Wintersemester 2006-07 / Vorlesung: Methoden der empirischen Sozialforschung / Lehrstuhl für Mikrosoziologie / Prof. Dr. Karl Lenz

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Vorlesung im Wintersemester 2006-07 Prof. Dr. Karl Lenz Methoden der empirischen Sozialforschung III. Komplex: Qualitative Forschungsmethoden Folien zur Vorlesung im Netz: www.tu-dresden.de/phfis/lenz

1. Qualitative 0. Einführung 1. 2. Experteninterview und Gruppendiskussion qualitativer 2. im Überblick 2.1 Zur Technik der Leitfaden-s 2.2 Zur Technik der erzählgenerierenden s 3. Zur Vor- und von s

qualitativer als ein rekonstruierendes Verfahren: Das ist eine Form des verbalen Kommunizierens, in welcher grundsätzlich dem ten die Aufgabe zukommt, aktiv Ereignisse, Erfahrungen, Handlungen und Wissen zu rekonstruieren.

als asymmetrische Kommunikationsform: Das Grundprinzip nichtstandardisierter (=qualitativer oder offener) führung besteht darin, so wenig direktiv wie irgend möglich zu verfahren. Der te soll seine eigenen Relevanzen entwickeln und formulieren.

Der er wechselt zwischen: dem des interessierten, aber relativ schweigsamen Zuhörers, dem des involvierten, engagierten Gesprächspartners und dem des lästigen Nach- und Rück-Fragers.

Zur Datengenerierung ist das (qualitative) immer dann nützlich, wenn es nicht - bzw. im Hinblick auf das je gegebene Erkenntnisinteresse unzulänglich - gelingt, natürliche Daten zu gewinnen bzw. wenn es nicht möglich ist, durch eigene (unmittelbare) Erfahrung Kenntnisse und Kompetenzen im Hinblick auf das Forschungsthema zu erlangen. Wichtig: Immer die Erkenntnisgrenzen qualitativer s beachten!

2. im Überblick Qualitative s (bzw. verfahren) unterscheiden in den folgenden Aspekten: ausformulierte Fragen oder offene Gesprächsführung fester Fokus oder breites Spektrum von Themen Aufforderung zur Narration oder Erhebung allgemeinerer Deutungen und komplexer Argumentationen

Im Folgenden soll unterschieden werden zwischen: Leitfaden-s und Erzählgenerierenden s.

2.1 Zur Technik der Leitfaden-s Das Charakteristikum besteht darin, dass vor dem ein Leitfaden mit vorformulierten Fragen oder Themen erarbeitet wird, der der Durchführung des s zugrunde liegt. Der Leitfaden dient auch dazu, eine gewisse Vergleichbarkeit der Ergebnisse verschiedener Einzelinterviews zu sichern.

Große Unterschiede existieren je nach dem, wie stark das durch die Leitfragen strukturiert wird. Reihenfolge der Fragen sollte im Regelfall nur als Erinnerungsstütze dienen (Raum für Nachfragen). Gefahr der Leitfadenbürokratie

Varianten und Weiterentwicklungen von Leitfaden- s: (1) Fokussiertes (Merton/Kendall) (2) Dilemma- (Piaget, Kohlberg) (3) Problemzentriertes (Witzel) (4) Struktur-Lege-Techniken

2.2 Zur Technik der erzählgenerierenden s ter soll zu Erzählungen (zu Alltag, Biografie oder speziellen Erfahrungen) angeregt werden. Dem Befragten wird weitgehend die Strukturierung des Gegenstandes überlassen. Datenmaterial des s wird nicht durch Vorgaben (Leitfragen) von Seiten des Forschenden vorstrukturiert. Der er ist interessierter Zuhörer.

(1) Narratives (Schütze 1977): Die Befragten sollen dazu bewegt werden, die Geschichte des in Frage stehenden Gegenstandsbereichs als eine zusammenhängende Geschichte aller relevanten Ereignisse von Anfang bis Ende zu erzählen.

Der Kern eines narrativen s ist die Erzählung der Geschichte eines Ereigniszusammenhangs, den die befragte Person (zumindest teilweise) selbst erlebt hat. Die dominante Darstellungsform ist dabei die Erzählung einer Geschichte.

Andere Darstellungsformen: Beschreibung und Argumentation

Dreifacher Zugzwang des Erzählens: Zwang zur Gestaltschließung Zwang zur Kondensierung Zwang zur Detaillierung

Phasen des narrativen s: Einleitungsphase: Information über die Besonderheiten des narrativen s Phase der Haupterzählung: Am Anfang steht ein Eingangsstimulus. er/in hört nur zu.

Beispiel für einen Eingangsstimulus: Ich möchte Sie bitten, mir zu erzählen, wie sich die Geschichte Ihres Lebens zugetragen hat. Am besten beginnen Sie mit der Geburt, mit dem kleinen Kind, das Sie einmal waren, und erzählen dann all das, was sich so nach und nach zugetragen hat, bis zum heutigen Tag. Sie können sich dabei ruhig Zeit nehmen, auch für Einzelheiten, denn für mich ist alles das interessant, was Ihnen wichtig ist.

Nachfragephase: Zunächst wird der/die Erzähler/in aufgefordert, unklar gebliebene Erzählpassagen zu präzisieren (immanente Nachfragen). Dann soll auch Raum für exmanente Nachfragen gegeben werden.

(2) Episodisches (Flick 1995): Es erhebt narrativ-episodisches Wissen in Form von Erzählungen über Situationen. (3) Ero-episches Gespräch (Girtler 1988): Für die Feldforschung ist es nach Girtler notwendig, dass Frage und Erzählung miteinander verwoben werden.

3. Zur Vor- und von s Vorbereitung und Durchführung: Auswahl der Befragten: Schneeballverfahren, theoretical sampling Vorbereitung des termins Beziehungsarbeit Auswahl des Ortes er muss mit dem Projekt vertraut sein Aufzeichnung des s

: Rekonstruktion und schriftliche Fixierung des Gesprächsverlaufs, der entstandenen Eindrücke und der eigenen emotionalen Befindlichkeit Notieren formaler Aspekte (Termin, Ort, Dauer usw.)

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit. Folien zur Vorlesung im Netz: www.tu-dresden.de/phfis/lenz