HAFTUNGSRISIKEN DES GESCHÄFTSFÜHRERS EINER GMBH IN DER KRISE



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Transkript:

HAFTUNGSRISIKEN DES GESCHÄFTSFÜHRERS EINER GMBH IN DER KRISE I. Haftung gegenüber der Gesellschaft 1. Haftung gem. 43 GmbHG Gemäß 43 GmbH-Gesetz haben die Geschäftsführer in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Schaden. Insbesondere sind sie zum Ersatz verpflichtet, wenn den Bestimmungen des 30 GmbHG zuwider Zahlungen aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft gemacht oder den Bestimmungen des 33 GmbHG zuwider eigene Geschäftsanteile der Gesellschaft erworben worden sind. Aus 43 GmbHG kann sicht für den Geschäftsführer in der Krise der Gesellschaft ein Haftungsrisiko ergeben, wenn er eine Sanierung der Gesellschaft unterlassen oder verspätet eingeleitet hat. Denn der Geschäftsführer hat nicht nur die Tagesgeschäfte zu führen, sondern auch die GmbH unternehmerisch zu leiten, also wirtschaftliche Schwierigkeiten frühzeitig zu erkennen und Möglichkeiten der Reaktion je nach dem Grade des Problems inkl. einer umfassenden betrieblichen und finanziellen Sanierung zu bedenken und einzuleiten. Geschieht das nicht oder nicht rechtzeitig, so verletzt der Geschäftsführer seine regulären Pflichten aus 43 GmbHG, so dass er der Gesellschaft gegenüber ggf. zum Schadenersatz verpflichtet ist. In der Insolvenz gehört dieser Anspruch zur Masse und wird vom Insolvenzverwalter geltend gemacht. 2. Haftung bei Masseschmälerung ( 64 Abs. 2 GmbHG) Gemäß 64 Abs. 2 GmbHG sind die Geschäftsführer einer GmbH der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden. Das Gesetz statuiert damit zunächst einmal die Pflicht des Geschäftsführers, das Vermögen der GmbH in der Zeit zwischen Eintritt der Insolvenz und dem Verlust der Verfügungsbefugnis durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. bis zur Überwindung der Krise nicht zu schmälern. Ziel der Norm ist die Erhaltung des noch vorhandenen Vermögens der GmbH für die Gläubiger zum Zwecke der ordnungsgemäßen Verteilung im Insolvenzverfahren. 64 Abs. 2 GmbHG verbietet daher nicht nur Zahlungen (hierzu zählt auch der unterlassene Widerruf einer Lastschrift), sondern auch die Begründung von neuen Verbindlichkeiten oder die Lieferung von Waren. Zu den schädlichen Zahlungen können auch Steuerzahlungen gehören. Nach Ansicht des Finanzgerichts Baden- Württemberg geht 64 Abs. GmbHG insoweit den Vorschriften der 69, 34 AO vor. Dem gegenüber ist der BFH der Ansicht, dass der Geschäftsführer 34 AO trotz 64 Abs. 2 GmbHG beachten müsse. Weiter setzt eine Haftung des Geschäftsführers voraus, dass er schuldhaft, mindestens fahrlässig gehandelt hat. Dieses Verschulden wird jedoch vermutet ( 64 Abs. 2 i.v.m. 43 Abs. 3 GmbHG, 93 Abs. 2 AktG).

