Profitable Sprachpolitik bei Lebensmitteln: die wichtigsten Tricks der Industrie

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Transkript:

Profitable Sprachpolitik bei Lebensmitteln: die wichtigsten Tricks der Industrie 1. Frische Backwaren aus dem Supermarkt Das Wort backen beschreibt einen mehrstufigen Prozess: von der Teigherstellung bis zur Lockerung des Brotteiges, sowie des Garens und des Bräunens mit heißer Luft im Backofen. zentrale Teiglinge aus der Backfabrik werden in Öfen geschoben und aufgewärmt und gebräunt, Spötter nennen diese Aufwärmautomaten auch Bräunungsstudio. Die fertigen, gefrorenen Teiglinge werden weltweit preiswert eingekauft, z.b. in Polen, Tschechien oder China. Sie können viele Zusatzstoffe enthalten, die bei lose verkauften Brötchen nicht deklariert werden müssen. Wenn Zusatzstoffe keine technologische Wirkung mehr im Brötchen haben, sondern nur bei der Teigproduktion benötigt werden, dürfen sie auf der Zutatenliste fehlen. Sicht der Geschmacksvielfalt geht verloren: Immer mehr Brötchen mit Einheitsgeschmack aus Backfabriken im Angebot. Verlust der handwerklichen Vielfalt: Die industriellen Sparbrötchen von Aufwärmstationen in Supermärkten oder Tankstellen verdrängen traditionelle Bäckereien und ihr Angebot. aufgetaut 1 und erhitzt zentrale Hamburg e. V., Mai 2013

2. Weidemilch/ Alpenmilch Die Kühe grasen auf der Weide bzw. in den Alpen und im Alpenvorland, haben Auslauf an frischer Luft und werden tiergerecht gehalten. Ihre Milch enthält mehr Vitamine und gesunde Fette (Omega-3 Fettsäuren) als Stallmilch, da die Kühe frisches Gras fressen. Keine Kraftfuttermittel und keine Gentechnik. zentrale Die Begriffe Weidemilch oder Alpenmilch sind rechtlich kaum geschützt. Anbieter legen die Kriterien selbst fest. Die Dauer der Weidesaison oder die Weidestunden am Tag sind unklar, teilweise werden die Kühe im Stall gehalten und bekommen nicht nur Gras zu fressen. 2 Das Gebiet der Alpen wird von Anbietern kreativ ausgelegt, häufig weit über die Alpen hinaus oft werden selbst Gebiete nördlich von München dazu gezählt. haben jedoch ein enges Regionenverständnis, ganz Süddeutschland oder ganz Bayern gehören für sie nicht zu den Alpen. Verzicht auf Gentechnik oder Kraftfutter sind ebenfalls nicht klar geregelt. Sicht der Etikettenschwindel: werden nicht über die tatsächliche Herkunft der Milch informiert. Zum Täuschungsempfinden bei Alpenmilch gibt es auch eine Untersuchung der Universität Göttingen 3. Verlust an Produktvielfalt: Landwirte, die die Tiere tatsächlich auf der Weide bzw. im Alpenraum halten, können preislich kaum konkurrieren. Feste europaweit gültige Kriterien mit konkreten Vorgaben zur Auslaufhaltung, zur Länge der Weidestunden am Tag sowie der Weidesaison im Jahr. Gleiches gilt für die konkrete Festlegung der Region Alpen und die Begrenzung der werblichen Aussagen zur Alpenmilch auf diese Region. zentrale Hamburg e. V., Mai 2013

3. Apfelsaft/ Nektar Apfelsaft ist eine natürliche Flüssigkeit, die direkt nach dem Auspressen von Äpfeln entsteht und nach der Erhitzung in Flaschen abgefüllt wird. zentrale Bei der Herstellung wird sirupartiges Konzentrat hergestellt, Wasser und Aromen werden entzogen ( z.b. in China), am Bestimmungsort (z.b. Deutschland) wird alles wieder gemischt. Geschmackseinbußen sind in bestimmten Grenzen möglich, wenn z.b. zu wenig Aroma aus den Äpfeln wieder zugesetzt wird. 4 Sicht der Einschränkung der Geschmacksvielfalt: Import von Konzentraten aus der ganzen Welt. Verlust an Produktvielfalt: Wenig regionale Rohstoffe, keine sortenreinen Säfte mehr. Rückverdünnter, aromatisierter Apfelsirup. Apfelsaft dürfte nur noch der Direktsaft heißen, der unmittelbar nach der Pressung in Flaschen abgefüllt wird. Besonders hochwertiger, schmackhafter etwas dickflüssiger Saft, z.b. durch die gedankliche Verbindung Biene und Nektar oder Göttertrank. Mit Wasser und Zucker gestreckter Saft aus Konzentrat und Mark. Verwirrung: Verwechslungsgefahr mit hochwertigeren Direktsäften. Rückverdünntes Birnensaftkonzentrat mit unterschiedlichen Zusätzen (z.b. Zucker und Wasser). Verbot des Begriffs Nektar. zentrale Hamburg e. V., Mai 2013

