Make things as simple as possible, but not simpler. Albert Einstein

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Transkript:

Epileptologie Florian Heinen & Ingo Borggräfe Dr. von Haunersches Kinderspital der Universität München Pädiatrische Neurologie I Entwicklungsneurologie I Sozialpädiatrie

Make things as simple as possible, but not simpler Albert Einstein

Anfall

Anfall

Holy five Anfall S y n d r o m e Epilepsie Ätiologie Semiologie Therapie Diagnose

Wissen Vision Anfall Sicherheit Lebensqualität Verstehen Besserung

Holy five der Epileptologie 1. Lokalisation 2. Anfallssemiologie I Beschreibung 3. Ätiologie 4. Häufigkeit 5. Sonstiges I Relevantes 6. Besonderes: Syndrome in der Epileptologie 7. Terminologie: fokal / generalisiert, symptomatisch / idiophatisch, kryptogen

Notfalltherapie

Einzelner epileptischer Anfall Keine Therapie, wenn < 3 Minuten Obsolet (!) Beißkeil (Sauerstoffgabe)

Prolongierter Anfall (> 3 Min) oder Anfallsserien oder Status epilepticus Diazepam rektal < 15 kg KG 5 mg Diazepam rectal tube > 15 kg KG 10 mg Lorazepam 0,05-0,1 (- 0,2) mg/kg KG Tavor expidet buccal vor die Zahnreihe Midazolam 0,1 0,5 (0,7) mg/kg KG Dormicum intranasal I Spray I individualisiert

Anfall

Fieberkrampf Fieberanfall

Daten 2-4% aller Kinder häufigste neurologische Störung im Kindesalter 30 % Rezidiv höchste Inzidenz um den 18. Lebensmonat 80% tonisch-klonisch in 5% der Fälle Status epilepticus (Dauer > 30 min) Risiko einer späteren Epilepsie nach einfachem Fieberkrampf: 2,4% im Vergleich zur Normalbevölkerung: 1%

Therapie des Fieberanfalls

Anfall

Epilepsien

Holy five der Epileptologie 1. Lokalisation 2. Anfallssemiologie I Beschreibung 3. Ätiologie 4. Häufigkeit 5. Sonstiges I Relevantes

Therapie Grundlagen Monotherapie vor Polytherapie (< 3 Medikamente) Eindosieren, Aufdosieren, Ausdosieren,... Absetzen bei fehlendem Ansprechen / Provokation (!) Diagnose überprüfen Compliance Beratung Lebensumstände

Anfall

Rolando-Epilepsie Grundlagen Häufig! 15 % der Epilepsiediagnosen (< 15. Lj) Manifestation 3. 13. Lj. (2 / 3 Jungen), meist 7. 10. Lj Altersbezogen (selbstlimitierend in der Pubertät) Genetisch determiniert (Locus Chr. 15q14) 10 20 % anamnestisch Fieberkrämpfe Altersentsprechende Entwicklung, unauffällige Neurologie: alles außer EEG normal cerebrale Maturationsstörung

Rolando-Epilepsie Anfall Semiologie seltene, meist einfach fokale Anfälle 75 % schlafgebunden, kurz (1 2 min) unilaterale, faziale, sensomotorische Anfälle (30 50 %) häufig oropharyngeale Symptome Spracharrest / - störung (> 40 %), Hypersalivation (~ 30 %) sekundär generalisierte tonisch-klonische Anfälle (30 60 %; vor allem jüngere Kinder)

Rolando-Epilepsie EEG Grundrhythmus normal Altersentsprechende Gliederung gut strukturierte sharp-slowwave zentral / temporal / parietal (~ 4 20 / min) häufig bilateral / wechselnd / multifokal Aktivierung im Schlaf (Häufigkeit, Ausbreitung)

Rolando-Epilepsie Therapie Sichere Indikation: Anfälle Erweiterte Indikation: bei nachgewiesenen neuropsychologischen Defiziten Therapie der Wahl (D, A, CH): Sultiam (Ospolot ) 5 ( 12) mg / kg KG / d Effektivität 80-90 % NW: Tachy- / Hyperpnoe, initial Müdigkeit, selten Schwindel, Parästhesien, reversibel Restliches Europa, USA: Carbamazepin, Oxcarbazepin, Levetirazetam

Rolando-Epilepsie Prognose Gut! Unabhängig von Häufigkeit und Beständigkeit der IETP Remission in 2 4 Jahren, meist vor 14. Lj. (Pubertät) 60 bis 80 % der Patienten max. 2 10 Anfälle z.t. Lernstörungen, Sprachentwicklungsstörungen, Verhaltensstörungen (selten bleibend) Selten (< 1 %): CSWS (Continous Spike and Wave during Slow Sleep)

