Risikomanagement in der Landwirtschaft



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Transkript:

Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft Risikomanagement in der Landwirtschaft Erster Arbeitsbericht Projekt-Nr.: 96.05 (Agrarpolitik) Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz

Besuchen Sie uns auch im Internet: www.tll.de/ainfo Impressum 1. geänderte Auflage 2010 Herausgeber: Autoren: Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft Naumburger Str. 98, 07743 Jena Tel.: 03641 683-0, Fax: 03641 683-390 e-mail: pressestelle@tll.thueringen.de Dr. I. Matthes Dr. J. Stümpfel August 2010 - Nachdruck - auch auszugsweise - nur mit Quellenangabe gestattet. -

Inhaltsverzeichnis A 1 Veranlassung... 2 2 Grundsätzliche Aspekte des Risikomanagements in der Landwirtschaft... 2 2.1 Risikomanagement Definitionen und Inhalte... 2 2.2 Wirtschaftliche Relevanz von Risiken... 3 2.3 Zukünftiges Risikopotenzial für Landwirtschaftsbetriebe... 4 Zwischenfazit... 5 3 Untersuchungen zum Risikomanagement in den Landwirtschaftsbetrieben Thüringens... 5 3.1 Versicherungen... 5 3.1.1 Aufwendungen für Versicherungen... 5 3.1.2 Recherche in ausgewählten Referenzbetrieben... 6 3.1.3 Staatliche Stützung von Versicherungsprämien... 7 Zwischenfazit... 8 3.2 System von staatlichen Ad-hoc-Hilfen... 8 3.3 Risikoausgleichsrücklage... 8 3.3.1 Diskussionen und Vorstellungen zur Risikoausgleichsrücklage... 8 3.3.2 Beurteilung der Risikoausgleichszulage anhand von Buchführungsdaten... 9 3.4.4 Administrative Aspekte... 14 Zwischenfazit... 15 3.5 Weitere empirische Untersuchungen... 16 Zwischenfazit... 17 6 Zusammenfassende Bewertung... 17 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Risiken und Betroffenheit der Landwirtschaftsbetriebe (Beispiele)... 4 Tabelle 2: Ertragsschwankungen in Landessortenversuche (Anzahl)... 7 Tabelle 3: Ertragsschwankungen in Thüringer Landwirtschaftsbetrieben... 7 Tabelle 4: Ad-hoc-Hilfen für die Thüringer Landwirtschaft... 8 Tabelle 5: Beispiele von diskutierten Modellen der Risikorücklage... 9 Tabelle 6: Arbeitskräfte in den landwirtschaftlichen Unternehmen 20071)... 9 Tabelle 7: Ausgewählte Buchführungsdaten ( /ha) natürlicher Personen... 10 Tabelle 8: Verteilung der Betriebe nach Gewinnklassen (Gewinn /ha LF) in 2008/09... 11 Tabelle 9: Beispiel Ackerbaubetrieb, Einzelunternehmen im Haupterwerb... 12 Tabelle 10: Entwicklung ausgewählter Buchführungsdaten ( /ha) juristischer Personen... 13 Tabelle 11: Juristische Personen nach Klassen des Jahresüberschusses (2008/09)... 14 Tabelle 12: Administrative Aspekte einer Risikoausgleichsrücklage... 15 Tabelle 13: Schwankung der Erzeugerpreise landwirtschaftlicher Produkte in Thüringen2)16 Tabelle 14: Streuung von einzelbetrieblichen Daten im Verlaufe von 10 Jahren... 16 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Risikotypologie der Schmalenbachgesellschaft Abbildung 2: Risiken im landwirtschaftlichen Betrieb Abbildung 3: Wirtschaftliche Relevanz von Risiken Abbildung 4: Ausgewählte Entwicklungstendenzen Abbildung 5: Entwicklung der Aufwendungen für Versicherungen nach Rechtsformen Abbildung 6: Anzahl der Betriebe nach Anteil der Versicherungen am Unternehmensaufwand Abbildung 7: Betriebsversicherungen in der Thüringer Landwirtschaft Abbildung 8: Versicherungen der Landwirtschaftsbetriebe Betriebsbefragung 2008 Abbildung 9: Versicherungen der Landwirtschaftsbetriebe Betriebsbefragung 2008 Abbildung 10: Versicherungen der Landwirtschaftsbetriebe Entschädigungen Abbildung 11: Gewinnentwicklung in Unternehmen natürlicher Personen Abbildung 12: Jahresüberschuss und Steuern juristischer Personen A 2010 Risikomanagement Landwirtschaft 1

1 Veranlassung Landwirtschaft wird seit je her von Ertragsschwankungen aufgrund von Trockenheit, Starkniederschlägen, Pflanzenkrankheiten sowie Tierseuchen u. ä. geprägt. Durch veränderte Klimabedingungen sowie durch eine zunehmende Volatilität der Märkte sind die Risiken für Landwirtschaftsbetriebe erheblich gewachsen. Aufgrund der veränderten Betriebsstrukturen, einer zunehmenden Spezialisierung der Betriebe und der immer größeren Marktabhängigkeit können diese Risiken heute zunehmend zur Gefährdung der betrieblichen Existenz u./o. zu Liquiditätsengpässen führen. Naturkatastrophen und Epidemien wirken ebenso. Vor dem Hintergrund des relativ hohen Risikos für witterungsbedingte Schäden schlägt die EU-Kommission im Rahmen des Healt-Checks eine Förderung von Ernte- und Mehrgefahrenversicherungen als Option für die Mitgliedsstaaten vor. Auch staatlich unterstützte Fonds auf Gegenseitigkeit für Pflanzenkrankheiten und Tierseuchen gehören zu den Optionen. In der Diskussion dieser Vorschläge, wurde seitens verschiedener Bauernverbände und Interessenvertretungen von der Politik die Einführung der Möglichkeit einer Gewinnrücklage zur Risikoabsicherung für landwirtschaftliche Unternehmen gefordert. Im Rahmen des Arbeitsthemas werden Informationen zum Risikomanagement zusammen getragen und ausgewählte Vorschläge des Risikomanagement unter agrarökonomischer Sicht diskutiert. 2 Grundsätzliche Aspekte des Risikomanagements in der Landwirtschaft 2.1 Risikomanagement Definitionen und Inhalte Unter Risikomanagement ("risk management") versteht man die systematische Analyse und Bewertung möglicher Risiken und die rechtzeitige Entwicklung von Präventivmassnahmen. In Branchen, in denen der Umgang mit Gefahren zum Alltag gehört, wie beispielsweise auch die Landwirtschaft, ist Risikomanagement seit jeher fest in den beruflichen Alltag integriert. Es wird davon ausgegangen das Risikomanagement in einem landwirtschaftlichen Betrieb darauf abzielt, die eigene Gesamtrisikolage zu begrenzen und die Wahrscheinlichkeit des Verlustes der Existenzgrundlage möglichst gering zu halten. Zudem beinhaltet es Instrumente, die eine schnellstmögliche Behebung der eingetretenen existenziellen Notlage unterstützen können. In der Literatur existieren verschiedene Systematisierungen von Risiken. Die Typologie der Schmalenbachgesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. orientiert sich beispielsweise an betriebswirtschaftlichen Handlungsfeldern (LASCHEWSKI und PESSIER, 2008) und unterscheidet zwischen: Gesamtgesellschaftliche Risiken, Branchen-, Absatz-, Beschaffungs-, Finanz-, Personal- und Organisations-, Technik- /Technologie-, Haftungs- wie auch Rechts- /Gesellschaftsrisiken und politische Risiken sowie Managementrisiken. Andere Autoren betrachten Risiken differenzierter und berücksichtigen insbesondere Ursache-Wirkungsbeziehungen. Risikotypologie der Schmalenbachgesellschaft (Auszug) Gesamtwirtschaftliche Risiken Branchenrisiken Absatzrisiken Beschaffungsrisiken Finanzrisiken Technologierisiken Haftungsrisiken Rechtsrisiken, politische und gesellschaftliche Risiken Managementrisiken Quelle: Zitiert von Laschewski, L. u. Pessier, H. J. (2008) Abbildung 1 Konjunktur, Rezession, Währungsrisiken, Kursrisiken Konkurrenz Zusammenbruch Absatzmarkt, Preisrisiken, Exportrisiken Preisrisiken, Abhängigkeit von Zulieferern Forderungsausfall, Zinsrisiken, Kapitalbeschaffung Neue Technologien/Innovationen, Technikrisiken Produkthaftung, Umwelthaftung Entwicklung des nationalen und inetnationalen Rechts, Rechtssicherheit Untreue, Unterschlagung, Abhängigkeit von Unternehmerpersönlichkeit 2