Trotz Vorliegen des objektiven Haftungstatbestandes führen vorgenannte Zahlungen nicht zu einer Haftung des Geschäftsführers, wenn sie mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar waren. Dazu gehören Zahlungen, die erforderlich sind, um den unmittelbaren Zusammenbruch des Unternehmens in der 3-Wochen-Frist zu verhindern (Mietzahlungen, Lohnzahlungen etc.). Hierher gehören weiter Zahlungen an absonderungsberechtigte Gläubiger bis zur Höhe des Wertes des Sicherungsgutes. Schließlich sind hierher Zahlungen zu rechnen, denen eine vollwertige Gegenleistung gegenübersteht (Wareneinkäufe Zug um Zug). Für den Fall, dass die Haftungsvoraussetzungen vorliegen, hat der Geschäftsführer den geflossenen Betrag, gemindert um den in die Masse geflossenen und dort erhaltenen Gegenwert, zu ersetzen. Der Anspruch wird vom Insolvenzverwalter geltend gemacht. 3. Weitere Haftungstatbestände Weitere Haftungstatbestände finden sich in 9 a) GmbHG (Haftung für falsche Angaben bei der Gründung) und in 57 Abs. 4 GmbHG (Angaben im Rahmen der Kapitalerhöhung). Neben die Haftung aus dem GmbHG tritt ggf. die Haftung aus unerlaubter Handlung. Der Geschäftsführer haftet insbesondere für Untreuehandlungen nach 23 Abs. 2 BGB i.v.m. 266 StGB und für sittenwidrige Schädigungen nach 826 BGB. Schutzgesetz im Sinne des 823 Abs. 2 BGB sind auch 82 Nr. 1 und 84 GmbHG (siehe hierzu unten), so dass eine deliktische Haftung bei falschen Angaben und bei Unterlassen des rechtzeitigen Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintreten kann. II. Haftung gegenüber den Gesellschaftern Der Geschäftsführer haftet den Gesellschaftern regelmäßig nicht unmittelbar. Bei den Organpflichten handelt es sich nicht um Pflichten, die dem Schutz der Gesellschafter dienen. 43 GmbHG ist deshalb kein Schutzgesetz im Sinne des 823 Abs. 2 BGB. In Betracht kommt jedoch eine Haftung, wenn schuldrechtliche Sonderbeziehungen zwischen dem Geschäftsführer und dem Gesellschafter bestehen. Dies kann vor allem dann der Fall sein, wenn der Geschäftsführer zugleich Gesellschafter ist. In diesem Fall ergibt sich die schuldrechtliche Sonderbeziehung aus der Treuepflicht, die zwischen den Gesellschaftern besteht. Ein Sonderfall ist im GmbHG geregelt. Nach 31 Abs. 6 GmbHG haftet der Geschäftsführer, der schuldhaft entgegen 30 GmbHG Stammkapital zur Ausschüttung gebracht hat, den Gesellschaftern, wenn nach einer verbotenen Kapitalrückzahlung einer der Gesellschafter den Betrag nicht an die Gesellschaft erstatten kann. Zwar haften die übrigen Gesellschafter der Gesellschaft solidarisch, es steht ihnen jedoch der Regressanspruch gegen den Geschäftsführer direkt zu. Schadenersatzpflichten des Geschäftsführers können sich ferner immer aus deliktischem Verhalten des Geschäftsführers ergeben ( 823 Abs. 2 BGB i.v.m. 266 StGB, 84 GmbHG).

