Newsletter Arbeitsrecht Oktober 2012



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Transkript:

Newsletter Oktober 2012 Liebe Leserin, lieber Leser, die Zeit vergeht wie im Flug und nach dem zumindest angesichts der Temperaturen kurzen Sommer befinden wir uns nun schon im letzten Quartal des Jahres 2012. Zeit für uns, Ihnen den schon vor einiger Zeit zugesagten Beitrag über die sozialversicherungsrechtliche Stellung des GmbH-Geschäftsführers nachzuliefern. Hier können Sie im Detail nachlesen, wie der GmbH-Geschäftsführer in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung behandelt wird. In der Rubrik aktuelle Rechtsprechung haben wir wie immer einige interessante Urteile für Sie zusammengefasst. Hinzuweisen ist vor allem auf die Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein vom März diesen Jahres, wonach der Arbeitgeber sich schadensersatzpflichtig machen kann, wenn er dem arbeitsunfähigen Arbeitnehmer keinen leidensgerechten Arbeitsplatz zuweist. Im Standpunkt beschäftigt sich Heiko Langer mit dem Gesetzentwurf für eine gesetzliche Frauenquote in Aufsichtsgremien, der vor kurzem den Bundesrat passiert hat. Auch wenn die politischen Mehrheitsverhältnisse eine Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag nicht übermäßig wahrscheinlich machen, rückt die gesetzliche Frauenquote doch immer näher. Wir wünschen Ihnen wie immer eine spannende Lektüre! Ihr HLFP-steam Inhalt Die Rechtsstellung des Geschäftsführers im Sozialversicherungsrecht 1 Aktuelle Rechtsprechung 4 Standpunkt: Die Frauenquote rückt näher 7 Die Rechtsstellung des Geschäftsführers im Sozialversicherungsrecht In unserem Newsletter August 2012 hatten wir Ihnen einen Überblick über die zivilrechtliche Rechtsstellung des GmbH- Geschäftsführers (im Weiteren nur Geschäftsführer genannt) gegeben. Wie seinerzeit angekündigt, beschäftigt sich dieser Beitrag mit der Rechtsstellung des Geschäftsführers im Sozialversicherungsrecht. I. Die fünf Zweige der Sozialversicherung Das Sozialversicherungsrecht umfasst die Bereiche Rentenversicherung ( 1 117 SGB VI), Krankenversicherung ( 1 305 SGB V), Pflegeversicherung (Pflegeversicherungsgesetz PflegeVG), Unfallversicherung (SGB VII) sowie Arbeitslosenversicherung (SGB III). II. Der Begriff des Beschäftigten Im Sozialversicherungsrecht ist entscheidend, ob der Geschäftsführer abhängig Beschäftigter ist oder nicht. Der Begriff des abhängig Beschäftigten ist nicht identisch mit dem Begriff des Arbeitnehmers. Ein Geschäftsführer ist kein Arbeitnehmer im Sinne des s. Dies bedeutet aber keineswegs, dass er kein Beschäftigter im Sinne des Sozialversicherungsrechts ist. Nach der gesetzlichen Definition des 7 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. 1

Newsletter Oktober 2012 III. Fremdgeschäftsführer und beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer Auf der Ebene der Geschäftsführung wird unterschieden zwischen dem Fremdgeschäftsführer und dem Gesellschafter-Geschäftsführer, der eine Minderheitsbeteiligung hat, einerseits, und dem sogenannten beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer andererseits. Der Fremdgeschäftsführer ist bis auf wenige Ausnahmen abhängig Beschäftigter. Beherrschend ist der Geschäftsführer aber nicht erst mit einer Mehrheitsbeteiligung, sondern schon dann, wenn er eine maßgebende Beteiligung besitzt. Diese wird ab einer 50 %-Beteiligung angenommen. Mit 50 % kann der Geschäftsführer bei einem gleich starken Mitgesellschafter zwar keine unternehmerische Entscheidung durchsetzen; er kann sie aber verhindern. Auch eine Minderheitsbeteiligung kann als maßgebende Beteiligung gewertet werden, wenn die Umstände für einen entsprechenden Einfluss sprechen. Eine Sperrminorität von mehr als 25 % spricht allerdings nur dann für eine maßgebende Beteiligung, wenn sie über die formalen Rechte bei der Änderung des Gesellschaftsvertrages und der Auflösung der Gesellschaft hinausgehenden Einfluss gewährt. Auf der Homepage der Deutschen Rentenversicherung Bund gibt es eine sogenannte Entscheidungshilfe zur Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status von Geschäftsführern: http:// www.deutsche-rentenversicherung.de/allgemein/de/inhalt/2_ Themen/01_rente/downloads/01_berufsgruppen/03_statusfeststellung/anlage3_1_entscheidungshilfe_gesellschafter_geschaeftsfuehrer_pdf.html. IV. Statusfeststellungsverfahren Die Beantwortung der Frage, ob ein Geschäftsführer eine maßgebende Beteiligung hat oder nicht, kann im Einzelfall aufgrund vieler, teilweise divergierender Einzelentscheidungen schwierig sein. Um hier Rechtssicherheit zu schaffen, gibt es ein offizielles Statusfeststellungsverfahren (siehe 7a Abs. 1 SGB IV). Zuständig dafür ist die Deutsche Rentenversicherung Bund, Clearingstelle, 10704 Berlin. Zu