Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI)

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Transkript:

stellungnahme Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) Entwurf eines Gesetzes zum Carsharing (CsgG) 22.09.2016 Zu dem Gesetzentwurf des BMVI nimmt der DGB wie folgt Stellung: Zusammenfassende Bewertung: Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßt grundsätzlich die Initiative der Bundesregierung. Das Gesetz schafft die Grundlage, damit Straßenverkehrsbehörden zukünftig mehr separate Parkflächen für Carsharingfahrzeuge ausweisen können. Zudem können die Länder Carsharingfahrzeuge von Parkgebühren befreien. Profitieren sollen sowohl stationsgebundene als auch nicht stationsgebundene Fahrzeuge. Stationsbasierte Carsharing-Unternehmen erhalten über Auswahlverfahren die Möglichkeit, Abhol- und Rückgabestellen in den öffentlichen Verkehrsraum zu verlagern, um sie besser an den öffentlichen Personennahverkehr anzubinden. Das Gesetz definiert zudem, was unter Carsharingfahrzeug zu verstehen ist und wie es zu kennzeichnen ist. Mit dem Gesetz will die Bundesregierung das Carsharing fördern. Die Regelungen sollen dazu beitragen, entsprechende Geschäftsmodelle bundesweit zu verbreiten. Der Gesetzentwurf zielt auf die Verringerung insbesondere klima- und umweltschädlicher Auswirkungen des motorisierten Individualverkehrs. (S.4) Weniger Autos bedeuten bessere Luft, kürzere Staus und damit schnellere Fahrten; sie bedeuten weniger Ressourcenverbrauch, mehr Platz für Radfahrer und Fußgänger. Die Lebensqualität in Ballungszentren könnte steigen. Der DGB begrüßt, dass die Bundesregierung den Trend zum Carsharing in diesem Sinne unterstützen will. Die Gesetzesinitiative ist auch ein wichtiger Schritt, um auf das geänderte Mobilitätsverhalten der Bürger zu reagieren. Die Anzahl der Nutzer nimmt vor allem in den Städten zu. Über eine Million Teilnehmer sind Anfang 2016 in Deutschland registriert gewesen. Deutscher Gewerkschaftsbund Bundesvorstand Abteilung Struktur-, Industrie- und Dienstleistungspolitik Martin Stuber Referatsleiter Infrastruktur- und Mobilitätspolitik martin.stuber@dgb.de Telefon: 030-24 060-305 Telefax: 030-24 060-677 Henriette-Herz-Platz 2 10178 Berlin www.dgb.de

Seite 2 von 5 der Stellungnahme vom 22.09.2016 Carsharing wird verkehrs- und umweltpolitisch sowie stadtplanerisch an Bedeutung gewinnen. Es ist zu begrüßen, dass die Senkung der CO 2-Emissionen im Straßenverkehr als Ziel benannt wird. Durch stärkere Verbreitung von Carsharing kann es gerade in innerstädtischen Quartieren langfristig zu einer Reduzierung des Flächenbedarfs für das Parken kommen. Zudem könnte der Parksuchverkehr reduziert werden. Es lohnt aus Sicht des DGB jedoch ein genauerer Blick darauf, welche Geschäftsmodelle tatsächlich diese Ziele unterstützen. Einige Studien besagen, ein Carsharing-Auto ersetze mindestens drei private Fahrzeuge. Es gibt aber auch Studien, denen zufolge das nicht stationsgebundene Carsharing oft mit dem öffentlichen Nahverkehr konkurriert, folglich nicht zu weniger, sondern zu mehr Autoverkehr führt. Zweistufigkeit Die Bundesregierung erklärt in der Begründung, dass sie insbesondere das stationsgebundene Carsharing fördern will, um ein flächendeckendes Angebot zu schaffen. Es ist jedoch fraglich, ob mit dem vorgelegten Entwurf dieses Ziel zu erreichen ist. Denn eine einheitliche Umsetzung im gesamten Bundesgebiet könnte durch das zweistufige Verfahren, nach dem das Bundesgesetz in den 16 Bundesländern jeweils einzeln in Landesstraßengesetze überführt werden soll, erschwert werden. Es bleibt den Ländern und Kommunen überlassen, inwieweit sie die Bundesvorgaben übernehmen und bevorzugte Parkflächen für Carsharing- Fahrzeuge ausweisen. Es könnte zu einem Flickenteppich an Angeboten kommen auf Kosten der Zugänglichkeit für die Nutzenden. Sondernutzung öffentlichen Straßenraums Parkraum ist knapp, Nutzungskonflikte also vorprogrammiert. Die Kommunen müssen einer Vielzahl von Ansprüchen und Bedürfnissen gerecht werden: Behindertenparkplätze, ÖPNV- Haltestellen, Haltepunkte für Stadtrundfahrtbusse, Fahrradparkplätze, Verleihsysteme, Elektrolade-Parkplätze, Zonen für den Lieferverkehr. Für den DGB gilt hier, dass der öffentliche Straßenraum in erster Linie der Allgemeinheit zur Verfügung stehen muss. Jede Privilegierung für gewerbliche Anbieter von Mobilität muss gut begründet sein durch entsprechenden Nutzen für die Allgemeinheit. Staatliche Förderung von Carsharing ist grundsätzlich sinnvoll, denn die gemeinschaftliche Autonutzung kann Geld, Zeit und darüber hinaus Parkraum sparen mit abnehmender Autozahl könnten auch die Staus zurückgehen. Dazu müssen die Regelungen so gestaltet werden, dass sowohl das Mobilitätsangebot verbessert als auch das verkehrssparende, umweltschonende Potential des Carsharing genutzt wird.

