LÖSUNG zur Klausur Handels- und Gesellschaftsrecht SS 2015



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Transkript:

LÖSUNG zur Klausur Handels- und Gesellschaftsrecht SS 2015 I. 1. Der Zentralbegriff des Handelsrechts ist der in den 1 6 HGB definierte Kaufmann. Von seiner Existenz ist die Anwendung der handelsrechtlichen Vorschriften im Regelfall abhängig. Diese Ausrichtung auf den Kaufmann wird in jüngerer Zeit immer heftiger kritisiert und stattdessen wie bereits in zahlreichen europäischen Staaten geschehen die Entwicklung eines Unternehmensrechts verlangt. Legen Sie dar, was einerseits den Stellenwert des Kaufmannsbegriffs im HGB erklärt und was andererseits die Kritik an dieser Ausrichtung rechtfertigt. (12 Punkte) Das Handelsrecht ist das Sonderprivatrecht der Kaufleute (Standes-/Berufsrecht der Kaufleute). Es findet folglich nur auf Sachverhalte Anwendung, an dem mindestens ein Kaufmann beteiligt ist. Hieraus erklärt sich der besondere Stellenwert des Kaufmannsbegriffs im HGB. Erst wenn geklärt ist, dass ein Rechtssubjekt als Kaufmann oder wie ein solcher zu behandeln ist, sind die handelsrechtlichen Vorschriften anwendbar. Die handelsrechtlichen Vorschriften sind strenger als die Regelungen des BGB, d. h. sie weichen zum Nachteil des Kaufmanns von den grundsätzlichen Regelungen ab. Kritisiert wird die Anknüpfung an den Kaufmannsbegriff, weil dieser als zu eng angesehen wird. Bisher sind die handelsrechtlichen Vorschriften nur auf Kaufleute i. S. d. HGB anwendbar, nicht jedoch z. B. auf Freiberufler, die häufig in vergleichbarer Weise am Markt auftreten wie es auch Kaufleute tun. Freiberufler sind zwar Unternehmer i. S. d. 14 BGB ( gewerbliche oder selbstständige berufliche Tätigkeit ), aber eben keine Kaufleute i. S. d. HGB. Die begrenzte Anwendung der strengeren handelsrechtlichen Vorschriften auf Kaufleute wird deshalb als ungerecht und unzureichend angesehen und es wird die die Schaffung eines Unternehmerrechts gefordert. Die dargestellte Kritik am Kaufmannsbegriff rüttelt an den Grundfesten des traditionellen Funktionsverständnisses des HGB als Sonderprivatrecht der Kaufleute. Sie wird (auch) deshalb ihrerseits nicht unkritisch in der Literatur betrachtet und konnte sich auch nicht beim deutschen Gesetzgeber durchsetzen. Eine Veränderung des tatbestandlichen Anknüpfungspunktes weg vom Kaufmannsbegriff hin zum Unternehmensbegriff würde eine sachlich gerechtfertigte Ausweitung des Anwendungsbereiches der handelsrechtlichen Regelungen bedeuten. Infolge der europäischen Rechtsangleichung wurden die Begriffe von Verbraucher und Unternehmer im bürgerlichen Recht etabliert, sodass im deutschen Recht nun eine Dreispurigkeit der Begriffe Kaufmann Unternehmer Verbraucher besteht. Die Schaffung eines Unternehmensrechts (Außenprivatrechts der Unternehmen) würde diese Dreispurigkeit auf eine Zweispurigkeit von Unternehmer und Verbraucher begrenzen und zu einer deutlichen Vereinfachung führen. Die Schaffung eines Unternehmensrechts ist damit zu befürworten. [Andere Ansicht mit entsprechender Begründung vertretbar.] 2. Studentin Susanne (S) möchte während der Adventszeit auf vier Thüringer Weihnachtsmärkten einen kleinen Stand betreiben, an dem sie selbst gefertigten Weihnachtsschmuck zu verkaufen beabsichtigt, um ihrer chronischen Geldnot abzuhelfen. Sie rechnet mit einem Umsatz von 1.000 bis 2.000 pro Weihnachtsmarkt. S lässt sich dennoch in das Handelsregister eintragen. 1

