IT-Kompaktkurs Unternehmensführung Folge 13 Controlling II 1. Definitionen und Überblick Bevor man sich mit dem strategischen Controlling beschäftigt, muß man sich mit dem Strategie-Begriff auseinandersetzen. Die etymologischen Wurzeln des Begriffs Strategie sind im altgriechischen Sprachgut als stratos (das Heer) und agein (führen) zu finden und sind militärischer Natur. Der Strategie-Begriff wurde bis Anfang des 20. Jahrhunderts vor allem als militärische Strategie verstanden. Allgemein ausgedrückt, kann die Strategie als ein Weg zur langfristigen Umsetzung eines Unternehmensziels gesehen werden. Strategien sind Maßnahmen, die den Unternehmenserfolg dauerhaft sichern. Wenn sich beispielsweise ein Automobilunternehmen das strategische Ziel setzt, innerhalb von fünf Jahren den Unternehmenswert zu verdoppeln, so gibt es eine Fülle von Handlungsmöglichkeiten, um dieses Ziel zu erreichen. Diese reichen von der Entwicklung und Einführung eines Kleinwagens, der Einführung neuer Kostenmanagement-Methoden bis hin zur Fusion mit einem Wettbewerber. Welche Aufgabe hat nun das strategische Controlling? Die strategische Hauptaufgabe in den Unternehmen liegt darin, die Existenz des Unternehmens nachhaltig zu sichern. Dies kann nur erreicht werden, wenn externe Chancen und Risiken erkannt werden und mit den Stärken und Schwächen des Unternehmens abgeglichen werden. Dabei hat das strategische Controlling die Aufgabe der Informationsgewinnung, -verarbeitung und aufbereitung. Das strategische Controlling läßt sich in folgende wichtige Teilmodule aufteilen: - Strategische Zielbildung - Strategische Planung - Strategische Kontrolle Der Prozeß der strategischen Zielbildung läßt sich in drei Stufen zerlegen. Zunächst wird eine Vision für das Unternehmen entwickelt. Diese gibt die grundsätzliche Richtung eines Unternehmens an. Der Unternehmer muß sich die Frage stellen, wo das Unternehmen in 5 10 Jahren stehen sollte. In der zweiten Stufe wird das Unternehmensleitbild erstellt. Damit wird die Vision konkretisiert. Im Unternehmensleitbild werden die Ziele des Unternehmens, seine Stellung in der Gesellschaft und Führungsgrundsätze formuliert. Schließlich sind auf Basis des Leitbildes strategische Ziele zu erarbeiten, die das Leitbild konkretisieren. Wichtig dabei ist, daß die Zielerreichung meßbar ist. Ein solches strategisches Ziel könnte beispielsweise die Steigerung 1
des Marktanteils in südostasiatischen Telekommunikationsmarkt um 5% oder die Steigerung des Shareholder Value um 10% sein. 2. Wertorientiertes Controlling Unter dem Shareholder-Value wird der Marktwert des Eigenkapitals verstanden. Der Shareholder Value ergibt sich aus der Differenz des Unternehmenswerts und des Fremdkapitals ergibt. Da immer mehr Unternehmen an die Börse gehen, ist in den letzten Jahren der Shareholder Value als Zielgröße immer wichtiger geworden. Folglich hat diese Größe auch für den Controller stark an Bedeutung gewonnen. Man spricht deshalb im Controlliing vom wertorientierten Controlling. Die Basis für die Ermittlung des Shareholder Value ist der sog. Free Cash Flow. Ausgangspunkt für die Berechnung des Free Cash Flow ist die Größe EBIT. EBIT ist die Abkürzung für Earnings before Interest and Tax und drückt das Betriebsergebnis bzw. den Operating Profit aus. Werden vom EBIT die Steuern abgezogen, ergibt sich der Net Operating Profit after Tax, abgekürzt NOPAT. Wird diese Größe um die Abschreibungen und die Zuführungen zu den Pensionrückstellungen erhöht sowie um die Investitionen ins Anlagevermögen und ins Working Capital, d.h. Umlaufvermögen minus Kurzfristige Verbindlichkeiten, vermindert, ergibt