Mobbing in Schulklassen: Handlungsmöglichkeiten von Eltern und Aufgaben der Schule
Der Pionier der Mobbingforschung in Europa: Prof. Dan Olweus, Bergen Literatur: Dan Olweus, Gewalt in der Schule, Huber Verlag Mobbingforschung in Deutschland: Dr. Mechthild Schäfer und Mitarbeiter(innen), Universität München www.mobbingforschung.de Literatur: Mechthild Schäfer, Gabriela Herpell, Du Opfer! Wenn Kinder Kinder fertig machen, Rowohlt Verlag 2010, 1. Auflage
Mobbing beginnt bereits in der Grundschule, in der Regel ab Klassenstufe 3. Am häufigsten tritt es in den weiterführenden Schulen in den Klassenstufen 5 bis 7 auf. Mobbing ist kein normaler Konflikt, sondern ein beabsichtigtes und geplantes systematisches Schikanieren Schwächerer durch mehrere Personen mit dem Ziel, das Opfer sozial herabzustufen und selbst einen hohen sozialen Status in der Gruppe zu erlangen. (Thomas Grüner) Mobbing kommt nicht aus dem Affekt.
Die Mobbinghandlungen umfassen: Worte oder Gesten, z.b. Spitznamen, Schimpfwörter, Beleidigungen, abwertende Mimik und Gestik körperliche Attacken, z.b. schubsen, an den Haaren ziehen, ein Bein stellen, schlagen, kneifen Angriffe auf das Eigentum, z.b. Mäppchen und Stifte verstecken, Kleidungsstücke verstecken oder beschädigen, Gegenstände in den Papierkorb werfen Ausgrenzung, z.b. von Spielen und anderen Aktivitäten ausschließen, sich abwenden, nicht neben dem/der Betroffenen sitzen wollen, ihn/sie nicht in eine Gruppe aufnehmen oder von privaten Einladungen ausschließen Es geht um viele immer wiederkehrende Kleinigkeiten sowie um harte Attacken.
Cyber-Mobbing Mobbing: Eine neue Dimension
Cyber-Mobbing kann vieles heißen. Beleidigungen über SMS, EMail oder Einträge in einer Social Community Veröffentlichung von vertraulichen Informationen Verbreitung unwahrer Behauptungen Verbreitung von gefälschten Fotos, gefälschten EMails oder Foreneinträgen Verbreitung von Happy-Slapping -Videos/Fotos Hass-Gruppen in sozialen Netzwerken Drohungen unterschiedlichster Art bis hin zur Morddrohung Informationen: www.klicksafe.de, www.handysektor.de (gute Flyer)
Cyber-Mobbing Mobbing: Unterschiede zum Mobbing in der realen Welt Die Möglichkeit, anonym vorzugehen, sind wesentlich größer. Daher sinken auch die Hemmschwellen. Es dauert länger und ist schwieriger, die Identität der Mobber zu ermitteln. Das Internet entspricht einem Turbolader der Informationsverbreitung. Ein großer Kreis kann in kurzer Zeit erreicht und angesprochen werden. Cyber-Mobbing findet permanent statt und besetzt auch den privaten Raum.
Bei ca. 80% der Cyber-Mobbing Mobbing-Fälle besteht ein Zusammenhang zu Mobbing in der Schule.
Die Entwicklung von Mobbing: Die Testphase Wen wird es treffen? Dieser Prozess dauert sechs bis acht Wochen. In dieser Phase ist eine Intervention am wirkungsvollsten.
Die Konsolidierungsphase Es geht weiter, wenn der Betroffene sich nicht oder nicht effektiv wehrt die Klasse keine Unterstützung bietet die Lehrer nicht einschreiten Anführer/in Assistenten Betroffene/r Unbeteiligte Mitläufer Verteidiger Die Mobber machen etwa ein Drittel der Klasse aus.
Die Manifestationsphase Anführer/in Assistenten Mitläufer Unbeteiligte Die Gewalt ist legitimiert. Die Interventionschancen sind gleich null. Betroffene/r
Gibt es das typische Mobbing-Opfer? Mobbing-Opfer sind dick oder unsportlich oder falsch gekleidet oder aufdringlich oder riechen schlecht oder Damit rechtfertigen die Mobber ihre Handlungen. Auch Außenstehende finden oft, dass es nicht verwunderlich ist, dass gerade diese Person gemobbt wurde. Die Mobbingforschung zeigt jedoch, dass die Rolle des Opfers Jedem/Jeder zugeschoben werden kann. Die Aufhänger können unterschiedlichster Art sein.
