Bildung und Meisterbrief: Fakten und Entwicklung Prof. Dr. Kilian Bizer, ifh Göttingen Master vs. Meister Wen braucht die Wirtschaft der Zukunft? Leipziger Messe / HWK Leipzig, 15.02.2014 Das ifh Göttingen als Forschungsstelle des Deutschen Handwerksinstituts e.v. wird gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie auf Grund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages sowie von den Wirtschaftsministerien der Bundesländer und vom Deutschen Handwerkskammertag.
Gliederung 1 2 Vorbemerkungen Bildung im Wandel: 4 Fakten 3 Arbeitsmarktpolitische Bewertung 4 Fazit 2
2 Bildung im Wandel Fakten und Entwicklung Fakt 1: Trend zu höheren Bildungsabschlüssen 1992-2012: Absolventen mit Fach-/Hochschulreife steigen von 190 Tsd. auf 320 Tsd. Relative Bedeutung der Hauptschule im Bildungssystem sank deutlich. Quelle: Statistisches Bundesamt, KMK, ZDH, Bildungsbericht 2012 3
2 Bildung im Wandel Trend zu höheren Bildungsabschlüssen Absolventen und Abgänger allgemeinbildender Schulen 1992-2012 450.000 400.000 350.000 300.000 250.000 mit Realschulabschl. mit FH/Hochschulreife 200.000 150.000 100.000 50.000-1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 mit Hauptschulabschluss ohne Hauptschulabschluss Quelle: Statistisches Bundesamt 4
2 Bildung im Wandel Fakten und Entwicklung Fakt 1: Trend zu höheren Bildungsabschlüssen 1992-2012: Absolventen mit Fach-/Hochschulreife steigen von 190 Tsd. auf 320 Tsd. Relative Bedeutung der Hauptschule im Bildungssystem sinkt deutlich. Fakt 2: Überproportionale Betroffenheit von Hauptschule und Handwerk Schulabgänger nehmen bis 2025 um knapp 150 Tsd. (17%) ab. Um 53 Tsd. bzw. 32% sinkt die Zahl der Absolventen mit Hauptschulabschluss. Dies trifft das Handwerk, da Hauptschüler etwa 50% der Auszubildenden ausmachen. Quelle: Statistisches Bundesamt, KMK, ZDH, Bildungsbericht 2012 5
2 Bildung im Wandel Überproportionale Betroffenheit der Hauptschule Absolventen und Abgänger allgemeinbildender Schulen - Projektion bis 2025 450.000 400.000 350.000 300.000 250.000 200.000 150.000 100.000 50.000-1992 1996 2000 2004 2008 2012 2016 2020 2024 mit Realschulabschluss mit FH-/Hochschulreife mit Hauptschulabschluss ohne Hauptschulabschluss Quellen: Statistisches Bundesamt, KMK (Projektion) 6
2 Bildung im Wandel Fakten und Entwicklung Fakt 3: Zugänge in duales System sinken zugunsten der Hochschulen Zahl der Studienanfänger ist von 1992 bis 2012 um 204 Tsd. bzw. 70% gewachsen Zahl der Neuabschlüsse im dualen System ist im gleichen Zeitraum um 35 Tsd. bzw. 6% gefallen Quelle: Statistisches Bundesamt, KMK, ZDH, Bildungsbericht 2012 7
2 Bildung im Wandel Zugänge im dualen System sinken, Hochschulbereich wächst Neu abgeschlossene Verträge im dualen System und Studienanfänger 1991-2012 700.000 600.000 500.000 Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge Studienanfänger 400.000 300.000 200.000 100.000 0 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 Quelle: Statistisches Bundesamt 8
2 Bildung im Wandel Zahl der Fortbildungsprüfungen sinkt Bestandene Meisterprüfungen im Handwerk 1980-2012 50.000 45.000 40.000 Neue Bundesländer Alte Bundesländer 35.000 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000-1980 1983 1986 1989 1992 1995 1998 2001 2004 2007 2010 Quelle: ZDH 9
2 Bildung im Wandel Vielfalt in der Bildungslandschaft Fakt 4: Wandel der institutionellen Rahmenbedingungen Verkürzung der Studienzeit durch Bachelor-Abschlüsse: Schneller zum berufsqualifizierenden Abschluss als mit dualer Ausbildung Duale Studiengänge ermöglichen, Vorteile von Hochschulstudium mit betriebsnaher Ausbildung zu verbinden. Die Zulassung von beruflich Qualifizierten zum Studium Folgen Grenzen zwischen alternativen Bildungswegen zunehmend unscharf Flexibilität steigt höhere Anforderungen an individuelle Erwerbsplanung 10
Gliederung 1 2 Einleitung Bildung im Wandel: 4 Fakten 3 Arbeitsmarktpolitische Bewertung 4 Fazit 11
