Algebra. für. Informatiker



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Fachhochschule Aalen Fachbereich: Elektronik und Informatik Algebra für Informatiker c 2000-2001 Helga Hirtreiter

Inhaltsverzeichnis Aufbau der Mathematik 1 Die Arbeitsweise der Mathematik 2 1 Mengen 3 1.1 Mengen und ihre Elemente................................. 3 1.2 Teilmengen.......................................... 6 1.3 Durchschnitts-, Vereinigungs-, Rest- und Komplementärmengen............. 6 2 Aussagenlogik 10 2.1 Aussagen und Aussageformen................................ 10 2.2 Aussagenlogische Verknüpfungen.............................. 11 2.3 Aussagenlogische Gesetze, Implikation und Äquivalenz.................. 14 2.4 Quantoren........................................... 19 3 Beweisverfahren 22 3.1 Modus Ponens der direkte Beweis............................. 22 3.2 Modus Tollens der indirekte Beweis............................ 22 3.3 Der Widerspruchsbeweis................................... 23 4 Geschichtliche Entwicklung der rationalen Zahlen 24 4.1 Die Darstellung von Zahlen................................. 24 4.2 Veranschaulichung der Zahlen:............................... 24 5 Zerlegen in Faktoren 27 5.1 Primfaktorzerlegung..................................... 27 5.1.1 Teilbarkeit...................................... 27 5.1.2 Die Teilbarkeitsregeln................................ 29 5.1.3 Der gröÿte gemeinsame Teiler............................ 30 5.1.4 Das kleinste gemeinsame Vielfache......................... 32 5.2 Ausklammern......................................... 33 5.3 Binomi............................................. 34 5.4 Vieta.............................................. 34 I

6 Relationen 36 6.1 Zweistellige Relationen.................................... 36 6.1.1 Geordnete Paare, Denition des kartesischen Produktes zweier Mengen.... 36 6.1.2 Darstellung des kartesischen Produktes...................... 38 6.1.3 Die Relation als Teilmenge des kartesischen Produktes.............. 39 6.1.4 Darstellung einer Relation.............................. 41 6.2 Umkehrrelation........................................ 43 6.3 Verkettung von Relationen.................................. 44 6.4 Besondere Relationen.................................... 45 6.4.1 Eigenschaften von Relation............................. 45 6.4.2 Äquivalenzrelation.................................. 50 6.4.3 Ordnungsrelationen................................. 53 7 Funktionen 56 7.1 Funktionen als besondere Relationen............................ 56 7.2 Darstellung von Funktionen durch Gleichungen...................... 61 7.3 Verkettung von Funktionen................................. 63 7.4 Surjektivität, Injektivität und Bijektivität......................... 65 8 Verknüpfungen als spezielle, mehrstellige Relationen bzw. Funktionen 69 9 Halbgruppen und Gruppen 70 9.1 Halbgruppen......................................... 70 9.2 Gruppen............................................ 72 9.3 Folgerungen aus der Eindeutigkeit der inversen Elemente................. 73 10 Ringe 75 10.1 Die Denition eines Ringes................................. 75 10.2 Folgerungen aus der Eindeutigkeit der inversen Elemente................. 76 11 Schiefkörper und Körper 77 11.1 Schiefkörper.......................................... 77 11.2 Körper............................................. 77 11.3 Folgerungen aus der Eindeutigkeit der inversen Elemente................. 79 11.4 Das Lösen von linearen Gleichungen............................ 80 11.5 Die Bruchrechengesetze................................... 81 11.6 Die Dezimalbruchdarstellung der rationalen Zahlen.................... 82 II

11.7 Die Potenzrechengesetze................................... 84 11.7.1 Potenzen mit positiven Hochzahlen......................... 84 11.7.2 Potenzen mit negativen Hochzahlen und der Hochzahl 0............. 84 11.8 Grundlage der Bruchdarstellung der rationalen Zahlen.................. 86 12 Die Grundgesetze der Anordnung, 87 12.1 Folgerungen aus den Grundgesetzen der Anordnung:................... 88 12.2 Der Betrag.......................................... 92 13 Die vollständige Induktion, und 94 13.1 Denition von und................................... 94 13.2 Die vollständige Induktion.................................. 97 13.3 Beispiele zur Anwendung der vollständigen Induktion................... 99 13.4 Der Satz von Binomi..................................... 101 13.4.1 Die Binomialkoezienten.............................. 101 13.4.2 Der Satz von Binomi und einige Anwendungen.................. 103 14 Polynomdivision 105 14.1 Rationale Terme....................................... 105 14.2 Polynome........................................... 105 14.3 Nullstellen von Polynomen.................................. 105 14.4 Das Verfahren der Polynomdivision............................. 106 15 Das Hornerschema 109 15.1 Anwendung der Polynomdivision bzw. des Hornerschemas auf gebrochenrationale Terme.................................. 110 15.2 Ergänzung: Die Partialbruchzerlegung........................... 111 16 Lineare Algebra 112 16.1 Linearer Vektorraum..................................... 112 16.1.1 Motivation: Vektoren im Anschauungsraum.................... 112 16.1.2 Der lineare (Vektor)Raum.............................. 113 16.1.3 Lineare Abhängig- bzw. Unabhängigkeit...................... 115 16.2 Lineare Gleichungssysteme (LGS).............................. 121 16.2.1 2 Gleichungen mit 2 Unbekannten......................... 122 16.2.2 n lineare Gleichungen mit n Unbekannten..................... 125 16.2.3 m lineare Gleichungen mit n Unbekannten..................... 129 III

16.3 Matrizen............................................ 132 16.3.1 Der Zusammenhang zwischen Matizen und LGS................. 134 16.4 Durch Matrizen darstellbare Abbildungen......................... 140 16.4.1 Die Translation.................................... 140 16.4.2 Die Drehung..................................... 141 16.4.3 Die Achsenspiegelung................................ 142 A Übungen zur Wiederholung des Schulstoes: 145 IV

Algebra: Schule: Rechnen mit Buchstaben Grundrechengesetze Allgemein: Lösung von (gewissen, sogenannten algebraischen) Gleichungen Algorithmen Beschäftigung mit mathematischen Strukturen (Gruppen, Ringe, Körper) Aufbau der Mathematik Grundlagen: Die Sprache der Mathematik aus der Mengenlehre und der Logik Relationen (Beziehungen) Zahlenmengen N, Z, Q, R, C Arithmetik: (Zahlentheorie) Rechnen mit Zahlen (Rechengesetze) Analysis: Funktionen (Exponential-, Logarithmus-, trigonometrische Funktionen...) Folgen und Reihen Grenzwertberechnung (Asymptoten) Trigonometrie: Berechnung von Dreiecken und daraus zusammensetzbaren Figuren Geometrie: a) elementare Geometrie Planimetrie (Geometrie in der Ebene) Stereometrie (Goemetrie im Raum) b) Analytische Geometrie Rechnerische Erfassung geometrischer Gebilde (Geradengleichung, Kreisgleichung, Schnittpunktberechnung) c) Darstellende Geometrie z.b. Konstruktionsplan zeichnen (Grundriss, Aufriss) Wahrscheinlichkeit und Statistik: Häugkeit, Mittelwert, Streuung

