Die Anhörung des Kindes in familienrechtlichen Verfahren. Rechtliche Grundlagen und aktuelle Rechtsprechung

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Die Anhörung des Kindes in familienrechtlichen Verfahren Rechtliche Grundlagen und aktuelle Rechtsprechung 3. Februar 2012 www.gerberjenni.ch Übersicht Das Kind als Rechtsperson Gesetzliche Grundlagen der Anhörung Rechtsprechung Anhörung und Kindeswohl 1

Das Kind als Rechtsperson Objekt vs. Subjekt? Fürsorge-orientiertes vs. Rechteorientiertes Handeln? Rechtsgrundlagen: ZGB 19; ZPO 67 III; BV 11; UN-KRK (Art. 12) und Allgemeine Bemerkung (General Comment) No. 12 vom 20. Juli 2009 Das Kind als Rechtsperson Grundlagen ZGB 19 II: Urteilsfähige Unmündige können ohne Zustimmung der gesetzlichen Vertretung Rechte ausüben, die ihnen um ihrer Persönlichkeit willen zustehen. BV 11: Anspruch auf besonderen Schutz der Unversehrtheit und Förderung der Entwicklung; Ausübung der Rechte im Rahmen der Urteilsfähigkeit. 2

Art. 12 UN-KRK Recht, gehört zu werden Recht des Kindes, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, seine Meinung in allen es berührenden Angelegenheiten (namentlich in Gerichts- und Verwaltungsverfahren) frei zu äussern. Recht auf angemessene, alters- und entwicklungsgemässe Berücksichtigung seiner Meinung. Rechtliches Gehör, entweder unmittelbar oder durch Vertreter oder geeignete Stelle. Erfassen der Kindesinteressen Anhörung: ZPO 298, ZGB 314 Ziff. 1, BG-KKE 9 Vertretung / «Anwalt des Kindes»: ZPO 299 ff.; BG-KKE 9 Beistandschaft: ZGB 308 Gutachten: ZPO 183 ff. Mediation: ZGB 307 III, ZPO 297; BG- KKE 4, 8 3

Anhörung: Von ZGB 144 II zu ZPO 298 azgb 144 II = ZPO 298 I: Persönliche Anhörung des Kinder in geeigneter Weise durch Gericht oder Drittperson, soweit nicht Alter oder andere wichtige Gründe dagegen sprechen. ZPO 298 II: Im Protokoll der Anhörung werden nur die für den Entscheid wesentlichen Ergebnisse festgehalten. Die Eltern und die Beiständin oder der Beistand werden über diese Ergebnisse informiert. ZPO 298 III: Das urteilsfähige Kind kann die Verweigerung der Anhörung mit Beschwerde anfechten. Anhörung u.a. in folgenden Gesetzen Art. 154 StPO Art. 4 Abs. 2 JStPO Art. 47 Abs. 4 AuG Art. 29, 17 Abs. 2, 3 AsylG à Art. 7 AsylV 1 4

BGer 2C_323/2010, 11.10.2010 In fremdenpolizeilichen Verfahren verlangt Art. 12 KRK nicht zwingend eine persönliche (mündliche) Anhörung des Kindes. Bei gleichen Interessen von Eltern und Kind können diese das Kind vertreten, solange sie die Kindesinteressen genügend einbringen. Diese Praxis deckt sich mit der Auffassung des UN-Kinderrechtsausschusses zu Art. 12 (General Comment No. 12, 20 July 2009) Anhörung: BGE 131 III 553 (2005) Anhörung ist höchstpersönliches Recht und dient der Sachverhaltsermittlung Setzt Gesprächsfähigkeit / verbale Äusserungsfähigkeit voraus, nicht Urteilsfähigkeit i.s. von ZGB 16 Anhörung grundsätzlich ab 6. Altersjahr Loyalitätskonflikt rechtfertigt Verzicht auf Anhörung nicht 5

Anhörung als Persönlichkeitsrecht des Kindes und zur Ermittlung des Sachverhalts BGer 5A_89/2010, 3.6.2010: Die Anhörung ist Ausfluss der Persönlichkeit des Kindes und somit ein höchstpersönliches Recht. Sobald das Kind urteilsfähig ist, nimmt es seinen Anspruch selbst wahr; ab diesem Stadium erhält der Gehörsanspruch die Komponente eines persönlichen Mitwirkungsrechts, welches das Kind insbesondere berechtigt, die Anhörung auch im Verfahren seiner Eltern zu verlangen, soweit es davon betroffen ist. Daneben dient die Anhörung unabhängig vom Alter des Kindes der Ermittlung des Sachverhalts, weshalb die Eltern die Anhörung des Kindes aufgrund ihrer Parteistellung als Beweismittel anrufen können. Anhörung als Partizipationsrecht des Kindes und zur Ermittlung des Sachverhalts BGer 5A_402/2011, 5.12.2011 L'audition de l'enfant constitue à la fois un droit de participation de celui-ci à la procédure qui le concerne et un moyen pour le juge d'établir les faits Dans le cadre des procédures relatives aux enfants, la maxime inquisitoire - et la maxime d'office - trouvent application. Le juge est dès lors tenu d'entendre l'enfant, non seulement, lorsque celui-ci ou ses parents le requièrent, mais aussi dans tous les cas où aucun juste motif ne s'y oppose. Même si les faits pertinents sont parfaitement établis, l'audition reste un droit personnel de l'enfant sur l'exercice duquel il doit pouvoir s'exprimer; le juge a donc l'obligation d'informer celui-ci de son droit s'il tient à respecter son propre devoir d'audition. 6

