Ein frischer Wind ist spürbar!



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Transkript:

Ein frischer Wind ist spürbar! Musikalische Grundschule in Hessen - Bilder aus einer anderen Klimazone Gabriele Vogt Susanne Hecht Anke Böttcher Christoph Gotthardt erschienen In: Schulverwaltung Hessen / Rheinland-Pfalz, Heft 11/2007, S. 299-301 Musisch-kulturelle Bildung als Weg der Förderung von Kreativität und Zukunftsfähigkeit ist unbestritten. Insbesondere der Musik wird dabei eine besondere Bedeutung zu geschrieben. Dennoch: Trotz vielseitiger Reformbemühungen wird in der deutschen Schullandschaft musikalisch-sinnlichen Erfahrungen als wesentlichem Element von Allgemeinbildung nach wie vor zu wenig Beachtung geschenkt. Im hessischen Projekt Musikalische Grundschule werden die Handlungsspielräume für musikalische Bildung erstmalig konsequent ausgelotet: 44 Grundschulen betrachten Musik als Gestaltungselement und Motor von Schul- und Unterrichtsentwicklung. Das Projekt 2005 startete das Hessische Kultusministerium in Zusammenarbeit mit der Bertelsmann Stiftung das Projekt Musikalische Grundschule. Im Unterschied zu Konzepten, die vor allem auf die Verstärkung des Fachs Musik ausgerichtet sind, zielt die Musikalische Grundschule auf einen ganzheitlichen Schulentwicklungsprozess: Musik wirkt in den Unterricht aller Fächer hinein, sie ist Lernprinzip und Gestaltungselement im gesamten Schulalltag. Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer einer Musikalischen Grundschule erleben an ihren Schulen mehr Musik von mehr Kolleginnen und Kollegen in mehr Fächern zu mehr Gelegenheiten.

Die Kinder (und mit ihnen ihre Lehrerinnen und Lehrer) hören, entdecken und machen Musik in Improvisationen, Spielen, Inszenierungen, schulischen Ritualen. Sie nutzen in möglichst vielen Fächern musikalische Elemente, um Lerninhalte zu veranschaulichen und zu erschließen. Sie lernen, genau hinzuhören. Sie singen, musizieren und bewegen sich zur Musik, sie erfinden und gestalten Musik. In gemeinsamen schulinternen Fortbildungen entwickeln die Kollegien mit Hilfe einer eigens fortgebildeten Musikfachkraft ihrer Schule kleine musikalische Projekte. Sie bilden sich fachlich fort und überlegen, welchen Part sie selbst und ggf. auch Eltern planerisch und gestaltend in ihrer Musikalischen Grundschule übernehmen können. Verblüffend ist: Erste Auswirkungen zeigen sich nicht primär im Bereich musikalischer Kompetenzen, sondern in einem positiv veränderten Schulklima. Die Kinder entwickeln gemeinsam mit ihren Lehrerinnen und Lehrern ein stärkeres Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten und dies nicht nur auf musikalischer Ebene. Sie erleben, wie lebendig der Schulalltag durch Musik werden kann und wie stark Musik das Gefühl für Gemeinschaft weckt, wenn alle produktiv auf ein gemeinsames Ziel hin arbeiten. Die Leitideen Die Musikalische Grundschule ist ein echtes Entwicklungsprojekt: Am Anfang stand kein fertiges Konzept, sondern die von allen geteilte Vision einer durch Musik belebten, methodisch vielseitigen und anregenden Schule. Außerdem war die Bereitschaft des Projektleitungsteams grundlegend, Schulen, die sich entwickeln wollen, auf ihrem Weg zu begleiten und systematisch zu unterstützen. Es gibt allerdings einige handlungsleitende Prinzipien, die von allen Schulen und dem Leitungsteam umgesetzt werden. Sie sind unseres Erachtens eine unverzichtbare und übertragbare Basis für wirksame und nachhaltige Schulentwicklung. Was alle angeht, können nur alle lösen (F. Dürrenmatt) Erfolgreiche Schulentwicklungsprozesse ereignen