Risiken im landwirtschaftlichen Betrieb Risiken im landwirtschaftlichen Betrieb Externe Risiken Interne Risiken Marktrisiken Produktionsrisiken Politikrisiken Anlagerisiken Sonstige Finanzrisiken Personenrisiken So unterscheiden SCHAPER u. a. (2008) zwischen internen und externen Risiken in landwirtschaftlichen Betrieben. Produktions-, Personen-, Finanz-, und Anlagerisiken zählen neben sonstigen, wie das Haftpflicht- und Rechtschutzrisiko, zu den internen Risiken. Als externe werden Markt-, Politik- und sonstige Risiken, wie Diebstahl, Einbruch und böswillige Beschädigung, genannt. Sonstige Quelle: Nach Lehrner, J. (2002) Abbildung 2 2.2 Wirtschaftliche Relevanz von Risiken Nachdem wir festgestellt haben, dass Landwirtschaftsbetriebe mit einer Vielzahl Risiken konfrontiert werden, ergibt sich die Frage, welche der Risiken wirtschaftlich relevant sind, d. h. welche der Risiken zur Existenzgefährdung führen können. wirtschaftliche Bedeutung Wirtschaftliche Relevanz von Risiken wirtschaftliche Bedeutung des Ereignisses Eintrittswahrscheinlichkeit des Ereignisses hoch Betriebswirtschaftlich relevant gering gering hoch Eintrittswahrscheinlichkeit Quelle: Nach Laschewski, L. und Pessier, H. J., 2008 Abbildung 3 Abbildung 3 verdeutlicht grundsätzliche Zusammenhänge. Kann ein Ereignis/ Risiko mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eintreten und ist dieses gleichzeitig von hoher wirtschaftlicher Bedeutung, entsteht ein betriebswirtschaftlich relevanter Risikobereich, der durch spezifische Instrumente wirksam abgesichert werden sollte. Wie hoch die Eintrittswahrscheinlichkeit und die wirtschaftliche Bedeutung eines Risikos für den Landwirtschaftsbetrieb letztendlich sind, muss unter den konkreten Standortbedingungen, vor Ort, eingeschätzt und beurteilt werden. Das erfordert in der Regel empirische Untersuchungen bzw. langjährige Erfahrungswerte. In Tabelle 1 sind für den Landwirtschaftsbetrieb potenziell existierende Risiken aufgelistet und überschlägig dahingehend eingeschätzt worden, ob bzw. in welchem Maße eine Betroffenheit für Thüringer Landwirtschaftsbetriebe erwartet werden kann und inwieweit spezifische Instrumente zum Risikomanagement bereits vorhanden sind. Agrarpolitische Entscheidungen der jüngsten Vergangenheit zeigen, dass Politikrisiken nicht unterschätzt werden dürfen. Für ausgewählte Produktionsrisiken liegen Instrumente über Versicherungslösungen vor. Extremereignisse (großflächige bzw. Dürre, Hochwasser) werden bisher über Ad-hoc-Hilfen teilweise ausgeglichen. Extreme Schwankungen der Erzeuger- bzw. Betriebsmittelpreise stellen relevante Marktrisiken dar. Für deren Bewältigung sind wirksame Instrumente nur eingeschränkt vorhanden (Warenterminbörse, Intervention) oder nur eingeschränkt wirksam. Personalrisiken sind von geringerer Bedeutung, Anlagenrisiken in der Regel abgesichert. 3

Tabelle 1: Risiken und Betroffenheit der Landwirtschaftsbetriebe (Beispiele) Risikoarten Risiko Betroffenheit Spezifische Instrumente Politikrisiken Produktionsrisiken Marktrisiken Personalrisiken Sachanlagenrisiken Direktzahlungen Agrardiesel/ Biodiesel EEG Umweltregelungen Tierkrankheiten/Seuchen Elementarereignisse ( Hagel, Sturm, Überschwemmung u. a.) Ertragsrisiken, Schädlinge Absatz Erzeugerpreise Produktqualität Beschaffung Betriebsmittelpreise Ausfall - Familienarbeitskraft - Saisonarbeitskräfte Brand, Diebstahl, Beschädigung u. a. gegeben hoch hoch gering gegeben gering hoch gering eher gering hoch gegeben gegeben gegeben keine Tierversicherung Hagelversicherung, Mehrgefahrenversicherung? Ad-hoc keine Warenterminbörse,? keine keine keine Betriebshilfe keine Maschinenversicherung, Gebäudeversicherung Boden/Umwelt Umweltschäden, Verunreinigungen gegeben Umwelthaftpflicht 2.3 Zukünftiges Risikopotenzial für Landwirtschaftsbetriebe Agrarpolitik, Agrarökonomie und Berufsstand erwarten zukünftig ein wachsendes Risikopotenzial für Landwirtschaftsbetriebe und rücken ein wirksames Risikomanagement verstärkt ins Blickfeld von Politik, Interessenvertretung und Unternehmensführung. Eine Auswahl an Entwicklungstendenzen, die ein wachsendes Risikopotenzial hinsichtlich der Häufigkeit des Auftretens von Risiken und der wirtschaftlichen Relevanz ihrer Auswirkungen erwarten lassen, zeigt Abbildung 4. Ausgewählte Entwicklungstendenzen Wachstum der Betriebe höherer Pachtanteil, mehr Fremd-AK u. mehr Fremdkapital höherer Anteil pagatorischer Kosten Spezialisierte Betriebe weniger Produktionsverfahren, weniger Ackerkulturen, weniger Sorten geringeres Potenzial zum Risikoausgleich Fortschreitender Klimawandel Zunahme Ertragsschwankungen, Zunahme Extremereignisse Tier-/Pflanzenkrankheiten/Schädlinge Ausfall von Umsatz, Kostenfaktor Marktgeschehen weniger Außenschutz/mehr Weltmarkt, weniger Marktsteuerung, Risiken des Weltmarktes größere Preisschwankungen Abbildung 4 4