unterscheiden ist das Statusfeststellungsverfahren auf Antrag und das Statusfeststellungsverfahren von Amts wegen. Das Verfahren von Amts wegen wird eingeleitet, falls ein Gesellschafter- Geschäftsführer von der GmbH bei der Einzugsstelle zur Sozialversicherung angemeldet wird. Die Formulare und Erläuterungen sind zu finden unter: http:// www.deutsche-rentenversicherung.de/allgemein/de/inhalt/5_ Services/04_formulare_und_antraege/01_versicherte/01_vor_ der_rente/_drv_paket_versicherung_statusfeststellung.html. Die Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung Bund bindet nicht nur die Renten-, sondern auch die Kranken- und Unfallversicherung sowie die Bundesagentur für Arbeit bezüglich der Arbeitslosenversicherung, so dass sichergestellt ist, dass z. B. der Geschäftsführer, der Arbeitslosenbeiträge bezahlt, auch die entsprechende Absicherung erhält (siehe 336 SGB III). V. Rentenversicherung In der Rentenversicherung sind alle abhängig Beschäftigten pflichtversichert. Pflichtversichert sind also die Fremdgeschäftsführer und Gesellschafter-Geschäftsführer ohne beherrschenden Einfluss. Für sie müssen von der GmbH Beiträge (Arbeitgeberund Arbeitnehmeranteile) an den zuständigen Versicherungsträger abgeführt werden. Beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer können der gesetzlichen Rentenversicherung freiwillig beitreten. Sie können zwischen Pflichtversicherung und freiwilliger Versicherung wählen. Bei der freiwilligen Versicherung können sie die Höhe der Beiträge selbst bestimmen, müssen aber Nachteile bei der Anrechnung von Ersatz- und Ausfallzeiten in Kauf nehmen. Den Arbeitnehmeranteil und den Arbeitgeberanteil müssen sie selbst aufbringen. Sie haben aber einen Anspruch auf einen Zuschuss. Der Zuschuss entspricht dem Betrag, den die GmbH bei einer Pflichtversicherung als Arbeitgeberanteil zu zahlen hätte. Wenn die GmbH den Zuschuss leistet, ist der Zuschuss steuerfrei (siehe 3 Nr. 62 EStG). Die Beiträge richten sich nach dem Einkommen, höchstens nach den jeweils gültigen Beitragsbemessungsgrenzen, so wie bei Arbeitnehmern auch. Diese liegen im Jahr 2012 für die Rentenversicherung in den alten Bundesländern bei EUR 5.600,00 brutto monatlich und in den neuen Bundesländern bei EUR 4.800,00 brutto monatlich. Der Beitragssatz (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) beträgt 19,6 %. VI. Krankenversicherung Träger der gesetzlichen Krankenversicherungen sind die Ortskrankenkassen, die Betriebs- und Innungskrankenkassen und die Ersatzkassen. Pflichtversichert sind hier im Gegensatz zur Rentenversicherung nicht alle abhängig Beschäftigten, sondern 2

Newsletter Oktober 2012 nur diejenigen abhängig Beschäftigten, also auch nur die Geschäftsführer, deren Jahresverdienst die Pflichtversicherungsgrenze (offiziell Jahresarbeitsentgeltgrenze = JAEG genannt) für die Krankenversicherung von einheitlich für die alten und neuen Bundesländer EUR 4.237,00 brutto monatlich nicht übersteigt. Die Pflichtversicherungsgrenze ist zu unterscheiden von der Beitragsbemessungsgrenze, also dem Betrag, bis zu dem Beiträge abgeführt werden. Diese beträgt bundesweit für 2012 EUR 3.825,00 brutto monatlich. Die Beiträge für versicherungspflichtige Geschäftsführer tragen die GmbH und der Versicherte je zur Hälfte; der Gesamtbetrag wird von der GmbH an den Versicherungsträger abgeführt. Der Beitragssatz beträgt 14,6 %, außerdem ist vom Geschäftsführer ein Sonderbeitrag von 0,9 % zu tragen. Fremdgeschäftsführer und nicht beherrschende Gesellschafter- Geschäftsführer können, auch wenn sie mehr als die Versicherungspflichtgrenze verdienen, der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig beitreten. Der freiwillig versicherte Geschäftsführer muss seine Beiträge einschließlich Arbeitgeberanteil selbst aufbringen. Er hat aber einen Anspruch gegen die GmbH auf einen Zuschuss ( 257 Abs. 1 SGB V). Der Zuschuss entspricht dem Beitrag, den die GmbH bei einer Pflichtversicherung als Arbeitgeberanteil zu zahlen hätte. Der Zuschuss der GmbH ist steuerfrei (siehe 3 Nr. 62 EStG). Geschäftsführer, die sich nicht bei einer gesetzlichen Krankenkasse freiwillig versichern, sondern eine private Krankenversicherung abschließen, erhalten ebenfalls einen steuerfreien Zuschuss zu den Versicherungsbeiträgen. Der Zuschuss beträgt die Hälfte des Beitrages, den der Geschäftsführer bei der gesetzlichen Krankenkasse zu zahlen hätte, höchstens jedoch die Hälfte des Beitrages, den er für seine Krankenversicherung tatsächlich zu zahlen hat. Den Zuschuss für die private Krankenversicherung erhält der Geschäftsführer allerdings nur dann, wenn die Leistungen, die die private Krankenversicherung gewährt, den Leistungen einer gesetzlichen Krankenkasse entsprechen. Für den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer gibt es keine Krankenversicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, aber auch kein allgemeines freiwilliges Beitragsrecht. Es gibt aber Ausnahmen: Wenn ein beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer bisher z.b. als leitender Angestellter freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert war, kann er diese freiwillige Versicherung als Geschäftsführer fortführen. VII. Pflegeversicherung Träger der Pflegeversicherung sind die Pflegekassen. Ihre Aufgaben werden von den Krankenkassen wahrgenommen. Die Pflegeversicherung folgt grundsätzlich der Krankenversicherung. Wer krankenversicherungspflichtig ist, ist auch pflegeversicherungspflichtig. Die Beitragsbemessungsgrenze beträgt wie in der Krankenversicherung bundeseinheitlich in 2012 EUR 3.825,00 brutto monatlich, der Beitragssatz beträgt 1,95 % zuzüglich einem Sonderbeitrag für kinderlose Geschäftsführer in Höhe von 0,25 %. VIII. Unfallversicherung In der gesetzlichen Unfallversicherung sind alle abhängig Beschäftigten pflichtversichert. Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sind die Berufsgenossenschaften. Die versicherten Beschäftigten haben keine Beiträge zu leisten. Die Beiträge zahlt allein das Unternehmen. Selbstständige Unternehmer können sich freiwillig versichern (siehe 6 SGB VII), nicht aber beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) bereits 1989 entschieden. Es betrachtet nicht die Gesellschafter-Geschäftsführer, sondern die GmbH als Unternehmer; diese können sich nicht versichern. IX. Arbeitslosenversicherung In der Arbeitslosenversicherung ist ebenfalls jeder abhängig Beschäftigte Pflichtmitglied, also auch der Fremdgeschäftsführer und der nicht beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer. Einen freiwilligen Beitritt für diejenigen, die nicht abhängig Beschäftigte sind, gibt es nur in eng begrenzten Ausnahmefällen. Der Beitrag richtet sich nach der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung. Er beträgt 2012 in den alten Bundesländern EUR 5.600,00 brutto monatlich und in den neuen Bundesländern EUR 4.800,00 brutto monatlich. Der Beitragssatz beträgt bundeseinheitlich 3 %. Auch in der Arbeitslosenversicherung ist der Beitrag wieder von dem Versicherten und der GmbH je zur Hälfte zu tragen. Die Arbeitslosenversicherung ist im SGB III geregelt. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld setzt voraus, dass ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis tatsächlich bestand. Dies prüfen die Arbeitsagenturen selbst dann, wenn der Geschäftsführer langjährig Beiträge bezahlt hat, es sei denn, es hätte ein Statusfeststellungsverfahren stattgefunden. 3

Newsletter Oktober 2012 X. Betriebliche Altersversorgung Das Sozialversicherungsrecht wird durch das Betriebsrentenrecht (BetrAVG) ergänzt. Das BetrAVG gilt für alle Beschäftigten, denen von einem Unternehmen Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung zugesagt worden sind (siehe 17 Abs. 1 BetrAVG). Vom Schutz des BetrAVG werden auch Fremd- und minderheitsbeteiligte Geschäftsführer erfasst. Beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer fallen nicht unter den Schutzbereich des BetrAVG, insbesondere sind ihre Betriebsrentenanwartschaften und ihre laufenden Betriebsrenten nicht insolvenzgeschützt. Nähere Einzelheiten ergeben sich aus dem Merkblatt 300/M 1 des Pensions-Sicherungsvereins. Dieses kann abgerufen werden auf der Webpage des PSV ag (www. psvag.de). Es gibt aber rechtliche Möglichkeiten, ebenfalls einen Insolvenzschutz zu erreichen, z.b. dadurch, dass die Betriebsrentenzusage rückgedeckt und die Rückdeckungsversicherung an den herrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer verpfändet wird. Aktuelle Rechtsprechung Befristeter Arbeitsvertrag - Diskriminierung - Rundfunkfreiheit LAG Köln, Urteil vom 13. Februar 2012 2 Sa 767/11 Kommt im Anschluss an einen befristeten Vertrag kein weiteres Vertragsverhältnis zustande und soll dies auf diskriminierenden Motiven beruhen, kann dies nur eine Entschädigung in Geld auslösen. (Anschluss an BAG vom 21. September 2011-7 AZR 150/10 und 15. März 2012-8 AZR 160/11). Anmerkung Die Parteien stritten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses. Der chinesische Kläger war bei der beklagten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt in der China-Redaktion als Redakteur beschäftigt. Nach Ablauf der Frist kam es nicht zum Abschluss eines befristeten oder unbefristeten neuen Arbeitsvertrages zwischen den Parteien. Mit seiner Klage begehrte der Redakteur die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Befristung nicht geendet hat und das Arbeitsverhältnis als unbefristetes Arbeitsverhältnis fortbesteht. Disclaimer Diese Veröffentlichung hat den