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Transkript:

Dortmund, 17.2.2019, per E-Mail an: finanzausschuss@bundestag.de 1 Stellungnahme des Herrn Dr. jur. Michael Balke aus Dortmund (Finanzrichter a.d., Rechtsanwalt in spe, Lehrbeauftragter der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Gastdozent der Steuerseminare Graf und des markt intern Verlags, Tel. 0173/7059538; balke.hartmann@gmx.de; www.drmichaelbalke.de); als Sachverständiger eingeladen von der Vorsitzenden des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, Frau MdB Stark-Watzinger, per E-Mail vom 12.2.2019, zur öffentlichen Sachverständigen-Anhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages am 18.2.2019 in Berlin bezüglich - Antrag zahlreicher Abgeordneter und der Fraktion der FDP mit der Überschrift Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung, BT-Drs. 19/3175 vom 3.7.2018 (3 Druckseiten), - Gesetzentwurf zahlreicher Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN mit der Überschrift: Entwurf eines Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung kleinerer und mittlerer Unternehmen (KMU-Forschungsförderungsgesetz), BT-Drs. 19/4827 vom 9.10.2018 (13 Druckseiten), - Antrag zahlreicher Abgeordneter und der Fraktion der AfD mit der Überschrift Für ein innovationsfreundliches Steuersystem - Steuerliche Forschungs- und Entwicklungsförderung einführen, BT- Drs. 19/4844 vom 10.10.2018 (3 Druckseiten). Sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren, liebe Steuerzahler, mein geschätztes - an Steuergerechtigkeit interessiertes - Publikum, Es geht im Kern um die gerechte und möglichst einfache Besteuerung des Einkommens der Bürger in Deutschland. Und um die Frage, ob es gerechtfertigt ist, einzelne natürliche und/oder juristische Personen wegen einer bestimmten Tätigkeit (hier Forschung und Entwicklung) ein-

2 kommensteuerlich (körperschaftsteuerlich) auf Kosten anderer Steuerpflichtiger, insbesondere zum Nachteil der Steuervollzahler, zu entlasten. Es geht also um ein großes, um ein grundsätzliches Steuerrechts- Thema. Als ehemaliger Finanzrichter bin ich es gewohnt, mit dem Ergebnis meiner Überlegungen anzufangen und dann zu begründen, im Urteilsstil halt. Mein Ergebnis: - a) Das Anliegen der Politik, Forschung und Entwicklung in dem rohstoffarmen Deutschland noch mehr fördern zu wollen, ist grundsätzlich zu begrüßen. Der vorgelegte Gesetzentwurf bzw. die allgemeingehaltenen Absichtserklärungen sind allerdings kompliziert, gleichzeitig lückenhaft und (auch verfassungsrechtlich) streitanfällig. - b) Falls Lücken bei der direkten Förderung von Forschung und Entwicklung zu beklagen sind, mögen diese Lücken im direkten Subventionsrecht, nicht indirekt im Steuerrecht geschlossen werden. Ganz allgemein sollte das Einkommenund Körperschaftsteuerrecht nicht für Lenkungsmaßnahmen benutzt werden. Steuern dienen in erster Linie der Erzielung von staatlichen Einnahmen. Planwirtschaftliches Steuern mit Steuern zu Lasten der Steuervollzahler sollte die absolute Ausnahme sein. - c) Die Steuerpolitik sollte jetzt die Gelegenheit ergreifen, die Steuerbemessungsgrundlagen nicht weiter mit Steuerermäßigungen oder Steuerbefreiungen zu durchbrechen, sondern im großen Stil bestehende Steuerrabatte abzuschaffen, um damit Spielraum zu gewinnen, die Steuersätze für alle Steuerbürger