Seite 3 von 5 der Stellungnahme vom 22.09.2016 Der Gesetzentwurf versucht dem über die Definition eines Carsharingfahrzeugs ( 2) und die Auswahlkriterien (Anlage 1) für Anbieter gerecht zu werden. In 5 (3) werden die für die Auswahlkriterien maßgeblichen Ziele festgehalten: Verringerung des motorisierten Individualverkehrs durch Vernetzung mit dem ÖPNV und weniger Luftschadstoffe durch E-Mobile. Der Mindestleistungsumfang, den die Anbieter erfüllen müssen, um in das Auswahlverfahren zu kommen, ist geeignet, um diese Ziele durch Regelsetzungen zu verfolgen: uneingeschränkte Teilnahmeberechtigung, Rücknahme rund um die Uhr; verhältnismäßige Tarife; Verpflichtung, die Nutzer auf eine umweltschonende Fahrweise hinzuweisen; Transparenz über die Herkunft des Stroms; Begrenzung der Emissionen auf max. 199 g CO 2 pro km. Der DGB teilt die Erwartung, dass Carsharing durch diese Rahmensetzungen zu einer schnelleren Marktdurchdringung mit umweltschonenden Antrieben beitragen kann. Allerdings sollten technische Ausschlusskriterien vermieden werden. So dürfte ein Flottenziel von 95 g CO 2 pro km ab 2018 (80% ab 2016!) wie in der Anlage unter 2.2 vorgesehen, die stationsunabhängigen Anbieter bevorteilen, die ihre Fahrzeuge z.t. von den entsprechenden Herstellern leasen. Hier müssen gleiche Wettbewerbschancen für alle Anbieter gelten. Klassische Autovermietungsmodelle werden wegen des fehlenden Umweltaspekts auf dem Weg des Verbots von Freikilometern und Betriebskosten unter marktüblichen Energiekosten zu recht von der Förderung ausgeschlossen. Stationsbasierte und flexible Carsharing-Angebote Sinnvoll ist die klare Unterscheidung zwischen stationsbasierten und stationsunabhängigen Anbietern. Stellplätze stationsbasierter Anbieter sollten nicht von Fahrzeugen stationsunabhängiger Anbieter belegt werden. Der Gesetzentwurf ist hier nicht eindeutig, denn es soll für alle Carsharingfahrzeuge die gleiche Plakette vergeben werden. Trotzdem wird in 2 zwischen stationsbasierten und stationsunabhängigem Carsharing differenziert. Letztere können sich an Auswahlverfahren für Stellplätze nur beteiligen, wenn sie auch stationsbasierte Angebote machen. Tatsächlich gibt es in mehreren Städten bereits kombinierte Carsharingsysteme. Auch aus städtischer Sicht ist es wichtig, die stationsbasierten von den flexiblen Angeboten zu unterscheiden. Sie erfüllen unterschiedliche verkehrliche Funktionen. Bei stationsbasierten Angeboten gehe es um geplante Fahrten, für die jemand beschließt, ein Auto zu nutzen und es zurückzubringen (A-nach-A-Verkehr). Die stationsungebundenen A-nach-B-Verkehre hingegen sind eher spontane Einzelfahrten, meistens auch noch extrem kurz, vergleichbar der verkehrlichen Funktion von Taxis.