Stand 1. Oktober 2012. Die darin enthaltenen Informationen sind allgemeiner Natur und ohne vorherige Beratung im Einzelfall nicht als Entscheidungsgrundlage geeignet. Sie ersetzen insbesondere keine rechtliche Beratung im Einzelfall. Für die Vollständigkeit und Richtigkeit der in dieser Veröffentlichung enthaltenen Informationen wird keine Haftung übernommen. Impressum Hoffmann Liebs Fritsch & Partner Als Verantwortlicher im Sinne des 55 RStV steht Ihnen zur Verfügung: Claus Eßers, Hoffmann Liebs Fritsch & Partner, Kaiserswerther Straße 119, 40474 Düsseldorf, claus.essers@hlfp.de, Telefon 0211/51882-149, Telefax 0211/51882-270. USt-IdNr.: DE 199552042 Die Rechtsanwälte der Sozietät Hoffmann Liebs Fritsch & Partner sind nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland zugelassen und Mitglieder der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf, Freiligrathstraße 25, 40479 Düsseldorf, info@rechtsanwaltskammer-duesseldorf.de, http://www.rechtsanwaltskammer-duesseldorf.de. Sie unterliegen berufsrechtlichen Regelungen, insbesondere der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) und seiner Vorgängerregelung (BRAGO), der Berufsordnung der Rechtsanwälte (BORA), Fachanwaltsordnung (FAO) und Standesregelungen der Rechtsanwälte in der Europäischen Gemeinschaft. Diese Regelungen werden auf der Homepage der Bundesrechtsanwaltskammer (http://www.brak.de) bereitgehalten. Das LAG Köln wies ebenso wie das Arbeitsgericht in der Vorinstanz die Klage ab. Da das Arbeitsverhältnis auf zwei Jahre und sieben Monate befristet war, bedurfte die Befristung gemäß 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG eines Sachgrundes. Nach Ansicht des LAG begründete im vorliegenden Fall die Eigenart der Arbeitsleistung des Redakteurs die Befristung des Arbeitsverhältnisses (vgl. 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG). Es liege mit Blick auf die Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu Recht im Interesse der Rundfunkanstalt, durch den Austausch von Mitarbeitern auf Zielgruppe, Inhalts- und Meinungsschwerpunkte ihres Programmes Einfluss zu nehmen. Diese Flexibilität werde durch den Abschluss eines befristeten Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger gewährleistet. Auf eine Begründung, warum die Rundfunkanstalt sich durch den Austausch des Klägers eine bessere Umsetzung ihres Programmauftrags erhoffe, käme es dabei nicht an. Diese Sichtweise stimmt mit der Ansicht des BVerfG (Beschluss vom 18. Februar 2000-1 BvR 491/93) überein, der sachliche Grund für eine Befristung bei programmgestaltender Tätigkeit liege in der Rundfunkfreiheit selbst. 4

Newsletter Oktober 2012 Die Rechtsprechung fordert jedoch speziell für Fälle von programmgestaltenden Mitarbeitern eine im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehene Interessenabwägung zwischen der Rundfunkfreiheit der Sendeanstalt und dem Interesse des Arbeitnehmers an einer Dauerbeschäftigung. Das LAG entschied im Fall zugunsten der Rundfunkfreiheit der Beklagten. Von einem überwiegenden Bestandsinteresse des Klägers sei erst dann auszugehen, wenn ein Mitarbeiter über besonders lange Zeit besonders hervorragende Leistungen erbracht hat, dass dieser Mitarbeiter auch in Zukunft bei wechselnden Anforderungen flexibel und auf höchstem Niveau weiterhin redaktionell für die Arbeitgeberin tätig sein kann. Angesichts des Vortrags des chinesischen Klägers, er sei bei der Auswahlentscheidung für die Folgeanstellung wegen seines Alters, seiner ethnischen Herkunft und seiner Weltanschauung diskriminiert worden, beschäftigte sich das LAG ferner mit der Frage nach den Auswirkungen einer diskriminierenden Benachteiligung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes in einem Bewerbungsverfahren. Nach 15 Abs. 6 AGG könne dies nicht zum Abschluss eines Zwangsvertrages führen, sondern lediglich zu einem Anspruch auf Schadensersatz in Geld. Mit dieser Sichtweise knüpft das LAG an einen Beschluss des BAG vom 21. September 2011 (Az. 7 AZR 150/10) an. Einen entsprechenden Schadensersatzanspruch sprach das LAG dem Kläger im Ergebnis nicht zu, da ein solcher nicht von dessen Antrag abgedeckt und die erforderliche Zweimonatsfrist des 15 Abs. 4 AGG jedenfalls verstrichen sei. Da der Kläger Rechtsbeschwerde eingelegt hat, bleibt die Entscheidung des BAG (Az. 7 AZR 457/12) abzuwarten. Festzuhalten ist, dass diskriminierende Behandlung von Bewerbern etwa wegen Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexueller Identität (vgl. 1 AGG) zwar nicht zur Eingehung eines Beschäftigungsverhältnisses zwingt. Der Arbeitgeber macht sich jedoch gegebenenfalls schadensersatzpflichtig. Im Falle einer diskriminierenden Nichteinstellung kann der bestgeeignete Bewerber gemäß 15 Abs. 1 AGG dabei als