Erläutern Sie, a) welchen handelsrechtlichen Status damit S innehat und (10 Punkte) b) welche Vorteile und welche Nachteile sich aus dieser Eintragung für S ergeben. (10 Punkte) a) S würde den handelsrechtlichen Vorschriften des HGB unterliegen, wenn sie Kaufmann i. S. d. HGB wäre. I. Istkaufmann gem. 1 HGB S könnte zunächst Istkaufmann i. S. d. 1 HGB sein. Dafür müsste S ein Gewerbe betreiben, das Handelsgewerbe i. S. d. 1 HGB ist. 1. Betrieb eines Gewerbes Ein Gewerbe ist eine äußerlich erkennbare, planmäßige, selbstständige, nicht freiberufliche Betätigung, die sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Der Betrieb eines Verkaufsstandes entspricht diesen Erfordernissen. Dass S den Stand nur zeitlich begrenzt während der Adventszeit betrieben will, steht dem Gewerbebegriff nicht entgegen. 2. Handelsgewerbe Der Verkaufsstand müsste darüber hinaus ein Handelsgewerbe darstellen, also einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordern. Dies ist laut Sachverhalt aber nicht der Fall. 3. Ergebnis S ist folglich nicht Istkaufmann i. S. d. 1 Abs. 2 HGB. II. Kannkaufmann gem. 2 HGB S könnte weiterhin Kannkaufmann gem. 2 HGB sein. Dafür müsste S ein Gewerbe betreiben und in das Handelsregister eingetragen sein. 1. Betrieb eines Gewerbes S betreibt ein Gewerbe (s. o. unter I. 1.). 2. Eintragung in das Handelsregister S hat sich in das Handelsregister eintragen lassen. 3. Ergebnis S ist Kannkaufmann i. S. d. 2 HGB und unterliegt damit den handelsrechtlichen Vorschriften des HGB. [Eine Lösung im Gutachtenstil wird nicht zwingend erwartet.] b) Die Eintragung in das Handelsregister kann den Vorteil haben, dass bei Geschäftspartnern der Eindruck von Seriosität und Professionalität erweckt und damit Vertrauen geschaffen wird, wodurch letztlich die Geschäftstätigkeit erleichtert wird. Einzelne handelsrechtliche 2

Regelungen wie der Provisionsanspruch ( 354 HGB), der vereinfachte Vertragsschluss durch kaufmännisches Bestätigungsschreiben oder gar Schweigen, das Recht eine Firma zu führen oder das erweiterte Zurückbehaltungsrecht ( 369ff. HGB) können sich außerdem als vorteilhaft erweisen. Dem gegenüber stehen jedoch zahlreiche Nachteile. Grundsätzlich sind die Regelungen des HGB als Sonderprivatrecht der Kaufleute strenger als die allgemeinen Regelungen des BGB, da der Gesetzgeber davon ausging, dass Kaufleute im Vergleich zu Nichtkaufleuten über mehr Erfahrungen im Rechts- und Geschäftsverkehr verfügen und deshalb weniger schutzbedürftig sind. So ist z. B. der Kaufmann bei Bürgschaften, Schuldversprechen und Schuldanerkenntnissen nicht mehr durch das besonderen Formerfordernisse der 766, 780f. BGB geschützt ( 350 HGB). Kaufleute müssen nach Erhalt der Ware Mängel unverzüglich rügen, andernfalls gehen die Gewährleistungsrechte verloren (Rügepflicht, 377 HGB). Wer in das Handelsregister eingetragen ist, ist sofern er nicht unter die Befreiung nach 241a HGB fällt zur kaufmännischen Buchführung, Inventur und Bilanzierung verpflichtet ( 238ff. HGB). Ein Kaufmann unterliegt der registerrechtlichen Haftung gem. 15 HGB, d. h. Tatsachen, die im Handelsregister eingetragen sind, gelten als bekannt; entsprechend können nicht im Handelsregister bekannt gemachte Tatsachen gutgläubigen Dritten nicht entgegengehalten werden. 3. Die Gesellschaften des Handels- und Gesellschaftsrechts können unterteilt werden in Personengesellschaften und Körperschaften. Nennen Sie für jede Gruppe vier Beispiele sowie die Fundstelle der jeweils für diese Rechtsform geltenden zentralen Rechtsvorschriften. (8 Punkte) Personengesellschaften: Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR, BGB-Gesellschaft), 705 740 BGB Offene Handelsgesellschaft (OHG), 105 160 HGB Kommanditgesellschaft (KG), 161 177a HGB Stille Gesellschaft, 230 237 HGB Darüber hinaus kennt das Gesetz folgende Personengesellschaften: Partnerschaftsgesellschaft (PartG), Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (PartGG) Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV), Verordnung über die Schaffung einer europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung + Gesetz zur Ausführung der EWG-Verordnung über die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV-Ausführungsgesetz) Körperschaften: Eingetragener Verein (e. V.), 21 79 BGB Aktiengesellschaft (AG), Aktiengesetz (AktG) Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) einschließlich der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) als spezielle Form der GmbH (keine eigene Rechtsform!), Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), 278 290 AktG + 161ff. HGB i. V. m. 278 Abs. 2 AktG Darüber hinaus kann mit (Satzungs-)Sitz in Deutschlang auch gegründet werden: Europäische Aktiengesellschaft (Societas Europaea), Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE-Verordnung) + Gesetz zur Ausführung der Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft (SE- Ausführungsgesetz, SEAG) + Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gesellschaft (SE-Beteiligungsgesetz, SEBG) 3

