Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF Agroscope Kosten pro kg Milch und der Einfluss der notwendigen Annahmen Daniel Hoop 02.10.2018 www.agroscope.ch I gutes Essen, gesunde Umwelt
EINLEITUNG & METHODIK 2
Einleitung Verschiedene Institutionen, z.b. Benchmarking-Netzwerke berechnen (und publizieren) die Kosten pro kg Milch. BBZN Hohenrain (Schweiz) bal (Büro für Agarsoziologie & Landwirtschaft, Deutschland) EMB (European Milk Board) IFCN (International Farm Comparison Network) Die Kosten können dann z.b. dem Milchpreis gegenübergestellt werden. Auf den ersten Blick trivial, aber Dahinter verstecken sich meist zahlreiche Annahmen, die das Ergebnis massgeblich beeinflussen können. 3
Unklare Kostenzuteilung auf Stufe Betrieb (1/2) Schweizer Betriebe haben fast immer mehrere Betriebszweige. 4.5 = Ø Anz. BZ für Verkehrsmilch-Betrieb, 2013 1,2) 7.7 = Ø Anz. BZ für Verkehrsmilch/Ackerbau B., 2013 1) 6.7 = Ø Anz. BZ für kombiniert Andere inkl. Milch, 2013 1) Beispielbetrieb des Typs «Verkehrsmilch/Ackerbau» 1) ohne Wiesen/Weiden, Silomais, Futterrüben Schweine Milch Weizen Kartoffeln 2) Häufigste Betriebszweige: Milch, Wald, Arbeiten für Dritte, Maschinenvermietung, Futtergetreide, Hecken, Extensive Kulturen, Direktvermarktung, Weizen, Geflügel, Schafe, 4
Unklare Kostenzuteilung auf Stufe Betrieb (2/2) Die Direktkosten sind in ZA-Buchhaltungen den Betriebszweigen zugeteilt. Die Gemeinkosten (v.a. Arbeit, Maschinen, Gebäude) sind aber nur für den gesamten Betrieb bekannt. Bei einem Ø Verkehrsmilch-Betrieb machen die Gemeinkosten aber 78 % der Gesamtkosten aus. Erste Hürde: Totale Kosten des Betriebszweigs «Milchproduktion» berechnen. 5
Schritt 1: Gemeinkostenallokation zu Betriebszweigen Schweinemast Milchproduktion Allokation* Gemeinkosten Erträge, Direktkosten, Gemeinkosten * Hierfür sind üblicherweise zahlreiche Annahmen nötig siehe Lips, M. et al. 2017. Wirtschaftliche Heterogenität auf Stufe Betrieb und Betriebszweig 6
Unklare Kostenzuteilung auf Stufe Betriebszweig Schweizer Milchproduzenten produzieren nie einfach nur Milch. Mögliche Erlöse der Betriebszweige Milchproduktion «Koppelprodukte» Milch Tiere, z.b. Kühe am Lebensende Kälber (nach Geburt, oder gemästet) Jungrinder (zu Zuchtzwecken oder gemästet) Haltegelder (z.b. für Aufzucht fremder Tiere) Milch Kälber Öffentl. Güter Direktzahlungen BTS / RAUS Flächenbezogene Zahlungen («geliefert» über Raufutter) 7
Schritt 2: Kostenallokation zu Milch und Koppelprodukten Schweinemast Milchproduktion Erträge, Direktkosten, Gemeinkosten 8
Allokation* Schritt 2: Kostenallokation zu Milch und Koppelprodukten Schweinemast Milchproduktion «Koppelprodukte» Schweine Milch Kälber Öffentl. Güter * Hierfür ist 1 weitere Annahme nötig. Erträge, Direktkosten, Gemeinkosten, Direkt-/Gemeinkosten 9