Die Arbeitsweise der Mathematik Die Mathematik, die ja (mittlerweile) zu den Naturwissenschaften zählt (früher: Philosophie), beschäftigt sich mit gewissen Gesetzmäÿigkeiten. Beim Aufstellen eines neuen Gesetzes (=Satz) hat man zunächst eine Vermutung. Diese Vermutung ist dann entweder zu beweisen, oder zu widerlegen. Was hierbei beweisen heiÿt, ist genau erklärbar: Ein (mathematischer) Beweis ist das (logische) Zurückführen auf bekannte Begrie oder Sätze. Die Beweise, d. h. die Herleitung von Gesetzen ist der Teil der Mathematik, der etwas mit Verstehen oder auch Begreifen zu tun hat. Am Anfang einer solchen Satzkette stehen allerdings Grundbegrie und Grundgesetze (Axiome), die vielleicht manchem einleuchten, die aber nicht beweisbar sind. Diese Dinge sind also zu lernen. Beispiel: Beim Addieren ist es egal in welcher Reihenfolge addiert wird. 3 + 5 = 5 + 3 Ohne Auswendiglernen und Anwendenlernen geht es also auch in der Mathematik nicht. Die Grundgesetze der Mathematik entsprechen den Spielregeln eines Spieles. (z.b. Schach) Die einzelnen Spielschritte entsprechen dabei den Beweisschritten. Es ist in der Mathematik also wichtig sich exakt an die Spielregeln zu halten und nicht zu fantasieren. Darüberhinaus ist das eigene, selbstständige Üben des erlernten Stoes ungeheuer wichtig. Zur Verdeutlichung hier ein paar Zahlen: Die Lernpsychologie hat nachgewiesen, daÿ wir 10% dessen behalten, was wir lesen; 20% dessen behalten, was wir hören; 30% dessen behalten, was wir sehen; 50% dessen behalten, was wir hören und sehen; 70% dessen behalten, was wir selbst sprechen; 90% dessen behalten, was wir selbst ausprobieren und ausführen. (Quelle: AOL-Verlag [Arbeiten, Organisieren, Lernen]) 2

1 Mengen Der Begri Menge ist Ihnen bestimmt schon öfters begegnet. Jeder hat das Zählen, wenn auch unbewuÿt, über Mengen erlernt. Beispiel: Wenn der Tisch gedeckt wird, müssen genausoviele Gläser, Teller, Messer etc. bereitgestellt werden, wie Esser da sind. In der Schule hat man das Rechnen mit Stäbchen, Kugeln oder Ähnlichem gelernt. In allen Gebieten der Mathematik tauchen Mengen auf, weshalb die Mengenlehre eine der Grundlagen der Mathematik darstellt. Die Mengenlehre verwendet Zeichen und Begrie, die uns später die Schreibarbeit wesentlich erleichtern wird. 1.1 Mengen und ihre Elemente Zunächst erklären wir, was eine Menge ist. Eine solche Erklärung nennt man in der Mathematik eine Denition. Cantor'scher Mengenbegri: Denition: Eine Menge ist die Zusammenfassung wohlunterschiedener Dinge zu einem Ganzen. Mengen werden mit groÿen, lateinischen Druckbuchstaben benannt, wobei an den Buchstaben vorne ein zusätzlicher Strich gehängt wird. (Beispiel: R, D, A ) Die Dinge einer Menge können alles Mögliche sein, z.b.: Tiere, Menschen, Zahlen, Punkte. Denition: Die einzelnen Dinge einer Menge nennt man die Elemente der Menge. Man kann Mengen beschreiben durch: 1. Worte: Beispiele: Die Menge der Familienmitglieder, die Menge der natürlichen Zahlen, die Menge der Punkte einer Ebene. 2. das Aufzählen ihrer Elemente: Dabei schreibt man die Elemente der Menge durch Kommas getrennt zwischen geschweifte Klammern. Beispiele: D = {Gabi, Michael, Susanne} B = {1, 2, 3, 4, 5, 6, 7} E = {16, 32, 48, 64,...} Die Punkte am Ende bedeuten, daÿ die Menge nach dem aus den ersten Gliedern ersichtlichen Bildungsgesetz immer weiter zu denken ist. 3

Einige Mengensymbole haben eine feste Bedeutung. Sie werden in der ganzen (westlichen) Welt verstanden. So bezeichnet man z.b. die Menge der natürlichen Zahlen mit N = {1, 2, 3, 4,...} 1, die der ganzen Zahlen mit Z = {..., 4, 3, 2, 1, 0, 1, 2, 3, 4,...}, die der rationalen (Bruchzahlen) mit Q und die der reellen mit R. 3. das Beschreiben ihrer Elemente: Dabei gibt man die Menge wie in den folgenden Beispielen an: Beispiele: F = {x x > 5} gelesen: F ist gleich (die, der) Menge aller x, für die gilt: x ist gröÿer als 5 K = {x x ist teilbar durch 4} V = {z z 5 = 32} 4. Venndiagramme: Man veranschaulicht Mengen auch oft durch Mengenbilder. Dazu stellt man die Elemente der Menge als Punkte in der Zeichenebene dar, die man mit einer geschlossenen Kurve begrenzt. Beispiel: Wie wir an den obigen Beispielen gesehen haben, gibt es Mengen die nie aufhören und auch solche, deren Elemente man abzählen kann (und dabei bei einer festen Zahl angelangt). Denition: Eine Menge heiÿt endlich, wenn sie endlich viele Elemente besitzt; ansonsten heiÿt sie unendlich. Besitzt eine Menge A endlich viele Elemente, so heiÿt deren Anzahl die Kardinalzahl der Menge A. Bezeichnung: #A oder A Beispiele: Die obigen Mengen D und B sind endlich, während die Mengen N, R, E unendliche Mengen sind. 1 Hier wird bewuÿt nicht die Denition der DIN-Norm verwendet, die die 0 mit enthält. Unter den natürlichen Zahlen verstehen wir hier die Zahlen, mit denen ein Kind das Zählen erlernt. Betrachtet man die Entwicklung der Mathematik, so überraschen die folgenden Jahreszahlen: Die Inder entwickelten schon um 600 n.chr. das Bruchrechnen (das Teilen war oensichtlich am wichtigsten), erst ca. 700 n. Chr. folgten die negativen Zahlen. (Das Minus heiÿt bei den Indern bis heute Schulden. In Europa wurden die negativen Zahlen 1544 durch Michael Stifel eingeführt; in der westlichen Welt voll verankert allerdings erst 1867 durch Hermann Hankel). Als letzte Zahl in der geschichtlichen Entwicklung wurde ca. 800 n. Chr. die Null als Zahl eingeführt! 4

Denition: Als Abkürzung für ist (ein) Element von, liegt in, gehört zu führen wir das Zeichen ein. Für ist nicht Element, liegt nicht in, gehört nicht zu schreiben wir. Achtung: Vor dem Zeichen muÿ ein Element und hinter dem Zeichen eine Menge stehen!! Beispiele: Die Mengen D, E und N seien wie in den obigen Beispielen erklärt. Dann gilt: Gabi D, 128 E, 40 E, 0 N Denition: Enthält eine Menge dieselben Elemente wie eine andere, nur in anderer Reihenfolge, so heiÿen diese beiden Mengen gleich. Hierbei sind auch Mehrfachnennungen eines Elementes erlaubt. Beispiele: 1. Es seien: B = {1, 2, 3, 4, 5, 6} und E = {5, 3, 6, 4, 1, 2}. Dann gilt: B = E. 2. Analog gilt: {1, 2, 3} = {3, 1, 2} = {3, 1, 3, 2, 3} Manchmal beschreibt man eine Menge und es stellt sich heraus, daÿ es kein einziges Element gibt, das zu der Menge gehört. Beispiele: Menge, der durch 5 teilbaren Zahlen zwischen 16 und 19, oder Menge der Schnittpunkte zweier Kreise mit unterschiedlichen Radien und gemeinsamem Mittelpunkt. Denition: Die Menge, die kein einziges Element enthält, nennt man die leere Menge. Für sie schreiben wir: { } oder auch. Achtung: {0}!! {0} ist die Menge die das eine einzige Element, die Zahl 0 enthält, während { } die Menge ist, die kein einziges Element besitzt. Aufgaben: 1. Beschreiben Sie die folgenden Mengen in Worten: a) B = { 1 2, 1 3, 1 4, 1 5,...} b) D = {1, 2, 3, 4, 6, 8, 12, 24} 2. Geben Sie die folgenden Mengen in aufzählender Schreibweise an: a) Die Menge der ungeraden natürlichen Zahlen. b) Die Menge der Quadratzahlen. c) Die Menge der durch 9 teilbaren Zahlen. d) Die Menge der Primzahlen. 5