II. 1. Arno (A), Benni (B) und Caesar (C) sind Gesellschafter der ABC Medien OHG. Ohne Absprache mit A und C kauft B beim Möbelhandel Matthias Müller (M) am 01.12.2014 eine neue Büroeinrichtung für 15.000. Zum 31.12.2014 scheidet B aus der OHG aus. Neuer Gesellschafter wird zum 01.01.2015 Dieter (D). Sowohl das Ausscheiden des B, als auch der Eintritt des D werden in das Handelsregister eingetragen. Als M am 15.01.2015 von der OHG Zahlung des Kaufpreises und Abnahme der Büroeinrichtung von der ABC Medien OHG verlangt, wenden A und C ein, dass sie sich durch die Alleingänge des B nicht verpflichtet fühlten, weder zur Abnahme der Büromöbel, noch zur Zahlung des Kaufpreises. D meint, er habe mit alledem gar nichts zu tun, denn schließlich sei er zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch gar nicht Gesellschafter der OHG gewesen und müsse deshalb auch nicht einstehen. M ist durch diese Aussagen verunsichert und fragt sich nun, a. ob er wirklich einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises i. H. v. 15.000 und Abnahme der Büromöbel gegen die ABC Medien OHG hat, (8 P.) b. ob er sich direkt an B wenden kann, der das Ganze verzapft hat und (5 P.) c. ob er sich an den wie M weiß sehr wohlhabenden D halten kann. (5 P.) A. Anspruch des M gegen die ABC Medien OHG i. H. v. 15.000 aus 433 Abs. 2 BGB (Aufgabe a.) M könnte gegen die ABC Medien OHG einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises i. H. v. 15.000 aus einem Kaufvertrag gem. 433 Abs. 2 BGB haben. I. Rechtsfähigkeit der ABC Medien OHG Dafür müsste zwischen M und der ABC Medien OHG ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen sein. Um aus einem Kaufvertrag selbst wirksam verpflichtet werden, müsste die OHG (teil-)rechtsfähig sein, d. h. sie müsste selbst Trägerin von Rechten und Pflichten sein können. Die OHG ist eine Personenhandelsgesellschaft; Personengesellschaften sind keine juristischen Personen und damit grundsätzlich nicht rechtsfähig. 124 Abs. 1 HGB bestimmt aber explizit, dass die OHG selbst Trägerin von Rechten und Pflichten sein kann. Die OHG wird dadurch weitgehend rechtlich verselbstständigt und wird den juristischen Personen angenähert. Somit kann die OHG Partei eines Kaufvertrages sein. II. Vertretung der ABC Medien OHG Die OHG selbst ist nicht handlungsfähig; sie muss durch ihre Gesellschafter nach außen vertreten werden. Gemäß 125 Abs. 1 HGB ist grundsätzlich jeder Gesellschafter allein zur Vertretung der OHG ermächtigt (Prinzip der Einzelermächtigung). Zwar können abweichende Regelungen getroffen werden; Anhaltspunkte für eine solche Vereinbarung bestehen laut Sachverhalt jedoch nicht. Somit konnte B die OHG auch alleine wirksam vertreten. III. Einigung Durch Einigung zwischen B und M ist zwischen der ABC Medien OHG und M ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen. 4