III. Haftung gegenüber Dritten 1. Insolvenzverschleppung ( 64 Abs. 1 GmbHG i.v. m. 823 Abs. 2 BGB) a) Pflichtverletzung Gemäß 64 Abs. 1 GmbHG haben die Geschäftsführer bei Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber 3 Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Dies gilt sinngemäß, wenn sich eine Überschuldung der Gesellschaft ergibt. Hiernach handelt der Geschäftsführer pflichtwidrig und verletzt damit das Schutzgesetz, wenn er objektiv die 3-Wochen-Frist überschreitet oder sie ohne Chance für eine Sanierung voll ausschöpft. Diese Haftung stellt für den Geschäftsführer in doppelter Hinsicht ein erhebliches Risiko dar. Stellt er den Insolvenzantrag zu früh, so haftet er der Gesellschaft gegenüber nach 43 Abs. 2 (s. o. I, 1), stellt er den Insolvenzantrag zu spät, so macht er sich nach 64 Abs. 1 GmbHG i.v.m. 823 Abs. 2 BGB schadenersatzpflichtig. Die Pflichtverletzung (Verspätung) wird objektiv bestimmt. Es kommt allein darauf an, ob die Gesellschaft zahlungsunfähig bzw. überschuldet war, nicht dagegen, ob der Geschäftsführer dies tatsächlich erkannte. Das Nichterkennen dieses Zustandes befreit von der Haftung nur, wenn der Geschäftsführer sorgfältig gehandelt hat und das seinerseits auch nachweist. Dies setzt aber z. B. auch bei einem technischen Geschäftsführer regelmäßige Erkundigungen oder die Veranlassung regelmäßiger Finanzberichte voraus. Bei einem kaufmännischen Geschäftsführer erfordert dies, bereits beim ersten Anzeichen einer Krise die regelmäßige Erstellung von mindestens Liquiditäts- und Vermögensübersichten oder Bilanzen, um nicht plötzlich der Zahlungsunfähigkeit oder einer verspätet erkannten Überschuldung ausgesetzt zu sein. In der Krise muss der Geschäftsführer sich daher von seinen Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern oder Rechtsanwälten intensiv beraten lassen, um einer persönlichen Haftung zu entgehen, um mithin ein schuldhaftes Zögern widerlegen zu können. So lange er danach noch objektiv an Sanierungschancen glauben durfte, ist der subjektive Tatbestand für eine Haftung nicht gegeben. b) Haftungsmaßstab Gegenüber Altgläubigern, also solchen Gläubigern, die ihre Forderung bereits vor der Insolvenzreife der GmbH erworben haben, hat der Geschäftsführer den Quotenschaden zu ersetzen, also den Schaden, den die Altgläubiger dadurch erlitten haben, dass sich die zu ihrer Befriedigung zur Verfügung stehende Insolvenzmasse zwischen dem Eintritt des Insolvenzgrundes und der Antragspflicht sowie der tatsächlichen Verfahrenseröffnung verringert hat. Der Ersatzanspruch der Altgläubiger ist während der Dauer des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzverwalter geltend zu machen. Erwerben Gläubiger ihre Forderung hingegen erst zu einem Zeitpunkt, zu dem ein Insolvenzgrund bereits vorgelegen hat und die gesetzliche Antragspflicht des Geschäftsführers eingetreten war, so handelt es sich um sog. Neugläubiger. Nach der Rechtsprechung des BGH hat der Geschäftsführer den Neugläubigern den vollen, nicht durch den Quotenschaden begrenzten Schaden zu ersetzen, der ihnen dadurch entsteht, dass sie in Rechtsbeziehung zu einer überschuldeten oder zahlungsunfähigen GmbH

getreten sind. Der BGH begründet dies damit, dass es bei der Pflicht zur rechtzeitigen Stellung des Insolvenzantrages auch darum geht, insolvente Gesellschaften mit einem beschränkten Haftungsfonds von weiterem Geschäftsverkehr fernzuhalten und dadurch potentielle Gläubiger vor Schaden zu bewahren. Die Schadenersatzansprüche der Neugläubiger fallen nicht in die Insolvenzmasse und können daher nicht vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Der Geschäftsführer muss also damit rechnen, dass auch während eines Insolvenzverfahrens von einzelnen Gläubigern persönlich in Anspruch genommen werden kann. Gemäß 26 Abs. 3 InsO hat derjenige Geschäftsführer, der schuldhaft pflichtwidrig keinen rechtzeitigen Insolvenzantrag gestellt hat, einen Massekostenvorschuss zurückzuerstatten, der in einem masselosen GmbH-Insolvenzverfahren geleistet worden ist. c) Straftat gem. 84 GmbHG Die Insolvenzverschleppung stellt zugleich eine Straftat gem. 84 GmbHG dar. Hiernach wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer es - als Geschäftsführer unterlässt, den Gesellschaftern einen Verlust in Höhe der Hälfte des Stammkapitals anzuzeigen oder - als Geschäftsführer entgegen 64 GmbHG unterlässt, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. 