Professor Dr. Rainer Schröder Sommersemester 2006 Universitätsrepetitorium Rechtsgeschäftslehre Fall 7: (Lösung) - BGH, NJW 2001, 1062, NJW 2000, 3127 ( misslungenes Scheingeschäft ); BGH, NJW 1999, 2892 (Rückabwicklung des nicht vollzogenen Schwarzkaufs); BGH, NJW 1983, 1610 (falsa demonstratio bei 311b BGB); Medicus, BR 20, Rz. 126 128, 555; ders., AT 8, Rz. 591 604, 644 659; Kramer, Das Scheingeschäft des Strohmanns, JuS 1983, 423 - Ausgangsfall: Anspruch V K auf Zahlung von 150.000, Kaufvertrag ivm 433 II BGB Vorauss.: wirksamer Kaufvertrag mit Preisabrede 150.000 I. Gültigkeit des beurkundeten Kaufvertrags mit dem Inhalt Preis 150.000 trotz anderslautender Beurkundung wegen unschädlicher Falschbezeichnung (falsa demonstratio)? - 1 -
- überwm: Grundsatz auch bei formbedürftigen Erklärungen anwendbar, weil auch bei Falschbezeichnung des Geschäftsgegenstandes den Formzwecken im Wesentlichen Rechnung getragen - anders bei bewusster Falschbezeichnung, weil hier hinsichtlich der formgerechten Willenserklärungen der Rechtsbindungswille fehlt, der Konsens über das Gewollte allein außerhalb der Form hergestellt wird Anspruch aus dem beurkundeten Vertrag ( ) II. Geltung des verdeckten Geschäfts, 117 II BGB - Vorauss.: Vertrag ( 150.000) ist wirksam - ursprünglich Formnichtigkeit nach den 125 Satz 1, 311b I 1 BGB - allerdings Heilung gem. 311b I 2 BGB durch Auflassung ( 925 BGB) und Eintragung des K - eventuell Nichtigkeit nach 134 BGB? Verbotsgesetze: 370 AO 1977 Steuerhinterziehung / ggf. auch 263 StGB Betrug hins. der Notargebühren (vgl. 39 II 2. HS KostO) durch den Abschluss des Vertrags noch nicht gegen Verbotsgesetze verstoßen; - 2 -
Steuerhinterziehung oder Betrug sind nur damit verbunden 134 BGB nur dann einschlägig, wenn Ermöglichung der Steuerhinterziehung oder des Betrugs alleiniger/hauptsächlicher Zweck des Vertrags hier aber Zweck = Austausch des Grundstücks gegen 150.000 Anspruch auf Zahlung von 150.000 (+) Abwandlung: A. Anspruch V K auf Zahlung von 150.000, 433 II BGB Vorauss.: wirksamer KV - kein echter Konsens zwischen V und K, der von der Preisvorstellung des V nichts wusste; nur tatsächliche Willensübereinstimmung kann Vorrang vor einem abweichenden obj. Erklärungsinhalt haben - auch bei Beurkundung keine Bereitschaft zum Kauf für 150.000 konkludent miterklärt Anspruch aus 433 II BGB auf Zahlung von 150.000 ( ) - 3 -
B. Anspruch V K auf Rückübereignung und -gabe des Grundstücks, 812 I 1 Fall 1 BGB I. K: Eigentum und Besitz am Grundstück erlangt II. durch Leistung des V erfolgt III. ohne Rechtsgrund? - nicht, wenn der beurkundete KV zum Preis von 120.000 wirksam ist - K: WE wirksam, da nicht zum Schein abgegeben, 117 I BGB ( ) - V: 117 I BGB ( ), da K nicht einverstanden; Vorbehalt des V ändert zunächst nichts ( 116 Satz 1 BGB); aber: V hegt die irrige Erwartung, dass K die nicht ernsthaft gemeinte Erklärung (Kaufpreis 120.000) erkennen werde 118 BGB (+), WE nichtig - Berufung auf die Nichtigkeit nach 242 BGB verwehrt? ea: ja; Schutz des redlichen Rechtsverkehrs verlangt, dass der Erklärende sich an einer WE festhalten lassen muss, die von Dritten (hier: beurkundender Notar) als ernst gemeint verstanden werden sollte und Eingang in eine Urkunde gefunden hat - 4 -
hm: nein; Beurkundung schützt nie davor, dass die beurkundeten Erklärungen einen anderen Inhalt haben als ihr Wortlaut vermuten lässt; Formzwang gewährleistet nicht die Richtigkeit des Beurkundeten; Berufung auf 118 BGB deshalb nicht nach 242 BGB ausgeschlossen Anspruch aus 812 I 1 1. Fall BGB auf Rückgabe und -übereignung (+) C. Anspruch K V auf Schadensersatz, 122 I BGB - Nichtigkeit der Erklärung des V nach 118 BGB - Ausschluss der SE-Pflicht nach 122 II BGB? K selbst hatte keine positive Kenntnis von der Nichtigkeit der WE des V aber Wissenszurechnung analog 166 I BGB? - G hatte als Repräsentant des K die Verhandlungen mit V in eigener Verantwortung zu führen und die dabei anfallenden Informationen zur Kenntnis zunehmen und ggf. weiterzugeben = Wissensvertreter - bei ordnungsgemäßer Organisation wäre K über das Ergebnis der Verhandlungen - 5 -
informiert gewesen und hätte die Nichtigkeit der WE des V gekannt Wissenszurechnung und 122 II BGB (+) Anspruch aus 122 I BGB ( ) D. Anspruch V K auf Schadensersatz aus 280 I, 241 II, 311 II Nr. 1 BGB - Freiheit des K, den Vertrag nicht zu den nicht selbst ausgehandelten Konditionen abzuschließen (kein Verstoß gegen die Pflicht zu redlichem Verhalten) - kein weiterer Schaden des V Anspruch auf SE aus 280 I, 241 II, 311 II Nr. 1 BGB ( ) - 6 -