Aktuelle Fragen des Steuerbilanzrechts



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Transkript:

Aktuelle Fragen des Steuerbilanzrechts RA/StB Dr. Carsten Schlotter Köln, den 02.12.2015 1436053_1

Übersicht I. Neues zu Nachrangdarlehen II. Neues zu mezzaninen Finanzinstrumenten 2

I. Nachrangdarlehen Ausgangssituation (1) Rangrücktritte sind zunehmend Gegenstand von Auseinandersetzungen in Betriebsprüfungen und finanzgerichtlichen Verfahren, Ursachen: fehlende wirtschaftliche Belastung am Bilanzstichtag und 5 Abs. 2a EStG. vor MoMiG: Einfacher Rangrücktritt: Gläubiger tritt im Rang hinter alle anderen Gläubiger zurück. Qualifizierter Rangrücktritt (vgl. BGH v. 08.01.2001, BGHZ 146, 264) zur Vermeidung der Überschuldung: Erklärung, wonach der Darlehensgeber das Darlehen bis zur Abwendung der Krise zeitlich erst zusammen und gleichrangig mit den Einlagerückgewähransprüchen der Mitgesellschafter erlangen kann. nach MoMiG: 19 Abs. 2 InsO einfacher Rangrücktritt hinter die in 39 Abs. 1 Nr. 1 5 InsO bezeichneten Forderungen (alle anderen Insolvenzgläubiger) reicht zur Vermeidung der insolvenzrechtlichen Überschuldung aus. 3

I. Nachrangdarlehen Ausgangssituation (2) Grundsatzurteil des BGH v. 05.03.2015 IX ZR 133/14 (für Zeit vor MoMiG und nach MoMiG, Geltung für Rangrücktrittritte durch Gesellschafter und Nichtgesellschafter): Rangrücktritt als Schuldänderungsvertrag zum Zweck Überschuldungsvermeidung. Aus Rangrücktrittsvereinbarung muss sich kumulativ Folgendes ergeben: vor Insolvenzeröffnung (Auszahlungssperre): Keine Zahlung auf Verbindlichkeit, wenn durch die Zahlung auf Verbindlichkeit Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung droht. Aufhebung der Rangrücktrittsvereinbarung nur ohne Mitwirkung der anderen Gläubiger, wenn keine Insolvenzreife der Gesellschaft oder diese beseitigt ist. nach Insolvenzeröffnung: Zeit vor MoMiG: Vereinbarung Zahlung auf die Verbindlichkeit auf letzte Rangstelle im Rang des 39 Abs. 2 a.f. Zeit nach MoMiG: Rang nach 39 Abs. 1 Nr. 1 5 InsO. Gegen solche Rangrücktrittsvereinbarung verstoßende Zahlung ist kondizierbar ( 812 BGB) und als unentgeltliche Leistung nach 134 InsO anfechtbar. Freies (ungebundenes) Vermögen ist nach BGH das Vermögen, das vor Insolvenzeröffnung zur Zahlung verwendet werden kann. 4

I. Nachrangdarlehen Steuerrecht Unter welchen Voraussetzungen darf mit Rangrücktritt versehenes Darlehen nicht (mehr) passiviert werden? fehlende gegenwärtige wirtschaftliche Belastung des Stichtagsvermögens. Anwendbarkeit des Passivierungsverbotes des 5 Abs. 2a EStG. 5

Exkurs: Merkmal der gegenwärtigen wirtschaftlichen Belastung Fälligkeit ist irrelevant. Merkmal zielt auf die Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs durch den Gläubiger ab (vgl. BFH v. 22.11.1988 VIII R 62/85 Gutmünzen, BFH v. 27.03.1996 - I R 3/95 unbewegte Sparkonten ): Es widerspricht GoB, wenn Kaufmann Verbindlichkeiten ausweist, obwohl mit Inanspruchnahme durch den Gläubiger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (99%) nicht mehr zu rechnen ist, so dass bestehende rechtliche Verpflichtung für ihn keinerlei wirtschaftliche Bedeutung hat. BFH v. 09.02.1993, BStBl. II 1993, 747: Tatsache, dass Schuldner in Krise faktisch mangels Vermögens nicht zahlen kann, führt nicht zu fehlender wirtschaftlicher Belastung. 6