1.2 Teilmengen Vergleichen Sie 1) {2, 4, 6, } mit D = {1, 2, 3, 4, 6, 8, 12, 24} und 2) {2, 3, 5, 7, 11, 13, 17,...} mit N. Was fällt Ihnen dabei auf? Denition: Eine Menge A heiÿt Teilmenge einer Menge B genau dann, wenn alle Elemente aus A auch Elemente aus B sind. Man schreibt: A B. Ansonsten sagt man: A ist keine Teilmenge von B und schreibt: A B. Bemerkung: Schreibt man in der Bedingung dieser Denition statt B auch A, so sieht man, daÿ auch A selbst die Bedingung dieser Denition erfüllt. Das bedeutet: Jede Menge ist Teilmenge von sich selbst. Denition: Ist A B und A B, so sagt man: A ist eine echte Teilmenge von B, und schreibt: A B oder A B. Achtung: heiÿt etwas anderes als! (Bei steht davor ein Element und dahinter eine Menge; bei steht sowohl davor als auch dahinter eine Menge.) Bemerkung: Die leere Menge betrachtet man als Teilmenge jeder Menge. 2 Denition: Die Potenzmenge einer Menge M ist die Menge P(M) aller Teilmengen von M. Übungen: In den Aufgaben 1-4 gilt es zunächst zu entscheiden welches Zeichen zuständig ist. Überlegen Sie sich im zweiten Schritt, ob die Beziehung wahr oder falsch wird. 1. {1, 5, 6, 34, 78} N 2. 3 Q 3. {12, 24, 36, 48,...} {3, 6, 9, 12,...} 7 4. Z 8 5. Geben sie alle Teilmengen von M = {1, 2, 3} an. (Bem: Es gibt 8 verschiedene Teilmengen) Wie lautet demnach die Potenzmenge von M? 6. Venndiagramme: (Haben in ihrer allgemeinsten Lage Beweiskraft!) Begründen Sie: Wenn D E und E F ist, so auch D F. Kann man statt auch schreiben? 7. Was folgt, wenn sowohl D E als auch E D gilt? 1.3 Durchschnitts-, Vereinigungs-, Rest- und Komplementärmengen Aus zwei Mengen kann man neue Mengen bilden: Beispiel: Es seien: A = {1, 4, 8, 29, 75} und B = {1, 5, 18, 29}. Wir können z.b. alle Elemente heraussuchen, die in beiden Mengen gleichzeitig vorkommen: D = {1, 29}. Eine andere Möglichkeit besteht darin alle Elemente aufzulisten, die entweder in A oder in B oder in beiden auftauchen: V = {1, 4, 5, 8, 18, 29, 75} 2 Dies wird erst nach dem Studium des nächsten Kapitels verständlich 6

Denition: Man nennt die Menge der Elemente, die sowohl zu einer Menge A als auch zu einer Menge B gehören den Durchschnitt oder die Schnittmenge D von A und B. Man schreibt: D = A B. Denition: Man nennt die Menge der Elemente, die zu einer Menge A oder zu einer Menge B oder zu beiden gehören die Vereinigungsmenge V von A und B. Man schreibt: V = A B. Beispiel: 1. Im einleitenden Beispiel oben ist: D = A B und V = A B. 2. Venndiagramm: Bemerkungen: 1. Ist A B, dann gilt: A B = A. A B = B. 2. Der Schnitt bzw. die Vereinigung zweier Mengen liefert also immer wieder eine Menge! (vgl. Addition von Zahlen: Summe und Dierenz zweier Zahlen liefert auch wieder eine Zahl.) Denition: Ist A B =, so heiÿen die beiden Mengen elementfremd oder disjunkt. Bemerkung: Sind A und B elementfremd und bildet man A B, so schreiben wir: A B Aufgaben: 1. Geben Sie zu folgenden drei Mengen alle möglichen Schnittmengen und Vereinigungsmengen zweier Mengen in aufzählender Schreibweise an: E = {3, 4, 7, 9} F = {1, 3, 5, 7} G = {4, 8, 12, 16,...} 2. Bestimmen Sie den gröÿten gemeinsamen Teiler ggt(30, 45) und das kleinste gemeinsame Vielfache kgv(30, 45) über die Menge der gemeinsamen Teiler bzw. die Menge der gemeinsamen Vielfachen von 30 und 45. 7

Satz: Es gilt das Kommutativgesetz (KG ): A B = B A. Satz: Es gilt das Assoziativgesetz: (AG ): (A B) C = A (B C). Satz: Es gilt das Kommutativgesetz (KG ): A B = B A. Satz: Es gilt das Assoziativgesetz: (AG ): (A B) C = A (B C). Bemerkung: Es gilt: A = = A A = A A = A = A A = A und verbindend, gelten die folgenden Gesetze: Satz: Es gelten die zwei Distributivgesetze: (DG ) A (B C) = (A B) (A C) (DG ) A (B C) = (A B) (A C) Beweis: über Venndiagramme. (Venndiagramme haben in allgemeinster Lage Beweiskraft.) 8

Rest- und Komplementärmengen Nimmt man von {3, 5, 9, 16, 45, 55} die Menge der durch 3 teilbaren Zahlen (= {3, 6, 9, 12, 15, 18,...}) weg, so bleibt eine Menge übrig: Denition: Die Menge, die übrigbleibt, wenn man von einer Menge A alle Elemente einer zweiten Menge B wegnimmt, nennt man die Restmenge oder die Dierenzmenge von A und B. Bezeichnung: A \ B = A B. Veranschaulichung: d.h. A \ B ist die Menge der Elemente, die zu A aber nicht zu B gehören. Ein wichtiger Sonderfall erhält wieder einen eigenen Namen: Denition: Gilt B A, so heiÿt die Menge, die übrigbleibt, wenn man von A die Elemente von B wegnimmt, die Komplementärmenge oder Ergänzungsmenge von B bzgl. A. Bezeichnung: B = A \ B = A B = C A (B). Veranschaulichung: Bemerkung: 1. gilt B = A, dann ist B = A B = A \ B =. 2. gilt B =, dann ist B = A \ B = A. Aufgaben: 1. a) Bilden Sie alle möglichen Restmengen von je zwei der folgenden Mengen: {2, 3, 8} {5, 8} N b) Was ergibt jeweils: ({2, 3, 8} \ {2, 3, 8}) \ {5, 8} und {2, 3, 8} \ ({2, 3, 8} \ {5, 8})? Gilt demnach für \ das Assoziativgesetz? 2. Geben Sie die beiden Restmengen bzgl. N an: {3, 6, 9, 12, } {4, 8, 12, 16, } 3. In einer Schulklasse sei K die Menge der Kinder, M die Menge der Mädchen und A die Menge der Auswärtigen. Zeichnen Sie ein Mengenbild und geben Sie die folgenden Mengen in Worten an: K \ M, K \ A, K \ (M A), K \ (M A) 9