3 Mehr ist besser Arbeitsmarkt nimmt das wachsende Angebot an höherer Qualifikation auf: Nachfrage nach Fachkräften mit Hochschulabschluss wächst Grund: Wachsende Anforderungen auch innerhalb der Berufe (Bsp. Gesundheitsberufe), qualifikationsverzerrter technologischer Wandel Argumente: Arbeitslosigkeitsrisiko für Akademiker weiterhin gering und stets unter der Quote für beruflich Qualifizierte Die Zahl der erwerbstätigen Akademiker wächst rasant Die Bildungsrenditen sinken nicht im Zeitablauf 12
3 Arbeitsmarktpolitische Bewertung Qualifikation schützt vor Arbeitslosigkeit Neu abgeschlossene Verträge im dualen System, bestandene Meisterprüfungen und Studienanfänger 1991-2012 13
3 Arbeitsmarktpolitische Bewertung Die Zahl der erwerbstätigen Akademiker steigt 14
3 Arbeitsmarktpolitische Bewertung Durchschnittl. Lebensverdienste nach höchstem Bildungsabschluss Ohne Berufsausbildung Berufsausbildung Abitur Fachhochschulabschluss Hochschulabschluss 1,0 Mio. Euro 1,3 Mio. Euro 1,5 Mio. Euro 2,0 Mio. Euro 2,3 Mio. Euro Quelle: IAB-Berechnungen auf Basis der Stichprobe der Integrierten Arbeitsmarktbiografien (SIAB) Schmillen, Achim; Stüber, Heiko (2014): Lebensverdienste nach Qualifikation: Bildung lohnt sich ein Leben lang. (IAB-Kurzbericht, 01/2014), Nürnberg. 15
3 Arbeitsmarktpolitische Bewertung Bildungsrenditen sinken nicht im Zeitablauf Bildungsrenditen liegen seit 1985 konstant bei 6 Prozent! Quelle: Göggel (2007) 16
3 Lieber genug als zuviel Perspektive der übermäßigen Ausbildung Wachsendes Angebot an höherer Qualifikation trifft nicht auf Nachfrage: Steigendes Angebot führt am Arbeitsmarkt zur Verdrängung. Akademiker werden zunehmend auf Arbeitsplätzen tätig, für die kein Hochschulabschluss notwendig ist. Argumente: Risiko einer unterwertigen Tätigkeit steigt für Akademiker. Projektionen zeigen: Engpässe liegen bei mittleren Qualifikation 17
3 Arbeitsmarktpolitische Bewertung Risiko einer unterwertigen Beschäftigung steigt für Akademiker Quelle: Rukwid (2012) 18
3 Arbeitsmarktpolitische Bewertung Verdrängungseffekte? nicht unbedingt Ausgeübte Tätigkeiten Denken Sie bitte an Ihre Berufstätigkeit als Sagen Sie bitte, wie häufig diese Tätigkeiten bei Ihrer Arbeit vorkommen, ob häufig, manchmal oder nie? (Prozentangaben, Kategorie: häufig ) Organisieren, Planen und Vorbereiten von Arbeitsprozessen Arbeiten mit Computern Herstellen, Produzieren von Waren und Gütern 100 50 Überwachen, Steuern von Maschinen, Anlagen, technischen Prozessen Reparieren, Instandsetzen Informationen sammeln, Recherchieren, Dokumentieren 0 Messen, Prüfen, Qualität kontrollieren Entwickeln, Forschen, Konstruieren Ausbilden, Lehren, Unterrichten, Erziehen Beraten und Informieren Meister Hochschulabsolventen Quelle: Haverkamp 2013 auf der Basis von BIBB/BAuA Erwerbstätigenbefragung 2012, gewichtete Ergebnisse 19
3 Arbeitsmarktpolitische Bewertung Engpässe der Zukunft im mittleren Qualifikationssegment Projektionen zum Arbeitskräftebedarf und -angebot, differenziert nach Qualifikationsniveau 2005 bis 2025 (in 1.000 Personen) Quelle: Hummel et al. (2010); Kalinowski/Quinke (2010) 20
Gliederung 1 2 Einleitung Bildung im Wandel: 4 Fakten 3 Arbeitsmarktpolitische Bewertung 4 Fazit 21
4 Fazit 1. Größte Sorge sind 50.000 Schulabgänger ohne Abschluss: geringes Einkommen, hohe Arbeitslosigkeitsrisiken, Belastungen für soziale Sicherungssysteme 2. Traditionell bietet das Handwerk auch schwachen Schulabgängern eine Perspektive: höheres Lebenseinkommen durch Qualifikation (Bildungsrendite): Schwache Schüler gibt es auch in Zukunft! 3. Akquisition von Lehrlingen muss sich Richtung Gymnasien orientieren: Praktische Orientierungen hervorheben 22
4 Fazit 4. Handwerk muss offene Hochschulen bei Anwerbung nutzen: Weg in höhere Qualifikationen steht auch nach Meisterbrief noch offen! 5. Wir sehen vom Fachkräftebedarf erst die Spitze des Eisbergs! Mobilisierung von Reserven: Frauen im Handwerk Zuwanderer: Integrationskraft des Handwerks Studienabbrecher akquirieren 6. Bildungsabschlüsse sind Humankapital: Meister und Gesellen der dualen Ausbildung sind Vorbild für Europa! 7. Meister stärken Ausbildung stärkt den Meister und äquivalente Abschlüsse! 23
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Prof. Dr. Kilian Bizer bizer@wiwi.uni-goettingen.de