I. Nachrangdarlehen steuerliche Folgen (1) Wirtschaftliche Belastung des Stichtagsvermögens grds. (+), da Verbindlichkeit weiterhin geschuldet wird und sich lediglich Rangfolge der Tilgung ändert. Umstand, dass Gläubiger keinen aktuellen Zugriff auf Vermögen als Befriedigungssubstrat hat, ist irrelevant. Tatsache, dass Schuldner in Krise faktisch mangels Vermögens nicht zahlen kann, führt nicht zu fehlender wirtschaftlicher Belastung (BFH v. 09.02.1993 - VIII R 29/91). Es sind zwei Gesichtspunkte auseinanderzuhalten: Freies Vermögen nach BGH (mit Blick auf vorinsolvenzrechtliche Auszahlungssperre) hat Ursache in den Verhältnissen des Schuldners. Steuerlich kommt es allein darauf an, ob das gegenwärtige Vermögen und nicht nur zukünftiges Vermögen durch die Schuld belastet ist (Terminus freies Vermögen daher etwas irreführend). Nach Eröffnung der Insolvenz kommt es ebenfalls zu keiner Ausbuchung der Verbindlichkeit. Forderung muss zur Tabelle angemeldet werden, die dann nachrangig befriedigt wird. Erfüllung ist nicht rechtlich von zukünftigen Gewinnen oder Einnahmen abhängig. 7

I. Nachrangdarlehen steuerliche Folgen (2) BFH v. 30.11.2011 - I R 100/10 zu einfachem Rangrücktritt vor MoMiG, der mit expliziter (Besserungs-)Abrede verbunden war, dass Gläubiger Befriedigung nur aus künftigen Jahresüberschüssen, soweit sie bestehende Verlustvorträge übersteigen oder ggf. aus einem Liquidationsüberschuss verlangen kann. BFH Anwendung 5 Abs. 2a EStG (+), da wegen Bezug zum künftigen Jahresüberschuss ausschließliche Abhängigkeit zwischen Verbindlichkeit und künftigen Einnahmen oder Gewinnen besteht. Hinweis auf Liquidationsüberschuss ist nach BFH nicht ausreichend, da wegen going concern Liquidationsfall noch nicht berücksichtigt werden muss. Gleichbehandlung mit Forderungsverzicht mit Besserungsabrede. Kein Passivierungsverbot, wenn sich Besserungsklausel auch auf Tilgung aus sonstigem freien Vermögen bezieht 5 Abs. 2a EStG (-), da dann abstrakt auch das gegenwärtige Stichtagsvermögen belastet ist. Ob derartiges freies Vermögen tatsächlich vorhanden ist, ist irrelevant. 8

I. Nachrangdarlehen steuerliche Folgen (3) Wichtiges Folgeurteil: BFH v. 15.04.2015 - I R 44/14 Gläubigerin tritt mit ihrem Anspruch auf Tilgung und Verzinsung dergestalt im Rang hinter die Forderung aller anderen Gläubiger zurück, dass sie Tilgung und Verzinsung des Darlehens nur aus einem künftigen Bilanzgewinn oder aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss verlangen kann. Gesellschaft war überschuldet, so dass auch Auflösung aller Rücklagen nicht zu Bilanzgewinn führen konnte. Vorinstanz FG Niedersachen v. 12.06.2014 6 K 324/12, so zwischenzeitlich auch FG Köln v. 26.03.2015 10 K 3777/09 (Rev. I R 25/15): Kein Fall des 5 Abs. 2a EStG, da handelsrechtlicher Begriff Bilanzgewinn weiter gefasst ist, als Begriffe Einnahmen oder Gewinne in 5 Abs. 2a EStG. Bilanzgewinn = JÜ +/- Ergebnisvorträge + Entnahmen Kapitalrücklage und +/- Einstellungen/Entnahmen Gewinnrücklage Bilanzgewinn folgt daher nicht allein aus dem Ergebnis der künftigen Geschäftstätigkeit (etwa Möglichkeit der Entnahme aus Kapitalrücklage in Jahr ohne JÜ). Freies Vermögen sei Überschuss der Aktiva über die Schulden. Freies Vermögen spiegele sich in Positionen gezeichnetes Kapital, Kapital-Gewinnrücklage, Gewinnvortrag und JÜ wider. Diese Positionen lassen sich im Rahmen der Ergebnisverwendung dem Bilanzgewinn zuführen. Umstand, dass im Streitfall zum Bilanzstichtag faktisch kein freies Vermögen vorhanden war, sei irrelevant. 9