sich der Free Cash Flow. Dieser Free Cash Flow läßt sich für Zinszahlungen, Kredittilgungen und Dividendenzahlungen verwenden. Der Shareholder Value ergibt sich aus der Summe der diskontierten Free Cash Flows der Planungsperiode zuzüglich dem diskontierten Fortführungswert abzüglich dem Fremdkapital. Diskontiert heißt, auf den jetzigen Zeitpunkt berechnet. Der dabei verwendete Kapitalkostensatz beinhaltet die gewichteten Kosten des Eigen- und Fremdkapitals. Nach dem Shareholder-Value-Ansatz entwickelt sich nun ein Unternehmen positiv, wenn der Shareholder-Value im Vergleich zur letztjährigen Ermittlung angestiegen ist. Deshalb ist die Maximierung des Unternehmenswertes für viele Unternehmen ein Oberziel. Gemessen wird es häufig mit dem Shareholder-Value. Einflußgrößen darauf sind der Free Cash Flow, der Kapitalkostensatz und der Fremdkapitalwert. Diese Größen werden von den sog. Werttreibern beeinflußt. Dazu zählen z.b. das Umsatzwachstum, der Operating Profit und die Investitionen in Anlage-und Umlaufvermögen. Das wertorientierte Controlling betrachtet nun vor allem solche Kennzahlen, die geeignet sind, den tatsächlichen Wert eines Unternehmens zu messen und die zukünftige Wertentwicklung zu steuern. Es sind im wesentlichen zwei Kennzahlen, die für das wertorientierte Controlling von Relevanz sind. Es handelt sich um den Cash Flow Return on Investment (CFROI) und den Economic Value Added (EVA). Der CFROI basiert auf der internen Zinsfußmethode. Der in der Praxis sehr häufig vertretene EVA zeigt den Übergewinn einer Geschäftseinheit. Dieser Übergewinn wird ermittelt, indem die Differenz zwischen der Kapitalrendite und den Kapitalkosten gebildet und mit dem investierten Kapital multipliziert wird. Der EVA wird in Großunternehmen häufig zur jährlichen Erfolgsmessung im Rahmen der leistungsorientierten Mitarbeitervergütung eingesetzt. 2
Im Gegensatz zum Shareholder-Value gibt es einen Stakeholder-Value nicht. In diesem Zusammenhang ist jedoch wichtig, daß jedes Wertmanagement sich nicht nur an den Aktionären, sondern auch an den Kunden und Mitarbeiter orientieren muß. Langfristig wird keine Wertsteigerung in einem Unternehmen erreichbar sein, wenn die Kunden und die Mitarbeiter unzufrieden sind. 3. Strategische Planung Bei der strategischen Planung versucht man auf Basis der strategischen Ziele Strategien zu formulieren, die das Unternehmen in die Lage versetzen, die Umfeld- und Unternehmensentwicklung aufeinander abzustimmen. Einer der Auslöser für die Verbreitung der strategischen Planung war die Erkenntnis und praktische Erfahrung, daß sich langfristige Zielsetzungen, wie z.b. Gewinn- oder Umsatzziele, häufig nicht erreichen lassen. Zwischen den Ist- und Planzahlen klaffte oftmals eine Lücke, ein GAP. Man hat festgestellt, daß sich operative, d.h. kurz- und mittelfristige Lücken durch operative Maßnahmen, z.b. kostensenkende Maßnahmen relativ leicht schließen lassen. Dagegen ist es häufig sehr schwierig, langfristige Verbesserungen aufgrund der gegebenen Unternehmensstruktur, z.b. aufgrund eines veralteten Produktionsprogramms oder eines falsches Vertriebskanals, zu erreichen. Diese strategischen Lücke läßt sich nur durch eine Anpassung der einengenden Unternehmensstruktur an die veränderten Umfeldbedingungen erreichen. Die strategische Planung läßt sich in drei Stufen zerlegen, nämlich - die strategische Analyse - die Strategiefindung und - die Strategiebewertung Um strategische Alternativen finden zu können, ist zunächst das Unternehmensumfeld und das Unternehmen selbst eingehend zu analysieren. Für die Ermittlung der Stärken/Schwächen und