Herleitung der Gleichung einer Kettenlinie Wasilij Barsukow, August 009 Abbildung : Gleichgewicht zwischen F und F 4! Wir stellen uns einen infinitesimalen Ausschnitt der als homogen angesehenen Kette vor. Dieser soll aus einem Massenelement dm x bei x und einem anderen dm x+ bei x + bestehen vgl. Abb. ). Auf jedes dieser Massenelemente wirkt jeweils eine der Masse proportionale Gewichtskraft nach unten. Diese Kräfte müssen nicht gleich sein, dazu später mehr. Gleichgewicht besteht dann, wenn die beiden Zugkräfte F und F 4 sich die Waage halten, da sie entlang der gleichen Linie wirken gilt die Betragsgleichung F = F 4. Die Wirkungslinien der Kräfte sind die infinitesimalen Kettenstücke. Wenn die Kette der Kurve fx) folgt, so gilt für die Einheitsvektoren: ) e = f x) e = f x + ) + f x) ) + f x + ) Zudem muss für die Kräfteaufteilung bei x gelten:
F e ) x + F e ) x = 0 F e ) y + F e ) y = df x Eingesetzt gibt das: F + f x + ) + F + f x) = 0 F f x + ) + f x + ) + F f x) + f x) = df x Aus der ersten Gleichung wissen wir also, dass F = F zweite gibt das +f x) +f x+), eingesetzt in die F f x + ) + f x + ) F f x) + f x + ) = df x F = df x + f x + ) f x + ) f x) = df x F = df x + f x + ) f x) + f x) f x) Zwar brauchen wir F nicht, aber F 4 ist genau F unter der Transformation x x +, also F 4 = df x+ + f x + ) f x + ) df x F = F 4 + f x + ) = df x+ + f x + ) f x) f x + ) df x f x) = df x+ f x + ) f x + ) = df x+ f x) df x Diese infinitesimale Verhältnisgleichung lässt sich in eine gewöhnliche, wenn auch nichtlineare, Differentialgleichung umwandeln, wenn man bedenkt, dass f x + ) = f x) + f x) ist:
+ f x) f x) = df x+ df x. Fall: Hängebrücke Abbildung : Hängebrücke mit einer gleichmäßigen Lastverteilung Im Fall der Hängebrücke und Vernachlässigung der Gewichtskraft der Seile ist df proportional zu und vor allem unabhängig von x: df x = df x+ = gρ L ρ L : Längendichte = Masse pro Längeneinheit). Daraus: + f x) f x) = f x) = 0; f x) 0 Das ist die DGL einer Parabel!. Fall: Kette Abbildung 3: Kette Hier ist dm proportional zum Längenelement dl = + f x). Das gibt: df x = gρ L dl = gρ L + f x) df x+ = gρ L + f x + ) + f x) + f f x) = x + ) + f x) Auf beiden Seiten quadriert gibt das unter Vernachlässigung der höheren Potenzen von 3
+ f x) f x) = + f x + ) + f x) Nun muss wieder das infinitesimale Verhältnis umgewandelt werden: + f x + ) = + f x) + f x)) = + f x) + f x)f x) Das ergibt die DGL + f x) f x) = + f x)f x) + f x) f x) f x) = f x)f x) + f x) bzw. umgeformt f x) f x) = f x) + f x) Ein Problem ist die Eins im Nenner, die verschwinden muss, damit gekürzt werden kann. Das gelingt mit dem Ansatz fx) = e cx + βe cx f x) = c e cx βe cx) f x) = c e cx + βe cx) f x) = c 3 e cx βe cx) f x) = c e cx + β e cx β ) f x) = c 4 e cx + β e cx + β ) Einsetzen: 4
f x) f x) = c 3 e cx βe cx ) c e cx βe cx ) = f x) + f x) c4 e cx + β e cx + β) + c e cx + β e cx β) = c4 e cx + β e cx ) + βc 4 c + c 4 e cx + β e cx ) βc 4 c + c 4 e cx + β e cx) βc 4 = c 4 e cx + β e cx) + βc 4 c βc 4 = +βc 4 c = 4βc 4 Damit haben wir = 4βc. Das ist die einzige Forderung, die die Physik an unsere Gleichung stellt, die übrigen Variablen müssen aus den Randbedingungen bestimmt werden. Das soll nun passieren. Diese sollen sein: κx 0 ) = κ 0 mit f x 0 ) = 0 f0) = 0 fg) = h Das bedeutet, wir geben die Krümmung im Tiefpunkt sowie zwei Punkte an. Der einfachste Fall ist dabei der Punkt 0 0) und ein weiterer Punkt. Die Rechnung wird wesentlich vereinfacht, wenn man annimmt, dass die beiden auf gleicher Höhe sind, h also auch Null ist. Zunächst die Krümmung im Tiefpunkt: 5