Vermögensschaden das voraussichtlich zu zahlende Arbeitsentgelt der verweigerten Stelle bis zum ersten hypothetischen Kündigungstermin verlangen. Dieser bestimmt sich nach der für die zu besetzende Stelle üblichen Kündigungsfrist, in der Regel also der Zweiwochenfrist bei vereinbarter Probezeit. Verstößt der Arbeitgeber im Bewerbungsverfahren gegen das Benachteiligungsverbot, ist nach der Konzeption des AGG daneben Ersatz für den erlittenen Nichtvermögensschaden, insbesondere die Persönlichkeitsverletzung, zu leisten. Der Eintritt eines solchen Schadens wird unwiderleglich vermutet. Für die Ersatzleistungen greift jedoch gemäß 15 Abs. 2 Satz 2 AGG eine Obergrenze von drei Monatsgehältern für den Fall, dass der benachteiligte Bewerber auch ohne Diskriminierung nicht eingestellt worden wäre. Kein Annahmeverzugslohn bei Arbeitsunfähigkeit LAG Schleswig-Holstein Urteil vom 22. März 2012 5 SA 336/11 1. Der Anspruch auf Verzugslohn ist ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer nicht leistungsfähig ist. Der Arbeitnehmer, der aufgrund einer körperlichen Einschränkung nur einen Teil der ihm kraft Direktionsrechts zugewiesenen Arbeiten ausführen kann, ist nicht leistungsfähig im Sinne von 297 BGB und damit arbeitsunfähig. Eine teilweise oder eingeschränkte Arbeitsfähigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit ist dem fremd. 2. Solange der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Zuge seines Direktionsrechts keinen leidensgerechten Arbeitsplatz zuweist, hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Verzugslohn. Dem Arbeitnehmer kann jedoch ein Anspruch auf Schadensersatz zustehen, wenn der Arbeitgeber schuldhaft seine Rücksichtnahmepflicht dadurch verletzt, dass er den Arbeitnehmer nicht durch Ausübung seines Direktionsrechts einen leidensgerechten Arbeitsplatz zuweist. Anmerkung Die Parteien stritten im Berufungsverfahren über Verzugslohnansprüche des Klägers ab Dezember 2009 bis einschließlich Oktober 2010. Der Kläger war bei der beklagten Arbeitgeberin als Gärtner beschäftigt. Im Arbeitsvertrag war die geschuldete Arbeitsleistung nur rahmenmäßig beschrieben. Aufgrund eines Autounfalls war der Kläger über zehn Monate durchgehend arbeitsunfähig krank. Seine volle Arbeitsfähigkeit wurde auch danach nicht wiederhergestellt. Nach 16 Monaten vollständiger bzw. teilweiser Arbeitsunfähigkeit kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgemäß mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten ordentlich personenbedingt. Zugleich stellte sie den Kläger von der Arbeitsleistung frei. Gegen die Kündigung erhob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage, der das Arbeitsgericht stattgab. Auch danach konnte der Kläger allerdings nur beschränkt seiner bisherigen Tätigkeit nachgehen. Im vorliegenden Verfahren verlangte er von der Beklagten die Zahlung von Annahmeverzugslohn für Zeiträume während der Freistellung sowie Ersatz für Verdiensteinbußen, die ihm nach der erstinstanzlichen Entscheidung entstanden waren, weil die Beklagte ihm keinen Arbeitsplatz zugewiesen hatte, den er trotz seiner Erkrankung voll hätte ausüben können. 5

Newsletter Oktober 2012 Das LAG Schleswig-Holstein gab der Klage wie schon das Arbeitsgericht Elmshorn in der Vorinstanz weitgehend statt. Zwar stehe dem Arbeitnehmer kein Anspruch auf Verzugslohn, wohl aber ein Schadensersatzanspruch in derselben Höhe zu. Ein Anspruch auf Annahmeverzugslohn scheide aus, weil der Arbeitnehmer tatsächlich nicht in der Lage gewesen war, die geschuldete Leistung zu erbringen. 297 BGB schließt solche Ansprüche auf Annahmeverzugsvergütung aus, wenn der Arbeitnehmer nicht in der Lage ist, die geschuldete Arbeitsleistung tatsächlich zu bewirken. Dies war beim vorliegenden Kläger der Fall. Es kam deshalb nicht darauf an, ob der Kläger seine Arbeitsleistung ausdrücklich angeboten hatte oder nicht. Welche Arbeiten der Arbeitnehmer zu erbringen hat, könne der Arbeitgeber im Rahmen seines Weisungsrechts nach 106 Satz 1 GewO bestimmen. Daran müsse sich auch die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers orientieren. zugrunde gelegt werden muss. Arbeitsunfähig heißt gerade nicht berufsunfähig, sondern nur, dass der Arbeitnehmer unfähig ist, die konkret geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Ist ein Arbeitnehmer diesbezüglich leistungsunfähig, so kann allerdings in dieser Zeit auch kein Annahmeverzug eintreten, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer trotz Arbeitsangebots nicht einsetzt. Dies soll den Arbeitgeber auch davor schützen, übereifrige Arbeitnehmer, die trotz Erkrankung arbeiten möchten, nicht einsetzen zu müssen. Anders stellt sich die Lage allerdings dar, wenn der Arbeitnehmer von sich aus anbietet, beispielsweise geringerwertige