Chancen/Risiken steht z.b. die sog. SWOT-Analyse zur Verfügung. SWOT steht für Strengths, Weaknesses, Opportunities und Threats. Im Rahmen der Strategiefindung ist das Controlling in die Informationsgewinnung und -aufbereitung eingebunden. Nehmen wir einmal an, daß man in einem Unternehmen bereits vorhandene Produkte auf einem neuen Markt, z.b. in einem europäischen Land, anbieten will. In diesem Fall müssen, bevor diese Produkt-Markt-Strategie Markterweiterung entscheidungsreif ist, umfangreiche Marktdaten erhoben wrden. Dies würde das Controlling übernehmen. Auch bei der Strategiebewertung hat das Controlling eine unterstützende d.h. beratende Funktion. 3
4. Balanced Scorecard Die Balanced Scorecard (BSC) hat ihre Wurzeln im Performance Measurement. Es handelt sich um ein sehr innovatives Managementinstrument. Balanced Scorecard heißt wörtlich übersetzt ausgewogene Kennzahlentafel und wurde von den beiden amerikanischen Professoren Kaplan und Norton von der Harvard Business School in Boston entwickelt. Die Idee der Methode ist, daß die Steuerungssysteme von Firmen zu finanzlastig sind. Vom Return on Investment bis zum Shareholder Value zieht sich die Dominanz finanzieller Größen wie ein roter Faden. Jährliche Gewinne werden als wichtiger angesehen als strategische Potentiale. Diese herkömmliche Vorgehensweise ist besonders für zukunftsorientierte Unternehmen unzureichend und führt zu Unterinvestitionen in zukunftsorientierte immaterielle Bereiche wie Produkt- und Prozeßinnovation, Mitarbeiterfähigkeiten und Kundenzufriedenheit. Das innovative an dem Konzept von Kaplan und Norton ist, daß Sie an die Seite von monetären Größen eine Vielzahl von nicht monetäre Größen, sog. Leistungstreiber stellen. Diese Indikatoren bilden jene Fakten ab, die den Erfolg des Unternehmens vorangehen, d.h. relativ frühzeitig aufzeigen, wie sich das Unternehmen entwickelt. Außerdem wird in dem BSC-Konzept deutlich, daß es viele Abhängigkeiten, z.b zwischen den einzelnen strategischen Zielen innerhalb einer Perspektive gibt. Beispielsweise muß jedes Unternehmen, daß sich auf den Markt erfolgreich behaupten will, Kunden an sich binden. Diese sehr wichtige Kundenbindung gelingt am ehesten, wenn ein Unternehmen seine Kunden zufriedenstellt. Dies bedeutet, daß Kundenzufriedenheit ein wesentlicher Leistungstreiber ist. Die Qualifizierung balanced bedeutet in diesem Zusammenhang, daß es im Kennzahlensystem eines Unternehmens ein Gleichgewicht geben muß zwischen den quantitativen Finanzkennzahlen und den nicht quantitativen bzw. weichen Faktoren, soweit sie zu den Leistungstreibern zählen. Die Steuerung des Unternehmens nach rein finanziellen Größen ist, als ob man sein Auto durch den Rückspiegel lenken würde. Diese finanziellen Größen geben nur die Vergangenheit an. Jeder Unternehmer ist jedoch sehr daran interessant, sich abzeichnende negative Entwicklungen frühzeitig zu erkennen, um geeignete Maßnahmen einleiten zu können. Die weichen Faktoren eignen sich dafür in besonderem Maße. Sie stellen also sehr wichtige Frühwarnindikatoren dar. Ein sehr wichtiger weiterer Grund für die Einführung der BSC war, daß es vor deren Einführung kein Instrument gab, mit der die im Rahmen der Unternehmensstrategie erarbeiteten strategischen Ziele in operative Teilzeile aufgespalten werden konnten. Mit der BSC exisitiert also erstmals ein Bindeglied zwischen der strategischen Planung und dem operativen Budget. 4