2 Aussagenlogik Die Sprache der Mathematik stammt einerseits aus der Mengenlehre und andererseits aus der Aussagenlogik. Was logisch ist, ist hierbei genau deniert und kann erlernt werden. Im folgenden sind die Grundbegrie der zweiwertigen Logik zusammengestellt. 2.1 Aussagen und Aussageformen Denition: Eine Aussage ist ein Satz, der objektiv entweder wahr (w) oder falsch (f) ist. (Ob der Satz wahr oder falsch ist, muÿ auf alle Fälle entscheidbar sein!) Beispiele: Sabine ist ein Mädchen (w), 3 = 5 (f), 3 < 5 (w). Befehle und Fragen sind keine Aussagen. Beispiele: Addiere 3! Wieviel Uhr ist es? Persönliche Meinungen sind keine Aussagen. Beispiel: Der Baum ist schön. Aufgaben: Entscheiden Sie ob es sich bei den folgenden Sätzen um Aussagen handelt: München ist eine deutsche Millionenstadt. Hans hat einen roten Pullover an. 11 ist eine Primzahl. 7 ist eine gerade Zahl. 20 2 < 400. Addiere 7! Wieviel Uhr ist es? Berlin ist eine schöne Stadt. Denition: Eine Aussageform ist ein Satz, der eine (oder mehrere) Variable enthält, der nach dem Einsetzen eines Elementes anstelle der Variablen wahr oder falsch wird und somit in eine Aussage übergeht. Beispiele: A : x 2 < 400 B : (z 2 12z + 35)(z 2 24z + 143) = 0 C : x ist ein Planet. Bemerkung: Bei einer Aussageform kann zunächst nicht entschieden werden, ob sie wahr oder falsch ist. Dies ist erst möglich, wenn für die Variable(n) Elemente einer Grundmenge eingesetzt werden. Setzt man also in eine Aussageform Elemente einer Grundmenge ein, so entsteht eine Aussage. Beispiele: x < 5 liefert für x = 2: 2 < 5 (w), für x = 7: 7 < 5 (f). Übungen: Die Aussageformen seien wie in dem vorigen Beispiel deniert. Was liefern die Aussageformen für die angegebenen Werte der Variablen? A liefert für x = 7: A liefert für x = 30: B liefert für z = 5: B liefert für z = 20: C liefert für x = die Erde: C liefert für x = der Mond: Bemerkung: Die Lösungsmenge ändert sich je nach zugrunde gelegter Grundmenge. Darum ist es stets notwendig die verwendete Grundmenge anzugeben. 10

Beispiel: Aussageform: x 2 < 9. G = N: Lösungsmenge: G = Z: Lösungsmenge: G = Q: Lösungsmenge: Bezeichnung: Aussagen oder Aussageformen bezeichnet man mit kleinen lateinischen Buchstaben, meist p, q, r,.... Beispiel: p : x < 5. Je nachdem welcher Wert für x eingesetzt wird, nimmt p einen der beiden Werte (w) oder (f) an. Andere Werte sind in der zweiwertigen Aussagenlogik für Aussagen bzw. Aussageformen nicht möglich. Das heiÿt die Variablen, wie z.b. p, stehen in der zweiwertigen Aussagenlogik stets für einen der beiden Werte (w) oder (f). Beispiel: p : 7 2 < 400 Dann gilt: q : 4 ist eine Primzahl. Dann gilt: Sei x R r : x ist durch 5 teilbar. Dann gilt: 2.2 Aussagenlogische Verknüpfungen Aussagen (Aussageformen) können verknüpft werden. Die Denition dieser Verknüpfungen erfolgt über Wahrheitstafeln, in denen für alle möglichen Kombinationen der Operanden die Ergebniswerte festgelegt werden: Die einfachste aussagenlogische Verknüpfung, ist die Verneinung (Negation): Denition: 1. Verneinung:... (gelesen: non..., nicht... ) : p p w f Die Aussage(-form) p ist genau dann wahr, wenn die Aussage(-form) p falsch ist und umgekehrt. Beispiele: p : 12 ist ein Vielfaches von 7. (f) p : q : Alle Quadratzahlen sind gerade. (f) q : f w 11

Es gibt noch weitere Möglichkeiten mit Aussagen (Aussageformen) zu rechnen, d.h. Aussagen (Aussageformen) zu verknüpfen: 2. Konjunktion:...... (gelesen:... und... ) : p q p q w w w w f f f w f f f f Die Aussage(-form) p q ist nur dann wahr, wenn sowohl die erste Aussage(-form) p als auch die zweite Aussage(-form) q wahr sind. Das mathematische ist also mit dem sprachlichen und identisch. Beispiele: p : 2 2 = 4 (w) q : 2 < 5 (w) p q : 2 2 = 4 2 < 5 (w) p : 2 2 = 4 (w) q : 4 < 3 (f) p q : 2 2 = 4 4 < 3 (f) Die Mutter sagt zu ihrem Sohn: Heute Nachmittag gehen wir schwimmen und ins Kino. Diese Aussage bewerten wir nur dann als wahr, wenn die beiden Aussagen: p : Mutter und Sohn gehen zum Schwimmen und auch q : Mutter und Sohn gehen ins Kino erfüllt werden. Veranschaulichung: und-schaltung: Eingang/Operanden: Schalter zu entspricht: w, Schalter auf entspricht: f Ausgang/Ergebnis: Strom ieÿt entspricht: w, kein Strom ieÿt entspricht: f. 3. Disjunktion:...... (gelesen:... oder... ) : p q p q w w w w f w f w w f f f Die Aussage(-form) p q ist nur dann falsch, wenn sowohl die erste Aussage(-form) p als auch die zweite Aussage(-form) q falsch ist. Achtung: Das mathematische oder ist ein einschlieÿliches oder kein entweder oder! Beispiele: p : 2 2 = 4 (w) q : 2 < 5 (w) p q : 2 2 = 4 2 < 5 (w) 12

p : 2 2 = 4 (w) q : 4 < 3 (f) p q : 2 2 = 4 4 < 3 (w) Die Mutter sagt zu ihrem Sohn: Heute Nachmittag gehen wir schwimmen oder ins Kino. Diese Aussage bewerten wir nach unserem sprachlichen Empnden eher dann als wahr, wenn nur eine der beiden Aussagen erfüllt wird. Im mathematischen Sinn ist diese Aussage aber auch dann wahr, wenn beide Aussagen: p : Mutter und Sohn gehen zum Schwimmen und auch q : Mutter und Sohn gehen ins Kino erfüllt werden! Veranschaulichung: oder - Schaltung (die Bewertungen werden seien wie oben bei der und-schaltung festgelegt): Die bisher behandelten aussagenlogischen Verknüpfungen nden in der Praxis, z.b. in der Steuerungstechnik, Anwendung. Im Gegensatz zur Steuerungstechnik, bei der ein System geregelt werden soll, was nur bei sich ändernden Eingangs- bzw. Ausgangsvariablen sinnvoll ist, ist man in der Mathematik z.b. beim Lösen von Gleichungen, insbesondere an Umformungen interessiert, die stets wahr werden. Die beiden folgenden aussagenlogischen Verknüpfungen bilden die Grundlage des logischen Schluÿfolgerns und des Lösens von Gleichungen. 4. Subjunktion:...... (gelesen: aus... folgt...,... subjungiert... ) : p q p q w w w w f f f w w f f w Die Aussage(-form) p q ist nur dann falsch, wenn die erste Aussage(-form) p wahr und die zweite Aussage(-form) q falsch ist. Achtung: Aus etwas Falschem folgt immer etwas Wahres! Warum das subjungiert so erklärt wurde, läÿt sich durch das folgende Beispiel motivieren: Beispiel: Auf der Speisekarte eines Restaurants steht: Zu Kartoeln wird Soÿe gereicht. Übersetzen wir diesen Satz in die aussagenlogische Formulierung, so ergibt sich: p : Es gibt Kartoeln q : Es gibt Soÿe Zu Kartoeln wird Soÿe gereicht und bedeutet dann: p q Nun gibt es vier mögliche Fälle: (a) Ich esse ein Gericht mit der Beilage Kartoeln und es wird Soÿe dazu gereicht. (p = w, q = w) In diesem Fall empnden wir die Aussage (Zu Kartoeln wird Soÿe gereicht.) p q als wahr. (b) Ich esse ein Gericht mit der Beilage Kartoeln und es wird keine Soÿe dazu gereicht. (p = w, q = f) In diesem Fall empnden wir die Aussage (Zu Kartoeln wird Soÿe gereicht.) p q als falsch. 13

