Wie gefährlich ist Marathonlaufen?

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Reporter: Wie haben Sie es geschafft, so alt zu werden? Churchill: NO SPORTS!

Plötzlicher Herztod beim Sport Kollektiv Häufigkeit Literaturstelle College-Sportler,USA 1:200.000/a Van Kamp et al. 1995 Med Sci Sports Exerc 27, 641 Wettkampfsportler, ITA 1,6:100.000/a Corrado et al. 1998 N Engl J Med 339, 364 Marathonteilnehmer 1:50.000 Starter Maron et al. 1998 JACC 28, 428 Ältere Jogger 1:15.000/a Siscovic et al. 1984 N Engl J Med 311, 874

H. Löllgen: Stellenwert körperlicher Aktivität in der Primärprävention kardialer Erkrankungen Körperliche Inaktivität = gesicherter Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen. Nachteile und kardiovaskuläre Komplikationen bei körperlicher Aktivität sind zu vernachlässigen, wenn Vorsorgeuntersuchungen erfolgen und ein sinnvolles Aufbautraining eingehalten wird. Deutsches Ärzteblatt; Jg. 100; Heft 15; 11. April 2003

Prof. V. Schneider (Rechtsmediziner): Sport ist heute eine sehr ernste, todernste Sache geworden, auch für die Zuschauer. Der plötzliche Tod auf der Tribüne kommt beim emotional stark engagierten Zuschauer sogar häufiger vor als in der Arena ergänzend müsste man vielleicht noch hinzufügen: Ebenso vor dem Fernsehschirm. aus: Berg S (1992) Unerwartete Todesfälle in Klinik und Praxis Springer-Verlag, S. 195ff

Berlin Marathon 1936 1. Son 2:29:19 Std. 2. Harper 2:31:23 Std. 10.Enochsson 2:43:12 Std. Berlin Marathon 1990, M50 1. Koch 2:28:49 Std. 2. Kramer 2:36:43 Std. 10.Neinhüs 2:43:33 Std.

Reanimationen und Todesfälle (Cardiac Arrest) BEIM Marathon zufällig aufgrund einer Erkrankung DURCH den Marathon belastungsbedingt, Erkrankung KHK HCM Myokarditis Anomalien Rythmusstrg Hirnödem DURCH den Marathon aufgrund einer Verletzung potentiell lebensbedrohende Zwischenfälle abstrakte Gefährdungen Anschläge Hyponatriämie Hyperthermie E lyt-entgleisung

Hamb Ärzteblatt 2011; 65:11-17

Hamb Ärzteblatt 2011; 65:11-17

Hamb Ärzteblatt 2011; 65:11-17

Hamburg Marathon (seit 1986, Daten ab 1994) 25000 800 700 20000 600 15000 10000 500 400 300 Meldungen Starter Finisher Hilfeleistungen 5000 200 100 0 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 0

Hamburg Marathon - Studie 2008-2010 Männer : Frauen > 80% : 20%

Hamburg Marathon - Studie 2008-2010

Hamburg Marathon - Studie 2008-2010

Hamburg Marathon - Studie 2008-2010

Hamburg Marathon - Studie 2008-2010 der Patienten

Falldarstellung 1 (Tod beim Hamburg-Marathon) M, 37 J., 68 kg, 177 cm Marathonläufer, Zusammenbruch nach 41 km Reanimation erfolglos Sektion: Herzgewicht 380 g, 50%-ige LAD-Stenose, herdförmige Myokardfibrose Mikroskopie: Borderline-Myokarditis Mikrobiologie: Enteroviren ++, Influenza A ++ Todesursache: Herzversagen bei Virusmyokarditis Myokarditis

Vorgeschichte zu Fall 1 Sportärztliche Untersuchung 7 Wo. a. e. RR 115/80 mm Hg, Puls 40 bpm Fahrradergometrie: bei 310 W Abbruch wegen allg. Erschöpfung (Puls 180 bpm) Gesamturteil: Kein Anhalt für Infektion, gute Belastbarkeit, keine EKG-Veränderungen/Rhythmusstörungen

M, 19 J., 76 kg, 184 cm Falldarstellung 2 (Tod beim Hamburg-Marathon) 200 m vor dem Ziel des Hanse-Marathons: Asystolie Erfolglose Reanimation Sektion: Herzgewicht 370 g, Herz makroskopisch unauffällig Mikroskopie: irreguläre hypertrophierte Herzmuskelzellen, Texturstörung, Einblutung des Reizleitungssystems Diagnose/Todesursache: beginnende hypertrophe Kardiomyopathie HOCM

Vorgeschichte zu Fall 2 1. Marathon: 3:30 Std. Hausärztliche Untersuchung 48 h a. e. Mache häufig sportärztliche Untersuchungen Seit 3 Wo. Erkältung, wollte unbedingt starten Sei bisher etwa 70 km/wo. gelaufen RR 112/80 mm Hg, Puls 58 bpm Keine Laboruntersuchung, kein EKG Gesamturteil: Keine ärztlichen Bedenken Wie gefährlich ist Marathonlaufen?