Ein Blick auf die Täter: Annahmen Die müssen doch aus einem schlechten Elternhaus stammen. Sie sind nicht erzogen, ihnen wird im Elternhaus was Falsches vorgelebt. Ich vergleiche sie mit denen, die an der S-Bahn-Station jemanden krankenhausreif prügeln. Die sind gestört. Aussagen von Eltern bei einer Vortragsveranstaltung
Ein Blick auf die Täter: Forschungsergebnisse Sie nehmen gerne eine Führungsrolle ein. Sie besitzen soziale Intelligenz: Sie erkennen schnell, wer ihnen unterlegen ist oder wen sie besser in Ruhe lassen. Sie können Andere auf ihre Seite ziehen und für ihre Interessen gewinnen. Sie verfügen über Strategien, sich in einer sozialen Gruppe durchzusetzen Sie finden Begründungen und Rechtfertigungen für ihr Verhalten. Sie stellen sich häufig nicht vor, was sie mit ihrem Verhalten anrichten.
Das Leiden der Betroffenen Verlust des Selbstwertgefühls und des Selbstvertrauens, Rückzug aus sozialen Aktivitäten, Verlust der Lebensfreude Körperliche Symptome, z.b. Übelkeit, Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Schwindelgefühle Psychische Probleme, z.b. Angstzustände, Depressionen oder ein Vulkan von Wut Schulangst Schulische Probleme: Konzentrations- und Lernstörungen, Leistungsabfall
Eltern werden aktiv: Was sollten sie vermeiden? Vorwürfe: Warum hast du mir/uns nicht schon früher Bescheid gesagt? Warum hast du dich nicht gewehrt? Im Wesen und im Verhalten des Kindes nach Ursachen für die Aggression zu suchen: Das Kind nimmt diese Interpretation wahr und übernimmt sie. Gespräche mit den Eltern der Mobber : Diese nehmen in der Regel ihre Kinder in Schutz. Gespräche mit den Mobbern : Sie verteidigen sich, indem sie leugnen und verharmlosen. Anschließend zahlen sie es ihrem Opfer heim. Problemtrance : Die Situation des Kindes zum dominierenden häuslichen Thema machen Übermäßige Fürsorge und Nachsicht
Eltern werden aktiv: Was sind die Botschaften an das Kind? Ich nehme Deine Probleme sehr ernst und werde alles dafür tun, dass sie gelöst werden. Die Situation wird sich nicht verbessern, solange nichts dagegen unternommen wird. Das Problem kann nur in der Schule/in der Klasse mithilfe einer Lehrkraft (in der Regel der Klassenlehrer/die Klassenlehrerin) gelöst werden. Ich werde in der Schule vorstellig werden und ein Gespräch mit der Klassenlehrerin/dem Klassenlehrer führen.
Der/die Betroffene kann das Mobbing nicht aus eigener Kraft beenden. Mobbing kann nur im System Klasse gelöst werden. Mobbing-Intervention ist eine Aufgabe der Lehrkräfte. Diese Aufgabe kann auch in Zusammenarbeit mit einer sozialpädagogischen Fachkraft (Schoolworker/in) wahrgenommen werden.
Intervention in Mobbingfällen: Wovon ist abzuraten? Was sind bewährte Strategien?
Klassen- oder Schulwechsel - nur im Notfall eine Lösung Die Mobber lernen, dass Gewalt sich durchsetzt. Das betroffene Kind macht die Erfahrung, dass Weggehen die einzige Möglichkeit ist, der Aggression zu begegnen. Es muss sich in eine neue Gemeinschaft integrieren. Es könnte wieder von Mobbing betroffen sein, wenn es keine Strategien erlernt, sich wirkungsvoll zur Wehr zu setzen. Wird nach dem Weggang eines Mobbing-Opfers nicht mit der Klasse am Thema Gewalt gearbeitet, kann sich wieder ein Mobbingprozess entwickeln.