(c) Ich esse ein Gericht mit der Beilage Nudeln und es wird Soÿe dazu gereicht. (p = f, q = w) In diesem Fall haben wir keinen Grund, die Aussage (Zu Kartoeln wird Soÿe gereicht.) p q als falsch zu bewerten. (d) Ich esse ein Gericht mit der Beilage Nudeln und es wird keine Soÿe dazu gereicht. (p = f, q = f) In diesem Fall haben wir ebenfalls keinen Grund, die Aussage (Zu Kartoeln wird Soÿe gereicht.) p q als falsch zu bewerten. 5. Bijunktion:...... (gelesen:... genau dann, wenn...,... bijungiert... ) : Vereinbarung: p q p q w w w w f f f w f f f w Die Aussage(-form) p q ist immer dann falsch, wenn eine der beiden Aussagen(-formen) p oder q falsch, und die andere wahr ist. Beispiel: p : x ist ungerade q : x ist nicht durch 2 teilbar. Dann gilt für jede natürliche Zahl x: p q. 1. bindet stärker als bzw.. Beispiel: p q heiÿt: ( p) q. Diese Vereinbarung wurde getroen um weniger Klammern schreiben zu müssen. 2. und sind gleichberechtigt. Deshalb müssen Klammern gesetzt werden, sobald beides in einer Aussageform auftaucht! Beispiel: pq r ist nicht erlaubt, da nicht klar ist, ob zuerst pq oder q r ausgerechnet werden muÿ! 3. und binden stärker als und. Beispiel: p q r heiÿt: (p q) r. 4., sind gleichberechtigt, d.h. wenn beide Verknüpfungen in einer Aussage(form) vorkommen, so müssen Klammern gesetzt werden! 2.3 Aussagenlogische Gesetze, Implikation und Äquivalenz Nun können wir erklären, wie ein Gesetz in der Mathematik aussieht: Denition: Ein (aussagenlogisches) Gesetz (Tautologie, Wahrform) ist eine Aussageform, die für jede Belegung der Variablen, d.h. egal was für die Variablen eingesetzt wird, wahr wird. Der Nachweis kann beispielweise über Wahrheitstafeln erfolgen. Nun zu den beiden für die Mathematik wichtigsten logischen Wahrformen: 14

Spezialfälle: 1. Implikation: Eine Subjunktion, die immer wahr wird, heiÿt eine (logische) Implikation. Bezeichnung: p = q. Gelesen: aus p folgt q, wenn p dann q, p ist hinreichend für q, q ist notwendig für p (denn: wenn p erfüllt ist, dann ist automatisch auch q erfüllt). Der Pfeil mit den zwei Strichen beinhaltet also zwei Informationen: Zum ersten handelt es sich um eine Subjunktion und zum zweiten wird diese Subjunktion für jede Belegung der Variablen wahr. Nachdem wir nun erklärt haben, wie ein Gesetz in der Mathematik aussieht, können wir unser erstes Gesetz formulieren. Solche Gesetze heiÿen Sätze. Jeder Satz in der Mathematik muÿ unter Verwendung der denierten Begrie und aussagenlogischer Gesetze bewiesen werden. Beispiel: Satz: Für zwei beliebige Aussageformen p und q gilt: p (p q) = q Beweis: Der Nachweis erfolgt über eine Wahrheitstafel. Hierbei muÿ jede mögliche Kombination der auftretenden Operanden in der Tabelle auftauchen p q p q p (p q) [p (p q)] q w w f f w f w f 2. Äquivalenz : Eine Bijunktion, die immer wahr wird, heiÿt eine (logische) Äquivalenz. Bezeichnung: p q. Gelesen: p äquivalent q, p genau dann, wenn q, p ist hinreichend und notwendig für q (q ist hinreichend und notwendig für p). Beispiel: Satz: Für zwei beliebige Aussageformen p und q gilt: p q p q Beweis: Der Nachweis erfolgt wieder über eine Wahrheitstafel. p q p p q p q ( p q) (p q) w w f f w f w f Bemerkung: Betrachtet man die beiden vorletzten Spalten, so erkennt man, daÿ beide Aussageformen dieselben Werte in jeder Zeile liefern. Dies bedeutet, daÿ man sich beim Nachweis einer Äquivalenz die letzte Spalte sparen kann. Es genügt die Terme links und rechts des Äquivalenzzeichens auszuwerten und die sich ergebenden Werte zeilenweise zu vergleichen. Liefern beide Spalten dieselben Wahrheitswerte, so liegt eine Äquivalenz vor. 15

Bemerkungen: 1. Ähnlich wie im letzten Satz für die Subjunktion gezeigt hat, lassen sich alle höheren aussagenlogischen Verknüpfungen auf und bzw. und zurückführen. (Unter Umständen sind hierzu die weiter unten angeführten De Morganschen Regeln notwendig.) 2. Sind zwei Aussagen (-formen), die keine Wahrformen sind, gleich (=), d.h. liefern sie in der Wahrheitswerttabelle dieselben Spalten, so sind sie auch äquivalent. Dies bedeutet, daÿ eine behauptete Gleichheit immer über eine Bijunktion nachgewiesen werden muÿ, die dann für jede Belegung der Variablen den Wert (w) liefert. 3. In aussagenlogischen Gesetzen dürfen äquivalente Aussageformen ersetzt werden, denn äquivalente Aussageformen besitzen in der Wahrheitstafel diesselben Spalten. Also gehen sie in weitere Verknüpfungen in gleicher Weise ein. Der folgende Satz zeigt wie sich eine Bijunktion auf, und zurückführen läÿt: Satz: p q (p q) (q p) ( p q) ( q p). Beweis: Der ersten Äquivalenz: über eine Wahrheitstafel p q p q p q q p (p q) (q p) w w f f w f w f Vergleicht man die (p q)-spalte mit der letzten Spalte, so erkennt man daÿ beide Spalten identisch sind. = die beiden Spalten sind äquivalent. Der zweiten Äquivalenz: Nach dem vorigen Satz gilt: p q p q und q p q p. Da äquivalente Aussageformen ersetzt werden dürfen, folgt die Behauptung sofort aus der ersten Äquivalenz. Satz: Kontraposition Beweis: über Wahrheitstafel: p q q p. p q p q q p q p w w f w f w f f Bemerkung: Nach Kenntnis der Gültigkeit der Kontraposition wird die Sprechweise q ist notwendig für p für eine Subjunktion deutlich: wenn q nicht erfüllt ist, kann p automatisch auch nicht erfüllt sein, falls q aus p folgt. 16

Im Folgenden sind einige Rechenregeln der Aussagenlogik zusammengestellt. Satz: Für und gelten die Kommutativgesetze: (KG ) p q = q p (KG ) p q = q p. Beweis: trivial, folgt sofort aus der Symmetrie der Denitionstabellen. Satz: Für und gelten die Idempotenzgesetze: (I ) p p = p (I ) p p = p. Beweis: trivial, folgt sofort aus den Denitionstabellen. Satz: De Morgan (p q) = p q (p q) = p q Beweis: über eine Wahrheitstafel. (Hinweis: = bedeutet ) 1. (p q) = p q p q p q (p q) p q p q (p q) p q w w f f w f w f 2. (p q) = p q: Übung Satz: Für und gelten die Assoziativgesetze: (AG ) (p q) r = p (q r) (AG ) (p q) r = p (q r). Beweis: über eine Wahrheitstafel. Wir zeigen hier wieder exemplarisch das (AG ). Der Beweis von (AG ) verläuft wieder vollkommen analog. zu zeigen: (p q) r = p (q r) Dies ist das erste Gesetz, in dem drei Eingangsvariable vorkommen. Bei zwei Eingangsvariablen hatte unsere Wahrheittabelle vier Zeilen, da jeder der Wahrheitswerte (w) und (f) der zweiten Variablen mit jedem der beiden Werte (w) und (f) der ersten Variablen zu kombinieren war, um alle möglichen Kombinationen zu erhalten. Kommt nun eine dritte Eingangsvariable hinzu, die wiederum die beiden möglichen Wahrheitswerte (w) oder (f) besitzt, so sind diese beiden Werte jeweils mit den bekannten vier Kombinationen der beiden anderen Variablen zu kombinieren. Demnach besitzt die Wahrheitstafel in diesem Fall acht Zeilen: 17

p q r (p q) (p q) r q r p (q r) w w w w w f w f w w f f f w w f w f f f w f f f Da die letzte Spalte und die drittletzte Spalte wieder identisch sind, gilt die behauptete Gleichheit. Übungsaufgaben: Beweisen Sie die folgenden Gesetze: 1. Distributivgesetze: (p q) r = (p r) (q r) (p q) r = (p r) (q r) 2. Verschmelzungsgesetze: p = p (p q) p = p (p q) 3. (p q) ( p q) 4. Transitivität: (p q) (q r) = p r (p q) (q r) = p r 5. ( p) = p 18

