Folien 4. VO Bürgerliches Recht Allgemeiner Teil. Das Rechtsgeschäft. Privatautonomie. Univ. Prof. Dr. Andreas Kletečka

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Transkript:

VO Bürgerliches Recht Allgemeiner Teil Univ. Prof. Dr. Andreas Kletečka 1 Das Rechtsgeschäft Willenserklärungen, die auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtet sind Geschäftswillen, Rechtsfolgewillen Anders als Gefälligkeitszusagen, "Gentlemen s Agreement" oder Scherzerklärungen Kundgabezweck Erklärungswert: es kommt auf Empfängerhorizont an! 2 Privatautonomie Grundsatz der österr Rechtsordnung Eigene Rechtsverhältnisse nach eigenem, freien Willen gestalten Abschlussfreiheit Inhaltsfreiheit 3 1

Rechtsgeschäftstypen Ein oder mehrseitige Rechtsgeschäfte Ein und mehrseitig verpflichtende Entgeltliche und unentgeltliche Verfügungs und Verpflichtungsgeschäfte Abstrakte und kausale Unter Lebenden und von Todes wegen 4 Verpflichtungs und Verfügungsgeschäfte Verpflichtungsgeschäft: Schuldrechtliches Geschäft, das künftige Verpflichtungen (Lieferung, Eigentums übertragung) erzeugt Veränderungen sind aber noch nicht bewirkt! Verfügungsgeschäft: wirkt unmittelbar auf Recht ein; es wird übertragen, aufgehoben oder beschränkt 5 Abstrakt Kausal Verpflichtungsgeschäft Kausales Verpflichtungsgeschäft: Angabe eines Zweckes, der RG wirtschaftlich rechtfertigt zb: Hingabe von EUR 1000. als Kaufpreis/Mietzins/ i / Darlehen Abstraktes Verpflichtungsgeschäft: Keine Angabe eines Zweckes des RG zb: Hingabe von EUR 1000. "einfach so" 6 2

Abstrakt Kausal Verfügungsgeschäft Kausales Verfügungsgeschäft: Wirksamkeit ist von Rechtsgrund (Titel) abhängig, der es rechtfertigt ti t Abstraktes Verfügungsgeschäft: Wirksamkeit ist von Rechtsgrund (Titel) unabhängig 7 Abstrakte Verpflichtungen: Ungültigkeit nach österr Recht Gefahr der Umgehung der Nichtigkeitsfolge von verbotenen Geschäften Schuldner dürfen Einwendungen nicht genommen werden 8 Willenserklärungen Willenserklärungen müssen nach außen wahrnehmbar sein Ausdrücklich Worte oder "allgemein angenommene Zeichen" oder Schlüssig Handlung muss eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen sein 9 3

Schlüssige (konkludente) Willenserklärungen 2 Theorien: Erklärungswert ergibt sich aus Begleitumständen Verhalten ist primär nicht auf Erklärung, sondern auf anderen Zweck gerichtet, daraus kann aber Erklärungswert genommen werden keine vorschnelle Annahme von Schlüssigkeit, va bei negativen Rechtsfolgen für den Erklärenden! 10 Abgrenzung Willensbetätigung: Willensakt, aber kein Kundgabezweck Bsp: Dereliktion, Aneignung g Willensmitteilung: Willensakt, aber kein Rechtsfolgewillen Wille ist auf Tatsächliches gerichtet Bsp.: Mahnung 11 Abgrenzung Wissenserklärung Nachricht über Tatsachen Rechtsfolge tritt kraft Gesetzes ein Bsp: Mängelrüge Realakte Kein Willensakt, rein tatsächliches Verhalten Rechtsfolge tritt kraft Gesetzes ein Bsp: Entstehung von Urheberrechten 12 4

Schweigen Schweigen gilt idr nicht als Zustimmung Ausnahme: Sonderrechtsbeziehung (zb ständige Geschäftsbeziehung) Pflicht zum Widerspruch Kauf auf Probe (nach Übergabe & Verstreichenlassen der Probefrist) 13 Schweigen 1003 ABGB: Unverzügliche Antwortpflicht von Personen, die zu Geschäftsbesorgung öffentlich bestellt sind Schweigen ist nicht Zustimmung, begründet aber Schadenersatzpflichten Kaufmännisches Bestätigungsschreiben schriftliche Bestätigung mündlicher Vertragsabschlüsse: Schweigen ist keine Zustimmung zur Änderung 14 Objektiver Erklärungswert einerseits Selbstbestimmung Eintritt von Rechtsfolgen als Konsequenz von Willensausübung Spricht htfür Willenstheorie i andererseits Verkehrssicherheit Vertrauen des Erklärungsempfängers Spricht für Erklärungstheorie 15 5