sich nicht weisungsgemäß oder als Ergebnis von Einzelaktivitäten. Sie setzen den Willen und die Bereitschaft einer ganzen Schulgemeinde voraus, sich zu verändern. Die Teilnahme am Projekt war daher gebunden an einen Beschluss der Gesamtkonferenz. Alle Beteiligten verpflichteten sich so zunächst ganz formal, an der inhaltlichen und organisatorischen Neugestaltung zur Musikalischen Grundschule mitzuwirken. Sie wählten aus ihrem Kreis eine Musikfachkraft, die sie als Hilfe für eigene Aktivitäten akzeptierten. Alle beinhaltet auch eine Schulleitung, die den Musik-Koordinatorinnen und -Koordinatoren, aktiv zur Seite steht. Es sind Eltern, die engagiert mitmachen, eine regionale und landesweite Schulaufsicht, die sich für die Entwicklung interessiert und sie unterstützt, ein Leitungsteam, das seine unterschiedlichen Kompetenzen und Perspektiven gemeinsam produktiv umsetzt. 2

Profilbildung entsteht aus einer gemeinsamen Phantasie- und Entwicklungsarbeit. Sie nutzt auch bislang unentdeckte Potenziale Motor des Geschehens ist nicht die Belehrung durch externe Experten. Stattdessen geht es darum, die an einer Schule vorhandenen Fähigkeiten und Möglichkeiten zu entdecken und zu mobilisieren. Jeder ahnt, dass die Lehrerinnen und Lehrer, die Kinder und ihre Eltern viel mehr können, als im täglichen Routinehandeln sichtbar wird. Aber welche Fähigkeiten sich da verstecken, bleibt oft verborgen. Erstaunen, sich mal anders zu erleben, Freude darüber, dass auch musikferne Kolleginnen und Kollegen sehr interessante Aspekte einbrachten war ein häufig genannter Aspekt in den Schulberichten. Gute Ideen austauschen, weiter verbreiten, sich wechselseitig stützen - das war auch ein wichtiges Grundprinzip der Fortbildung der Musik-Koordinatorinnen und -Koordinatoren. Innere Beteiligung ist unabdingbare Voraussetzung für die äußere Der tägliche Handlungsdruck und liebgewonnene Routinen bilden ein starkes Bollwerk gegenüber Veränderungen. Kleine Erfolge und Überraschungen, eine andere Art, sich und seine Schülerinnen und Schüler zu erleben, sind gerade in der Anfangsphase weitaus wichtiger als komplexe, erdrückend empfundene Planungen. Dies, gepaart mit alltagstauglichen kleinen Schritten macht ein Kollegium zu innerlich Beteiligten. Die Berichte der Schulen spiegeln alle dieses neue Wir-Empfinden als herausragende Erfahrung. Äußere Beteiligung heißt: konsequente Information von Eltern, Schulleitungen und Schulaufsicht von Beginn an. Aber auch hier ist innere Beteiligung wichtig. Sie stellt sich her, wenn Kinder anfangen, ihre Lieder nach Hause zu tragen, wenn die Schulleiterin beim Gang durch die Flure erlebt, wie es aus allen Ecken klingt, wenn Vertreter der Schulaufsicht bei einer Infoveranstaltung beim Drum Circle mitmachen. Genauso wichtig ist die Chance zum gemeinsamen Denken. Ein zentrales Moment von Schulentwicklungsprozessen sind daher Teamstrukturen und Gelegenheit für Austausch und gemeinsame Reflexion. Bei guter Vorbereitung ergänzen sich unterschiedliche Funktionen, Perspektiven und Interessen sehr produktiv - eine für Beteiligte wichtige und befriedigende Erfahrung. Organisationsformen Der inhaltliche Kurs begründet die Organisationsformen. Eine lebendige kulturelle Praxis verändert die Schule auch organisatorisch: ästhetische Zugangsweisen und Lernmethoden in allen Fächern, die Gestaltung von Schule als kulturellem Ort, Veranstaltungen außerhalb, Aktivitäten mit Eltern, gemeinsame Planungen - all das erfordert mehr Spielräume, andere Zeittakte, vielleicht neue Raumkonzepte. Wo inhaltliche Planung durch eine entsprechende Organisation gestützt wird, begegnet man der Gefahr, die Euphorie des Beginnens schnell in der Widerständigkeit der äußeren Bedingungen zu verlieren. Schulentwicklung ist kein Selbstläufer. Qualität muss langfristig unterstützt werden von innen und außen. Aktive Unterstützung, systematischer Austausch, Vernetzung und koordinierte Weiterqualifizierung sind wichtige Stichworte für eine erfolgreiche Schulentwicklung. 3

