«Immer müde» vom Umgang mit Fatigue

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Transkript:

«Immer müde» vom Umgang mit Fatigue Dipl. Psych. Birgit Maier Psychoonkologin, Psychologische Psychotherapeutin Abteilung für Hämatologie und Onkologie, USB birgit.maier@usb.ch

Kennen Sie das? «.Ich kann nicht mehr..» «.die kleinsten Aktivitäten erschöpfen mich» «.ich bin immer müde.» «.wie wenn mir der Stecker gezogen worden wäre..» «.ich bin nicht in der Lage Freunde zu treffen..»

Agenda Was genau ist eine Fatigue? Wann und wie häufig tritt sie auf? Wie äussert sich eine Fatigue? Welche Auswirkungen kann sie haben? Wie schaut die Diagnositk aus? Was sind mögliche Ursachen? Welche Behandlungsansätze gibt es?

Definition der Cancer-Related Fatigue (CrF) Die Cancer-Related Fatigue ist eine in Ausprägung und Charakteristik ungewöhnliche Form der Müdigkeit oder Erschöpfung, die mit einem subjektiv empfundenen Mangel an Energie und Antrieb einhergeht und nicht durch Schlaf oder Ausruhen zu beheben ist.

Wann und wie häufig tritt die Cancer-Related Fatigue auf? Kann in allen Phasen der Erkrankung auftreten Insbesondere nach Chemotherapie, Stammzelltransplantation, Strahlentherapie Eine der häufigsten Folgeprobleme der Krebsbehandlung

Ergebnis einer Survivor-Studie (120 befragte Tumorpatienten) am Universitären Cancer Center Hamburg, 2015 Häufige Beschwerden: Unterstützungsbedarf: Erschöpfung 69 % Schmerzen 60 % Schlafstörungen 58,3 % Ängste 51,7 % Bewegung / Mobilität 50,8 % Sorgen 49,2 % Polyneuropathie 37 % Müdigkeit, Erschöpfung Infos über Kh, Untersuchungsergebnisse, Verhaltensmassnahmen Behandlung körperl. Probleme Fester Ansprechpartner Ängste

Wie äussert sich eine Fatigue? CrF: ein multidimensionales Syndrom Körperlich Müdigkeit Erschöpfung Schwäche, Kraftlosigkeit Reduzierte Leistungsfähigkeit Kognitiv Konzentrationsprobleme Gedächtnisprobleme Probleme beim Denken Emotional Psychische Erschöpfung Mangelnder Antrieb Motivationsprobleme Interessenverlust Niedergeschlagenheit Ängste, Frustration

Abgrenzung:

Mögliche Auswirkungen der Cancer-Related Fatigue auf die Patienten (und die Angehörigen) Alltagsbewältigung eingeschränkt Soziales Leben beeinträchtigt (oft Rückzug) Beziehungsprobleme Arbeitsunfähigkeit, Frage der Berentung (IV) Finanzielle Probleme Gefühle von Hilflosigkeit, Schuld Selbstwertproblematik Depressionen Lebensqualität stark eingeschränkt

Diagnostik

Vorgeschlagene ICD-10-Kriterien für tumorbedingte Fatigue Sechs (oder mehr) der folgenden 11 Symptome bestehen täglich bzw. fast täglich während einer ZweiWochenPeriode im vergangenen Monat, und mindestens eines der Symptome ist deutliche Müdigkeit (A1). A 1. Deutliche Müdigkeit, Energieverlust oder verstärktes Ruhebedürfnis, welches in keinem Verhältnis zu aktuellen Veränderungen des Aktivitätsniveaus steht. A2. Beschwerden allgemeiner Schwäche oder schwerer Glieder. A3. Verminderte Fähigkeit zu Konzentration und Aufmerksamkeit. A4. Verringerte(s) Motivation oder Interesse an Alltagsaktivitäten. A5. Schlaflosigkeit oder vermehrter Schlaf. A6. Schlaf wird nicht als erholsam und regenerierend erlebt. A7. Notwendigkeit starker Anstrengung, um Inaktivität zu überwinden. A8. Deutliche emotionale Reaktionen auf Fatigueproblematik (z. B. Traurigkeit, Frustration oder Reizbarkeit). A9. Durch Müdigkeit bedingte Schwierigkeiten, alltägliche Aufgaben zu erledigen. A10. Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis. A11. Mehrere Stunden anhaltendes Unwohlsein nach Anstrengung. B. Die Symptome verursachen in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigung in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.

Komplex: Ursachen / Einflussfaktoren der Cancer-Related Fatigue Therapien: Strahlentherapie Chemotherapie Hormontherapie. Ernährungsstatus Aktivitätslevel Schlafstörungen Tumor selbst Medikamente Emotionale Belastungen Ängste Depressionen Cancer-related Fatigue Schmerzen Anämie Begleiterkrankungen: Infektionen Endokrine Störungen Kardiale / renale Pulmonale / hepatische Neurologische Störungen

Behandlungsmöglichkeiten multikausales Geschehen multimodaler Therapieansatz

Symptomatische Therapie Medikamentöse Therapie Psychostimulantien??? Antidepressiva????? (wirkt nur auf depressive Symptome) Kortikosteroide???? Phytotherapeutika: Ginseng Erfolge nur im Einzelfall

Nicht-medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten Körperliches Training / Aktivität Empfohlen: Ausdauer- und Krafttraining, mehrmals wöchentlich, langsam steigernd Wichtig: Individuell anpassen Balance zwischen Unter- und Überforderung

Nicht-medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten Psychosoziale Interventionen Psychoedukation und Kognitive Verhaltenstherapie Planung von Ruhe- und Aktivitätsphasen / Tagesstrukturierung Balance zwischen Unterforderung und Überforderung Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden Grenzen akzeptieren Aufgaben delegieren Schlafhygiene Umgang mit Ängsten Problemlösungen Bewusster Umgang mit Gefühlen / Gedanken / Bewertungen gut: Kombination psychologische Verfahren und körperliches Training!

Nicht-medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten Mind-Body-Medicine Entspannungstraining / Achtsamkeitstraining (MBSR) Yoga Akupunktur

Tumor-assoziierte Fatigue: Epidemiologie, Pathogenese, Diagnostik und Therapie. Dtsch Arztebl Int 2012; 109(9): 161-72; DOI: 10.3238/arztebl.2012.0161

Institut für komplementäre und integrative Medizin an der Universität Zürich

Vielen Dank für s aufmerksame Zuhören!