I. Nachrangdarlehen steuerliche Folgen (4) Urteil des BFH v. 15.04.2015 - I R 44/14 BFH hat sich Vorinstanz (bedauerlicherweise) nicht angeschlossen. BFH will beachten, dass Verpflichtung faktisch nur aus künftigen (handelsrechtlichen) Jahresüberschüssen zu erfüllen ist. Es sei FG zwar darin beizupflichten, dass eine solche Abrede dann mit einer aktuellen wirtschaftlichen Belastung der Vermögenslage des Schuldners verbunden sein kann, wenn die Verpflichtung aus dem sich aufgrund der Auflösung einer Kapitalrücklage (also dem gegenwärtigen Schuldnervermögen) ergebenden (oder sich erhöhenden) Bilanzgewinn getilgt wird. Für Streitfall sei aber zu beachten, dass sich nach den Verhältnissen des Bilanzstichtags mit Rücksicht auf den Fehlbetrag des Geschäftsjahrs und den Verlustvortrag selbst im Falle der Auflösung der Kapitalrücklage kein Bilanzgewinn hätte einstellen können. Folge: Verpflichtungen i.s. von 5 Abs. 2a EStG 2002 sind nur im Falle der Erzielung künftiger Gewinne (Jahresüberschüsse) zu erfüllen. Vorhandensein stiller Reserven irrelevant (erhöhen erst nach Aufdeckung das Jahresergebnis und damit den für Zwecke der Forderungserfüllung (gemäß den Rangrücktrittsabreden) maßgeblichen Bilanzgewinn. Auch Einlagen führen erst zu künftigem Vermögen. 10

I. Nachrangdarlehen Kritik Rechtsprechung des 1. Senates des BFH überzeugt nicht (Briese, GmbHR 2015, 884; z.t. Oser, BB, 2015, 1906; wie BFH Schulze-Osterloh, WPg 1996, 97, 99f zu Bilanzgewinn, der allein auf künftigen Vermögenszuführungen beruht; Weber-Grellet, BB 2015, 2667; Kahlert, ZIP 2015, 1389). Vergleich mit Forderungsverzicht gegen Besserungsschein hinkt, weil beide Rechtsinstitute auch nach BFH nicht zu identischen Folgen führen, wenn Tilgung aus freiem Vermögen Bestandteil der Besserungsabrede ist, aber kein derartiges Vermögen vorhanden ist. Verfehlt ist bereits die These, dass eine Rückzahlung aus dem Liquidationsüberschuss das Gegenwartsvermögen nicht belastet (so auch Oser, BB 2015, 1906; Schmid, FR 2012, 837). BFH I R 44/14 geht das Problem m.e. zu technisch an und setzt sich latent in Widerspruch zu dem Umstand, dass für die Belastung das Vorhandensein von Vermögen für gegenwärtige wirtschaftliche Belastung irrelevant ist => Vermögenslosigkeit wird hier zum Nichtpassivierungskriterium (vgl. auch Briese, GmbHR 2015, 884, 885). Bei konsequenter Fortführung wäre Vereinbarung Tilgungsmöglichkeit aus freiem Vermögen nicht ausreichend, wenn ein derartiges Vermögen nicht vorhanden ist. Erfasst Begriff Einnahme isd 5 Abs. 2a EStG auch Einlagen? (Dazu FG Sachsen v. 09.12.2004-2 K 896/04) BFH I R 44/14 hat sich mit diesem Problem nur rudimentär auseinandergesetzt. 11