3 (damit auch für forschende Unternehmen) drastisch zu senken. Für eine solche umfassende Steuerrechtsreform bietet die Steuerrechtswissenschaft ausgearbeitete Konzepte und konkrete Entwürfe an, etwa das Einkommensteuer- Gesetzbuch, ein Vorschlag zur Reform der Einkommen- und Körperschaftsteuer, vorgelegt von Paul Kirchhof 2003, Heidelberg. Vgl. auch die Rechtsreform-Vorschläge von Klaus Tipke Ein Ende dem Einkommensteuer-Wirrwarr!?, 2006, sowie sein dreibändiges Werk Die Steuerrechtsordnung, 2. Auflage 2012, Köln; klarsichtig auch: Tipke/Lang (Seer, Hey, Montag, Englisch, Hennrichs), Steuerrecht, 23. Auflage 2018, Köln, etwa 7 Rdnrn. 70 ff. Meine Begründungen: Zu a): Die Ausführungen in den oben genannten Anträgen mit den Absichtserklärungen und im Gesetzentwurf mit Erläuterungen zur Forschungsförderung zeigen einerseits die begrüßenswerte Motivationslage der Politik. Andererseits offenbart insbesondere der umfangreiche Gesetzentwurf für die Einführung einer Steuerermäßigung bei Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen die vielen möglichen Gesetzes-Anwendungs- Schwierigkeiten in der Praxis der Steuererklärungen bei den betroffenen Steuerbürgern mit ihren Beratern, bei den Steuerfestsetzungen und bei den einheitlich- und gesonderten Gewinnfeststellungen für Mitunternehmerschaften durch die zuständigen Finanzämter, last but not least bei den Steuerprozessen in den Finanzgerichten. Denn es liegt auf der Hand, dass die geplanten 35c bis 35i EStG-E und 26a KStG-E, die einen Text von rund 5 Druckseiten umfassen (vgl. BT-Drs. 19/4827, S. 3

4 bis 7), kaum zu handhaben und besonders streitanfällig sind. So gibt es im Gesetzentwurf spezielle Umschreibungen, etwa der Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen mit Definitionen der Forschung und Entwicklung sowie der Grundlagenforschung, der industriellen Forschung und der experimentellen Entwicklung ; es gibt spezielle Eingrenzungen der förderfähigen Aufwendungen, die nicht Gemeinkosten sein dürfen sowie spezielle Eingrenzungen der Unternehmen auf kleinere und mittlere ; es gibt ein Verbot der Mehrfachförderung im Zusammenhang mit öffentlichen Zuschüssen, Darlehn und Beihilfen; es gibt ein rückwirkendes Entfallen des Forschungsbonus, wenn das begünstigte Unternehmen innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren nach Beantragung des Forschungsbonus seine Eigenständigkeit verliert; es wird die Vorlage eines Zertifikats mit Bindungswirkung für die Finanzverwaltung verlangt; u.s.w., u.s.w. Streitanfällig ist auch, dass nach dem vorgelegten Gesetzentwurf der geplante Forschungsbonus allein für gewerbliche und Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft gelten soll, nicht aber für Unternehmen mit selbständigen Einkünften (anders die bereits bestehende Abschreibungsvergünstigung des 7g Absatz 1 EStG zur Förderung kleiner und mittlerer Betriebe, die Betriebe der selbständigen Arbeit mitumfasst). Es ist auch nicht schlüssig dargelegt, warum forschende Arbeitnehmer für ihre Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen keinen Steuerrabatt erhalten sollen (vgl. 35c Absatz 1 EStG-E) ein an der Universität angestellter Forscher (eine Art Albert Einstein) würde nach dem Gesetzentwurf bezüglich seiner Aufwendungen für die Erkenntnis einer weiteren Relativitätstheorie keine Steuerermäßigung erhalten; dies könnte das Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrigen Begünstigungsausschluss werten.

5 Hinzuweisen ist nochmals auf den bereits existierenden 7g EStG, auf die gesetzlichen Investitionsbeträge und Sonderabschreibungen zur Förderung kleiner und mittlerer Betriebe. Die dortigen Definitionen von kleinen und mittleren Betrieben (vgl. 7g Absatz 1 EStG, etwa: Betriebsvermögen nicht mehr als 235.000 Euro) weichen deutlich von denen des hier in Rede stehenden Gesetzesentwurfs ab (dazu 35g Absatz 9 EStG-E, etwa: Jahresbilanzsumme nicht mehr als 43 Millionen Euro). Immerhin: Konsequent und steuersystematisch korrekt wäre die geplante Änderung des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995, nach der die geplante Steuerermäßigung ( Forschungsbonus ) nach 35c EStG-E die Bemessungsgrundlage des Solidaritätszuschlags nicht mindern dürfe (dazu BT- Drs. 19/4827, S. 7 unten). Ich empfehle, diesen tragenden Rechtsgedanken, der auch dem 51a Absatz 2 Satz 3 EStG (Regelung für Zuschlagsteuern), entspricht, auf den 34c EStG (Steuerermäßigung bei ausländischen Einkünften) und den 35 EStG (Steuerermäßigung bei Einkünften aus Gewerbebetrieb) zu übertragen und entsprechend die gesetzliche Bemessungsgrundlage des Solidaritätszuschlags zu korrigieren; zu diesem bisher nicht gelösten steuerlichen Verfassungsproblem der Übermaß-Begünstigung gewerblicher und ausländischer Einkünfte im Vergleich zu Einkünften aus selbständiger, nichtselbständiger Tätigkeit sowie zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bei der Einkommensteuer und beim Solidaritätszuschlag gibt es den Aussetzungsund Vorlagebeschluss des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 21.8.2013 (7 K 143/08, juris und DStRE 2014, S. 534 ff., 536 ff.; Aktenzeichen beim Bundesverfassungsgericht: 2 BvL 6/14; noch nicht entschieden).