Variante 1: Isolation der Kosten von Milch Annahme: Die Kosten für die Produktion der Koppelprodukte sind vernachlässigbar. Kosten Milch Kosten total (des Betriebszweigs) simple Methode 10
Variante 2: Isolation der Kosten von Milch Annahme: Kosten der Koppelprodukte entsprechen den Erlösen der Produktion Isolation der Kosten für Milch Kosten Milch = Kosten total BZ sonstige Erlöse (BZ) «Subtraktions-Methode» (auch «Restwertmethode») BZ = des Betriebszweigs 11
Variante 2: Isolation der Kosten von Milch - verkaufte Tiere - andere Produkte - Direktzahlungen Gewinn Verlust Gesamte Kosten d. Milchvieh-BZ = Kosten der Milchproduktion Einnahmen Einnahmen aus aus Milchverkauf Milchverkauf Szenario 1 Szenario 2 BZ = Betriebszweig 12
Variante 3: Isolation der Kosten von Milch Annahme: Das Verhältnis zwischen den Kosten (von Milch und übrigen Produkten) ist gleich wie das Verhältnis der entsprechenden Erlöse. Isolation der Kosten für Milch Kosten Milch = Kosten total (BZ) Erlöse Milch Erlöse total (BZ) «Verhältnis-Methode» BZ = des Betriebszweigs 13
... Kosten pro kg Milch (1) Kosten Milch [CHF] Menge produzierte Milch [kg] 14
FRAGESTELLUNGEN 15
Fragestellungen Wann macht es überhaupt Sinn, die Kosten für die Milchproduktion zu isolieren? Wie unterscheiden sich die Ansätze zur Isolation der Kosten empirisch? 16
DATEN 17
Panel von 2004 bis 2013 Referenzbetriebe der ZA-BH 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 einzelne Talregion 225 209 214 227 202 216 232 213 192 171 490 Hügelregion 346 353 394 391 355 387 398 386 358 317 825 Bergregion 304 305 318 309 335 336 359 336 303 269 690 Talregion Hügelreg. Bergreg. Landw. Nutzfläche des Betriebs [ha] Tiere (GVE) auf Betrieb Tiere (GVE) in Verkehrsmilch-BZ Anzahl Milchkühe Produzierte Milch [kg Jahr -1 ] VerkaufteMilch [kg Jahr -1 ] Milchleistung [kg Kuh -1 Jahr -1 ] Alle Jahre 21.0 34.3 31.4 27.2 188 786 178 478 6939 2004 19.6 29.6 27.3 23.4 160 026 149 910 6850 2013 22.4 39.3 35.5 31.1 220 603 210 587 7097 Alle Jahre 21.7 29.9 27.7 21.4 141 792 130 186 6626 2004 19.9 25.9 24.3 18.4 119 521 106 974 6509 2013 23.4 33.0 30.4 24.1 161 765 150 111 6719 Alle Jahre 22.7 24.4 22.1 16.6 102 441 92 058 6157 2004 20.0 21.8 20.3 14.7 88 549 77 579 6011 2013 24.7 26.0 23.7 18.0 115 136 105 100 6394 18
Anteil Milch-Erlöse an den gesamten Erlösen des Milchvieh-Betriebszweigs* [%] Dichte Wichtigkeit der Milchproduktion Schwellenwert für die Analyse (1) Vorschlag: Isolation der Kosten für die Milchproduktion nur, wenn Milch / (Milch + sonstige Erlöse*) > 65% Talregion Hügelregion Bergregion Quantil [%] Anteil Milch-Erlöse an den gesamten Erlösen des Milchvieh-Betriebszweigs* * Ohne Direktzahlungen für Raufutterproduktion. 19
Wichtigkeit der Milchproduktion Schwellenwert für die Analyse (2) Vorschlag: Isolation der Kosten für die Milchproduktion nur, wenn Milch / (Milch + sonstige Erlöse*) > 65 % Anteil Betriebe der übrig bleibt für die Analyse Talregion: 95 % Hügelregion: 86 % Bergregion: 72 % In Bergregion für weniger Betriebe sinnvoll, Kosten der Milchproduktion zu isolieren, da diverser. * Ohne Direktzahlungen für Raufutterproduktion. 20