Zwischenfazit Landwirtschaftsbetriebe wurden seit jeher mit vielfältigen Risiken konfrontiert und haben darauf mit einem geeigneten Instrumentarium reagiert. Da das Risikopotenzial zukünftig ansteigen wird, sind die Akteure des Risikomanagements - die Agrarpolitik, die Versicherungswirtschaft und die landwirtschaftlichen Unternehmen - gefordert, die Risikolage ständig zu analysieren und das Instrumentarium anzupassen, weiterzuentwickeln und durch neue Instrumente zu ergänzen. Eine Unterstützung durch die Agrarforschung ist dabei dringend erforderlich. 3 Untersuchungen zum Risikomanagement in den Landwirtschaftsbetrieben Thüringens 3.1 Versicherungen Ein klassisches Instrument des Risikomanagement sind Versicherungen. Insbesondere die Hagelversicherung hat in Deutschland eine lange Tradition. So gibt es für diese auch umfangreiche, rein privatrechtliche Angebote. Versicherungen gegen weitere Witterungsrisiken bzw. durch diese verursachten Ertragsausfälle sind hingegen bisher weniger etabliert. 3.1.1 Aufwendungen für Versicherungen Die Aufwendungen der Thüringer Landwirtschaftsbetriebe für betriebliche Versicherungen je Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche (LF) zeigen für die letzten 10 Jahre tendenziell eine leichte Steigerung. /ha LF 65 60 55 50 45 40 35 Entwicklung der Aufwendungen für Versicherungen nach Rechtsformen der Landwirtschaftsbetriebe 1997/98 1998/99 Abbildung 5 1999/00 2000/01 Quelle: Buchführungsergebnisse Thüringen 2001/02 2002/03 2003/04 Juristische Personen Personengesellschaften Einzelunternehmen - Haupterwerb 2004/05 2005/06 2006/07 2007/08 2008/09 Die Aufwendungen für Versicherungen lagen im Auswertungszeitraum 2008/09 durchschnittlich bei 56 /ha, davon entfielen 17 /ha auf die betriebliche Unfallversicherung (BUV). Im Jahr zuvor waren es 54 /ha LF einschließlich von 18 /ha BUV (Abb. 5). Im Mittel der Betriebe liegt der Anteil der Versicherungen über die Jahre gemessen am Unternehmensaufwand zwischen 2,4 bis 2,7 %, d. h. er blieb trotz jährlichen Schwankungen weitestgehend gleich. Zwischen den Betrieben streut dieser Anteil erheblich (Abb. 6). Anzahl Betriebe Anzahl der Betriebe nach Anteil der Versicherungen am Unternehmensaufwand (n=683) 160 140 120 100 80 60 40 20 0 0-1 >1-1,5 >1,5-2 >2-2,5 >2,5-3 >3-3,5 >3,5-4 >4-4,5 >4,5-5 Anteil der Versicherungen am Unternehmensaufwand (%) Quelle: Buchführungsergebnisse Thüringen 2006/07 >5-6 > 6-7 >7-10 >10 Jur. Personen EU-HE/GbR Betriebsversicherungen in der Thüringer Landwirtschaft ( /ha LF) Betriebsversicherungen 54 49 Anteil am Unternehmensaufwand: 2,5 4 % dar. ohne Berufsgenossenschaft: 1,5 1,8 % Berufsgenossenschaft Gebäude PKW/Maschinen Hagel Tiere Haftpflicht/Rechtschutz sonstige gesamt mit Tierproduktion 35 11 10 9 12 9 14 100 dar.: BUV 19 16 Übrige 21 0 10 17 100 35 33 Struktur der Betriebsversicherungen (%) ohne Tierproduktion 38 68 Quelle: Buchführung Thüringer Landwirtschaftsbetriebe Abbildung 6 Abbildung 7 5

Unter den Betriebsformen wiesen die Verbundbetriebe im Mittel die höchsten und die Ackerbaubetriebe die geringsten Aufwendungen für Versicherungen je Hektar LF auf (Abb. 7). 3.1.2 Recherche in ausgewählten Referenzbetrieben Mit einer Befragung sollte ein Überblick zu den bestehenden Instrumenten des Risiko- und Krisenmanagement in den Landwirtschaftsbetrieben erstellt und Meinungen zu den Vorhaben der europäischen Agrarpolitik eingeholt werden. Dazu gehörten auch Angaben zu bestehenden Versicherungen und eingetretenen Schadensfällen. Allgemeine Angaben zu den Betrieben Angeschrieben wurden 40 Betriebe, davon antworteten 22. Die Betriebe, die Auskunft erteilten, bewirtschaften zusammen rd. 49,4 Tsd. ha LF. Die landwirtschaftlich genutzte Fläche der Betriebe variierte von 340 bis 4 400 ha. Unter den Antworterteilenden waren ein Haupterwerbsbetrieb, zwei GbR, 14 eingetragene Genossenschaften, vier GmbH und eine Aktiengesellschaft. Zwei Betriebe unterlagen dem EU-Kontrollverfahren für Ökobetriebe. In 20 Betrieben wurde Vieh gehalten. Versicherungen und Schadensfälle Von den 22 Betrieben gaben 21 Auskünfte zur Art ihrer Versicherungen sowie zur Anzahl aufgetretener und entschädigter Schadensfälle. Zu den am häufigsten vorhandenen Versicherungen zählten die Betriebshaftpflicht, Gebäude- wie auch Inventarversicherungen sowie KFZund Hagelversicherungen (Abb. 8 und 9). Versicherungen der Landwirtschaftsbetriebe - Betriebsbefragung 2008 - Frage: Über welche betrieblichen Versicherungen verfügt Ihr Unternehmen? Art der Versicherung Gebäudeversicherung Inventarversicherung Betriebshaftpflichtversicherung Rechtsschutzversicherung KFZ_Maschinen-Kasko-Versicherung Ertragsausfallversicherung Viehwirtschaft Tierversicherungen Hagelversicherung Mehrgefahrenversicherung dar. Hagel dar. Sturm Sonstige dar. Maschinenversicherung dar. Umwelthaftpflicht dar. Biogas Anzahl Nennungen (Stichprobe: 22 Betriebe) 20 20 21 16 20 16 15 20 65 3 10 22 2 Versicherungen der Landwirtschaftsbetriebe - Betriebsbefragung 2008 - Frage: Wie oft traten in den letzten 3 Jahren Schadensfälle auf? Versicherung Gebäudeversicherung Inventarversicherung Betriebshaftpflicht Rechtschutz KfZ-/Maschinenversicherung Hagel Mehrgefahren Hagel/Sturm, Regen Ertragsausfall Viehwirtschaft Tierversicherungen Schadensfälle (Anzahl) gesamt je Betrieb mit jeweiliger Versicherung 57 2,8 17 0,9 66 3,1 5 0,3 66 3,3 16 0,8 11 1,8 3 10 0,2 0,7 Abbildung 8 Abbildung 9 Zu den von den Betrieben aufgeführten sonstigen Versicherungen gehörten die Maschinen-, Elektronik-, Kautions- sowie Unfallversicherung, wie auch Feuerversicherungen für Felder, Frage: Umfang der Entschädigungen in den letzten 3 Jahren Schadensfälle: 264 dav. entschädigt: 243 Entschädigungen: 2,15 Mio. EUR 15 EUR/ha und Jahr 633 Versicherungen der Landwirtschaftsbetriebe - Entschädigungen - 301 168 Quelle: Betriebsbefragung 2008 Abbildung 10 76 144 110 Entschädigungen (Tsd. ) 25 691 Gebäude Inventar Betriebshaftpflicht KfZ/Maschinen Hagel/Sturm Sonstige Tierversicherung Ertragsausfall Lager und Mähdrescher außerdem die Umwelt- und Vermögensschadenhaftpflicht. Des Weiteren wurden Versicherungen für das Betreiben der Biogasanlage abgeschlossen. In einem Fall wurde der Abschluss einer Zusatzrente für Mitarbeiter zur Risikovorsorge genannt und der risikomindernde Aspekt der Vielfalt im Anbau angesprochen. 20 Unternehmen machten auch Angaben zu den gezahlten Entschädigungen. So traten in den 21 Unternehmen in den letzten drei Jahren 264 Schadensfälle auf. Für 243 der Schadensfälle erhielten die Betriebe Entschädigungen. 20 Betriebe wurden mit insgesamt 2,15 Mio. für 236 Schadensfälle entschädigt (Abb. 10). 6