IV. Ergebnis M hat somit Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises gegen die ABC Medien OHG gem. 433 Abs. 2 BGB. B. Anspruch des M gegen B i. H. v. 15.000 aus 433 Abs. 2 BGB i. V. m. 128, 160 Abs. 1 HGB (Aufgabe b.) M könnte weiterhin Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises i. H. v. 15.000 gegen B gem. 433 Abs. 2 BGB i. V. m. 128, 160 Abs. 1 HGB haben. Dafür müsste eine Verbindlichkeit der OHG und darüber hinaus eine Nachhaftungspflicht des ausgeschiedenen Gesellschafters bestehen. I. Wirksamer Kaufvertrag Eine Verbindlichkeit der OHG besteht aus einem Kaufvertrag (s. o. unter a.). II. Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der OHG Nach 128, 129 HGB haften alle Gesellschafter der OHG für Schulden der Gesellschaft selbst, unmittelbar und akzessorisch. Alle Gesellschafter haften als Gesamtschuldner, 421 BGB. Entgegenstehende Vereinbarungen sind Dritten gegenüber unwirksam, 128 S. 2 HGB. M kann sich somit alternativ entweder an die OHG halten und von dieser Erfüllung der Verbindlichkeiten verlangen oder aber an die Gesellschafter der OHG. III. Nachhaftung ausgeschiedener Gesellschafter B ist aber nicht mehr Gesellschafter der OHG. Eine Haftung des B für die Verbindlichkeiten der OHG kommt damit nur in Frage, wenn auch eine Nachhaftungspflicht des ausgeschiedenen Gesellschafters besteht. Gem. 160 Abs. 1 HGB haftet der ausgeschiedene Gesellschafter für alle bis zum Zeitpunkt des Austritts begründeten Verbindlichkeiten, wenn sie vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden fällig geworden sind. Die Verbindlichkeit entstand mit Abschluss des Kaufvertrages, den B selbst noch in seiner Position als Gesellschafter begründet hat. Ebenso sind seit dem Ausscheiden des B noch keine fünf Jahre vergangen. Einwendungen gem. 129 HGB sind aus dem Sachverhalt nicht ersichtlich. IV. Ergebnis M kann sich auch direkt an B wenden und Erfüllung der Verbindlichkeiten aus dem Kaufvertrag gem. 433 Abs. 2 BGB i. V. m. 128, 160 Abs. 1 HGB verlangen. C. Anspruch des M gegen D i. H. v. 15.000 aus 433 Abs. 2 BGB i. V. m. 130 Abs. 1 HGB (Aufgabe c.) M könnte schließlich einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises und Abnahme des Mobiliars gegen D gem. 433 Abs. 2 BGB i. V. m. 130 Abs. 1 HGB haben. Dafür müsste neben dem Bestehen einer wirksamen Verbindlichkeit der OHG auch eine Haftung des neu eingetretenen Gesellschafters für Altschulden der Gesellschaft, d. h. für Verbindlichkeiten, die vor seinem Eintritt begründet wurden, bestehen. 5

I. Wirksamer Kaufvertrag Eine Verbindlichkeit der OHG besteht aus einem Kaufvertrag (s. o. unter a.). II. Haftung des eintretenden Gesellschafters für Altschulden Gem. 130 Abs. 1 HGB haftet auch derjenige, der in eine bestehende Gesellschaft eintritt gleichermaßen wie die anderen Gesellschafter nach Maßgabe der 128 und 129 HGB für die vor seinem Eintritt in die Gesellschaft begründeten Verbindlichkeiten. Diese Haftung kann Dritten, also M gegenüber auch nicht ausgeschlossen werden ( 130 Abs. 2 HGB). III. Ergebnis Somit kann sich M auch an den neu eingetretenen D halten und Zahlung des Kaufpreises i. H. v. 15.000 sowie Abnahme der Büromöbel von ihm gem. 433 Abs. 2 BGB i. V. m. 130 Abs. 1 HGB verlangen. [Die Gesellschafter haften als Gesamtschuldner gem. 421 BGB. M kann sich nach Belieben an jeden Gesellschafter der OHG halten und von ihm Leistung ganz oder zu einem Teil fordern, 421 BGB. Im Verhältnis zueinander sind die Gesellschafter zu gleichen Teilen verpflichtet, soweit nichts abweichendes bestimmt ist, sodass der in Anspruch genommene Gesellschafter von den übrigen Gesellschaftern Ausgleich verlangen kann, 426 BGB.] 6