2. Verletzung steuerlicher Pflichten a) Grundsatz der anteiligen Befriedigung Der Geschäftsführer muss als Organ der Gesellschaft gem. 34 AO die steuerlichen Pflichten der Gesellschaft erfüllen und haftet gem. 69 AO, wenn er dieser Verpflichtung vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachkommt. Nach der Rechtsprechung des BFH ist der Geschäftsführer hinsichtlich der fälligen und bereits entstandenen Steuerschulden der Körperschaft-, Umsatz-, pauschalierten Lohn- und Gewerbesteuer an den Grundsatz der anteiligen Befriedigung gebunden. Dies bedeutet, dass der Geschäftsführer den Fiskus gleichmäßig neben den anderen Gläubigern der Gesellschaft befriedigen muss (Beispiel: Verbindlichkeiten der Gesellschaft insgesamt 1 Mio., hiervon gegenüber dem Finanzamt 100.000,00, Vermögensmasse insgesamt 10.000,00 : sonach ist die Gesellschaft insgesamt zu einer Befriedigung ihrer Verbindlichkeiten in Höhe von 10 % in der Lage. Aufgrund des Grundsatzes der anteiligen Befriedigung hat sie demnach auch 10 % der Forderung des Finanzamtes zu erfüllen). Der BFH führt aus, dass der Geschäftsführer zwar nicht zur Bevorzugung des Fiskus verpflichtet ist. Andererseits dürfe der Geschäftsführer jedoch in der Krise der Gesellschaft nicht einzelne Gläubiger mit der Folge bevorzugen, dass der Fiskus in der Insolvenz der Gesellschaft leer ausgeht.

b) Lohnsteuer Besonderheiten sind im Kontext der Nichtabführung einbehaltener Lohnsteuer zu beachten. Hierbei ist darauf zu achten, dass der Geschäftsführer bei unzureichender Liquidität zur vollen Auszahlung der fälligen Löhne mitsamt der darauf entfallenden Lohnsteuer die Lohnzahlungen entsprechend kürzen muss, so dass die jeweils anfallende Lohnsteuer in voller Höhe an das Finanzamt transferiert werden kann. Andernfalls haftet der Geschäftsführer in Höhe der nicht abgeführten Lohnsteuer in voller Höhe. Der Geschäftsführer wird daher nicht entschuldet, wenn er aus sozialen Gründen zunächst nur die Löhne ausbezahlt, ohne die darauf entfallende Lohnsteuer abzuführen. Der Geschäftsführer wird auch nicht von seiner Haftung befreit, wenn er einen Stundungsantrag stellt, da er ohne vorherige Zusage nicht mit dessen Erfolg rechnen darf. 3. Ansprüche der Sozialversicherung a) Arbeitgeberanteil Dem Geschäftsführer obliegen keine Amtspflichten gegenüber dem Sozialversicherungsträger zur Abführung des Arbeitgeberanteils. Die Vorenthaltung kann jedoch u.u. eine Ordnungswidrigkeit darstellen. b) Arbeitnehmeranteil ba) Grundsatz des Tilgungsvorrangs Anders ist dies hinsichtlich des Arbeitnehmeranteils. Verstößt der Arbeitgeber gegen seine Pflicht aus 28 e SGB IV, die Gesamtsozialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer an den Sozialversicherungsträger abzuführen, so verletzt er nach der Rechtsprechung des BGH ein Schutzgesetz im Sinne von 823 Abs. 3 BGB mit der Folge, dass er zum Schadenersatz verpflichtet ist. In diesem Zusammenhang ist der Grundsatz des Tilgungsvorrangs, den der BGH in ständiger Rechtsprechung aufgestellt hat, zu beachten. Hiernach hat der Arbeitgeber die vorhandenen Mittel vorrangig zur Abführung der Arbeitnehmerbeiträge der zuständigen Einzugsstelle zur Verfügung zu stellen. Andernfalls haftet er für die nicht abgeführten Beiträge persönlich. Dieser Grundsatz geht sonach über den Grundsatz der anteiligen Befriedigung, der für die Abführung der Steuern gilt (s. o. 2.) noch hinaus. Weiter ist zu beachten, dass Zahlungen der Gesellschaft auf geschuldete Gesamtversicherungsbeiträge je zur Hälfte auf die Arbeitnehmer- und die Arbeitgeberanteile angerechnet werden. Durch Zahlung lediglich des den Arbeitnehmeranteilen entsprechenden Betrages an den Sozialversicherungsträger wird die Schadenersatzpflicht des Geschäftsführers somit nicht ausgeräumt, da dieser Betrag dem Arbeitnehmer nur zur Hälfte zugerechnet wird. bb) Straftat gemäß 266 a StGB Darüber hinaus ist das Vorenthalten der Beiträge der Arbeitnehmer zur Sozialversicherung durch den Arbeitgeber eine Straftat, die gem. 266 a StGB mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird. Im Falle der Verurteilung trifft die strafrechtliche Verantwortlichkeit den Geschäftsführer. Auch diesbezüglich gilt der Grundsatz des Tilgungsvorrangs (s.o.).