Um die konzeptionelle Arbeit an den (bisher) 44 beteiligten Schulen zu unterstützen, stellt das Hessische Kultusministerium ihnen ein befristetes Zeitdeputat zur Verfügung. Ein Landeskoordinator sorgt dafür, dass der Austausch zwischen den beteiligten Schulen und deren Weiterqualifizierung auch langfristig gesichert ist. Die Bertelsmann Stiftung ermöglicht den Musik-Koordinatorinnen und -Koordinatoren eine insgesamt elftägige Fortbildung, die fachlichen Austausch und Input mit der Vermittlung von Prozess-Steuerungskompetenzen verbindet. Musikpakete der Stiftung unterstützen die Schulen in begrenztem Umfang auch materiell. Nach der Initialphase von Fortbildung und Konzeptentwicklung werden die Staatlichen Schulämter den Prozess an den Schulen begleiten. Erfahrungsaustausch und Weiterentwicklung werden dann im Rahmen regionaler Verbünde unterstützt. Die gemeinsame Entwicklung von Kriterien und Indikatoren für den Zertifizierungsprozess nach zwei Jahren Projektarbeit soll die Qualitätssicherung und -entwicklung im Projekt unterstützen. Das Projekt wird gesteuert von einem Leitungsteam, das über Kompetenzen im Bereich von Fachwissenschaft und -didaktik, Schulverwaltung und Schulaufsicht, Prozesssteuerung und Projektmanagement verfügt. Die Entwicklung der Musikalischen Grundschule wird in beiden Projektphasen von der Universität Kassel (Prof. Dr. Frauke Heß und Prof. Dr. Jan Hemming vom Fachbereich Erziehungswissenschaften, Fachrichtung Musik) wissenschaftlich begleitet und evaluiert. Regelmäßige Berichte der Schulen, Auswertungskonferenzen mit dem Leitungsteam und die Ergebnisse der wissenschaftlichen Evaluation der Universität Kassel liefern wichtige Steuerungsinformationen für Gelingensfaktoren von Schulentwicklungsprozessen. Das Fortbildungskonzept Um den Entwicklungsprozess der Schulen zu unterstützen, wurden in den Schuljahren 2005/06 und 2006/07 insgesamt 44 hessische Musikfachkräfte zu Musik-Koordinatorinnen und -Koordinatoren fortgebildet. Die elf Fortbildungstage in der hessischen Landesmusikakademie Schlitz sind Keimzelle des Entwicklungsprozesses für die Musikalischen Grundschulen. Hier werden die Musik-Koordinatorinnen und -Koordinatoren in vier Modulen methodisch und inhaltlich auf ihre neuen Aufgaben vorbereitet. Folgende Schwerpunkte bestimmen die Fortbildungsmodule: Netzwerk- und Unterstützungskultur etablieren Strukturierung und Vernetzung von vorhandenem Expertenwissen - Austausch von musikalischen Best - Practice - Ideen zu unterschiedlichen Themengebieten unter Berücksichtung fächerübergreifender Aspekte von Musik - Entwicklung einer gemeinsamen Material- und Ideenbörse - Stärkung des eigenen Profils sowie wechselseitige Unterstützung 4