Arbeiten, die er trotz der Erkrankung noch verrichten kann, auszuführen. Ein solches Angebot muss der Arbeitgeber zur Vermeidung von Annahmeverzugsansprüchen annehmen. Dies ist im Sinne einer gedeihlichen Zusammenarbeit der Arbeitsvertragsparteien auch sachgerecht. Ein Anspruch des Arbeitnehmers in selber Höhe ergab sich allerdings daraus, dass es der Arbeitgeber hier treuwidrig unterlassen habe, dem Arbeitnehmer nach seinem Obsiegen im Kündigungsschutzprozess eine leidensgerechte Arbeit zuzuweisen. Nach 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Im Arbeitsverhältnis können die Vertragspartner deshalb zur Verwirklichung des Leistungsinteresses zu leistungssichernden Maßnahmen verpflichtet sein. Dazu gehört auch die Pflicht, im Zusammenwirken mit dem Vertragspartner die Voraussetzung für die Durchführung des Vertrages zu schaffen, Erfüllungshindernisse nicht entstehen zu lassen bzw. zu beseitigen und dem anderen Teil den angestrebten Leistungserfolg zukommen zu lassen. Ist ein Arbeitnehmer krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage, die vom Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts näher bestimmte Leistung zu erbringen, kann es die Rücksichtnahmepflicht aus 241 Abs. 2 BGB gebieten, dass der Arbeitgeber von seinem Direktionsrecht erneut Gebrauch macht und dem Arbeitnehmer Aufgaben zuweist, die er trotz Krankheit ausüben kann. Dies ergibt sich auch daraus, dass eine personenbedingte Kündigung erst dann ausgesprochen werden kann, wenn die Zuweisung leidensgerechter Arbeitsplätze nicht möglich war. Das LAG stellte hierzu fest, der Arbeitnehmer hätte im Betrieb der Beklagten durchaus mit anderen Tätigkeiten betraut werden können, die er noch ausüben konnte. Der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist der Sache nach und auch rechtlich uneingeschränkt zuzustimmen. Richtig ist zunächst die Feststellung, dass bei der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers die konkret geschuldete Arbeitsleistung als Maßstab Berechtigung des Betriebsrats zur Nominierung eines Einigungsstellenbeisitzers nach Beleidigung des Arbeitgebers durch den Beisitzer LAG Hamburg Beschluss vom 15. November 2011 1 TabV 5/11 Ein Betriebsrat verstößt nicht gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit, wenn er ein ehemaliges Betriebsratsmitglied als Beisitzer für Einigungsstellen benennt, welches zuvor leitende Mitarbeiter der Arbeitgeberin in besonders grober Weise beleidigt und in ihrer Ehre verletzt hat. Eine ehrverletzende Äußerung begründet keine Zweifel an der Ehrlichkeit und Offenheit. Anmerkung Die vorliegende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamburg ist ein Musterbeispiel für mangelndes Fingerspitzengefühl der Arbeitsgerichte bei der Gewährung von Freiheiten für Betriebsräte. In dem betroffenen Betrieb waren mehrere Einigungsstellen zu unterschiedlichen Themen eingerichtet. Für diese Einigungsstellen benannte der Betriebsrat ein ehemaliges Mitglied als Beisitzer. Dieses Mitglied war von der Arbeitgeberin zuvor nach Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats durch das Arbeitsgericht fristlos gekündigt worden, weil es eine leitende Mitarbeiterin der Arbeitgeberin in schwerster Weise beleidigt hatte. Aufgrund eines Vergleichs, der vor dem Landesarbeitsgericht im entsprechenden Beschwerdeverfahren getroffen wurde, wurde die Beschäftigung des Betriebsratsmitglieds zum Zwecke der Amtsübergabe noch etwas verlängert. Es endete aber letztlich zum 30. April 2011. Die Arbeitgeberin strengte im Januar 2011 erneut ein Verfahren zur 6

Newsletter Oktober 2012 fristlosen Kündigung des Betriebsratsmitglieds an. Der Betriebsrat hielt trotz dieser Entwicklung daran fest, sein ehemaliges Mitglied als Beisitzer für die Einigungsstellen zu benennen. Hiergegen wendete sich die Arbeitgeberin und beantragte, dem Betriebsrat aufzugeben, es zu unterlassen, sein ehemaliges Mitglied als Beisitzer in Einigungsstellen im Betrieb der Arbeitgeberin zu benennen. In den gestellten Hilfsanträgen beantragte die Arbeitgeberin, das Betriebsratsmitglied wenigstens von bestimmten Beisitzertätigkeiten auszuschließen, bei der sich personell Überschneidungen mit dem Beleidigungsopfer nicht vermeiden ließen. Während das Arbeitsgericht in erster Instanz den Anträgen der Arbeitgeberin noch stattgab, wies das Landesarbeitsgericht die Anträge insgesamt zurück. Der Betriebsrat verstoße mit der Benennung des ehemaligen Mitglieds nicht gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Die ehrverletzenden Äußerungen des Betriebsratsmitglieds begründeten keinen Zweifel an seiner Ehrlichkeit und Offenheit, sondern deuteten eher darauf hin, dass er seine Emotionen zu wenig im Griff habe und ihnen zu drastisch ihren Lauf lasse. Es sei aber nicht wahrscheinlich, dass sich das Betriebsratsmitglied zukünftig noch einmal in der die Kündigung begründenden Weise verhalten werde. Nachdem es durch den Verlust seines Arbeitsplatzes deutlich vor Augen geführt bekommen habe, welche Auswirkungen sein Verhalten habe, sei ohne einen weiteren Vorfall dieser Art von einer Wiederholungsgefahr nicht auszugehen. Zweifel an seiner Eignung als Beisitzer von Einigungsstellen seien deshalb nicht ersichtlich. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, gegen die der Arbeitgeber Rechtsbeschwerde eingelegt hat (BAG, Az. 7 ABR 36/12), ist mit den Anforderungen an eine gedeihliche Zusammenarbeit in der betrieblichen Wirklichkeit schlechterdings nicht zu vereinbaren. Das betroffene Betriebsratsmitglied hatte nach Feststellung des Gerichts im Kündigungsschutzverfahren zu einer Mitarbeiterin über seine Vorgesetzte geäußert, die soll sich mal schön zurückhalten, denn die hat schon zehn Mal den Schwanz von gelutscht. Dass ein Betriebsratsmitglied, das aufgrund einer solchen Äußerung fristlos gekündigt wurde, danach noch vom Betriebsrat als Beisitzer für Einigungsstellen nominiert wird, ist ein solch direkter Affront des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber, dass er mit einer vertrauensvollen Zusammenarbeit unter keinem Gesichtspunkt in Einklang zu bringen ist. Es bleibt zu hoffen, dass das BAG dem Landesarbeitsgericht dies deutlich ins Stammbuch schreiben wird, wenn es über die Rechtsbeschwerde entscheidet. Heiko Langer Die Frauenquote rückt näher Seit geraumer Zeit wird über die Einführung einer verbindlichen Frauenquote in Führungsgremien kontrovers diskutiert. Die Wirtschaft lehnt, wenig überraschend, eine verbindliche Frauenquote ab und weist auf die damit verbundenen Schwierigkeiten hin. Auch in der Regierung ist die Frauenquote umstritten. Während Arbeitsministerin von der Leyen für die Frauenquote argumentiert, verfolgte Familienministerin Schröder die etwas merkwürdig anmutende Idee einer gesetzlichen Verpflichtung zur Selbstverpflichtung der Unternehmen. Tatsächlich haben sich einige große Unternehmen wie die Deutsche Telekom bereits eine eigene Frauenquote für Führungsgremien verordnet. Zu einer großflächigen Einführung einer Frauenquote auf freiwilliger Basis kam es jedoch bislang nicht. Auf dem Weg zur gesetzlichen Frauenquote ist nun der erste Schritt gemacht: Der Bundesrat hat am 21. September 2012 dem Entwurf eines Gesetzes zur Förderung gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern ins Führungsgremien (abgekürzt mit GlTeilhG) zugestimmt. Das Gesetz soll dazu dienen, den Anteil von Vertretern eines möglicherweise unterrepräsentierten Geschlechts in Aufsichts- und Verwaltungsräten von Unternehmen zu erhöhen. Auch wenn der Wortlaut des Gesetzentwurfs immer beide Geschlechter 7

Newsletter Oktober 2012 erfasst, ist eindeutig eine Stärkung des Anteils der Frauen in Führungspositionen bezweckt. So heißt es auch in der Begründung, Ursache für den geringen Frauenanteil seien ideologische Vorbehalte einer von den Männer geprägten Unternehmenskultur gegenüber weiblichen Verhaltensmustern. Zum jetzigen Zeitpunkt spricht mehr dafür, dass die Regierungsmehrheit im Bundestag den Gesetzentwurf ablehnen wird. Mittelfristig ist aber davon auszugehen, dass eine gesetzliche Frauenquote eingeführt wird, so dass schon jetzt ein genauerer Blick auf den Gesetzentwurf lohnt. Welche Gremien und welche Unternehmen würde das Gesetz betreffen? In der jetzigen Fassung bezieht sich der Gesetzesentwurf nur auf Aufsichts- und Verwaltungsräte börsennotierter oder mitbestimmter Gesellschaften. Erfasst ist also nicht die Geschäftsführung einer GmbH oder der Vorstand einer AG. Mitbestimmte Gesellschaften sind solche, die dem Mitbestimmungsgesetz (mehr als 2.000 Arbeitnehmer), dem Montanmitbestimmungesetz (Unternehmen im Bereich des Bergbaus und der Eisen- und Stahlerzeugnisindustrie) oder dem Drittelbeteiligungsgesetz (mehr als 500 Arbeitnehmer) unterliegen. Nicht erfasst sind die Personengesellschaften wie GbR, OHG, KG und Partnerschaftsgesellschaften sowie die Genossenschaften. Welche Regelungen sind zur Verwirklichung der Frauenquote vorgesehen? Geplant sind zwei Schritte: In einem ersten Schritt sollen ab dem 1. Januar 2018 die Aufsichts- und Verwaltungsräte der betroffenen Unternehmen mit mehr als neun Mitgliedern einen Frauen- bzw. Männeranteil von mindestens 20 % erfüllen. In Aufsichts- und Verwaltungsräten mit drei bis sechs Mitgliedern muss mindestens eine Frau bzw. ein Mann vertreten sein. Besteht das Gremium aus sieben oder acht Mitgliedern, muss jedes Geschlecht durch mindestens zwei Vertreter repräsentiert sein. Besteht der Aufsichts- oder Verwaltungsrat mitbestimmter Unternehmen dabei aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern, sind nach dem Gesetzentwurf die Quoten für diese Teilgremien getrennt zu erfüllen. Auf Seiten der Arbeitnehmervertreter soll die Einhaltung durch eine Anpassung der Wahlordnungen sichergestellt werden. Zum 1. Januar 2023 soll die Mindestquote von Frauen bzw. Männern in Aufsichts- und Verwaltungsräten ab neun Mitgliedern auf 40 % angehoben werden. Je nach Größe der Gremien ist wiederum eine gestaffelte Besetzung von mindestens einem Vertreter jeden Geschlechts (2 bis 4 Mitglieder), zwei Vertretern (5 oder 6 Mitglieder) bzw. drei Vertretern (7 oder 8 Mitglieder) vorgesehen. Gibt es Ausnahmen von den festgelegten Quoten? Ja, Ausnahmen sind in zweierlei Hinsicht vorgesehen. Einerseits soll die Quotierung nicht für die Gesellschaften gelten, in denen mindestens 90 % der Belegschaft demselben Geschlecht angehören. Weiter ist eine Härtefallklausel vorgesehen. Die Gesellschaften sind dann nicht an die Quoten gebunden, wenn sie nachweisen, dass trotz erheblicher Anstrengungen nicht genügend geeignete Personen des unterrepräsentierten Geschlechts zur Auswahl standen. Welche Sanktionen sind vorgesehen? Die Nichteinhaltung der gesetzlichen Mindestquoten soll steuerlich sanktioniert werden: Bei quotenwidrig besetzen Aufsichtsoder Verwaltungsräten sollen die an die Mitglieder der Gremien gezahlten Vergütungen nicht von der Körperschaftssteuer abgezogen werden können. Allerdings werden nur Verstöße auf der Arbeitgeberseite sanktioniert, da die Gesellschaft keinen Einfluss auf die Besetzung der Gremien durch die Arbeitnehmer hat. Die Gesellschaften müssen dem Finanzamt nachweisen, dass sie die Mindestquote eingehalten haben. Weiter müssen die Unternehmen Auskunft über die Erfüllung der Quote erteilen, die Auskünfte werden dann in einer neuen Bundesstatistik abgebildet. Ein Verstoß gegen diese Berichtspflicht wird als Ordnungswidrigkeit eingestuft und kann mit einem Bußgeld von bis zu EUR 50.000,00 geahndet werden. Welche rechtlichen Bedenken bestehen gegen die Einführung einer Frauenquote? Gegen eine Frauenquote wurde hauptsächlich eingewandt, dass sich dadurch zwangsläufig eine Diskriminierung der Männer ergeben müsse, die ja nicht richtig sein könne. Der Einwand liegt zwar nahe, er überzeugt aber meines Erachtens nicht. Richtig ist, dass eine Diskriminierung der Männer zur Erreichung eines bestimmten Frauenanteils auch verfassungsrechtlich nicht zulässig ist. Der Gesetzgeber ist aber durch Art. 3 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes verpflichtet, die tatsächliche Durchsetzung der 8

Newsletter Oktober 2012 Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken. Das ist ein Auftrag an den Gesetzgeber. Dieser Auftrag bezieht sich darauf, die berufliche Chancengleichheit herzustellen, die sich nach dem Maßstab gleicher beruflicher Qualifikation richtet. Die Chancengleichheit bei einer Auswahlentscheidung für Aufsichtsgremien lässt sich aber praktisch kaum überprüfen. Wann sind schon zwei Bewerber genau gleich qualifiziert? Die Bewertung der verschiedenen Qualifikationen lässt immer Spielräume offen. Und gerade bei der Auswahl von Mitgliedern für einen Aufsichtsrat gibt es ja keine festgelegten Qualifikationen, die eine Überprüfung der Auswahlentscheidung ermöglichen würden. Daher erscheint es aus meiner Sicht grundsätzlich vertretbar, eine prozentual festgelegte Quote vorzugeben, um damit die Chancengleichheit im Auswahlprozess herzustellen. Ein anderes Mittel, das die Benachteiligung von Frauen effektiv vermeiden würde, wurde bislang nicht vorgeschlagen. Wenn die gesetzliche Einführung einer Frauenquote dann mit langen Übergangszeiträumen und Ausnahmeregelungen oder Härtefallklauseln vorgenommen wird, sprechen aus meiner Sicht kaum ernsthafte rechtliche Argumente dagegen. Es bleibt abzuwarten, ob die gesetzliche Frauenquote bereits im ersten Anlauf die parlamentarischen Hürden nimmt. Früher oder später wird sie aber wohl auch in Deutschland Realität werden. Team Wolfgang Bucksch Rechtsanwalt Fachanwalt für Partner Telefon 0211 51882-125 Telefax 0211 51882-230 E-Mail wolfgang.bucksch@hlfp.de Heiko Langer Rechtsanwalt Fachanwalt für Maître en Droit Partner Telefon 0211 51882-124 Telefax 0211 51882-238 E-Mail heiko.langer@hlfp.de Christoph Schmitt Rechtsanwalt Partner Telefon 0211 51882-123 Telefax 0211 51882-223 E-Mail christoph.schmitt@hlfp.de Dr. Julia Reinsch Rechtsanwältin Fachanwältin für Partnerin Telefon 0211 51882-111 Telefax 0211 51882-220 E-Mail julia.reinsch@hlfp.de Fabian Novara Rechtsanwalt Telefon 0211 51882-124 Telefax 0211 51882-238 E-Mail fabian.novara@hlfp.de Hoffmann Liebs Fritsch & Partner Kaiserswerther Straße 119-40474 Düsseldorf Telefon 0211 51882-0 Telefax 0211 51882-100 E-Mail duesseldorf@hlfp.de Internet www.hlfp.de 9