3.1.3 Staatliche Stützung von Versicherungsprämien In vielen europäischen Nachbarländern wird, mehreren Berichten zufolge (Fock, Fuchs, Karsten und Mahlau,2008), der Ausbau von bereits etablierten und auch staatlich gestützten Versicherungssystemen vorangetrieben. Es wird befürchtet, dass deutsche Landwirte gegenüber ihren Berufskollegen bald im Nachteil sein könnten. Mit den Beschlüssen zum Gesundheitscheck der GAP 2008 (EU-VO 73/2009) wurde für die Mitgliedsstaaten die Möglichkeit geschaffen, finanzielle Beiträge zu Prämien für Ernte-, Tierund Pflanzenversicherungen, zur Deckung von wirtschaftlichen Einbußen aufgrund widriger Witterungsverhältnisse sowie Tierseuchen, Pflanzenkrankheiten oder Schädlingsbefall bis 65 % der zu zahlenden Versicherungsprämie an den Betriebsinhaber unter Beteiligung des Europäischen Garantiefonds für Landwirtschaft für zu gewähren. Voraussetzung ist jedoch, dass die Einbußen mehr als 30 % der durchschnittlichen Jahreserzeugung im Vergleich zum vorhergehenden Dreijahreszeitraum betragen (oder 5 Jahre ohne höchster und niedrigster Erzeugung). Anhand von langjährigen Ertragsdaten aus Thüringer Sortenversuchen und von Praxisbetrieben wurde geprüft, mit welcher Häufigkeit Ertragsverluste von mehr als 30 % bei Getreide und Raps auftraten. Tabelle 2: Ertragsschwankungen in Landessortenversuche (Anzahl) Kultur Zeitreihen/ Versuchsstationen Ertragsangaben (Jahre x Standorte) Jahre mit Ertragseinbußen über 30 % zum dreijährigen Mittel Winterweizen 6 72 4 Wintergerste 5 58 1 Winterroggen 5 58 0 Triticale 4 45 1 Sommergerste 7 79 5 Raps 4 41 1 Es ist festzustellen, dass in den Landessortenversuchen Ertragseinbußen von über 30 % selten, d.h. mit geringer Häufigkeit auftraten. Tabelle 3: Ertragsschwankungen in Thüringer Landwirtschaftsbetrieben Kultur Anzahl Zeitreihen (Betriebe) Anzahl Jahre und Anzahl Jahre mit Ertragseinbußen über 30 % gegenüber dem Standorte/ dreijährigen Mittel Mittel der letzten 5 Jahren ohne min. u. max. Wert Winterweizen 6 107 2 1 Winterroggen 2 34 4 4 Triticale 4 44 3 2 Wintergerste 5 89 7 6 Sommergerste 6 107 9 6 Hafer 3 41 4 2 Getreide 1) 6 105 3 0 Raps 5 89 7 5 1) Einzelbetriebliche Ertragsreihen Getreide Auch in den Praxisbetrieben wurden bei Winterweizen Ertragseinbußen von über 30 % selten beobachtet. Winterroggen wie auch Hafer waren etwas anfälliger. Die auf Betriebsebene erfolgte Aggregation der Erträge verschiedener Getreidearten zu einem Getreideertrag führt zu einer deutlichen Reduzierung des Ertragsrisikos Getreide. Es wird 7

deutlich, dass bereits durch den Anbau mehrerer Kulturarten eine Risikominderung im Betrieb erreicht werden kann. Die Häufigkeit der gesuchten Ertragseinbußen war zudem abhängig vom Wechselspiel Standort - Fruchtart. Die ackerbaulich ungünstigeren Standorte unter den Praxisbetrieben verzeichneten vergleichsweise häufiger derartige Ertragsausfälle. Zwischenfazit Eine staatliche, auf Artikel 70 der EU-VO 73/2009 basierende, Stützung von Ernte-/ Pflanzenversicherungen wird in Deutschland nicht angestrebt. Da die bisher in Thüringen beobachteten Ertragsschwankungen erwarten lassen, dass sie ohnehin kaum wirksam werden dürfte, ist sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Thüringen auch nicht erforderlich. Hinzu kommt, dass die Finanzierung der staatlichen Beihilfen nach Artikel 69 der EU-VO 73/2009 aus zusätzlichen Kürzungen der Direktzahlungen erfolgen muss. 3.2 System von staatlichen Ad-hoc-Hilfen Auf der Basis von EU-rechtlichen Regelungen können die Mitgliedsstaaten den Landwirtschaftsbetrieben auf konkrete Schadensereignisse bezogene Hilfen bereitstellen. Auf Bundesund Landesebene wurde dieses Instrument in Zusammenhang mit Dürren, Hochwasser, Sturmschäden u. a. vielfach angewandt. Auch in Thüringen kamen Ad-hoc-Hilfen in den letzten Jahren zur Anwendung. Tabelle 4: Ad-hoc-Hilfen für die Thüringer Landwirtschaft Jahr Ereignis Finanzvolumen (Mio. ) 2001 BSE 2,93 2002 Hochwasser 0,24 2003 Dürre 8,80 2009 Liquiditätsdarlehen 1,20 2010/11 Grünlandmilchprogramm ca. 7,0 1) 1) erste Schätzungen Quelle: Dr. Zopf TMLFUN 2009 3.3 Risikoausgleichsrücklage 3.3.1 Diskussionen und Vorstellungen zur Risikoausgleichsrücklage Mit Sicht auf die zunehmenden Einkommensschwankungen landwirtschaftlicher Betriebe fordert der Deutsche Bauernverband die Einführung einer Risikoausgleichsrücklage im Ertragssteuerrecht. Der Vorschlag orientiert sich an der im Forstschäden-Ausgleichsgesetz geregelten steuerfreien Rücklage und sieht vor, in den Bilanzen der Landwirtschaftsbetriebe eine Risikoausgleichsrücklage zu bilden. (Siehe Exkurs) Rücklagen sollen insbesondere dann gebildet werden, wenn der Gewinn eines Jahres vom zuvor ermittelten durchschnittlichen Gewinn, berechnet aus mehreren Jahren, abweicht. Die Rücklage wirkt in dem Jahr der Bildung gewinnreduzierend und senkt damit die Steuerlast. Bereits heute werden in einigen Ländern vergleichbare Instrument eingesetzt. Die länderspezifische Ausgestaltung der Rücklagen weist dabei einige Unterschiede auf. Exkurs: Forstschäden Ausgleichsgesetz (geänderte Fassung vom 7.11.1991 (BGBI. I S. 2062) In 3 des Forstschäden-Ausgleichsgesetzes ist die Bildung einer steuerfreien Rücklage geregelt. Die Rücklage mindert den steuerlichen Gewinn und damit die Steuerlast in dem Jahr, in dem die Bildung erfolgt. Die Höhe ist auf 100 %, die jährliche Zuführung auf 25 % der im Durchschnitt der vorangegangenen 3 Wirtschaftsjahre erzielten nutzungssatzmäßigen Einnahmen beschränkt. In Höhe der Rücklage ist in gleicher Höhe ein betrieblicher Ausgleichsfonds zu bilden. Die Gelder für den Fonds müssen auf ein besonderes Konto bei einem Kreditinstitut eingezahlt werden. Der Fonds darf nur für die im Gesetz festgelegten Zwecke eingesetzt werden. Werden Fondsmittel zweckentsprechend in Anspruch genommen, ist die Rücklage am Ende des Wirtschaftsjahres der Inanspruchnahme gewinnerhöhend aufzulösen. 8