Seite 4 von 5 der Stellungnahme vom 22.09.2016 Es ist fraglich, ob diese viel genutzte und bequeme Form des Carsharings im Gesetzessinne Autoverkehr unmittelbar vermeidet. Eine umfangreiche Studie in Berlin hat gezeigt, dass 50 Prozent aller zurückgelegten Fahrten kürzer als fünf Kilometer waren, 15 Prozent sogar kürzer als zwei Kilometer, also Fußweg-Entfernungen. Zudem fand der überwiegende Teil der Fahrten innerhalb des Berliner S-Bahn-Rings statt. Diese Strecken haben viele Nutzer vorher vermutlich per Bus, Straßenbahn oder mit dem Fahrrad bewältigt. Allerdings dürften auch Teilnehmer die flexiblen Angebote nutzen, die früher mit dem eigenen Auto in die Innenstadt gefahren sind. Die Angebote sind nicht billig und werden vermutlich von Nutzern mit überdurchschnittlichem Einkommen und flexiblen Lebensgewohnheiten genutzt. Insofern kann kritisiert werden, dass diese Geschäftsmodelle auf der Nutzung des öffentlichen Raums basieren, obwohl sie den Partialinteressen eines eingeschränkten Kundenkreises dienen. Hinzu kommt wegen der minutengenauen Abrechnung gelegentlich ein Fahr- und Parkstil, der wenig Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer nimmt. Der Gesetzentwurf scheint diese Problematik aufzugreifen, indem er eine Mindestnutzungsdauer von einer Stunde festlegt. In der Entwurfsbegründung wird unterstrichen, dass sich insbesondere stationsorientierte Angebote als Ergänzung des Umweltverbundes eignen. Es wird aber auch zurecht darauf hingewiesen, dass Carsharing durch die Auswahl geeigneter Standorte in Bahnhofsnähe verkehrsplanerisch in den Umweltverbund integriert werden muss. Vor dem Hintergrund der erwähnten Nutzungskonkurrenz gerade an diesen Standorten und der oft ÖPNV-unabhängigen Nutzungsformen des stationsungebundenen Carsharing erscheint es unangemessen, bei der Auswahl der Flächen ein ausgewogenes Verhältnis beider Angebotsformen (S. 26) festzulegen. Carsharing ist eine Randerscheinung Carsharing-Autos sind, auch wenn inzwischen über eine Million Nutzende eindrucksvoll erscheinen, gemessen am deutschen Pkw-Bestand von mehr als 44 Millionen Fahrzeugen nur eine Randerscheinung: Anfang 2016 gab es bundesweit 16.100 Autos, die sich mehrere Nutzer teilen. Selbst in Berlin kommen die immerhin 2500 Autos, die im flexiblen Carsharing unterwegs seien, nur auf ca. 12 000 Wege am Tag. Mit Taxen werden im gleichen Zeitraum gut zehnmal so viele Fahrten abgewickelt. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln sind es täglich 3,6 Millionen Wege, 1,6 Millionen mit dem Fahrrad. Im Gesamtverkehrssystem der Stadt spielt Carsharing eine vollkommen untergeordnete Rolle. Den 2500 Fahrzeugen stehen 1,15 Millionen Privat-PKWs und 1,8 Millionen Fahrräder gegenüber. Ein Carsharing-Gesetz, zumal wenn es für die Kommunen nicht bindend ist, wird die mobile Zukunft in den Städten kaum allein verändern. Aber es sollte sicherstellen, dass ehrenamtliche Carsharing-Initiativen oder Vereine wie der Klimapakt Flensburg, an dem unter

Seite 5 von 5 der Stellungnahme vom 22.09.2016 anderem Wohnungsbaugesellschaften, aber auch die Stadtwerke und andere Unternehmen beteiligt sind, von dem Gesetzesvorhaben profitieren können, obwohl Unternehmen rund 60 Prozent der Nutzer stellen. Private Initiativen und Vereine machen einen Großteil der Carsharing-Projekte in Kleinstädten aus. Hier geht es weniger darum, das Auto abzuschaffen, als das Zweit- oder Drittauto zu ersetzen. Auch viele Energiegenossenschaften sind an Gründungen von Carsharing-Initiativen beteiligt. Hier geht es um das Teilen von Elektroautos. Carsharing kann unter diesen Umständen zur Brücke für die Umsetzung der Energiewende werden. Eine Stärkung dieser Initiativen durch das Gesetz sollte gewährleistet sein.