6 Zu b): Wer meint, die bereits vorhandene umfangreiche direkte Förderung von Forschung und Entwicklung durch Zuschüsse, Darlehen und Beihilfen habe Lücken, möge versuchen, diese Lücken bei der direkten Förderung zu schließen. Dagegen sollte das dafür nicht geeignete Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht von weiteren indirekten Subventionsnormen verschont bleiben. Gemäß Artikel 1 Absatz 3 GG sind die drei Staatsgewalten, also auch die Gesetzgebung, an die Grundrechte der Bürger als unmittelbar geltendes Recht gebunden. Der Gesetzgeber hat die Erstverantwortung für ein verfassungsgemäßes Steuerrecht. Das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder unter Zuhilfenahme steuerrechtswissenschaftlicher Erkenntnisse dem Gesetzgeber Grenzen des willkürlichen Steuerzugriffs und Grenzen des willkürlichen Steuerverzichts aufgezeigt. Die Einkommensteuer als Kind der Aufklärung im Sinne des kategorischen Imperativs von Immanuel Kant ist schon von ihrer Entstehungsgeschichte her Privilegien-feindlich, sie soll ohne Ansehen der Person die objektive Leistungsfähigkeit vollständig und gleichmäßig erfassen; sachliche Steuerbefreiungen müssen die Ausnahme bleiben und bedürfen umso strengerer Rechtfertigung je größeren Umfang sie haben (in Anlehnung an Balke, BB 2012, S. 2409, 2413 mit Verweis auf Birk). Steuerrechtswissenschaftler Dieter Birk (DStJG Band 34, 2011, S. 11f.) hat Recht, wenn er ausführt: Die Einkommensteuer beruht zwar auf einer einfachen Grundidee, die aber durch komplizierte Detailregelungen verschüttet ist. Sie ist im Detail

7 überfrachtet und offen für Gestaltungen, die unterschiedliche Belastungen bei gleicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit auslösen. Gesetzgebung und Wissenschaft stehen im Einkommensteuerrecht seit langem in einem schroffen Gegensatz. Wohl kein anderes Rechtsgebiet im Steuerrecht ist wissenschaftlich so gut erforscht, so prinzipienhaft durchdacht, so modellhaft und gründlich neukonzipiert worden. Und trotzdem bleibt der Gesetzgeber von den Forschungsanstrengungen und Reformvorschlägen unbeeindruckt. Zu c): Das Einkommensteuer-Gesetzbuch, der Vorschlag zur Reform der Einkommen- und Körperschaftsteuer des Steuerrechtswissenschaftlers Paul Kirchhof kommt mit insgesamt 23 Paragraphen auf acht Druckseiten aus. Zum Vergleich: Das derzeitige Einkommensteuergesetz umfasst 99 Paragraphen auf 275 Druckseiten und das Körperschaftsteuergesetz enthält 39 Paragraphen auf 48 Druckseiten. Nach dem EStGB-Kirchhof- Entwurf sollen alle natürlichen und steuerjuristischen Personen einkommensteuerpflichtig sein, die Einkommensteuerschuld soll ein Viertel des Einkommens betragen, nur gemeinnützige steuerjuristische Personen und die Deutsche Bundesbank sollen von der Einkommensteuer befreit sein, soweit sie keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten. Einen Forschungsbonus sowie andere Steuerrabatte sieht der EStGB- Entwurf von Paul Kirchhof nicht vor. Steuergerechtigkeit umsetzbar? Oder unmöglich? Ich meine: Schon möglich, wenn der politische Wille, die Begeisterung und die Bereitschaft für ein gerechtes und einfaches Steuerrecht vorhanden sind.