Verteilung der Kostenschätzungen RESULTATE 21
Geschätzte Kosten [CHF/kg] Jahre 2004-2013 Kosten pro kg Milch - Verteilung Tal Hügel Berg dairy Subtr. ratio dairy Subtr. ratio dairy Subtr. ratio simpel 'Subtr.' Verh.' simpel 'Subtr.' 'Verh.' simpel 'Subtr.' 'Verh.' Mittelwert 1.42 1.02 0.86 1.66 1.10 0.87 2.10 1.26 0.89 Kosten 75% pro kg Milch 1.57und der Einfluss 1.15 der notwendigen 0.94 Annahmen 1.88 Agrarökonomie-Tagung 1.27 0.96 Agroscope 2.43 2018 1.51 0.99 Daniel Median Hoop, Agroscope 1.33 0.95 0.83 1.60 1.04 0.85 1.98 1.17 0.86 25% 1.18 0.82 0.75 1.38 0.86 0.74 1.68 0.93 0.75 75%-25% 0.39 0.33 0.19 0.50 0.41 0.22 0.75 0.58 0.25 22
Kosten pro kg Milch - Kommentare Simple Methode natürlich am höchsten, da diese Methode alle Kosten in Zusammenhang mit der Milchproduktion auf die produzierte Menge Milch bezieht. Verhältnis-Methode im Vergleich zu Subtraktions-Methode Tiefere Kosten-Schätzung Kleinere Streuung innerhalb der Jahre Teilweise grosse Sprünge zwischen Jahren Die Heterogenität aller Kostenschätzungen nimmt zu von der Tal- zur Bergregion 23
Geschätzter kalkulatorischer Gewinn [CHF/kg] Kalk. Gewinn pro kg Milch - Verteilung Tal Hügel Berg dairy Subtr. ratio dairy Subtr. ratio dairy Subtr. ratio simpel 'Subtr.' 'Verh.' simpel 'Subtr.' 'Verh.' simpel 'Subtr.' 'Verh.' Mean -0.37-0.37-0.22-0.47-0.47-0.24-0.63-0.63-0.26 Kosten 75% pro kg Milch -0.16und der Einfluss -0.16 der notwendigen -0.10 Annahmen -0.23 Agrarökonomie-Tagung -0.23-0.12 Agroscope -0.30 2018-0.30-0.13 Daniel Median Hoop, Agroscope -0.30-0.30-0.19-0.42-0.42-0.22-0.55-0.55-0.23 25% -0.51-0.51-0.31-0.66-0.66-0.33-0.89-0.89-0.37 75%-25% 0.35 0.35 0.20 0.43 0.43 0.21 0.59 0.59 0.24 24
Kalk. Gewinn pro kg Milch Kommentare Der Verlust ist kalkulatorisch, da für den Arbeitseinsatz Opportunitätskosten verwendet wurden, die in Wirklichkeit nicht anfallen. Laut IFCN Dairy Report verbuchen die allermeisten westlichen Milchproduzenten kalkulatorische Verluste. Simple Methode und Subtraktions-Methode unterscheiden sich nicht im kalkulatorischen Gewinn, weil sich die Rechnung wieder ausgleicht. Verhältnis-Methode im Vergleich zu Subtraktions-Methode bzw. simpler Methode Verlust geringer (Gewinn höher), da tiefere Kosten-Schätzung Kleinere Streuung innerhalb der Jahre Sprünge zwischen den Jahren nicht mehr so ausgeprägt wie bei den Kosten. Ausgleichende Wirkung zwischen Erlösen und Kosten. (Je höher die Erlöse, desto höher die Kosten) 25
Beziehung zwischen den Kostenschätzungen RESULTATE 26
Beziehung zwischen Subtrakt. und 'Verhält.' Methode (1) Frage: Betrachtet man jeweils ein und denselben Betrieb und berechnet die Kosten mit der Verhältnis- und Subtraktionsmethode. Wie hängen die Schätzungen der beiden Methoden zusammen? Antwort z.b. Methode X schätzt?? % tiefere Kosten als Methode Y. 27