2.4 Quantoren Bei Aussageformen ist zunächst nicht entscheidbar, ob sie wahr oder falsch sind: Beispiel: p : x ist durch 13 teilbar. Es gibt nun grundsätzlich zwei verschiedene Möglichkeiten eine solche Aussageformen in eine wahre oder falsche Aussage überzuführen: 1. Man setzt für x einen festen Wert ein. Im Beispiel erhält man für x = 3: 3 ist durch 13 teilbar. (f) 2. Man verbindet die Aussageform mit Redewendungen wie: (a) Für mindestens ein (b) Für kein (c) Für alle Legt man nun zusätzlich einen Grundmenge fest, aus dem x zu wählen ist, so werden die entsprechenden Aussageformen zu Aussagen. Beispiel: Es sei p wie oben die Aussageform x ist durch 13 teilbar. Wir wählen für x die Grundmenge G = N. Dann können wir die folgenden Aussagen bilden: 1. Für mindestens ein x N ist x teilbar durch 13 2. Für kein x N ist x teilbar durch 13 3. Für alle x N ist x teilbar durch 13 Denition: Redewendungen wie für alle x, für mindestens ein x, für genau ein x, für kein x heiÿen Quantoren. Die zwei wichtigsten Quantoren erhalten einen eigenen Namen, weitere werden mit Hilfe dieser beiden Quantoren gebildet: 1. Als Abkürzung für für alle x oder zu jedem x führen wir das Zeichen: x oder x ein und bezeichnen diesen Quantor als Allquantor. 2. Als Abkürzung für für (mindestens) ein x, es gibt (mindestens) ein x oder es existiert (mindestens) ein x führen wir das Zeichen: oder x ein und bezeichnen diesen Quantor als Existenzquantor. 3. Als Abkürzung für für genau ein x, es gibt genau ein x oder es existiert genau ein x führen wir das Zeichen:! oder x! ein. x Bemerkung: Der Quantor für kein x kann in folgender Weise umgesetzt werden: (...) bzw. x (...). x x 19

Beispiele für Aussagen, die Quantoren enthalten: x N : x 2 x x Gelesen: Für alle x N gilt: x 2 x : x 2 x x Q : x < y x, y N Gelesen: Für alle x, y N gilt: x < y : x < y x N y N : x N x 2 x Gelesen: Zu jedem x N gibt es mindestens ein y N so daÿ: x < y ist. : x < y y N x N Bemerkung: In der Literatur wird bei mathematischen Gesetzen der Allquantor oft weggelassen: Beispiel: (KG) a + b = b + a, denn jeder versteht dieses Gesetz so, daÿ es egal ist, welche zwei Zahlen für a und b eingesetzt werden. Die Negation von All- und Existenzaussagen Motivation: Es sei die Grundmenge M eine beliebige, endliche Menge, d.h.: M = {x 1, x 2,..., x n } Dann bedeutet: x M : p(x) p(x 1 ) p(x 2 )... p(x n ). Beispiel: M = {1, 2, 3, 4, 5, 6} : p(x) x M p(x) = x ist durch 3 teilbar. Dann bedeutet: (1 ist durch 3 teilbar) (2 ist durch 3 teilbar) (3 ist durch 3 teilbar) (4 ist durch 3 teilbar) (5 ist durch 3 teilbar) (6 ist durch 3 teilbar). Der Allquantor ist also ein verallgemeinertes. Analog bedeutet: x M : p(x) p(x 1 ) p(x 2 )... p(x n ). Beispiel: Es seien M und p(x) wie oben deniert. Dann bedeutet: x M : p(x) (1 ist durch 3 teilbar) (2 ist durch 3 teilbar) (3 ist durch 3 teilbar) (4 ist durch 3 teilbar) (5 ist durch 3 teilbar) (6 ist durch 3 teilbar). 20

Der Existenzquantor ist also ein verallgemeinertes. Die jeweils rechts stehenden Ausdrücke können wir nun über die De Morganschen Regeln negieren. Hierzu verwenden wir: Bemerkung: Die Regeln von De Morgan sind auf mehr als zwei Wahrheitswerte verallgemeinerbar: (p 1 p 2 p 3... p n ) = p 1 p 2... p n (p 1 p 2 p 3... p n ) = p 1 p 2... p n. Für die Negation einer Allaussage gilt demnach: : p(x) [p(x 1 ) p(x 2 )... p(x n )] p(x 1 ) p(x 2 )... p(x n ) x M x M : p(x). Satz: Die Negation einer Allaussage liefert eine Existenzaussage mit der negierten Aussageform. Für die Negation einer Existenzaussage gilt analog: : p(x) [p(x 1 ) p(x 2 )... p(x n )] p(x 1 ) p(x 2 )... p(x n ) x M x M : p(x). Satz: Die Negation einer Existenzaussage liefert eine Allaussage mit der negierten Aussageform. Diese beiden, hier im Spezialfall hergeleiteten, Gesetze gelten auch im allgemeinen Fall, daÿ M eine beliebige, unter Umständen auch unendliche Menge ist. (Die Beweise überlassen wir an dieser Stelle den Mathematikern. Sie werden in der sogenannten Quantorenlogik durchgeführt.) Achtung: Die Redewendungen für alle... nicht..., d.h. für kein..., und nicht für alle... haben verschiedene Bedeutung. Ihre Umsetzung in die Quantorenschreibweise lautet: für alle... nicht... (...) (...) nicht für alle... (...). 21

3 Beweisverfahren Den drei wichtigsten Beweisverfahren der Mathematik liegen drei verschiedene aussagenlogische Gesetze zugrunde: In allen drei Fällen gehen wir davon aus, daÿ der zu beweisende Satz die folgende Form hat: Satz: Aussage 1 (Voraussetzung) (= p) = Aussage 2 (Behauptung) (= q). Beispiele: a b = 0 = a = 0 b = 0 a < b = a + c < b + c 3.1 Modus Ponens der direkte Beweis Das Schema des direkten Beweises ist das folgende, aussagenlogische Gesetz, das wir in 2.3 auf Seite 15 bewiesen haben: p (p q) = q. Im Beweis wird hierbei die Klammer (p q) ausgeführt. Interpretation: Ist die Voraussetzung p wahr und folgt (laut Beweis) aus p q, so ist auch q wahr. Beim direkten Beweis gelangt man durch eine Kette von Implikationen von der ersten Aussage, der Voraussetzung, direkt zur zweiten Aussage, der Behauptung. Beispiel: Um a b = 0 = a = 0 b = 0 mit Hilfe eines direkten Beweises zu zeigen, müÿte man eine Kette von Implikationen (die natürlich alle in die gleiche Richtung gehen), von a b = 0 nach a = 0 b = 0 nden. a b = 0 =... =... =... = a = 0 b = 0 3.2 Modus Tollens der indirekte Beweis Der indirekte Beweis wird auch Beweis durch Kontraposition genannt. Das Schema des indirekten Beweises ist: p ( q p) = q. Im Beweis wird hierbei dieses mal die Klammer ( q p) ausgeführt. Interpretation: Ist die Voraussetzung p wahr und folgt (laut Beweis) aus dem Gegenteil der Behauptung q das Gegenteil der Voraussetzung p, so ist die Behauptung q wahr. Beim indirekten Beweis zeigt man also, daÿ aus dem Gegenteil der Behauptung das Gegenteil der Voraussetzung folgt. 22