In seinem Vortrag auf dem Perspektivforum des Deutschen Bauernverbandes 2009 zeigte U. Hemmling Beispiele dieser Instrumente und deren Unterschiede. Gleichzeitig wurde von O. Mußhoff eine mögliche Variante und ihre Wirkung mittels Modellen vorgestellt. Darüber hinaus existieren weitere Vorstellungen zu Risiko(ausgleichs)rücklagen. Die insgesamt diskutierten Modellvarianten unterscheiden sich hinsichtlich vorgeschlagener Optionen bzw. Restriktionen. Tabelle 5: Autor/Fundort Mußhoff u. Weber (2009) Neue Landwirtschaft 6/2009 Vorschlag Bauernverband Engel, G. (2008) Beispiele von diskutierten Modellen der Risikorücklage Modelloptionen Rücklagenschwellenwert/ Zuführung: Durchschnitt der Gewinne vorhergehender Jahre, jährliche Zuführung, Rücklagenobergrenze/ Auflösung: 2/3 des Durchschnitts v. o. kein Sperrkonto Rücklagenschwellenwert/ Zuführung Kein Schwellenwert, jährliche Zuführung zur Rücklage max. 25 % der im Durchschnitt der vorangegangen drei Wirtschaftsjahre erzielten Einnahmen aus Land- u. Forstwirtschaft Rücklagenobergrenze 100 % von o. g. Durchschnitt Bildung eines betrieblichen Ausgleichsfonds in Höhe der Rücklage Zweckbindung Bei zweckentfremdeter Inanspruchnahme der Rücklage: Gewinnzulage von 10 % des Teils der aufgelösten Rücklage Rücklagenschwellenwert/ Zuführung: Durchschnitt der letzten drei Jahre, Differenz zum aktuellen Gewinn wird rückgestellt, keine Einhaltung von Größenklassen wie bei 7g EStG Auflösung: Gewinn erhöhend, spätestens nach fünf Jahren, Die Vorschläge zur Schaffung einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage werden derzeit unter steuerpolitischen, steuerrechtlichen, fiskalischen, administrativen sowie betriebswirtschaftlichen Aspekten diskutiert, dementsprechend differenziert beurteilt und bewertet. 3.3.2 Beurteilung der Risikoausgleichszulage anhand von Buchführungsdaten Im folgenden Abschnitt werden Daten und Informationen anhand Thüringer Buchführungsergebnisse zusammengestellt, die dazu beitragen können, die Vorschläge zur Risikoausgleichsrücklage aus betriebswirtschaftlicher Sicht beurteilen und die Wirksamkeit der Rücklage als Instrument des Risikomanagements auf einzelbetrieblicher Ebene einschätzen zu können. Tabelle 6: Arbeitskräfte in den landwirtschaftlichen Unternehmen 2007 1) Rechtsform/-gruppen Betriebe LF in ha Arbeitskräfte 2007 2007 2008 2007 2008 Personen AKE Juristische Personen 589 595 521 023 523 060 14 197 10 917 Personengesellschaften 2) 341 329 121 826 118 381 3 185 2 151 Einzelunternehmen 3 859 3 781 150 728 152 063 8 543 3 492 Gesamt 4 789 4 704 793 577 793 505 25 919 16 560 1) repräsentative Erhebung (einschl. GmbH & Co. KG) Quelle: TLS Im Jahr 2008 wurden in Thüringen 4 704 landwirtschaftliche Unternehmen statistisch erfasst, von diesen waren rd. 80 % Einzelunternehmen, 7 % Personengesellschaften (einschließlich 9

GmbH & Co. KG) und 13 % juristische Personen. Etwa 70 % der Einzelunternehmen werden im Nebenerwerb geführt. Jährlich werden über 600 Jahresabschlüsse der Buchführung Thüringer Landwirtschaftsbetriebe ausgewertet. Diese decken etwa 60 % der LF Thüringens ab. Damit steht eine aussagekräftige Datenbasis mit Kennzahlen zur wirtschaftlichen Situation zur Verfügung. Die Besteuerung landwirtschaftlicher Betriebe in den Rechtsformen natürlicher und juristischer Unternehmen erfolgt unterschiedlich. Für natürliche Personen (Einzelunternehmen und Personengesellschaften) greift die Einkommenssteuer nach dem Einkommenssteuergesetz (EStG) mit einem progressiven Steuertarif. Juristische Unternehmen unterliegen der Körperschafts- und der Gewerbesteuer. Zu beachten sind unterschiedliche Inhalte der Begriffe Gewinn bzw. Jahresüberschuss in den Jahresabschlüssen natürlicher bzw. juristischer Personen. Da der Vorschlag des Bauernverbandes für die Ausgleichsrücklage die Höhe des Umsatzes berücksichtigt, wird nachfolgend auch die Entwicklung der Umsätze dargestellt Einzelunternehmen im Haupterwerbsbetriebe und Personengesellschaften Zu den von landwirtschaftlichen Betrieben in der Rechtsform natürlicher Personen gezahlten Einkommenssteuern liegen keine Informationen vor. Sie sind u. a. abhängig von den persönlichen Verhältnissen der Betriebseigentümer (Familienstand, individuelle Abzugsmöglichkeiten). Die Einkommensteuer ergibt sich aus dem zu versteuernden Einkommen, dessen Entwicklung sich aus den Gewinnen ableiten lässt. De jure werden für die steuerlichen Einkünfte eines Kalenderjahres die hälftigen Gewinne zweier Wirtschaftsjahre berücksichtigt ( 4a EStG), also de facto der zweijährige Durchschnitt. Damit tritt bereits eine gewisse Glättung der zu versteuernden Einkommen ein. Zu beachten bleibt, dass aus den dabei zugrundegelegten Gewinnen die Entlohnung bisher nichtentlohnter Familienarbeitskräfte erfolgen muss. Veränderungen der Umsatzerlöse und des Unternehmensertrages in den verschiedenen Jahren spiegeln vor allem die Ernte- und Marktsituationen, die erreichten Leistungen sowie die Entwicklung der Erzeugerpreise wider. Im Zusammenspiel mit den steigenden Preisen für landwirtschaftliche Betriebsmittel führen sie zur dargestellten Entwicklung der Gewinne (Tabelle 7) bei Personengesellschaften (PG) und Einzelunternehmen im Haupterwerb (HE) sowie zu den in Abbildung 11 erkennbaren jährlichen Schwankungen erzielter Gewinne. Diese Entwicklung im Verlauf der letzten Jahre lässt erwarten, dass die aus den Gewinnen resultierenden Steuern aus Einkommen und Ertrag mit diesen angestiegen sind. Tabelle 7: Ausgewählte Buchführungsdaten ( /ha) natürlicher Personen Unternehmensertrag Umsatzerlöse Jahr Gewinn v. Steuern Bank / Kasse 1) PG HE PG HE PG HE PG HE 1998/99 1.049 691 1.560 1.190 265 177 62 60 1999/00 1.050 761 1.575 1.304 306 118 87 58 2000/01 1.040 771 1.535 1.275 267 207 85 48 2001/02 1.131 810 1.666 1.327 312 234 92 59 2002/03 1.055 676 1.609 1.181 218 197 69 57 2003/04 932 749 1.481 1.297 233 231 52 60 2004/05 1.131 807 1.684 1.353 301 263 95 80 2005/06 1.063 791 1.383 1.091 221 207 85 77 2006/07 1.187 877 1.763 1.443 321 282 88 82 2007/08 1.538 1.184 2.156 1.791 494 433 116 108 2008/09 1.337 1.110 1.888 1.650 305 281 79 98 1) Zum 30.Juni des Jahres Quelle: Buchführungsergebnisse Thüringer Landwirtschaftsbetriebe 10

Tabelle 8: Verteilung der Betriebe nach Gewinnklassen (Gewinn /ha LF) in 2008/09 Gewinn von bis /ha keine Gewinne > 0 bis < 50 >= 50 bis < 100 >= 100 bis < 200 >= 200 bis < 500 >= 500 gesamt Einzelunternehmen im Haupterwerb Betriebe LF Gewinn Bank/Kasse % ha/betr. /ha /ha 1) 6,4 167-101 26 6,4 199 28 123 6,4 209 75 25 23,2 194 155 106 41,6 222 321 79 16,0 162 748 207 100 200 281 98 Personengesellschaften Betriebe LF Gewinn Bank/Kasse % ha/betr. /ha /ha 1) 9,8 321-131 19 4,9 583 25 84 3,9 265 65 9 14,7 403 154 58 50 380 329 70 16,7 420 704 144 100 389 305 79 1) Zum 30.Juni 2009 Quelle: Buchführungsergebnisse Thüringer Landwirtschaftsbetriebe Gewinnentwicklung in Unternehmen natürlicher Personen ( /ha LF) 500 400 300 Gewinnänderung zum Vorjahr Gewinn v. Steuern Personengesellschaften (PG) /ha 200 100 0-100 -200 1997/98 1998/99 1999/00 2000/01 2001/02 2002/03 2003/04 2004/05 2005/06 2006/07 2007/08 2008/09 500 400 300 Gewinnänderung zum Vorjahr Gewinn v. Steuern Einzelunternehmen (HE) /ha 200 100 0-100 -200 1997/98 1998/99 1999/00 2000/01 2001/02 2002/03 2003/04 2004/05 2005/06 2006/07 2007/08 2008/09 Quelle: Buchführungsergebnisse Thüringer Landwirtschaftsbetriebe Abb. 11 Beispiel Nachfolgend soll an einem Durchschnittsbetrieb gezeigt werden wie sich die Bildung der Risikoausgleichszulage auf das zu versteuernde Einkommen natürlicher Personen auswirkt. Das Modell zeigt die Gewinnentwicklung in einem durchschnittlichen auf Marktfruchtanbau spezialisierten Haupterwerbsbetrieb. Wie Tabelle 9 veranschaulicht, stellt bereits die Bildung des zu versteuernden Einkommens aus den hälftigen Gewinnen zweier Wirtschaftsjahre einen gewissen Ausgleich von Schwankungen dar und führt zur Glättung des Steueraufkommens. Bezüglich der Bildung der Risikoausgleichsrücklage wird im Modell unterstellt, dass jeweils der aktuelle Gewinn mit dem Durchschnitt aus den Gewinnen der letzten drei Jahre verglichen 11