Objektiver Erklärungswert hm: Es kommt auf das Verständnis eines redlichen, verständigen Erklärungsempfängers an. Vertrauenstheorie aber Falsa demonstratio non nocet objektiver Erklärungswert ist unbeachtlich, wenn sich Parteien in der Sache einig sind es gilt der übereinstimmende wahre Wille 16 Auslegung von Willenserklärungen 914 und 915: Auslegung von Verträgen, aber auch einseitigen Rechtsgeschäften Wortsinn der Erklärung unter Rücksichtnahme auf Wille der Parteien Übung des redlichen Verkehrs (im Verkehr geltende Gewohnheiten & Gebräuche) 17 Auslegung Lücke, weil Parteien über Konfliktfall nicht gesprochen haben Dispositives Recht Lücke, weil Parteien über Konfliktfall nicht gesprochen haben und Anwendung des dispositiven Rechts nicht wollen oder passendes dispositives Recht nicht besteht hypothetischer Parteienwille ist relevant Verkehrssitte (tatsächliches Verhalten, das im Verkehr regelmäßig geübt wird) (Ergänzende Auslegung) 18 6

Auslegung Unklarheitenregeln des 915 ABGB: Unentgeltliche Verträge: Vermutung, Verpflichteter wolle sich eher geringere als schwerere Last auferlegen Entgeltliche Verträge: undeutliche Äußerung wird zum Nachteil dessen ausgelegt, der sich ihrer bedient hat Dissens: Mittels Auslegungsregeln kein Erklärungssinn ermittelbar Nichtigkeit wegen Unbestimmtheit 19 Erklärungsbewusstsein Problematik: Abgabe einer Willenserklärung ohne Wissen eine solche abzugeben Mangel des Erklärungsbewusstseins hindert nicht! Einschränkung: Nur bei Fahrlässigkeit des (unbewusst) Erklärenden Unnötige Erhöhung des Risikos des Entstehens eines Erklärungstatbestandes 20 Zugang Wann werden Willenserklärungen wirksam? Im Moment der Äußerung? Mit Absendung? Im Moment des Empfangs? 862a ABGB: Empfangstheorie: Moment des Einlangens der Erklärung in der Sphäre des Adressaten 21 7

Zugang Zugangszeitpunkt: Kenntnisnahme Möglichkeit der Kenntnisnahme d.h. Einlangen in den "Machtbereich" Empfänger hat unter normalen Umständen die Möglichkeit sich mit Willenserklärung vertraut zu machen Bis Zugang "reist" die Willenserklärung auf Risiko des Erklärenden Verlust/Verstümmelung ist Risiko des Erklärenden 22 Zugang durch Boten Erklärungsbote (überbringt Erklärung des Erklärenden) Erklärender trägt Risiko von Verlust/Entstellung Empfangsbote (übernimmt Erklärung des Erklärenden) Zugang ist mit Mitteilung an diesen erfolgt ("Machtbereich") Empfänger trägt Risiko Vorsatz des Boten? str 23 Der Vertragsabschluss Übereinstimmende Willenserklärungen zweier Personen Angebot Bestimmtheit Bindungswille Unterscheide: Aufforderung zur Anbotsstellung (invitatio ad offerendum) Annahme 24 8

Annahme als Willensbetätigung 864 Abs 1: stille Annahme Voraussetzung: Annahmehandlung, Annahmewille 864 Abs 2: "Realangebote" " Vereinbarkeit mit Abs 1? Keine Bereicherungsansprüche Mitteilung/Rücksendung bei irrtümlicher Zusendung 25 Bindungswirkung der Offerte Mit Zugang Keine einseitige Widerrufsmöglichkeit Empfänger hat Gestaltungsrecht Einschränkung der Bindungswirkung durch Klauseln Widerruf des Angebots nach Annahme? Zeitliche Begrenzung der Bindungswirkung 26 Dauer der Bindung Ausdrückliche Festlegung Dispositives Recht 862 ABGB Mündliche Angebote: "müssen sofort angenommen werden" Schriftlich Angebote: Beförderungszeit des Angebots + angemessene Überlegungsfrist + Beförderungszeit der Annahme 27 9

Erlöschen des Angebots Konkurs des Angebotsstellers Kein Erlöschen bei Tod einer der Parteien Verlust der Geschäftsfähigkeit einer der Parteien Außer Auslegung ergibt anderen Willen des Antragsstellers (Bsp Maßanzug) 28 Die Annahme Wirksamkeit mit Zugang Annahme durch Willensbetätigung Einschränkung der Bindungswirkung bei Verbraucherverträgen 29 Konsens Dissens Konsens: Fehlerfreie Einigung Frei, ernstlich, bestimmt, verständlich Einigung über Nebenpunkte? Dissens: Unvollständigkeit Diskrepanz der Erklärungen Mehrdeutigkeit oder Unverständlichkeit Offener oder versteckter Dissens 30 10