c e cx 0 βe cx 0 ) = 0 e cx 0 = βe cx 0 e cx 0 = β e cx 0 β = κx) = f x) + f x)) 3/ + f x 0 ) = + c e cx 0 + β e cx 0 β ) = + c β + ) β β β = 0 κx 0 ) = f x 0 ) = c e cx 0 + βe ) cx 0 ) β = c + β β = c β Die nächste Bedingung, die wir behandeln, ist f0) = 0. Dazu muss allerdings unsere Funktion etwas verändert werden, da eine Summe aus zwei e-funktionen nie Null ist. Aber da oben nur die Ableitungen wichtig waren, dürfen wir zu fx) eine Konstante f 0 dazuaddieren, ohne die oberen Aussagen zu verändern: fx) = e cx + βe cx + f 0 f0) = + β + f 0 f 0 = + β) Nun fg) = 0: 6
Damit haben wir 3 Bedingungen für 3 Variablen, β, c. fg) = e cg + βe cg + β) = 0 0 = e cg + β + β)e cg 0 = e cg + β + β ecg e cg = + β + β) ± β 4 = + β + β) ± 4β 4 4 = + β β) ± 4 + β ± β) = e cg = g = 0 oder e cg = β = 4βc κ 0 = c β e cg = β Die ersten beiden Gleichungen durcheinander geteilt: κ 0 = β = 4β β Aus der ersten Gleichung haben wir exp g β ). Nun hatten wir schon β = 4κ 0 β g = exp β 4κ 0 = exp g bzw. β =. 4κ 0 β = c, was wir in die dritte einsetzen: β = bzw. β = 4κ 0. Das können wir nun einsetzen: ) 4κ 0 = exp), wir halten fest: c = κ 0 = κ 0 e β = 4κ 0 = κ 0 e cg 4κ 0 = e κ 0 Damit haben wir die notwendigen Variablen bestimmt. Die Kurve fängt aber noch im KS-Ursprung an. Das ist durch die einfache Transformation x x x leicht korrigiert. Dass dies tatsächlich funktioniert zeigt Abb. 4. Dort ist der Gateway Arch abgebildet, ein zentrales Bauwerk des Jefferson National Expansion Memorial und Wahrzeichen der 7
Abbildung 4: Gateway Arch in St. Louis / USA Stadt St. Louis in Missouri / USA. Er hat die Form einer aufrechten Kettenlinie und ist somit ein scherkra ftefreier Bogen. Da er unten dicker ist als oben sowie einen dreieckigen dreieckig gleichseitigen) Querschnitt besitzt, ist natu rlich nur die grobe Form die einer Kettenlinie. Das kann man anhand eines Photos u berpru fen, indem man ein geeignetes Koordinatensystem setzt und dann g und κ0 anpasst. Das ist in der Abbildung geschehen. Die Werte sind x =, 5 g = 0, 76, κ0 = 0, 4. Die Funktion f ist symmetrisch um eine vertikale Achse durch den Tiefpunkt bei x0. Dass dies so ist, kann man zeigen, indem man sie um g/ verschiebt, denn ecx0 = eκ0 x0 = β eκ0 g κ0 eκ0 g κ0 = = eκ0 g x0 = g 8
f x) = e cx+g/) + βe cx+g/) + β) ) = κ 0 e eκ 0x+κ 0 e g/ + e κ 0x / e κ 0 κ + 0 e κ 0 = e κ0x + ) e κ0x e κ 0 κ 0 κ + 0 e κ 0 = [ e κ0x + e κ0x κ + )] e κ 0g 0 e Man erkennt nun eine schöne Symmetrie der Funktion. Mit der Definition cosh x = ex + e x ) ergibt sich f x) = g )] [cosh κ 0 x) cosh κ 0 κ 0 x Die Funktion der Gateway Arch ist bekannt als y = 7, 7ft cosh + 757, 7ft. Wenn 7,7ft wir unsere gemessenen Werte für g und κ 0 in f x) einsetzen, bekommen wir: f x) = [ )] 0, 76 cosh 0, 4x) cosh 0, 4 0, 4 = 4, 7 [cosh 0, 4x) cosh, 49)] Um noch den Streckfaktor anzupassen, beachte man, dass bei einer Änderung der Koordinaten in der Form x = k x; ỹ = k y die neue Funktion aus y = fx) zu ỹ = f ) x k k bzw. ỹ = k f x k). Das bedeutet für unsere Gleichung [ ) ] k f 0, 4 x/k) = 4, 7k cosh k x cosh, 49) Aus dem ersten Term lesen wir den Streckfaktor zu etwa 30,6 ab.: [ k f x/k) 4, 7 30, 6 cosh 30, 6 ) ] x) 6, 07 0, 4 = 7, 6 [ cosh 7, 5) x )] + 6, 07 7, 6 = 7, 6 [ cosh 7, 5) x )] + 774, 5 Das stimmt recht gut mit der am Bauwerk angegebenen Formel überein. 9