wird. Bei positiver Differenz zwischen aktuellem Gewinn und Durchschnitt erfolgt die Rücklagenbildung. Lieg der aktuelle Gewinn unter dem Durchschnitt wird er wieder ganz oder teilweise aufgelöst. Es erfolgen keine Restriktionen hinsichtlich der Höhe der Rücklage, da die diskutierte Grenze der jährlichen Zuführung (25 % der Einnahmen aus der Landwirtschaft) zu keinem Zeitpunkt erreicht wurde. Tabelle 9: Beispiel Ackerbaubetrieb, Einzelunternehmen im Haupterwerb Gewinn Risikoausgleichs- Zu verst. Einkommen 3jähriger rücklage vor nach Mittelwert Bildung Auflösung Bildung der Rücklage /ha 1998/99 186 34.907 1999/00 240 46.173 40.540 40.540 2000/01 193 40.134 40.405 43.154 43.154 2001/02 250 50.123 45.477 5.000 45.129 42.629 2002/03 206 46.573 45.610 1.000 48.348 45.348 2003/04 245 52.732 49.809 3.000 49.653 47.653 2004/05 280 64.822 54.709 10.000 58.777 52.277 2005/06 184 45.014 54.189 9.000 54.918 54.418 2006/07 253 60.085 56.640 3.000 52.550 55.550 2007/08 486 124.320 76.473 48.000 92.203 66.703 2008/09 329 81.922 88.776 7.000 103.121 82.621 Mittelwert 1) 62.858 56.899 60.872 54.483 Standardabweichung 1) 24.759 14.876 20.331 12.230 Variationskoeffizient 1) 39 % 26 % 33 % 22 % 1) 2000/01 bis 2008/09 Die Gewinne des aufgezeigten Modellbetriebes schwanken im Zeitraum von 2000/01 bis 2008/09 zwischen rund 40 Tsd. und 125 Tsd., der Variationskoeffizient beträgt 39 %. Bereits durch die de facto Durchschnittsbildung aus zwei Jahren (vorletzte Spalte) nehmen die Schwankungen ab, der Variationskoeffizient des zu versteuernden Einkommens verringert sich auf bei 33 %. Bildung bzw. Auflösung der Risikoausgleichsrücklage führen nach erneuter Durchschnittsbildung zu einer weiteren Glättung, der Variationskoeffizient sinkt, im Beispiel auf 22 %. Wie die Bildung der Risikoausgleichsrücklage würde auch die, von einigen Autoren favorisierte, Einbeziehung weiterer Wirtschaftsjahre in die Durchschnittsbildung zu einer stärkeren Glättung des zu versteuernden Einkommens beitragen, wie an den 3jährigen Mittelwerten aus den Gewinnen erkennbar ist (Variationskoeffizient: 26 %). Aus wirtschaftlicher Sicht bleibt zu bedenken, dass die Bildung der Rücklage Liquidität bindet, die dann nicht für die betriebliche Entwicklung zur Verfügung steht. So sind insbesondere nach einer Reihe von Jahren mit weniger guten Abschlüssen (Im Beispiel 2001/02) möglicherweise Investitionen aufgelaufen. In die Rücklage eingestellte Mittel würden dann beispielsweise für neue oder Ersatzinvestitionen fehlen. Andererseits erscheint auch die Auflösung der Rücklage nicht immer sinnvoll, insbesondere wenn sich deren scheinbare Notwendigkeit aus der Abfolge eines guten Jahres nach einem Jahr mit sehr gutem Abschluss ergibt, wie im Beispiel 2008/09. Juristische Personen Juristische Personen werden zur Körperschafts- und Gewerbesteuer herangezogen. Ausgangsbasis für die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens einer Kapitalgesellschaft ist der Handelsbilanzgewinn. Der Körperschaftssteuersatz beträgt derzeit unabhängig von der Höhe des Gewinns 15 %, einschließlich des Solidaritätszuschlages 15,825 %. Die Gewerbesteuer ergibt sich aus der Steuermesszahl von 3,5 % und dem Hebesatz der Gemeinden. 12

Die Auswertung der Buchführungsabschlüsse gibt Informationen über die entrichtete Körperschafts-, Kapital- und Gewerbesteuern, in Abbildung 12 und Tabelle 10 jedoch nur als Summe dieser Einkommens- und Ertragssteuern. Abbildung 12 zeigt die Entwicklung des Steueraufkommens im Mittel der juristischen Unternehmen in der Thüringer Landwirtschaft. Trotz auftretender Schwankungen des Jahresüberschusses ist auch hier ein leichter Anstieg des Steueraufkommens erkennbar. Jahresüberschuss und Steuern juristischer Personen ( /ha) 250 200 Jahresüberschuss vor Steuern Steuern vom Einkommen und Ertrag 1) 150 /ha 100 50 0-50 1998/99 1999/00 2000/01 2001/02 2002/03 2003/04 2004/05 2005/06 2006/07 2007/08 2008/09 1) Körperschaftssteuer, Kapital- und Gewerbeertragssteuer Abb. 12 Tabelle 10: Entwicklung ausgewählter Buchführungsdaten ( /ha) juristischer Personen Umsatzerlöse Unternehmensertrag Jahresüberschuss (vor Steuern) Bank/ Kasse 1) Steuern vom Einkommen u. Ertrag 1998/99 1.425 1.993 12 341 8 1999/00 1.432 2.018 7 298 2 2000/01 1.522 2.082 18 314 3 2001/02 1.658 2.278 64 356 7 2002/03 1.562 2.174-17 334 4 2003/04 1.459 2.083-1 305 8 2004/05 1.564 2.215 51 329 11 2005/06 1.585 2.198 2 319 9 2006/07 1.682 2.330 80 375 13 2007/08 1.956 2.667 205 493 26 2008/09 2.003 2.675 146 417 30 1) zum 31.Dezember oder 30.Juni des Jahres Quelle: Buchführungsergebnisse Thüringer Landwirtschaftsbetriebe Zwischen den juristischen Personen variieren die erzielten Jahresüberschüsse erheblich. So betrug im Auswertungszeitraum 2008/09 der mittlere Jahresüberschuss einer juristischen Person 146 /ha, gleichzeitig wies ca. ein Viertel der Betriebe keinen oder einen Jahresfehlbetrag aus. 13