Anfall

Absence-Epilepsie Grundlagen Gruppe der Idiopathischen Generalisierten Epilepsien (IGE; ~ 40 % aller Epilepsien) genetisch determiniert (heterogen) typische Provokation durch Hyperventilation (HV; 90 %), Schlafmangel wichtige DD: komplex fokale Anfälle seltener, länger (> 30 sec), häufiger komplexe Automatismen, postiktal auffällig, weniger durch HV provozierbar

Absence-Epilepsie Grundlagen Frühkindliche Absence-Epilepsie Absence-Epilepsie des Schulalters, Pyknolepsie (CAE Childhood Absence Epilepsy) Absence-Epilepsie des Jugendalters (JAE Juvenile Absence Epilepsy)

Absence-Epilepsie Grundlagen (CAE) Manifestation 4. 10. Lj. (2/3 Mädchen), meist 5. 7. Lj Altersentsprechende Entwicklung, unauffällige neurologische Untersuchung Häufige Anfälle (z.t. > 100 / d) Kurze Dauer (~ 4 30 sec), meist ca. 10 sec Plötzlicher Beginn, plötzliches Ende Bewusstseinspause, Amnesie

Absence-Epilepsie Semiologie (CAE) Typische Absencen ( Der Klassiker ) Plötzliche, kurze und ausgeprägte Bewusstseinsstörung mit fehlender Reaktion auf Ansprache, meist Tätigkeitsunterbrechung Häufig spontanes Augenöffnen, Blickdeviation nach oben Häufig (~ 2/3) Automatismen ( komplexe Absencen ) Keine anderen Anfallstypen parallel (erst später evtl. GTCS / GTKA)

Absence-Epilepsie EEG (CAE) Grundrhythmus normal spontan und / oder unter HV generalisierte 3 3,5/sec Spike-wave Paroxysmen häufiger Photosensibilität häufig frontal betont, frontal beginnend

Absence-Epilepsie Therapie (CAE) Therapie der Wahl: Valproinsäure (z.b. Orfiril, Ergenyl ) 20 ( 50) mg / kg KG / d (nach BSP 50 100 mg / l) Alternativ Ethosuximid (z.b. Petnidan ) 15 ( 40) mg / kg KG / d Lamotrigin (Lamictal ) 3 ( 15) mg / kg KG / d Valproinsäure + Lamotrigin (bis 5 mg / kg KG / d) Valproinsäure + Ethosuximid Valproinsäure + Levitirazetam (Keppra )

Absence-Epilepsie Prognose (CAE) Gut! bis zu 90 % anfallsfrei unter Monotherapie > 90 % Remission bis zum 12. Lj. (Pubertät) < 10 % später Epilepsie mit Generalisierten Tonisch-Klonischen Anfällen (GTKA) im Jugendalter

Anfall

Juvenile myoklonische Epilepsie Grundlagen Gruppe der IGE genetisch determiniert; z.b. Chr. 6p21 positive Familienanamnese bei 17 47 % Manifestation 12. 19. Lj. (m = w) typische Provokation durch Schlafmangel, Alkohol, HV, FS Anfälle meist in den ersten beiden Stunden nach dem Aufwachen

JME Anfall / Semiologie Plötzliche, kurze, symmetrische Zuckungen (Myoklonien) meist in Schultern und Armen ohne Bewusstseinsstörung isoliert oder in Salven, klassisch: beim Frühstück häufig Fallenlassen oder Wegschleudern von Gegenständen in der Hand Subtile Anfälle, FRAGEN bei 90 % der Patienten im Verlauf GTCS morgens oder in frühen Abendstunden ( Feierabend-Grand-mal )

JME EEG Grundrhythmus normal im Ruhe-EEG generalisierte 3 4/sec Spike-wave bzw. Poly-Spike-Wave-Komplexe häufig frontal betont, frontal beginnend z.t. 5 20 Spikes, je nach Intensität der Myoklonien 30 90 % Photosensibilität

JME Therapie Therapie der Wahl: Valproinsäure (z.b. Orfiril, Ergenyl ) 20 ( 50) mg / kg KG / d (nach BSP 50 100 mg / l) Alternativ Lamotrigin (Lamictal ) 3 ( 15) mg / kg KG / d, jedoch weniger Erfahrungen Valproinsäure + Ethosuximid (Petnidan ) Valproinsäure + Lamotrigin

JME Prognose Gute Behandlungsprognose bis zu 70 90 % anfallsfrei unter Monotherapie (VPA) je früher und konsequenter Therapie, umso besser Rezidive häufig meist Non-Compliance, Schlafmangel, Alkoholkonsum bei Absetzversuch auch nach Jahren bei 80 % Rezidive meist lebenslange Therapie notwendig

Anfall

Make things as simple as posible, but not simpler Albert Einstein