Komorbidität ADHS und Abhängigkeitserkrankungen

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Transkript:

Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität am Bezirksklinikum Komorbidität DHS und bhängigkeitserkrankungen Norbert Wodarz DHS + (IFT, 2003) 1

DHS National Comorbidity Survey Replication N = 3197; lter: 18 44 J. dultes DHD: 4,4% Persistenz: 36,3% (Kessler et al., 2006) DHS + US (Übersicht aus Levin et al., 2008) DHS + (Wilens et al., 1998) 2

+ DHS bhängigkeit lkohol illegale Drogen N 555 55 lter (Jahre) 43 29 Lebenszeit-DHS + 19% 37% (König et al., 2007) Seitz et al., 2013 18,3% Van Emmerik et al., 2012 24% Ethanolkonsum Phänotyp 3

Beginn Phänotyp 2. Zwischenergebnis lkoholabhängigkeit Soziale Depravation Suizidalität Justiz SPD 19% DHD 8% adult. FH+ Besonders früher Beginn abhängigkeitsspez. Symptome 4

+ DHS Typologie nach Cloninger (Cloninger et al., 1981) Typ 1 Umweltfaktoren später Beginn milder Verlauf Schuld-/ngstgefühle Typ 2 Genetik früher Beginn schwerer Verlauf impulshaftes Verlangen Cloninger 2. Zwischenergebnis lkoholabhängigkeit Soziale Depravation Suizidalität Justiz DHS SPD FH+ Cloninger 2 Besonders früher Beginn abhängigkeitsspez. Symptome 5

+ DHS Risikofaktoren für besonders ungünstige und schwere Verlaufsformen (Mulder, 2002; Metaanalyse) ntisoziale Persönlichkeit; Störungen im Sozialverhalten Impulsivität; Hyperaktivität Hohes Novelty Seeking Cloninger Typ 2 (Cloninger, 1987; Cloninger et al., 1994) Früher Konsumbeginn (Grant et al., 2001) + DHS Ridinger et al., 2011 3. Zwischenergebnis lkoholabhängigkeit Soziale Depravation Suizidalität Justiz FH + Cloninger 2 DHD DHD SPD Besonders früher Beginn abhängigkeitsspez. Symptome Häufiger Rückfälle Höhere Trinkmengen 6

Korreliert mit Prognose (Wise et al., 2001) Wo. (Levin et al., 2004) Exkurs DHS-Symptome + Repräsentativerhebung Schüler 9. Klassen Gesamt (N) 1942 w/m (%) 50.7 / 49.3 lter (Jahre) 15.2 ± 0.7 (Kraus et al., 2004; Wodarz et al., 2007) Exkurs DHS-Symptome + Repräsentativerhebung Schüler 9. Klassen lter bei Erstkonsum (Kraus et al., 2004; Wodarz et al., 2007) 7

Exkurs DHS-Symptome + Repräsentativerhebung Schüler 9. Klassen Probierkonsum (Kraus et al., 2004; Wodarz et al., 2007) Exkurs DHS-Symptome + Repräsentativerhebung Schüler 9. Klassen (Kraus et al., 2004; Wodarz et al., 2007) Kokain Carroll & Rounsaville, 1993; Clure et al., 1999; Levin et al., 1998; 2004; Soler et al., 2004 15 35% lkohol Krause et al., 1998; Johann et al., 2003; Wilens et al., 2004; Wodarz et al.., 2004, Ohlmeier et al., 2005 10 45% Exkurs: DHS-Symptome und Impulsivität, soziales Funktionsniveau, Griffnähe, Verlangen Sobanski nach et al., Rauschgefühl, 2004 Selbstmedikation Khantzian, 1990; Wilson & Levin, 2001; Marks et al., 2001; Murphy et al., 2002; Davids et al., 2003 Persistierendes DHD 40-60% 16-50% Tabak Pomerleau et al., 1995, 2003; Milberger et al., 1997; Sullivan et al., 2001; illegale Drogen Manuzza et al., 1993; Biederman et al., 1993; Wilens et al., 1997, 1998; Sullivan et al., 2001; Robbins, 2002; Johann et al., in prep.; 8