Tabelle 11: Juristische Personen nach Klassen des Jahresüberschusses (2008/09) Jahresüberschuss vor Steuern Betriebe LF JÜ Körperschaftssteuer Kapitalertragssteuer Gewerbesteuer /ha % % /ha /ha /ha /ha < = 0 77 24,3 23,0-91 -1,5 1,0 1,0 > 0 bis < = 50 49 15,4 13,9 25 1,8 1,0 1,9 > 50 bis < = 100 38 12,0 13,6 71 2,0 0,2 3,2 > 100 bis < = 200 56 17,7 16,7 156 4,8 2,0 6,2 > 200 bis < = 500 75 23,6 25,8 316 26,1 2,9 23,3 > 500 22 6,9 7,0 653 116,3 8,2 56,6 gesamt 317 100 100 146 15,8 2,0 12,0 Auch bei juristischen Personen würde die Bildung/Auflösung der Risikoausgleichsrücklage zur Glättung der der Besteuerung zugrunde gelegten Jahresüberschüsse führen. Ein Spareffekt ist aufgrund des konstanten Steuertarifes nicht zu erwarten, nur ein Stundungseffekt der Steuerzahlungen. Durch die Bildung der Rücklage entsteht ein wirtschaftlich vorteilhafter Effekt lediglich durch mögliche Zinserträge aus dem verminderten Abfluss von Liquidität. Aus Tab. 10 und 11 wird ersichtlich, dass dieser wirtschaftliche Effekt nur marginal ausfällt. - Die Körperschafts- und Gewerbesteuer wird für das zurückliegende Kalenderjahr festgesetzt. Die im laufenden Jahr abfließenden Steuern (10. März, 10. Juni, 10. September und 10. Dezember) werden durch Vorauszahlungsbescheide festgelegt. Das vermindert die Wirksamkeit einer Risikoausgleichsrücklage im Bezug auf den Liquiditätsabfluss deutlich. - Um einen wirksamen betrieblichen Risikoausgleichsfonds, der einer restriktiven, gesetzlich festgelegten Verwendung unterliegt, bilden zu können, muss auf vorhandene Liquidität zurückgegriffen werden. Das schränkt die Finanzierung von notwendigen Investitionen ein. - Wird die Rücklage in wirtschaftlich schwachen Jahren aufgelöst, entsteht entweder ein steuerbarer Jahresüberschuss der zur Steuerlast und zum Liquiditätsabfluss führt, oder der Jahresfehlbetrag wird mit der Konsequenz reduziert, dass der Verlustvortrag für das folgende Jahr entsprechend niedriger ausfällt. - Bleibt festzustellen, dass sich aus der gestundeten Steuerlast und den daraus entstehenden potenziellen Zinserträgen ein an der Risikolage angepasster Ausgleichsfonds nicht bilden lässt. Eine für den Landwirtschaftsbetrieb angemessene Liquiditätsreserve kann und sollte auch ohne die gesetzliche Risikoausgleichsrücklage aufgebaut und vorgehalten werden. 3.4.4 Administrative Aspekte Auf mögliche Probleme im Zusammenhang mit der administrativen Umsetzung einer Risikoausgleichsrücklage weisen insbesondere BLANCK und BAHRS (2009) hin. Sie bezweifeln eine sinnvolle Einsetzbarkeit einer Rücklage (analog zum Forstschäden-Ausgleichsgesetz) wenn Steuergerechtigkeit und administrative Umsetzbarkeit beachtet werden sollen. 14

Tabelle 12: Administrative Aspekte einer Risikoausgleichsrücklage Problemfeld Fragestellung Begrenzung der Rücklage absolute Höchstgrenze Begrenzung der jährlichen Zuführung Abgrenzung der Berechtigten unterschiedliche Einkommensarten Rechtsformen/Gewinnbegriffe/Gewinnermittlung unterschiedliche nicht buchführungspflichtige Betriebe Verwendung der Rücklage Festlegung der steuerunschädlichen Auflösung Objektivität der Beurteilung regionaler/einzelbetrieblicher Schadensereignisse Sanktionen bei schädlicher Auflösung Separationskonto Kontoführung und Kontokontrolle Verwendung/Zugriff betrieblicher Liquidität Quelle: Bahrs u. a. 2009 Zwischenfazit Die Bildung der Risikoausgleichsrücklage führt im Mittel der Jahre zu einer Verminderung des Steueraufkommens der Landwirtschaftsbetriebe, die als Einzelunternehmen der progressiven Einkommensbesteuerung unterliegen, ist demzufolge nicht haushaltsneutral und stellt de facto eine Subvention dar. In Landwirtschaftsbetrieben in der Rechtsform juristischer Personen tritt dieser Effekt, aufgrund konstanter Tarife für die Körperschafts- und Gewerbesteuer, nicht auf. Hier führt die Bildung einer Risikoausgleichsrücklage lediglich zu einer zeitlichen Verschiebung und Glättung der Steuerzahlungen. Ein marginaler wirtschaftlicher Effekt entsteht nur bei Bildung der Rücklage durch potenzielle Zinserträge. Des Weiteren wären an die Bildung der Rücklage bestimmte Anforderungen bezüglich der absoluten Höhe wie auch die der jährlichen Zuführung sowie der Sicherung und des Einsatzes zu stellen. Angesicht der in den Thüringer Landwirtschaftsbetrieben anfallenden Einkommens- und Ertragssteuern wird sich der wirtschaftliche Effekt der Rücklage (gesparte Steuern, zusätzlicher Zinsertrag) in Grenzen halten. Der Aufbau der Rücklage bindet Liquidität, deren Einsatz außerhalb der für sie festgelegten Verwendung nicht möglich ist. Insbesondere wenn die Rücklage bis zu einer vorgesehenen Höhe in einem kurzen Zeitraum gebildet wird, würden potenzielle Investitionen deutlich eingeschränkt. Erfolgt die Bildung der Rücklage hingegen über einen längeren Zeitraum, steht sie u. U. im frühen Risikofall noch nicht in wirksamer Höhe zur Verfügung. Die Wirksamkeit der Risikoausgleichsrücklage wird im konkreten Risikofall durch die Höhe der, bis zu diesem Zeitpunkt gebildeten und somit zur Verfügung stehenden, Rücklage bestimmt. Welche Höhe letztendlich notwendig ist, hängt von den Schwankungen der Umsatzerlöse und des Unternehmensertrages ab, die auf einzelnen Standorten und Betriebsformen unterschiedlich ausfallen dürften. Aus der gestundeten Steuerlast und den daraus entstehenden potenziellen Zinserträgen lässt sich ein an der Risikolage angepasster Ausgleichsfonds ohnehin nicht bilden. Eine für den Landwirtschaftsbetrieb angemessene Liquiditätsreserve kann und sollte auch ohne die gesetzliche Risikoausgleichsrücklage aufgebaut und vorgehalten werden. 15

3.5 Weitere empirische Untersuchungen Streuung der Erzeugerpreise Anhand der Monatswerte der Erzeugerpreise wichtiger landwirtschaftlicher Produkte einer 9- jährigen Zeitreihe von 2000 bis 2008 wurde die Streuung für jeweils drei 3-Jahreszeiträume ermittelt. Tabelle 13: Schwankung der Erzeugerpreise landwirtschaftlicher Produkte in Thüringen 2) Produkt ME Mittlere Abweichung der Monatswerte der Erzeugerpreise vom Mittelwert des Zeitraumes 2000-2002 2003-2005 2005-2008 Brotweizen % 5,0 14,6 26,9 EUR/dt 0,60 1,70 4,70 Rindfleisch % 10,3 1) 4,3 4,8 EUR/dt 0,25 0,10 0,14 Milch % 4,8 2,5 14,9 Cent/kg 1,5 0,7 4,8 Mastschweine % 10,4 8,1 8,4 EUR/kg SG 0,15 0,11 0,12 Ferkel % 9,2 15,0 12,9 EUR/kg LG 0,17 0,31 0,25 1) BSE-Krise 2) Mittelwert für Thüringen Dabei zeigt sich, dass - bei einzelnen Produkten unterschiedliche Streuungen der Erzeugerpreise auftraten - bei Getreide und Milch in den letzten Jahren deutlich höhere Preisschwankungen eingetreten sind - die Streuung der Erzeugerpreise bei Schweinen tatsächlich seit langem vorhanden ist, sich mit 8 bis 10 % allerdings in einer Größenordnung befindet, die betriebswirtschaftlich beherrscht werden kann. b) Streuung einzelbetrieblicher Daten Anhand 10-jähriger Zeitreihen ausgewählter Landwirtschaftsbetriebe, die den Betriebsformen Ackerbau und Futterbau zugeordnet werden konnten, wurde die Streuung von Erträgen, Erzeugerpreise sowie Umsatz- und Ertragsdaten geprüft. Der Analyse lag die These zu Grunde, dass durch die Kombination von Ertrag, Erzeugerpreis, Direktzahlungen und verschiedener Produktionsverfahren die Streuung von Unternehmensertrag und Unternehmensaufwand, die maßgeblich die wirtschaftliche Stabilität von Landwirtschaftsbetrieben bestimmen, vermindert werden kann. Tabelle 14: Streuung von einzelbetrieblichen Daten im Verlaufe von 10 Jahren ME Ackerbaubetriebe Futterbaubetriebe Getreideertrag dt/ha s % 11 12 Getreideerlös EUR/dt s % 26 23 Milcherlös Cent/kg s % - 10 Umsatz Pflanze EUR/ha s % 21 31 Umsatz Tier EUR/ha s % - 14 Umsatz gesamt EUR/ha s % 20 12 Unternehmensertrag EUR/ha s % 14 11 Unternehmensaufwand EUR/ha s % 10 8 Die empirischen Untersuchungen anhand von Buchführungsdaten bestätigen diese These. Die Umsatzerlöse schwanken weniger als die Erträge und Erzeugerpreise. Die den Landwirtschaftsbetrieben zufließenden Direktzahlungen entfalten einen stabilisierenden Effekt, indem 16