4. ohne Zuckerzusatz, alkoholfrei Keine Zuckerzusätze und dadurch ein gesundes und kalorienarmes Produkt. zentrale Kein Haushaltszucker (Saccharose) erlaubt, andere Zuckerverbindungen (z.b. Fructose oder Zuckeralkohole wie Maltit(sirup), Sorbit, Mannit, Isomalt usw.) sind trotzdem zugelassen. Sicht der Etikettenschwindel: Wer Zucker meiden möchte, wird getäuscht. Keine Falschdeklaration ohne Zuckerzusatz - Verbot dieser Auslobung, wenn andere Zucker als Saccharose oder Zuckeraustauschstoffe enthalten sind. 0 % Alkohol, also geeignet für alle Altersgruppen und aus gesundheitlicher Sicht besser als alkoholhaltiges Bier. Es können bis zu 0,5 % Restalkohol enthalten sein. Verwirrung: Wer Alkohol generell meiden möchte, wird getäuscht. Keine Falschdeklaration alkoholfrei - Verbot dieser Auslobung, wenn Alkohol enthalten ist. Nennung des tatsächlichen Gehaltes (z.b. alkoholarm mit 0,45 % Alkohol ). zentrale Hamburg e. V., Mai 2013

5. natürliches Aroma Natürliches Aroma, das aus der ausgelobten Frucht gewonnen wird. zentrale Industriell hergestellte Aromen aus natürlichen Rohstoffen, wie z.b. Holz oder Holzrinde. Sicht der Einheitsgeschmack: Die aromatisierten Joghurts schmecken gleich, teilweise sind sie überaromatisiert. Gewöhnung an den Kunstgeschmack (z.b. Kinder). Etikettenschwindel: Es werden mehr natürliche Fruchtbestandteile erwartet. Aroma auf die Schauseite neben dem Produktnamen deklarieren. Verbot der Bezeichnung natürlich, wenn das Aroma nicht aus der ausgelobten Frucht stammt. 5 6. frische(r) Milch, Salami und Brotaufstrich Frische Milch, die nur wenige Tage haltbar ist, z.b. pasteurisierte Milch. Bei frischer Milch, die zugleich länger haltbar ist, handelt es sich um sogenannte ESL-Milch, die mikrofiltriert und/oder auch hocherhitzt (z.b. 3 s bei 120 C) wurde. Nur traditionell hergestellte Milch ist Frischmilch. Verdrängung: der traditionell hergestellten frischen Milch aus den Regalen. ESL-Milch kann über weite Wege transportiert werden, Verlust von regionalen Molkereien. Frische Milch darf nur auf der Verpackung stehen, wenn die Milch wenige Tage haltbar ist. zentrale Hamburg e. V., Mai 2013

zentrale Sicht der In handwerklichen Familienbetrieben hergestellte frische Wurstwaren. Es handelt sich nicht um kleine, regionale Handwerksbetriebe. Traditionell vom Stück ist kein Qualitätshinweis, Wurstscheiben werden immer vom Stück (also von der Wurst) abgeschnitten. Die ausgelobte Frische wird nicht belegt. Geschmacksvielfalt geht verloren: Massenwaren- Geschmack, keine individuellen Geschmacksnoten Verlust der handwerklichen Vielfalt: Wurstwaren werden in großen Mengen produziert und über Supermarktketten vertrieben. Keine Werbung mit frisch oder Metzger, wenn diese Auslobungen nicht zutreffen. Besonders frisches und gesundes Produkt, z.b. weil die Vitamine der frischen, nicht verarbeiteten Tomaten erhalten bleiben. Durch Kaliumsorbat und Natriumbenzoat wird der Brotaufstrich länger haltbar gemacht. Vorgetäuschte Frische: Brotaufstrich wurde mit Konservierungsstoffen haltbar gemacht. Bei der Auslobung von frischen Tomaten dürfen diese nicht zugleich konserviert sein. zentrale Hamburg e. V., Mai 2013

7. Landbier, Landeier, Landjoghurt Ein typisch ländliches Produkt von überdurchschnittlicher Qualität, auf Bauernhöfen produziert, keine Agrarfabriken, Auslauf für die Tiere und natürliches Futter ( z.b. Gras und kein Kraftfutter). zentrale Der Begriff Land ist nicht geschützt, jeder kann sein Produkt so betiteln. Diese Produkte sind nicht besser oder schlechter als andere. Sicht der Vorgetäuschte Ländlichkeit: Produkt kommt häufig nicht vom Land. Kopplung des Begriffes Land an eine tatsächlich handwerkliche und ländliche Produktion. 1 2 3 4 5 Ähnliches Beispiel: An der Frischetheke muss aufgetautes Fleisch als solches gekennzeichnet werden, z.b. mit dem Zusatz aufgetaut. Siehe auch Testergebnisse der Zeitschrift Öko-Test (o. a.: Milchprodukte: Weide weit weg. Öko-Test 12.2013. (Internet: http://www.oekotest.de/cgi/index.cgi?artnr=102070&bernr=04&seite=04&suche=weidemilch; 17.05.13, 10:41) Siehe: Zühlsdorf A, Spiller A: Grauzone Lebensmittelkommunikation: Empirische Studie zur wahrnehmung im Spannungsfeld von Informationsanforderungen und Aufmerksamkeitsregeln. Agrifood Consulting GmbH, Göttingen, Juni 2013 http://www.lebensmittelklarheit.de/cps/rde/xbcr/lebensmittelklarheit/studie_grauzone_lebensmittelkommunikation_2012.pdf; 17.05.13, 11:12 Siehe: Stiftung Warentest: Test Apfelsaft. Das Aroma macht den Unterschied, September 2009 Natürliches Aroma wird beispielsweise in den USA mit dem Kürzel FTNF (From The Named Fruit) gekennzeichnet, stammt es z.b. aus Sägespänen, gilt das Kürzel WONF (With Other Natural Flavors). Diese verbraucherfreundlichere Kennzeichnung sollte aus sicht unbedingt von der EU übernommen werden. zentrale Hamburg e. V., Mai 2013