Rollen klären und Rollensicherheit erwerben - Rollen als Koordinatorin/Koordinator, Moderatorin/Moderator und Fortbildnerin/Fortbildner unterscheiden lernen und entsprechende Zuständigkeiten klären - verschiedene Kommunikationsmodelle kennen lernen - kommunikative Kompetenzen üben und reflektieren Prozesssteuerungskompetenz entwickeln Theoretisch/praktische Vermittlung von Erklärungs- und Reflexionsmodellen: - Systemische Sichtweisen - Projekt- und Changemanagementaspekte - Moderationstechniken - Konferenzleitung Prozess- Im Folgenden werden die vier Module beispielhaft anhand des dritten Aspekts steuerungskompetenz entwickeln erläutert. Modul 1: Den Prozess Musikalische Grundschule ins Rollen bringen Orientiert am Format einer Zukunftswerkstatt durchlaufen die MKs drei Phasen: Bestandsaufnahme, Visionen entwickeln, Umsetzung in konkrete Projekte. Anschließend werden sie angeleitet, eine Zukunftswerkstatt mit dem eigenen Kollegium durchzuführen. Als Anregung erhalten die MKs ein detailliertes Skript mit genauer Zeit-, Phasen- und Inhaltsplanung sowie Anmoderationen. Modul 2: Den Prozess Musikalische Grundschule in Bewegung halten - Austausch und Reflexion über den bisherigen Projektverlauf an den einzelnen Schulen - Vermittlung von Methoden und Strukturen für Gelingen und Verstetigen des Prozesses - Individuelle Fallberatung und Supervision Modul 3: Zwischenbilanz ziehen Vorbereitung auf die zweite Konferenz zur Zwischenbilanz: - Vermittlung und Erarbeitung von Kompetenzen, die es den MKs ermöglichen, die Konferenz mit dem gesamten Kollegium zu leiten - Stimmungsbilder einholen, Prozessverlauf und bisherige Ergebnisse reflektieren und ggfs. miteinander Kurskorrekturen vornehmen - Individuelle Fallberatung und Supervision Modul 4: Gesamtprozess auswerten und Nachhaltigkeit sichern Vorbereitung auf die Auswertungskonferenz: - Zielerreichung einschätzen - Positive und negative Erfahrungen austauschen - Resumée der Eltern und der Schülerschaft einholen - Gelungene Strukturen und Prinzipien ableiten - Individuelle Fallberatung und Supervision 5

Die Umsetzung der Musikalischen Grundschule gestaltet jede Schule individuell. Gesteuert und unterstützt wird dieser Prozess durch zu Koordinatorinnen und Koordinatoren weiterqualifizierten Musik-Fachkräfte. Die entscheidende Größe im Entwicklungsprozess ist aber das gemeinsame Interesse eines Kollegiums, sich als Musikalische Grundschule zu profilieren. Dabei geht es nicht um punktuelle Impulse, sondern um einen langfristig wirksamen Prozess, der auch die Elternschaft einbezieht und damit für die ganze Schulgemeinde bedeutsam wird. Innenansichten aus den Projektschulen Wo ein Kollegium die Idee der Musikalischen Grundschule aufnimmt, entsteht ein musikbezogener und methodischer Impuls, der über das Fach Musik hinaus wirkt. Eine Musikkoordinatorin schreibt in ihrem Abschlussbericht am Ende des ersten Entwicklungsjahrs: Durch den Entwicklungsprozess hat Musik an unserer Schule noch einmal einen höheren Stellenwert erhalten. Sie ist inzwischen in einem von der Schulgemeinde getragenen Konsens wichtiger Inhalt der alltäglichen Arbeit geworden. So ist das aktive Musizieren, das bisher auf den Musikfachunterricht und die AG-Angebote beschränkt war, ein alltäglich wiederkehrendes Ritual geworden und in den Unterricht aller Fächer eingezogen. Der fächerübergreifende Einsatz von musikalischen Elementen hat neue Formen der Präsentation von Unterrichtsinhalten eröffnet und wurde fester Bestandteil der Methodenkompetenz des Kollegiums. Auf der Suche nach Wegen, die inhaltliche Grundidee gemeinschaftlich umzusetzen, werden neue schulische Strukturen angeregt, die meist nach reger Diskussion im Kollegium vorgeschlagen und in Zusammenarbeit mit der Schulleitung organisatorisch umgesetzt werden. Ein Beispiel dafür ist das Projekt Jahrgangsübergreifende Musikstunde, in dem alle Lehrkräfte ein musikalisches Projekt anbieten, in das sich alle Schüler der zweiten bis vierten Klassen für ein Halbjahr in klassen- und jahrgangsübergreifende Gruppen einwählen. Es