte Verhütung bestimmter Krankheiten. Gesundheitsförderung Ist die generelle Stärkung der Gesundheitsressourcen durch Verbesserung des Gesundheitsverhaltens, der Gesundheitskompetenz und der gesundheitsrelevanten Lebensbedingungen Pathogenetischer Ansatz salutogenetischer Ansatz 8

9

Stufen der Prävention Primär- Prävention Sekundärprävention Tertiärprävention gesund präklinische Phase manifeste Erkrankung gesund Früherkennung Mit Sicherheit verliebt Verhaltensprävention Koronarsportgruppe nach Herzinfarkt Mammographie-Screening Aktion Gesunde Hochschule Verhältnisprävention 10

Jordan S, von der Lippe E (2012) Angebote der Prävention Wer nimmt teil? Hrsg. Robert Koch-Institut Berlin, GBE kompakt 3(5) www.rki.de/gbe-kompakt (Stand: 28.11.2012) 11

12 Leistungen der GKV

Früherkennungsuntersuchungen der gesetzlichen Krankenversicherung auf einen Blick 13

Teilnahme an Krebsfrüherkennungsuntersuchungen Abb.: Teilnahme an gesetzlichen Krebsfrüherkennungsuntersuchungen 2013 14 Quelle: Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland (2013)

Quelle: n-tv.de Quelle: spiegel.de 15

16 WHO-Kriterien (Wilson & Jungner, 1968): 1. Krankheit ein wichtiges Gesundheitsproblem 2. Natürlicher Verlauf gut verstanden 3. Detektierbare prä-klinische Phase 4. Vorteil bei frühem Behandlungsbeginn 5. Geeigneter Screening-Test vorhanden 6. Test ist akzeptabel 7. Konsens über Abstände zwischen Screenings 8. Behandlungsmöglichkeiten vorhanden 9. Nutzen- / Risiken in angemessenem Verhältnis 10. Nutzen- / Kosten in angemessenem Verhältnis

Früherkennungsprogramm 1. Möglichkeit der Frühbehandlung 2. Wirksamkeit und Effizienz 3. Validität Sensitivität Spezifität 17

Diagnostischer Test positiv negativ 18

Diagnostischer Test positiv negativ 19

Diagnostischer Test positiv 3 von 4 (75%) korrekt negativ 4 von 5 (80%) korrekt 20

Diagnose / diagn. Test Brustkrebs Mammographie 90% 73% Prostata-Ca. PSA 46% 91% Diabetes Dipstick 57% 100% H. Pylori Urea Atemtest 98% 100% HIV ELISA 99,9% 99,9% 21

Diagnostischer Test positiv 3 von 4 (75%) korrekt negativ 4 von 5 (80%) korrekt 22

Diagnostischer Test positiv Echt positiv (TP): krank und positives Testergebnis Falsch positiv (FP): nicht krank, aber positives Testergebnis negativ Falsch negativ (FN): krank, aber negatives Testergebnis Echt negativ (TN): nicht krank und negatives Testergebnis 23

PV + / PV - = positiver / negativer prädiktiver Wert D ja nein ja D nein T pos. neg. 3 1 1 4 4 5 T pos. neg. 3 10 1 40 13 41 4 5 Se=3/4=75% Sp=4/5=80% PV + =3/4=75% PV - =4/5=80% 4 50 Se=3/4=75% Sp=40/50=80% PV + =3/13=23% PV - =40/41=98% 24

Aufgabe 1 2.500 Frauen, bei denen ein Adenokarzinom bioptisch gesichert werden konnte, wurden im Rahmen eines Brustkrebs-Screenings körperlich untersucht. In einer Kontrollgruppe von 5.000 Frauen erfolgte ebenfalls eine körperliche Untersuchung. Bei 1.800 Frauen der Fallgruppe waren die körperlichen Untersuchungsbefunde positiv (d.h. es konnte ein Knoten getastet werden), ebenso bei 800 Frauen der Kontrollgruppe, die allesamt in der Biopsie keinen Hinweis auf das Vorliegen eines Krebsgeschwulstes hatten. a) Stellen Sie den Sachverhalt in einer Vierfelder-Tafel dar. b) Berechnen Sie die Sensitivität der körperlichen Untersuchung! c) Berechnen Sie die Spezifität der körperlichen Untersuchung! d) Berechnen Sie den positiven prädiktiven Wert der körperlichen Untersuchung! 25

krank Se= 0,72 Körperliche Untersuchung positiv negativ Ja Nein 1.800 800 2.600 700 4.200 4.900 Sp= 0,84 PV + = 0,69 2.500 5.000 7.500 26

Aufgabe 2 500 Personen, bei denen der Verdacht auf eine Hörstörung vorlag, wurden einer körperlichen Untersuchung und einem Hörtest (Audiometrie) unterzogen. Bei 300 Personen konnte eine Hörstörung festgestellt werden. Die Untersuchungsergebnisse stellten sich wie folgt dar: Körperliche Untersuchung Hörschwäche Ergebnis Vorhanden Nicht vorhanden Positiv 240 40 negativ 60 160 Audiometrie Hörschwäche Ergebnis Vorhanden Nicht vorhanden Positiv 270 60 negativ 30 140 27

Welche Aussage trifft zu? Im Vergleich zu der körperlichen Untersuchung ist der Audiometrietest: 1. Ebenso sensitiv und spezifisch 2. Weniger sensitiv und weniger spezifisch 3. Weniger sensitiv und spezifischer 4. Sensitiver und spezifischer 5. Sensitiver und weniger spezifisch 28

Aufgabe 3 PSA (prostata-spezifisches Antigen) ist ein Test zur Früherkennung von Prostatakrebs. Testergebnisse von unter 4 Einheiten werden als normal beurteilt, Testergebnisse von 4 Einheiten und mehr werden als auffällig gewertet. Allerdings überlappen sich die Testwerte von Männern mit und ohne Prostatakrebs. Wendet man die Grenze von 4 Einheiten an, hat der PSA-Test eine Sensitivität von 80% und eine Spezifität von 80%. Welchen Einfluss hätte die Verschiebung des Grenzwertes von 4 auf 3 Einheiten auf die Sensitivität und die Spezifität des Tests?

Se= 0,25 Sp= 0,9

Se= 0,85 Sp = 0,3

Aufgabe 4 Die Sensitivität eines neuen Tests zur Erkennung der Hepatitis-C- Infektion ist 0,50 und die Spezifität 0,75. Berechnen Sie den positiven prädiktiven Wert des neuen Tests in einer Gruppe von N= 200 Personen mit intravenösem Drogenkonsum, von der bekannt ist, dass die Prävalenz der Hepatitis-C-Infektion 20% beträgt. [Tipp: Konstruieren Sie zunächst eine Vierfelder-Tabelle mit jeweils 100 Erkrankten und 100 Gesunden, in der die angegebene Sensitivität und Spezifität gilt.] 34

Vielen Dank! 35 Thomas.Kohlmann@uni-greifswald.de Maresa.buchholz@uni-greifswald.de