I. Nachrangdarlehen Folgefragen (1) Unspezifizierte Rangrücktritte (ohne konkrete Besserungsabrede) Nach BMF (v. 08.09.2006) bei qualifizierten Rangrücktritten a.f. unschädlich. Rspr. des 4. Senates des BFH (v. 10.11.2005 IV R 13/04): Bei unspezifizierten Rangrücktritten ist davon auszugehen, dass Verbindlichkeit auch aus freiem Vermögen bedient werden kann, da dies nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. Rspr. des 1. Senates des BFH offen: Spezifizierung wirkt abschließend => kein zusätzliches Hineinlesen der Möglichkeit der Bedienung auch aus freiem Vermögen. Muss wohl positiv vereinbart sein. Rechtsfolgen bei Anwendung des 5 Abs. 2a EStG Verdeckte Einlage (ih des werthaltigen Teils)? BFH 4. Senat v. 10.11.2005 - IV R 13/04: verdeckte Einlage (+). BFH 1. Senat v. 30.11.2011 - I R 100/10: Keine verdeckte Einlage mit Hinweis auf die vorübergehende Natur, den Fortbestand der Verpflichtung und die weiterbestehende Notwendigkeit der Tilgung aus künftigen Gewinnen (fehlende Funktion von zusätzlichem EK). Nun überrachend BFH 1. Senat v. 15.04.2015 I R 44/14: Aufgabe I R 100/10: verdeckte Einlage (+), es wird temporär EK zur Verfügung gestellt. 12

I. Nachrangdarlehen Folgefragen (2) Wann ist Rangrücktritt durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst? FinVerw (BayLfSt v. 25.02.2007, DStR 2007, 993) geht davon aus, dass Forderungsverzichte zur Vermeidung der Überschuldung, die im Zusammenhang mit weiteren überschuldungsvermeidenden Maßnahmen (durch Dritte) stehen, betrieblich veranlasst sein können. Betriebliche Veranlassung wird aber wohl nur dann die Veranlassung durch Gesellschaftsverhältnis überwiegen, wenn sich Dritte beteiligen. Was ist bei Nachrangdarlehen von Nichtgesellschaftern? Ist erfolgsneutrale Behandlung nicht generell angezeigt? (vgl. auch Paus, FR 2015, 980, 983). 13

I. Nachrangdarlehen Folgefragen (3) Aufleben der Darlehensverpflichtung Wohl entsprechende Geltung Grundsätze Forderungsverzicht gegen Besserungsschein : aufwandswirksame Einbuchung, soweit bei Ausbuchung Ertrag; im Übrigen erfolgsneutrale Einbuchung gegen EK. Sonderprobleme, wenn bestandskräftig werthaltiger Teil vollumfänglich als Ertrag gewertet wurde. Auflaufende Zinsen: steuerlich abzugsfähig? H.M. (z.b. Neumann, StbJb 2013/2014, 281f) bislang: BA-Abzug (+) und auch keine Umqualifizierung in vga; beim Gläubiger sind Vergütungen Zinsertrag und keine Ausschüttungen; Arg.: zivilrechtliche Existenz der Verpflichtung. Nunmehr auch insoweit wohl Geltung Grundsätze Forderungsverzicht gegen Besserungsschein. 14

II. Aktuelle Fragen bei mezzaninen Finanzinstrumenten (1) Ausgangspunkt: OFD Rheinland zu Genussrechten Nichtpassivierung als VBK (+), wenn EK-Kriterien erfüllt. Ausstrahlungswirkung des handelsrechtlichen EK-Begriffs via Maßgeblichkeit? HB-EK-Begriff (IDW-HFA 1/1994 im Zusammenhang mit Genussrechten entwickelt, viele Details sind streitig). Nachrangigkeit des Rückzahlungsanspruchs im Insolvenz- oder Liquidationsfall Erfolgsabhängigkeit der Vergütung Teilnahme am Verlust bis zur vollen Höhe Längerfristigkeit der Kapitalüberlassung OFD Rheinland zu HB-EK-Genussrecht: Maßgeblichkeit (+), Vfg. ist inzwischen wohl bundeseinheitlich abgestimmt. Rechtsauffassung der OFD Rheinland strahlt zwischenzeitlich auch auf andere mezzanine Finanzinstrumente aus. 15