Beweis: Wie wir schon wissen, dürfen in aussagenlogischen Gesetzen Aussageformen durch äquivalente Aussageformen ersetzt werden. Wir haben schon gezeigt, daÿ q p p q ist. Ersetzen wir im ersten Beweisschema p q durch q p, so erhalten wir obiges Gesetz. Beispiel: Um a b = 0 = a = 0 b = 0 mit Hilfe eines indirekten Beweises zu zeigen, müÿte man eine Kette von Implikationen von (a = 0 b = 0) nach (a b = 0) nden. (a = 0 b = 0) = (a = 0) (b = 0) = (a 0) (b 0) =... =... =... = a b 0 = (a b = 0) 3.3 Der Widerspruchsbeweis Das Schema des Widerspruchsbeweises lautet: p [(p q) p] = q oder: p [(p q) f] = q. Im Beweis wird hierbei dieses mal die Klammer [(p q) p] bzw. [(p q) f] ausgeführt. Interpretation: Ist die Voraussetzung p wahr, und folgt aus der Voraussetzung zusammen mit dem Gegenteil der Behauptung das Gegenteil der Voraussetzung bzw. etwas Falsches, so ist auch die Behauptung q wahr. Hier nimmt man also an, die Voraussetzung p und das Gegenteil der Behauptung q gelte und folgert daraus einen Widerspruch ( ). Beweis: Es gilt: p q p q. Dies wenden wir nun an auf: (p q) p (p q) p ( p q) p De Morgan p ( p q) (KG) ( p p) q (AG) nach dem Idempotenzgesetz gilt: p p = p p q p q d.h.: ersetzen wir p q im ersten Beweisschema durch die äquivalente Aussageform (p q) p, so erhalten wir die Behauptung: p [(p q) p] = q. Der Beweis der zweiten Möglichkeit verläuft analog. Beispiel: Um a b = 0 = a = 0 b = 0 mit Hilfe eines Widerspruchsbeweises zu zeigen, müÿte man eine Kette von Implikationen von der Annahme a b = 0 [(a 0) (b 0)] bis zu einem Widerspruch nden. a b = 0 [(a 0) (b 0)] =... =... =... = Bemerkung: Lautet der Satz: Aussage 1 Aussage 2, so muÿ die zum Beweis gebildete Kette entweder aus lauter bestehen, oder der Beweis ist in beide Richtungen = und = getrennt zu führen. Achtung: Jede Beweiskette ist immer nur so stark wie ihr schwächstes Glied! Neben diesen drei Beweisverfahren gibt es noch das Verfahren der vollständigen Induktion, das wir in einem späteren Kapitel kennenlernen werden. 23

4 Geschichtliche Entwicklung der rationalen Zahlen 4.1 Die Darstellung von Zahlen Denition: Die Zahlen des Zählens 1, 2, 3,... nennt man die natürlichen Zahlen und bezeichnet sie mit N = {1, 2, 3,...}. Zur Darstellung der (natürlichen) Zahlen, verwenden wir das Zehnersystem (10 Finger), das wir von den Indern übernommen haben. Dieses Zehnersystem benützt arabische Ziern (0, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9). Die Ziern kann man mit den Buchstaben, die Zahlen mit den Worten vergleichen. (1, 4, 67, 456, 7263) Natürlich gibt es auch noch andere Zahlendarstellungen, wie z.b. die römische Zahlenschreibweise oder das vom Computer verwendete Dualsystem (Zweiersystem). 4.2 Veranschaulichung der Zahlen: Zahlen kann man als Pfeile auf der Zahlengeraden darstellen: Wählt man auf einer Geraden (meist vertikal) einen Nullpunkt, der mit 0 bezeichnet wird, und trägt (Konvention: nach rechts davon) eine Strecke der Länge e (meist 1cm) ab, deren Endpunkt man die 1 zuordnet, so lassen sich nun alle Zahlen auf dieser Zahlengeraden darstellen: +2 +5 1 0 +1 Jeder natürlichen Zahl n entspricht also ein Pfeil der Länge n e nach rechts. In dieser Veranschaulichung entspricht die Addition dem Hintereinandersetzen der Pfeile (Fuÿ an Spitze). Das Ergebnis der Addition entspricht einem Pfeil vom Fuÿ des ersten zur Spitze des zweiten Pfeiles. Beispiel: 2 + 3 +2 1 0 +1 +5 +3 Passend dazu entspricht das Subtrahieren dem Zusammensetzen der Pfeile Spitze an Spitze. Das Ergebnis der Dierenz entspricht dann dem Pfeil vom Fuÿ des ersten zum Fuÿ des zweiten Pfeiles. 24

Beispiel: 5 3 = +5 (+3) +2 +5 +3 1 0 +1 Wie wir alle wissen, führen die Rechenarten + und nicht aus N heraus. Will man aber subtrahieren (abziehen) oder gar mit 'Schulden' rechnen, so wird die Einführung der Null und der negativen (ganzen) Zahlen notwendig. Die Zahl 0 wurde von den Indern ca. 800 nach Chr. eingeführt, die negativen Zahlen hatten sie dagegen schon ca. 700 n. Chr. voll entwickelt. Die negativen Zahlen erreichten Europa erst sehr spät. Hier verschate ihnen Michael Stifel 1544 ihren Durchbruch. Dennoch dauerte es bis 1867 bis die negativen Zahlen (in einer Arbeit von Hermann Hankel) in Europa voll verankert wurden. Beispiel: 3 5 = +3 (+5) 2 +5 +3 1 0 +1 Denition: N 0 := {0, 1, 2, 3,...} = N {0} Z := {..., 3, 2, 1, 0, 1, 2, 3,...}... Menge der ganzen Zahlen. Z + := N... Menge der positiven, ganzen Zahlen. Z := Z \ N 0... Menge der negativen, ganzen Zahlen. Jeder negativen Zahl n entspricht auf der Zahlengeraden ein Pfeil der Länge n e nach links. Wichtig: Jede Zahl hat einen Betrag, d.h. eine Länge und eine Richtung. Diese Richtung wird durch das Vorzeichen angegeben. Das Vorzeichen + wird dabei meist nur 'gedacht' und nicht geschrieben. Beispiel: 2 = +2, 6 = +6, 57 = +57,... Nun führen +,, und nicht aus Z heraus. Wie wird nun in der Zahlengeradendarstellung multipliziert? Hierzu nimmt man den Strahlensatz aus der Geometrie zu Hilfe: Will man 2 3 zeichnerisch ermitteln, so zeichnet man einen beliebigen Winkel an den Zahlenstrahl durch 0. Auf diesen neuen Schenkel g des Winkels überträgt man nun mit dem Zirkel die Länge der 1 (Punkt A) und die eines Faktors (Punkt B). Nun zeichnet man die Gerade durch A und den Bildpunkt des anderen Faktors auf der Zahlengeraden. Zu der so entstandenen Gerade zeichnet man die Parallele durch B. Nun ist der Schnittpunkt dieser Geraden mit der Zahlengeraden der Bildpunkt des Produktes. 25

Will man auch die Umkehrung des, das :, uneingeschränkt ausführen können, so muÿ man Z zu Q, den sogenannten rationalen Zahlen (= (engl.) Bruchzahlen) erweitern. {[ m n ] } m, n Z; n 0 Denition: Q :=... Menge der rationalen Zahlen. ( [ m ] n bedeutet dabei die Klasse aller Brüche, die durch Erweitern oder Kürzen ineinander übergehen.) m nennt man den Zähler, n den Nenner. Ein Bruch heiÿt ein echter Bruch, wenn der Zähler (betragsmäÿig) kleiner als der Nenner ist. Ansonsten heiÿt der Bruch unecht. Bemerkung: Um für eine rationale Zahl eine eindeutige Darstellung zu erhalten, einigt man sich auf: q = m mit m Z; n N und m, n teilerfremd (d.h. m und n besitzen keinen gemeinsamen n Teiler). Z Q, denn: die ganzen Zahlen Z sind in Q durch die Brüche mit dem Nenner 1 eingebettet. Das Bruchrechnen in seiner heutigen Form stammt von den Indern (ca. 600 n. Chr.). Davor: Rechnen mit Stammbrüchen (=Brüche der Form 1 n ; n N) und dem Bruch 2. Das 'Rechnen' geschah damals 3 über Tafeln. In dieser Form wurde das Bruchrechnen im Mittelalter in den Schulen eingeführt. Wie erhält man nun die Zahl p = m Q auf dem Zahlenstrahl? n Wir benützen m n 1 = m und den Strahlensatz: n Folgerung: Multiplikation und Division von Zahlen Q sind ebenfalls über den Strahlensatz möglich. 26