Kosten/kg geschätzt mit Verhältnis-Methode Beziehung zwischen Subtrakt. und 'Verhält.' Methode (2) Vorgehen Steigung > 1 Verhältnis-Methode schätzt teurer Steigung = 1........... Steigung < 1 Subtraktions-Methode schätzt teurer Kosten/kg geschätzt mit Subtraktions-Methode 28
Geschätzte Kosten Verhältnis-Methode [CHF/kg] Geschätzter kalk. Gewinn Verh. [CHF/kg] Beziehung zwischen Subtrakt. und 'Verhält.' Methode (3) Orange: Talregion Grün: Hügelregion Rot: Bergregion Geschätzte Kosten Subtraktions-Methode [CHF/kg] Geschätzter kalk. Gewinn Subtr. [CHF/kg] 29
Beziehung zwischen Subtrakt. und 'Verhält.' Methode (4) Die einzelbetriebliche Analyse zeigt: Kosten geschätzt mit 'Verhältnis-Methode steigen systematisch tiefer als mit Subtraktions-Methode Talregion: Hügelregion: Bergregion: 'Verhältnis-Methode 49 % tiefer 'Verhältnis-Methode 50 % tiefer 'Verhältnis-Methode 60 % tiefer 'Verhältnis-Methode schätzt kalkulatorische Verluste systematisch tiefer als Subtraktions-Methode Differenz in Kosten-Schätzung etwas stärker ausgeprägt in der Bergregion. 30
Beziehung zwischen Subtrakt. und 'Verhält.' Methode (5) Die erwähnten Resultate gelten nur unter Annahme folgender Opportunitätskosten (je nach Jahr unterschiedlich) Talregion: Hügelregion: Bergregion: 24.35 26.70 Franken / Stunde 22.50 24.70 Franken / Stunde 20.50 22.80 Franken / Stunde Unter diesen Annahmen resultieren im Schnitt kalkulatorische Verluste. Es kann gezeigt werden, dass die Beziehung zwischen Verhältnis- und Subtraktions-Methode genau umgekehrt wäre, wenn kalkulatorische Gewinne erwirtschaftet würden (was mit tieferen Opportunitätskosten für die Arbeit möglich wäre). 31
Schlussfolgerungen Kosten mit Verhältnis-Methode werden tiefer geschätzt. Datenstruktur aus Subtraktions-Methode entspricht eher der Datenstruktur der Kosten des ganzen Betriebszweigs. bzw. Verhältnis-Methode verkleinert die Heterogenität in der Stichprobe. Verhältnis-Methode stark beeinflusst durch den Milchpreis. Steigender Milchpreis führt nicht zu höherem Gewinn. Realistisch? 32
Schlussfolgerungen 2 «Realitäten» denkbar Kosten der Milchproduktion unterscheiden sich kaum zwischen den Betrieben. Verhältnis-Methode beschreibt diese Situation besser. Betriebe wirtschaften sehr heterogen. Subtraktions-Methode beschreibt diese Situation besser. Aus der Erfahrung mit der ZA-BH wissen wir, dass die Betriebe generell sehr heterogen sind. Subtraktions-Methode bildet zumindest die Heterogenität besser ab, aber über die absolute Höhe der Kosten lässt sich nur spekulieren. Die geschätzten Kosten sind dabei abhängig von vielen weiteren Annahmen (Vgl. «Schritt 1 Gemeinkostenallokation»). 33
Danke für Ihre Aufmerksamkeit Daniel Hoop daniel.hoop@agroscope.admin.ch Agroscope gutes Essen, gesunde Umwelt www.agroscope.admin.ch 34