II. Aktuelle Fragen bei mezzaninen Finanzinstrumenten (2) Ausstrahlungswirkung: Typische stille Einlagen Nach bislang unbestrittener Rechtsauffassung sind typische stille Einlagen steuerlich dem FK zuzuordnen. Steuerlich wird die Trennlinie (ausgehend von 20 Abs. 1 Nr. 4 S. 1 EStG und 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG) traditionell zwischen der atypischen und typischen stillen Beteiligung gezogen. Ausstrahlungswirkung des handelsrechtlichen EK-Begriffs via Maßgeblichkeit? Handelsrechtlich sollen typische typische stille Beteiligungen nach h.m. (vgl. Blaurock, Handbuch stille Gesellschaft, Rn 13.107ff) zu EK führen, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: Nachrangigkeit des Rückzahlungsanspruchs im Insolvenz- oder Liquidationsfall Künftige Verluste müssen in voller Höhe mit der stillen Einlage verrechnet werden Längerfristigkeit der stillen Beteiligung FinVerw geht neuerdings in Betriebsprüfungen auch hier von Anwendungsfall der Maßgeblichkeit aus! 16

II. Aktuelle Fragen bei mezzaninen Finanzinstrumenten (3) Kritik Aus 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG wird deutlich, dass der Gesetzgeber bei stillen Beteiligungen die Trennlinie negativ abgrenzend entlang des Typusbegriffs der Mitunternehmerschaft ziehen will. Soweit (-), ertragsteuerliche Einordnung als Kapitalüberlassungsverhältnis (vgl. auch die Wertungsentscheidung in 8 Nr. 1 Lit. c) GewStG). Auch bei 8 Abs. 3 S. 2 2. Hs. KStG wird man bei richtiger Betrachtung von Qualifikationsnorm ausgehen müssen => Für Anwendung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes ist m.e. kein Raum. Selbst wenn man diese Sicht nicht teilt, überzeugt unbesehenes Abstellen der FinVerw auf die für die Handelsbilanz entwickelten EK-Kriterien nicht. Steuersystematischer Zusammenhang ist zu berücksichtigen. Handelsrechtliche Kriterien sind ausgehend von der Haftungsfunktion des Kapitals entwickelt worden. Im Fokus steht die Perspektive der Gläubiger. Das steuerliche Leistungsfähigkeitsprinzip rückt die Perspektive des belasteten Unternehmens in den Vordergrund der Betrachtung. Aus den Wertungen des 8 Abs. 3 S. 2, 2. Hs. KStG und dem Mitunternehmerbegriff wird aber auch deutlich, dass ein steuerlicher EK-Begriff voraussetzt, dass der Kapitalgeber auch an den stillen Reserven einschließlich des Goodwills beteiligt ist. 17

II. Aktuelle Fragen bei mezzaninen Finanzinstrumenten (4) Kritik Auffällig ist, dass nach IDW HFA 1/1994 Vergütungen trotz EK-Charakter in der GuV als Aufwand zu erfassen sein sollen. Es sprechen gute Gründe dafür, dass die in der HB befürwortete EK-Qualifikation sich nur mit der Informationsfunktion des Jahresabschlusses rechtfertigen lässt, aber keine Auswirkungen auf die Gewinnermittlung in der GuV hat. Dieses window-dressing kann keine Maßgeblichkeit für die steuerliche Gewinnermittlung entfalten, weil es dort nicht um die Informationsfunktion des Jahresabschlusses geht => keine materiellen GoB. FinVerw hat zudem keine Lösungen für Folgefragen (ertragswirksame Vereinnahmung bei Nichtgesellschaftern?). 18

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