Eine Mediation wirkt kontraproduktiv. Bei Mobbing besteht ein extremes Macht-Ungleichgewicht und das Opfer wäre auch bei der Mediation unterlegen. Das Opfer ist der unmittelbaren Konfrontation mit dem Täter nicht gewachsen und wird durch seine Rechtfertigungsstrategien und Verharmlosungen noch mehr geschwächt. Es ist davon auszugehen, dass sich die Aggression nach dem Mediationsgespräch verstärkt und dass man es dem Opfer heimzahlt.
Bewährte Möglichkeiten schulischer Mobbing- Intervention: Der No Blame Approach (NBA) Beim NBA wird nicht thematisiert, welche Gewaltvorfälle sich in der Klasse ereignen. Es geht nicht um Schuldzuweisung (no blame) oder um Strafe. Eine Unterstützungsgruppe, die sich aus Akteuren des Mobbing und aus Unbeteiligten zusammensetzt, soll dafür Sorge tragen, dass es dem Opfer besser geht. Die Arbeit mit dieser Gruppe und mit dem Opfer erfolgt nach einer vorgegebenen Abfolge von Gesprächen und nach festgelegten Gesprächsstrategien. Ist das Mobbing durch den Einsatz des NBA beendet, muss anschließend mit der Klasse an sozialen Spielregeln gearbeitet werden. Der NBA löst Mobbing nicht in allen Fällen. www.no-blame-approach.de
Bewährte Möglichkeiten schulischer Mobbing- Intervention: Die systemische Intervention nach Grüner & Hilt Es wird mit der gesamten Klasse gearbeitet. Es geht nicht um Schuldzuweisung und um Strafe. Die Gewaltvorfälle kommen auf den Tisch. Rechtfertigungen und Verharmlosungen werden zurückgewiesen. Die Einfühlung in die Situation des Betroffenen wird angestrebt. Es wird ein Klassenvertrag geschlossen: In unserer Klasse gelten die Menschenrechte (keine körperliche oder seelische Gewalt, Respekt vor dem Eigentum eines Anderen). Wer den Vertrag verletzt, muss Wiedergutmachung leisten. Die Kontrolle der Einhaltung des Vertrags ist unverzichtbar. Sie muss systematisch und langfristig erfolgen.
Das A&O ist Prävention. Es gibt soziale Spielregeln für das Zusammen-Leben in der Klassengemeinschaft. Die Einhaltung der Regeln wird regelmäßig überprüft (Klassenrat, Klassenlehrerstunde, 15 Minuten einer Stunde als verlässliches Angebot). Regelverletzungen haben in jedem Fall Konsequenzen, z.b. Wiedergutmachung oder Maßnahmen des Schulordnungsgesetzes, zur Folge. Eine wichtige Rolle spielt die systematische Anerkennung sozialen Verhaltens. Im Rahmen von Persönlichkeits- und Sozialtrainings werden Empathie und soziale Kompetenz gefördert. Die Schüler(innen) lernen, sich gewaltfrei zur Wehr zu setzen.
Regeln des Zusammen-Lebens: Ein Beispiel aus einer Grundschulklasse 1. Ich verletze niemanden im Herzen. Z.B. durch beleidigen, beschimpfen, gemeine Briefchen schreiben, auslachen, Geheimnisse verraten 2. Ich tue niemandem körperlich weh. Z.B. durch schlagen, treten, an den Haaren ziehen 3. Ich nehme anderen nichts weg und mache nichts kaputt. Z.B. ungefragt ausleihen, verstecken, kaputt machen
Beispiele für Wiedergutmachungen Persönliche Wiedergutmachungen: Mündliche oder schriftliche Entschuldigung Hilfe leisten: z.b. bei schwierigen Aufgaben helfen, den Stuhl eine ganze Woche hochstellen, beim Aufräumen des Arbeitsplatzes helfen Den Schaden beheben Einladung zu einer gemeinsamen Unternehmung Etwas Selbstgemachtes schenken Schulische Wiedergutmachungen: Dem Hausmeister helfen Einer Lehrkraft helfen, z.b. im Werkraum Einen Ordnungsdienst übernehmen
Hilde Weber Sachgebiet Prävention allgemein Elternfortbildung Landesinstitut für Pädagogik und Medien (LPM) Beethovenstraße 26 66125 Saarbrücken hweber@lpm.uni-sb.de Tel. 0 68 97 / 79 08 1 31