Die Steuerung eines Unternehmens auf Basis der BSC erfolgt folgendermaßen: Zunächst muß auf Basis einer Vision und eines Leitbildes die Unternehmenstrategie festgelegt werden. In einem zweiten Schritt ist die Strategie gegenüber den Mitarbeitern zu kommunizieren, die strategischen und operativen Ziele auf mehrere Perspektiven zu verteilen und mit einem Anreizsystem, etwa einer leistungsorientierten Entlohnung, zu verbinden. Dann ist den einzelnen Maßnahmen zur Zielerreichung das Budget zuzuordnen. Schließlich ist die Strategie, falls erforderlich, anzupassen. Durch die ständige Rückkopplung mit dem Management wird automatisch die Möglichkeit einer lernenden Organisation geschaffen. Die BSC wird in einem Tableau dargestellt. Darin werden die strategischen Ziele in unterschiedliche Perspektiven unterteilt. Dabei wird zwischen der Finanz-, Kunden-, Prozeß- und Lernperspektive unterschieden. Die strategischen Ziele der einzelnen Perspektiven lassen sich nur dann formulieren, wenn vorher eine Unternehmensstrategie festgelegt wurde. Wichtig ist auch, daß nur solche strategischen Ziele Eingang in dieses Tableau finden, die gemessen werden können und bei denen ein Handlungsbedarf besteht. Damit ist gemeint, daß nur solche Ziele aufgenommen werden, wo sich das Unternehmen auch verbessern will. Wenn beispielsweise ein Unternehmen eine sehr geringe Fluktuation hat, ist es nicht notwendig, die Verbesserung der Fluktuation als Ziel in das Tableau der BSC mit aufzunehmen. Jeder dieser vier Perspektiven werden ca. 4 5 strategische Ziele zugeordnet. Beispielsweise könnte ein Ziel der Prozeßperspektive lauten Verkürzung der Produktentwicklungszeit. Für jedes dieser strategischen Ziele werden nun Meßgrößen, mit deren Hilfe die Umsetzung des strategischen Ziels operativ gemessen werden kann, festgelegt. Auf Basis dieser Meßgrößen werden operative Ziele und die Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele formuliert. Zwischen den einzelnen Perspektiven bestehen Ursache-/Wirkungs-Zusammenhänge Beispielsweise führt die Erhöhung der Mitarbeiterqualifikation dazu, daß die Prozesse besser beherrscht werden. Die bessere Prozeßbeherrschung hat eine Verbesserung der Kundenzufriedenheit und damit der Kundenloyalität zur Folge. Eine höhere Kundenloyalität führt zu einem höheren Gewinn und damit zu einem höheren Return on Capital Employed. Zum Verbreitungsgrad der BSC in der Praxis ist zu sagen, daß es sich noch um ein relativ neues Managentinstrument handelt und deshalb insbesondere in mittelständischen Firmen noch nicht so verbreitet ist, wie man sich das wünschen würde. Große Firmen sind hier schon deutlich weiter. Der Aufbau einer BSC in der Praxis erfordert als erstes eine klare Unternehmensstrategie und Grundkenntnisse des Konzepts. Der Arbeitsprozeß startet mit der Festlegung der Organisationseinheit, auf die sich die BSC beziehen soll. Da die BSC eine strenge Strategieorientierung vorsieht, empfiehlt sich ein Top-down-Vorgehen. Dies ist insbesonderne bei einem mehrstufigen Konzern relevant. 5
Bewährt hat sich in der Praxis außerdem, daß die Federführung beim Aufbau einer BSC häufig beim Controlling liegt. Wichtig für den Aufbau ist auch, daß eine Führungspersönlichkeit der obersten Ebene die Patenschaft für das Projekt übernimmt. Dadurch können z.b. politische Konflikte zwischen den beteiligten Abteilungen vermieden werden. Im Rahmen der Workshops und Einzelinterviews der Beteiligten darf nicht aus dem Auge verloren werden, daß der iterative Prozeß der Erarbeitung der BSC mindestens so wertvoll ist, wie die resultierende Scorecard selbst. Nicht unterschätzt werden darf, daß es häufig ein schwieriger Prozeß ist, die teilweise sehr unterschiedlichen Meinungen der Führungskräfte bezüglich der Zielausrichtung des Unternehmens auf einen Nenner zu bringen. 6