Cardiac Arrest in Hamburg 6 Patienten auf rund 425.000 Meldungen > 1:71.000 Z Kardiol 1989; 78: 276-280 Dtsch Z Sportmed 2004; 55: 75-78 AINS 2007; 5: 362-364 Notarzt 2011; 27: 61-67 Hamb Ärzteblatt 2011; 65:11-17

Prof. Dr. Klaus Püschel Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Institut für Rechtsmedizin Dr. Markus Stuhr BG-Unfallkrankenhaus Hamburg Abteilung für Anästhesie, Intensivund Rettungsmedizin

Cardiac Arrest in Hamburg 6 Patienten auf rund 425.000 Meldungen > 1:71.000 Z Kardiol 1989; 78: 276-280 Dtsch Z Sportmed 2004; 55: 75-78 AINS 2007; 5: 362-364 Notarzt 2011; 27: 61-67 Hamb Ärzteblatt 2011; 65:11-17

Wie gravierend ist der Notfall und in welchem Streckenabschnitt? NACA-Score (National Advisory Committee for Aeronautics) I - VII 14 Einsatzzahlen Haspa Marathon 2013 Stufe 3-4 Anzahl der Einsätze 12 10 8 6 4 VI V IV III 2 0 Kilometer

Statistik: Tod (Cardiac Arrest) beim Marathon Autor(en) N Region Zeitraum Kim 2012 10,9 Mio USA 2000-2010 59 (42 fatal) 0,54/100.000 TN Tunstall 2007 650.000 UK 1986-2006 11 (5 fatal) 1:80.000 Finisher Cohen 2012?? Boston 1897-2012 3 (2 fatal) > Fallberichte Stuhr 2011 390.000 HH 1986-2010 6 (2 fatal) 1:71:000 Meldungen Mathews 2012 3,7 Mio USA 2000-2009 28 (alle fatal) 0,75/100.000 F Webner 2012 1,7 Mio USA 1976-2009 30 (10 fatal) 1:57.000 (Arrest) Schwabe 2014 65.865 RSA 2008-2011 2 (alle fatal) > Halbmarathon Roberts 2013 548.092 USA 1982-2009 14 (7 fatal) >> Unterschied zwischen Mann (höheres Risiko) und Frau

N Engl J Med 2012; 366: 130-140

Ursachen (Cardiac Arrest): Hypertrophe Kardiomyopathie Myokarditis Herzrhythmusstörungen (z.b.akzessorische Bündel) Koronare Herzkrankheit Koronaranomalien Phidippides Cardiomyopathy Clin Cardiol 2012; 35: 69-73

Ernste Zwischenfälle AINS 2012; 47: 696-702 Kollaps nach Zieleinlauf > Medical Center > Agitation, schlägt um sich > Intensiv > Eigen- und Fremdgefährdung: Fixierung und Sedierung > Klinik: Na 125 mmol/l > zunehmende Somnolenz > cct: mäßiggradige Hirnschwellung > Intensivstation: fehlende Schutzreflexe: Intubation, Beatmung > tiefster Na-Wert: 118 mmol/l > Exercise-associated Hyponatremia (EAH) mit konsekutivem Hinrödem Entlassung am 16. Behandlungstag ohne neurologische Defizite Komplikation: Aspirationspneumonie mit insg. 88h Beatmungsdauer

Abstrakte Gefährdungen 3 Tote > 260 Verletzte

Take Home Message Marathon ist Gelegenheit für Cardiac Arrest bei versagensbereitem Herz Sportmedizinische Vorsorge kann helfen, aber nichts ausschließen Sofortige (Laien)reanimation und Nicht-Vorliegen einer HCM prognostisch günstig Notfallmedizinische Absicherung von Veranstaltungen Automatischer Externer Defibrillator verfügbar SPORT IST KEIN MORD!

Danksagung Veranstalter Hilfsorganisationen Feuerwehr Hamburg Beteiligte Kliniken Teilnehmer Netzwerk Sportmedizin HH