die Schwankung der Unternehmenserträge deutlich reduziert wird. Das trifft in besonderem Maße für Ackerbaubetriebe zu. Zwischenfazit In mehrzweigig organisierten Futterbaubetrieben sind die Schwankungen der Umsätze deutlich geringer als in Ackerbaubetrieben. Eine vielfältige Produktionsstruktur, die Diversifizierung der Produktion und die Erschließung neuer Geschäftsfelder tragen maßgeblich zur Risikostreuung in Landwirtschaftsbetrieben bei. 6 Zusammenfassende Bewertung Landwirtschaftliche Betriebe sind seit jeher vielfältigen Risiken ausgesetzt, von denen jedoch nur ausgewählte, d. h. wenige existenzbedrohend sind. Vor allem Betriebe mit vielseitiger Produktionsstruktur und mehreren Geschäftsfeldern haben ein internes Ausgleichspotenzial. Zudem steht auf einzelbetrieblicher Ebene ein umfassendes Instrumentarium zum Risikomanagement zur Verfügung. Dazu gehören: - vielfältige Produktionsstruktur - neue Geschäftsfelder - professionelle Bewirtschaftung und Vermarktung - gute Ausbildung der Beschäftigten - Liquiditätsreserven - Nutzung von Versicherungen (betriebskonkret) - ständige Marktbeobachtung/ profunde Marktkenntnis Allgemein wird erwartet, dass das wirtschaftlich relevante Risikopotenzial in den nächsten Jahren zunimmt (Klimawandel, volatile Märkte, Spezialisierung u. a.). Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die zukünftige Risikolage einzuschätzen und das Instrumentarium zum Risikomanagement anzupassen und weiterzuentwickeln. Staatliche Regelarien und Instrumente sind auch in Zukunft erforderlich und sollten in entsprechender Form sowie mit ausreichender Wirksamkeit zur Verfügung stehen. Das betrifft u. a. wirksame Instrumente der Marktsteuerung, Direktzahlungen und Ad hoc-hilfen. Die den Landwirtschaftsbetrieben zufließenden Direktzahlungen entfalten einen stabilisierenden Effekt, indem die Schwankung der Unternehmenserträge deutlich reduziert wird. Die bisher in Thüringen beobachteten Ertragsschwankungen lassen erwarten, dass eine staatliche, auf Artikel 70 der EU-VO 73/2009 basierende, Stützung von Ernte-/ Pflanzenversicherungen kaum wirksam wird. Daher ist sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Thüringen nicht erforderlich, zumal die Finanzierung der staatlichen Beihilfen nach Artikel 69 der EU-VO 73/2009 aus zusätzlichen Kürzungen der Direktzahlungen erfolgen muss. Die Risikoausgleichszulage führt im Mittel der Jahre zu einer Verminderung des Steueraufkommens der Landwirtschaftsbetriebe, die als natürliche Personen der progressiven Einkommensbesteuerung unterliegen. Zugleich ergeben sich potenzielle Zinserträge. Von letzteren profitieren auch Landwirtschaftsbetriebe in der Rechtsform juristischer Personen, nicht aber vom Steuerspareffekt. Die Bildung einer Risikoausgleichsrücklage führt bei juristischen Personen zu einer Glättung der der Besteuerung zugrunde gelegten Jahresüberschüsse und damit zu einem Stundungseffekt der Steuerzahlungen. Angesicht der in Thüringer Landwirtschaftsbetrieben derzeit anfallenden Steuern vom Einkommen und Ertrag wird sich dieser potenzielle wirtschaftliche Effekt (gesparte Steuern, Zinsertrag) in Grenzen halten. Die Wirksamkeit der Rücklage wird stark von den konkreten betrieblichen Bedingungen (Höhe der Rücklage, notwendige Zeit zur Bildung) beeinflusst. Die Einführung setzt zudem die Beachtung administrativer Aspekte (absolute Höhe, jährliche Zuführung, Verwendungszweck, Sicherung) voraus und ist im Sinne der Steuergerechtigkeit nicht unproblematisch. 17

Um einen wirksamen betrieblichen Risikoausgleichsfonds, der einer restriktiven, gesetzlich festgelegten Verwendung unterliegt, bilden zu können, muss auf vorhandene Liquidität zurückgegriffen werden. Das schränkt die Finanzierung von notwendigen Investitionen ein. Aus den gesparten Steuern (Haupterwerb, PG) und den potenziellen Zinserträgen aus gestundeten Steuern (Jur. Personen) lässt sich ein an der Risikolage angepasster Ausgleichsfonds nicht bilden. Eine für den Landwirtschaftsbetrieb angemessene Liquiditätsreserve kann und sollte auch ohne die gesetzliche Risikoausgleichsrücklage aufgebaut und vorgehalten werden. Untersuchungen zeigten, dass in mehrzweigig organisierten Betrieben die Schwankungen der Umsätze niedriger ausfallen als in den stärker spezialisierten. Eine vielfältige Produktionsstruktur, die Diversifizierung der Produktion und die Erschließung neuer Geschäftsfelder tragen maßgeblich zur Risikostreuung in Landwirtschaftsbetrieben bei. Literatur N. Blanck und E. Bahrs (2009): Die Risikoausgleichsrücklage als Instrument des landwirtschaftlichen Risikomanagements, Agrarwirtschaft 58 (2009), Heft 4, DBV (2009): Spare in der Zeit, dann hast du in der Not! dbv-depesche, Jahrgang 2009, August Engel, G. (2008): Steuerliche Überlegungen zum Risikomanagement in der LuF. Diskussionsbeitrag zur Sitzung des Thüringer Bauernverbandes am 1.April 2008, Erfurt Hemmerling, U. (2009): Risikoausgleichsrücklage Eigenvorsorge der Landwirte für Wetter- und Markt risiken stärken; Perspektivforum des Deutschen Bauernverbandes; Vortrag, Risikoausgleichs rücklage- Überblick über vergleichbare Instrumente in anderen Ländern, Berlin 8.September.2009 L. Laschewski und H.-J. Pessier (2008): Risikorechnung in landwirtschaftlichen Großbetrieben in den Neuen Bundesländern. In: Risikomanagement in der Landwirtschaft, Rentenbank, Schriftenreihe 2008, Bd. 28 Mußhoff, O. und Weber, R. (2009): Risikoausgleichsrücklage Eigenvorsorge der Landwirte für Wetterund Marktrisiken stärken; Perspektivforum des Deutschen Bauernverbandes; Vortrag, Modell rechnungen zur Wirkung einer Risikoausgleichsrücklage, Berlin 8.September.2009 Ch. Schaper u. a. (2008): Risikomanagement in Milchviehbetrieben: Eine empirische Analyse vor dem Hintergrund der sich ändernden EU-Milchmarktpolitik 18