Kindesalter und Anhörung BGer 5A_89/2010, 3.6.2010: Soweit es um das Alter bzw. den Reifegrad des Kindes geht, unterscheiden Lehre und Rechtsprechung drei Altersstufen, wobei es sich nicht um feste Kategorien handelt; im Einzelfall können sich aufgrund des individuellen Entwicklungsstandes des Kindes erhebliche Abweichungen ergeben. Eine Anhörung der Kinder vor dem 6. Lebensjahr fällt im Normalfall kaum je in Betracht. Vom 6.-12. Altersjahr ist grundsätzlich eine Anhörung durchzuführen. Ab dem 12. Altersjahr sind gewöhnlich die Voraussetzungen für die diesbezügliche Urteilsfähigkeit gegeben, sodass eine umfassende Beweisaussage und die Ausübung des Persönlichkeitsrechts möglich sind. BGE 131 III 553 (2005) Verzicht auf Anhörung Ablehnung der Anhörung durch das Kind Begründeter Verdacht auf Repressalien gegenüber dem Kind Dauernder Aufenthalt des Kindes im Ausland Beeinträchtigung der Gesundheit des Kindes durch Anhörung Besondere Dringlichkeit der Anordnungen Kind mit geistiger Behinderung oder mit Entwicklungsverzögerung 7

Verzicht auf Anhörung BGE 131 III 553 (2005): Hinweis auf Belastung und Loyalitätskonflikt ist kein Grund für Verzicht auf Anhörung Allerdings BGE 133 III 553 (2007): Bedeutet eine wiederholte Anhörung für das Kind eine unzumutbare Belastung, ist von einer erneuten Anhörung durch den Richter abzusehen. (Dazu Biderbost, Jusletter 31.3.08) Bestätigt in BGer 5A_497/2011, 5.12.2011 BGE 133 III 553 (2007): Voraussetzungen bei Delegation der Anhörung Drittperson ist unabhängige und qualifizierte Fachperson Kind ist zu entscheidrelevanten Punkten befragt worden Anhörung bzw. deren Ergebnis ist aktuell Bestätigt in BGer 5A_497/2011, 5.12.2011 8

BGer 5A_50/2010, 6.7.2010 Delegation der Anhörung Le choix de la personne habilitée à entendre l'enfant relève en principe de l'appréciation du juge. Il serait toutefois contraire à la ratio legis de déléguer systématiquement l'audition à une tierce personne, car il est essentiel que le tribunal puisse se former directement sa propre opinion. L'audition est donc, en principe, effectuée par la juridiction compétente ellemême; en cas de circonstances particulières, elle peut l'être par un spécialiste de l'enfance, par exemple un pédopsychiatre ou le collaborateur d'un service de protection de la jeunesse. Verzicht auf Anhörung durch antizipierte Beweiswürdigung? BGer 5A_536/2007, 24.1.2008: Sind die Voraussetzungen für die Anhörung gegeben, darf diese insbesondere nicht durch antizipierte Beweiswürdigung umgangen werden. BGer 5A_50/2010, 6.7.2010: Die antizipierte Beweiswürdigung vermag den Verzicht auf die Anhörung nicht zu rechtfertigen, weil diese nicht nur der Sachverhaltserhebung dient, sondern dem Kind auch das Einbringen der eigenen Meinung ermöglicht. 9

BGer 5A_859/2009, 25.5.2010: Verzicht auf Anhörung bei Kindesschutzmassnahmen Grundsätzlich ist das Kind vor dem Erlass von Kindesschutzmassnahmen anzuhören. Es ist aber nicht notwendigerweise mündlich anzuhören; es kann unter Umständen genügen, dass sein Standpunkt sonstwie in tauglicher Weise Eingang in das Verfahren gefunden hat. Auf eine Anhörung kann verzichtet werden, wenn dessen Wohl beeinträchtigt würde, etwa dann, wenn es im Rahmen einer Begutachtung bereits mehrmals befragt worden ist und eine neuerliche Befragung das Kind nur belasten, aber nichts Neues hervorbringen würde. Urteil Bezirksgericht Laufen, 13.1.2009 Adoption (Art. 265 Abs. 2 ZGB); ZVW 6/2009, 437 ff. Die Zustimmung des urteilsfähigen Kindes muss auf einer vollständigen und einwandfreien Grundlage beruhen, die an der Klarheit, Ernstlichkeit, Authentizität der Willensbekundung und am frei gebildeten Willen des Kindes keine konkreten Zweifel zurücklässt. Das Kind hat einen Anspruch darauf, durch ein Mitglied der zuständigen Behörde oder durch eine damit betraute Fachperson ohne Beisein anderer Personen angehört zu werden. 10