wurde nicht nur als inhaltlich-fachlicher Gewinn empfunden, sondern auch als Bereicherung des Schulalltags. Ein zentrales Element von Schulentwicklung ist die Entdeckung verborgener Potenziale: Ich hätte nicht gedacht, dass ich jemals mit einer Klasse singen würde. Das intensivierte Gemeinschaftsgefühl ist ein weiterer oft genannter Aspekt. Es konkretisiert sich im umfassenderen Austausch: Gemeinsame Fortbildungen, Aufführungen mit Beteiligung aller Kolleginnen und Kollegen bieten immer wieder Anlass zur Kommunikation und stärken das Zusammenwachsen des Kollegiums. Entscheidend ist dabei der veränderte Blick aufeinander und auf das gemeinsame Tun in der Schule: Wir im Kollegium empfinden das Musizieren mehr denn je als persönliche Bereicherung und als Chance, Schülerinnen und Schülern sowie Eltern aktiv an Schulentwicklung zu beteiligen. 6

Perspektiven Die erste Projektphase endet im Dezember 2007. Die positiven Signale aus den Schulen, gestützt durch die Berichterstattung der wissenschaftlichen Projektbegleitung, veranlassten das Hessische Kultusministerium und die Bertelsmann Stiftung, das Projekt bis Ende 2010 zu verlängern. Ziel ist es, durch ein innovatives Transferkonzept nachhaltige Strukturen zu schaffen. Sie sollen die Entwicklungsarbeit an den bisherigen Projektschulen stabilisieren und gleichzeitig max. 60 weiteren hessischen Grundschulen die Möglichkeit bieten, sich zu einer Musikalischen Grundschule zu entwickeln. Das Transferkonzept steht auf zwei Säulen. Qualifizierung und Qualitätssicherung Die zweite Projektphase beginnt mit der Zertifizierung von 40 Projektschulen als Musikalische Grundschulen. Hierfür legen die Schulen eine Bestandsaufnahme und Entwicklungsplanung vor dem Hintergrund einheitlicher Kriterien vor, deren Umsetzung 2010 evaluiert wird. Aus dem Kreis der zertifizierten Schulen werden dann sog. Patenschulen gewonnen, die die Verbindung von inhaltlicher und organisatorischer Entwicklung besonders überzeugend repräsentieren und bereit sind, sich für andere Schulen zu öffnen. Diese Schulen übernehmen einen Teil der Fortbildung für Schulen, die als 3. Staffel neu ins Projekt kommen und unterstützen sie in der Initialphase. Außerdem sorgen sie für den Austausch zwischen allen regional beteiligten Musikalischen Grundschulen. Zur Förderung des Austauschs zwischen den Musik-Koordinatorinnen und -Koordinatoren bleibt ein Teil der Fortbildung weiterhin zentral. Die Musik-Koordinatorinnen und -Koordinatoren der Patenschulen werden für ihre Aufgabe zusätzlich qualifiziert. Sie stehen in engem Kontakt zum zuständigen Dezernat des Staatlichen Schulamts und zum Landeskoordinator. Regionale Verbünde und landesweite Vernetzung Vom Schuljahr 2008/09 an werden in Zusammenarbeit mit den zuständigen Staatlichen Schulämtern regionale Verbünde von Musikalischen Grundschulen aufgebaut. Die landesweite Vernetzung und Weiterqualifizierung der Musik-Koordinatorinnen und - Koordinatoren erfolgt bis zum Projektende 2010 über die oben genannten Fortbildungen. Ein vom Kultusministerium beauftragter Koordinator wird auch nach 2010 dafür sorgen, dass Austausch und Vernetzung gesichert bleiben. So bleibt auch die Transferphase den zentralen Prinzipien von Schulentwicklung verpflichtet: sein eigenes Potenzial entdecken, sich durch Austausch und wechselseitige Hilfe entwickeln und sich der gezielten Unterstützung von außen versichern. Weitere Informationen sowie Ansprechpartner finden Sie unter: www.bertelsmann-stiftung.de/musik http://netzwerk.bildung.hessen.de/schulentwicklung/musikalische_grundschule/index.html 7