5 Zerlegen in Faktoren 5.1 Primfaktorzerlegung 5.1.1 Teilbarkeit Die Untersuchung der Teilbarkeit wird im Rahmen der Zahlentheorie durchgeführt. Wir beschäftigen uns in diesem Kapitel nur mit der Menge der ganzen Zahlen Z, die bekanntermaÿen N und N 0 als Teilmengen mit einschlieÿt. Denition: Eine ganze Zahl t Z heiÿt Teiler einer ganzen Zahl a Z genau dann, wenn eine ganze Zahl k Z existiert, so daÿ a = k t gilt. Bezeichnung: t a gelesen: t teilt a, t ist ein Teiler von a. Setzen wir den Inhalt dieser Denition in die formale Schreibweise um, so erhalten wir: t a : t Z a Z k Z : a = k t Folgerung: Verneinen wir die linke und rechte Seite in der Denition, so ergibt sich: ( ) t a t Z a Z : a = k t t Z a Z : a k t k Z k Z In Worten bedeutet dies: Eine Zahl t ist kein Teiler einer Zahl a genau dann, wenn t oder a keine ganzen Zahlen sind, oder wenn für alle ganzen Zahlen k Z gilt: a k t. Sind t und a aber ganze Zahlen, so ist t ist kein Teiler von a genau dann, wenn für alle ganzen Zahlen k Z gilt: a k t. Bezeichnung: t a gelesen: t teilt a nicht, t ist kein Teiler von a Bemerkungen und Begrie 1. Der Betrag einer Zahl a ist der Abstand dieser Zahl vom Nullpunkt. Für rationale Zahlen gilt: (Später auch für reelle) a für a 0 a := a für a < 0 2. Ist t ein Teiler einer ganzen Zahl a 0, so gilt stets: t a, denn a = k t = k t mit k 1 (wegen a 0) 3. : 1 a 1 a a a a a a Z Diese Teiler heiÿen auch unechte Teiler oder triviale Teiler von a. Eine von 1 verschiedene, natürliche Zahl, die nur triviale Teiler besitzt, heiÿt Primzahl. 4. Jeder Teiler t einer Zahl a, der kein trivialer Teiler ist, heiÿt ein echter Teiler von a. Wegen 2. gilt für einen echten Teiler t von a: 1 < t < a 5. Jede ganze Zahl teilt die 0, d.h.: : t 0 t Z 6. Teilt die 0 eine ganze Zahl, d.h. enthält diese ganze Zahl die 0 als Faktor, so ist diese Zahl stets die 0 selbst: 0 a = a = 0 27

7. Teilt eine ganze Zahl die 1, so kann diese Zahl nur 1 oder -1 sein: t 1 = t = 1 t = 1 +1 und 1 heiÿen Einheiten (vgl. später: Ring). 8. t a a t t = a t = a 9. Transitivität: t a a b = t b 10. Teilt eine Zahl t eine Zahl a, so teilt sie auch jedes Vielfache von a: : t a = t (c a) c Z 11. Teilt eine Zahl t zwei Zahlen a 1 und a 2, so teilt sie auch deren Summe a 1 + a 2 : t a 1 t a 2 = t (a 1 + a 2 ) 12. Nun verallgemeinern wir die letzten beiden Sachverhalte: Seien c 1, c 2,..., c n beliebige ganze Zahlen. Dann gilt: Teilt eine Zahl t n Zahlen a 1, a 2,..., a n, so teilt sie auch jede beliebige Linearkombination dieser n Zahlen: c 1,c 2,...,c n Z : t a 1 t a 2... t a n = t (c 1 a 1 + c 2 a 2 +... + c n a n ) 13. a b a ( b) ( a) ( b) ( a) b, d.h. eine Zahl und ihr additives Inverses (vgl. Gruppe, Körper) besitzen stets dieselben Teilbarkeitseigenschaften. Darum reicht es aus, wenn wir bei der Untersuchung der Teilbarkeitseigenschaften positive Zahlen und die Null betrachten. Nun zu der Frage, ob es nur endlich viele oder unendlich viele Primzahlen gibt. Wir benötigen den folgenden Hilfssatz: Hilfssatz: Jede natürliche Zahl a > 1 besitzt mindestens einen Primteiler p, d.h.: : p a a N Primzahl p Beweis: Es sei T die Menge aller positiven Teiler von a. Diese Menge ist endlich, da für jeden Teiler t von a galt: 1 t a und es zwischen 1 und a nur endlich viele Zahlen gibt. Bilden wir T\{1}, so enthält diese Menge eine kleinste Zahl t min. Dieses t min muÿ eine Primzahl sein. Wäre nämlich t min keine Primzahl, so besäÿe t min einen echten Teiler t, für den gelten müÿte: 1 < t < t min. Nach der Transitivität müÿte dann t auch ein Teiler von a sein und t min wäre nicht der kleinste Teiler von a gewesen, der 1 ist. Satz: Es gibt unendlich viele Primzahlen. Oder anders ausgedrückt: Die Folge der Primzahlen hört nie auf. Beweis: Der Beweis ndet sich schon in den Elementen des Euklid (um 300 v.chr.). Der Satz ist allerdings schon älter, der Entdecker aber unbekannt. Wir führen einen Widerspruchsbeweis: Annahme: Es existiert eine gröÿte Primzahl, d.h. die Menge der Primzahlen sei {2, 3, 5, 7, 11, 13,..., P }. Diese Menge enthalte alle Primzahlen, die P sind. Wir bilden die Zahl 2 3 5 7 11... P + 1 Diese Zahl ist durch keine der Primzahlen 2, 3, 5, 7, 11, 13,..., P teilbar, da beim Teilen durch jede dieser Zahlen stets der Rest 1 entsteht. 28

Nach dem Hilfssatz muÿ diese Zahl aber eine Primzahl als Teiler enthalten. Nun entstehen zwei mögliche Fälle: Entweder ist 2 3 5 7 11... P + 1 selbst eine Primzahl oder aber diese Zahl enthält einen Primfaktor, der in {2, 3, 5, 7, 11, 13,..., P } nicht enthalten ist. In beiden Fällen erhalten wir einen Widerspruch zur Annahme, daÿ {2, 3, 5, 7, 11, 13,..., P } alle Primzahlen sind. = die Folge der Primzahlen bricht nie ab. Der folgende Satz der Zahlentheorie besagt, daÿ jede natürliche Zahl eine eindeutig bestimmte Primfaktorzerlegung besitzt: Satz: Jede natürliche Zahl n > 1 ist entweder selbst eine Primzahl oder (bis auf die Reihenfolge) eindeutig als Produkt von Primfaktoren darstellbar, d.h. n N\{1} p 1 p 2... p k p j... prim (1 j k)! : n = p 1 p 2... p k (Hierbei sind Mehrfachnennungen eines Primfaktors erlaubt.) Beweis: siehe Übungsaufgabe später (vollständige Induktion) Um für eine natürliche Zahl die Primfaktozerlegung bestimmen zu können, ist es unbedingt notwendig, die folgenden Teilbarkeitsregeln zu kennen: 5.1.2 Die Teilbarkeitsregeln Eine Zahl ist durch 2 teilbar, wenn sie... Eine Zahl ist durch 3 teilbar, wenn... Eine Zahl ist durch 4 teilbar, wenn...... Eine Zahl ist durch 5 teilbar, wenn... Eine Zahl ist durch 6 teilbar, wenn... Eine Zahl ist durch 7 teilbar, wenn... vgl. Bsp. Eine Zahl ist durch 8 teilbar, wenn...... Eine Zahl ist durch 9 teilbar, wenn... Eine Zahl ist durch 10 teilbar, wenn... Eine Zahl ist durch 11 teilbar, wenn... vgl. Bsp. Eine Zahl ist durch 12 teilbar, wenn... 29