Gemäß 266 a) Abs. 5 StGB kann das Gericht von einer Bestrafung absehen, wenn der Arbeitgeber spätestens zum Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach der Einzugsstelle schriftlich die Höhe der vorenthaltenen Beiträge mitteilt und darlegt, warum fristgemäße Zahlung nicht möglich ist, obwohl er sich darum ernsthaft bemüht hat. Liegen diese Voraussetzungen vor und werden die Beiträge dann nachträglich innerhalb der von der Einzugsstelle bestimmten angemessenen Frist entrichtet, bleibt der Täter insoweit straffrei. Darüber hinaus kann das Vorenthalten der Sozialversicherungsbeiträge einen Betrug gemäß 263 StGB darstellen. IV. Insolvenzstraftaten Neben den bereits aufgeführten Vergehen sind noch weitere Straftaten im Zusammenhang mit der Krise der Gesellschaft denkbar. 1. Bankrott 283 StGB Der Tatbestand des Bankrotts liegt u.a. vor, wenn der Geschäftsführer bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit Bestandteile des Vermögens, die im Fall der Insolvenzeröffnung zur Insolvenzmasse gehören, beiseite schafft oder verheimlicht oder in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise zerstört, beschädigt oder unbrauchbar macht. Er erfüllt den Straftatbestand ebenfalls, wenn er Handelsbücher nicht führt oder so führt oder verändert, dass die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird. Strafbar sind u.a. übermäßige Privatentnahmen in der Krise, Schleuderverkäufe kreditierter Waren oder die Vernachlässigung und Manipulation der Buchführung. Ebenso macht sich strafbar, wer in der Krise in einer anderen, den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft grob widersprechenden Weise seinen Vermögensstand verringert oder seine wirklichen geschäftlichen Verhältnisse verheimlicht oder verschleiert. Die Tat ist jedoch nur strafbar, wenn das Insolvenzverfahren eröffnet wird, die Eröffnung des Verfahrens mangels Masse abgewiesen wird oder die GmbH die Zahlungen einstellt. 2. Weitere Straftaten Weiter sind in diesem Zusammenhang die Straftaten der Verletzung der Buchführungspflicht ( 283 b) StGB), der Gläubigerbegünstigung ( 283 c) StGB) sowie der Schuldnerbegünstigung ( 283 d) StGB) zu bedenken. Handelt der Geschäftsführer ausschließlich eigennützig und nicht in seiner Geschäftsführereigenschaft für die GmbH, so können die Straftatbestände der Unterschlagung gem. 246 StGB oder der Untreue gem. 266 StGB zum Nachteil der Gesellschaft vorliegen. Eine Unterschlagung wurde von der Rechtsprechung im Falle überhöhter Privatentnahmen eines Geschäftsführers sowie bei einer Handlung im Interesse eines Gläubigerpools bzw. eines interessierten Unternehmenserwerbers angenommen, der bereits eine Auffanggesellschaft gegründet hatte. gez. RA Uwe Werner