Anhörung und Kindeswille KantonsGer SG, 4.7.2008: Etwa ab 12 J. können Kinder Vor- und Nachteile künftiger Lebenssituationen gegeneinander abwägen à Urteilsfähigkeit liegt vor. Ihr Wille ist als Ausdruck der Persönlichkeit zu respektieren und in der Entscheidfindung zu berücksichtigen. BGer 5A_697/2009, 4.3.2010: Fehlt jeglicher Hinweis auf Gefährdung des Kindeswohls bei Beibehaltung der geltenden Regelung, vermag Wunsch des Kindes keine Abänderung des Scheidungsurteils zu rechtfertigen. Dies gilt auch für ein Kind im Alter, ab dem seiner Meinung bei der Sorgerechtszuteilung ein grosses Gewicht zukommt. BGer 5A_119/2010, 12.3.2010 Anhörung und Kindeswille Ab 11-13 Jahren sind formallogische Denkoperationen möglich und die sprachliche Differenzierungs- und Abstraktionsfähigkeit entwickelt. Bei jüngeren Kindern dient die Anhörung vor allem als zusätzliches Element der Sachverhaltsfeststellung, das ein persönliches Bild erlaubt. Kleinere Kinder sind denn auch nicht nach konkreten Zuteilungswünschen zu fragen, sie können sich dazu nicht losgelöst von zufälligen gegenwärtigen Einflussfaktoren äussern und eine stabile Absichtserklärung abgeben. 11

Anhörung und Protokollierung BGer 5A_361/2010, 10.9.2010: Keine Verletzung des verfassungsrechtlichen Gehörsanspruchs, wenn den Eltern der Inhalt der Kindesanhörung aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nur summarisch mitgeteilt wird (BGE 122 I 53). Das Gleiche gilt für den vom Gericht angeforderten Bericht der Psychiaterin über die Behandlung des Sohnes. BGer 5A_859/2009, 25.5.2010: Für die Anhörung durch Drittpersonen bestehen keine Vorschriften formeller Natur, etwa die Pflicht, über die Anhörung ein eigentliches Protokoll zu erstellen. Anhörung im Rückführungsverfahren BGE 133 III 146 (2007) Der Rückführungsentscheid betrifft weder die Regelung der elterlichen Sorge noch diejenige der Obhut Das Kind muss erkennen können, dass es einzig darum geht, den aufenthaltsrechtlichen status quo ante wiederherzustellen 12

Art. 13 HKÜ (SR 0.211.230.02): Ausnahme von der Verpflichtung zur Rückführung, wenn sorgeberechtigte Person das Sorgerecht nicht ausübt sorgeberechtigte Person die Zustimmung zum Verbringen des Kindes ins Ausland (bzw. zum Zurückbehalten im Ausland) erteilt hat oder das Verbringen oder Zurückbehalten nachträglich genehmigt hat die Rückgabe das Kind in schwere Gefahr oder eine unzumutbare Lange bringt das Kind sich der Rückgabe widersetzt und angesichts seines Alters und seiner Reife seine Meinung zu berücksichtigen ist BGer 5A_764/2009, 11.1.2010 HKÜ legt kein Alter fest, ab wann Widersetzen des Kindes berücksichtigt werden muss. Lehre: Mindestalter zwischen 10 und 14 Jahren. BGer: Erforderliche Reife ist erreicht, wenn das Kind zu autonomer Willensbildung fähig ist und es Sinn und Problematik des Rückführungsentscheides verstehen kann. Diese Voraussetzungen sind ab ca. 11 bis 12 Jahren gegeben. 13

BGer 5A_471/2010, 5.11.2010 Schädlichkeit der Anhörung? Es ist weder dargetan noch ersichtlich, inwiefern das 11jährige, normal entwickelte, gesunde Mädchen einen unheilbaren Schaden nehmen soll, zumal die Anhörung durch eine geschulte Fachperson geplant ist. Im Übrigen kommt die Vormundschaftsbehörde mit der geplanten Anhörung in löblicher Weise ihren Pflichten nach, gilt doch für Kinderbelange die Offizialmaxime und insbesondere der Untersuchungsgrundsatz, was bedeutet, dass die Behörde sämtliche relevanten Umstände von Amtes wegen abzuklären bzw. zu erforschen hat. Kindeswohl Ein am Wohl des Kindes ausgerichtetes Handeln ist dasjenige Handeln, welches die an den Grundbedürfnissen und Grundrechten von Kindern orientierte für das Kind jeweils günstigste Handlungsalternative wählt. Jörg Maywald, Sprecher der National Coalition für die Umsetzung der Kinderrechtskonvention in Deutschland 14