DHS + andere Süchte Exkurs: DHS-Symptome und eigene Ergebnisse lkohol bhängigkeit illegale Drogen N 368 55 lter (Jahre) 42 29 DHS + 19% 37% Erfahrung mit Methylphenidat 3% 38% (König et al., 2007) Methylphenidatmissbrauch Herkunft (Unglaub et al., 2007) 9

Methylphenidatmissbrauch Verabreichung (Unglaub et al., 2007) Methylphenidatmissbrauch Häufigkeit (Unglaub et al., 2007) Meta-nalyse Methylphenidat SUD 15 Prospektive Longitudinalstudien N = 2565 (Humphreys al., 2013) 10

Cumulative lifetime risk for (a) any substance use disorder and (b) nicotine dependence.survival curves were calculated using Cox proportional hazard regression. Groenman P et al. BJP 2013;203:112-119 Prospektive Longitudinalstudie: 176 Methylphenidate-behandelte Jungs (6 12Jahre) DHD ohne Störung des Sozialverhaltens Follow up: - späte doleszenz (im Schnitt 18.4 Jahre; retention rate=94%) - Erwachsenenalter (im Schnitt 25.3 Jahre; retention rate=85%) ssoziation zwischen lter bei der 1. Behandlung mit Methylphenidate und späterem Substanzmißbrauch bzw. -abhängigkeit erklärt durch antisoziale Persönlichkeitsstörung/Störung des Sozialverhaltens Manuzza et al., 2008 Zusammenhang zwischen und Stimulantienbehandlung bzw. Störung des Sozialverhaltens bei männlichen DHD-Betroffenen Substance Use Outcome Univariate Cox Survival Models Stimulanzien Behandlung Störung des Sozialverhaltens Relatives Risiko 95% CI p Relatives Risiko 95% CI p lkoholmissbrauch 0.9 0.5 1.6 0.74 1.7 1.0 2.8 0.06 lkoholabhängigkeit 0.8 0.4 1.7 0.56 2.0 1.0 4.2 0.06 Drogenmissbrauch 1.2 0.6 2.3 0.67 1.8 1.0 3.3 0.07 Drogenabhängigkeit 0.7 0.3 1.7 0.48 2.6 1.1 5.9 0.03 Nikotinabhängigkeit 0.8 0.4 1.4 0.41 2.6 1.5 4.5 p<0.01 Biederman et al., 2008 11

Methylphenidat (MPH) = Kokain? i.v., oral: 20mg; nasal: 25 50mg MPH Volkow et al., 2003 Verstärkereffekte von MPH...sind abhängig von der Dosis von der Pharmakokinetik (schneller Konzentrationsanstieg i.v., nasal) von individuellen Unterschieden ( high-gefühl ) vom Kontext (Umgebung, Rituale, etc.) + DHS Empfehlungen Diagnose: Vorliegen der Störung im Kindes- und Jugendalter Strukturierte Erhebung ist hilfreich (z.b. WURS), aber nicht mit der Diagnose gleichzusetzen Fremdanamnese möglichst fachärztlich abzusichern Behandlungsbedürftigkeit: Diagnose bedeutet noch nicht Behandlungsbedürftigkeit! usmaß der konkreten Beeinträchtigung dokumentieren Zielsymptome der Behandlung Wodarz et al., Psychiatrische Forschung, 2010. 12

+ DHS Empfehlungen Medikation: beachte: off-label-use Mittel der 1. Wahl: Nicht-Stimulanzien Falls Stimulanzien: stichhaltige Dokumentation möglichst nur retardierte Präparate bei Substitutionspatienten (hohe Rate iv-missbrauch!): angepasst an Substitutvergabe Überprüfung des Behandlungserfolges: usmaß der konkreten Besserung der Zielsymptomatik (inkl. Fremdanamnese) Psychotherapie:?? Wodarz et al., Psychiatrische Forschung, 2010. + DHS Subgruppe mit spezifischem Risikoprofil (Früher Beginn, schwerer Verlauf, komorbide Persönlichkeitsstörungen, brechen häufiger in der nfangsphase ab, verweilen kürzer in, nutzen seltener Nachbetreuungsangebote) Bislang keine klare Evidenz einer besonders wirksamen medikamentösen Behandlung usstehend: neurobiologische Zusammenhänge Prävention: frühzeitig & subgruppenspezifisch Effektivität psychotherapeutischer Maßnahmen 13