Durchfall bei Reisenden und Reiserückkehrern

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Transkript:

Durchfall bei Reisenden und Reiserückkehrern Prophylaxe und Die wichtigste therapeutische Massnahme bei infektiöser Diarrhö ist unabhängig von der Ursache die Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution. Eine chronische infektiöse Diarrhö muss nach gründlicher Klärung der Ursache (manchmal unter Einbeziehen endoskopischer Verfahren) zielgerichtet behandelt werden. Die Ursachen hierfür sind bei Immungeschwächten vielfältig, bei Immunkompetenten ist die häufigste Ursache eine Infektion mit Giardia lamblia. Bei Patienten, die mit Fieber und Diarrhö aus den Tropen zurückkehren, muss auch eine Malariadiagnostik durchgeführt werden, da Diarrhö auch ein führendes Symptom der Malaria sein kann. M e r k s ä t z e Nur für infektiöse Durchfallerkrankungen durch Campylobacter und Salmonellen ist eine Assoziation mit dem Reizdarmsyndrom nachgewiesen, nicht aber für die durch E. coli induzierten. Eine antibiobische Prophylaxe ist nur für bestimmte Hochrisikopatienten (Aids, aktive chronisch-entzündliche Darmerkrankung, insulinpflichtiger Diabetes, schwere Herzerkrankung oder Protonenpumpenhemmer-Langzeittherapie) empfehlenswert. Bei Risikopatienten ist eine Prophylaxe mit dem Cholera/ETEC-Schluckimpfstoff zu diskutieren. Die Reisediarrhö ist eine selbstlimitierende Erkrankung. Eine antibiotische kann die Dauer der Symptome bei Reisediarrhö in einigen Fällen von 50 95 Stunden auf 16 30 Stunden verkürzen, wenn der Erreger auf das Antibiotikum sensibel ist. Wegen potenziell gefährlicher Nebenwirkungen sollten Antibiotika nur bei besonders schwerer Erkrankung, Fieber und/oder blutigem Durchfall genommen werden. ARZNEIMITTELBRIEF Übermässiger und nicht sachgerechter Einsatz von Antibiotika hat in den letzten Jahren die Resistenzbildung der Erreger gefördert. Bei vielen Infektionen des Intestinaltrakts nützen Antibiotika nichts, im Gegenteil, sie können den Verlauf verschlimmern (wie z.b. bei enterohämorrhagischen E. coli, EHEC) oder zu neuen Erkrankungen führen (z.b. antibiotikaassoziierte Diarrhö in Form der pseudomembranösen Kolitis). Die beste Prophylaxe der Reisediarrhö ist nach wie vor eine penible Nahrungsmittelhygiene. Neuere Impfstoffe gegen besondere Formen der Reisediarrhö erscheinen vielversprechend. Einleitung Durchfälle nach Reisen in Entwicklungsländer oder in die Tropen gehören zu den häufigsten Symptomen, mit denen sich Patienten in einem Tropeninstitut in Deutschland vorstellen (1). Man rechnet bei zirka 20 bis 50 Prozent aller Reisenden aus Industrieländern in Entwicklungsländer mit Diarrhö (2); 5 bis 10 Prozent entwickeln sogar die typischen Symptome der Dysenterie, wie Fieber, Schüttelfrost und blutige Stühle (3, 4). Grundsätzlich ist zwischen chronischen (3 oder mehr wässrige Stühle pro Tag länger als 4 Wochen) und akuten (3 oder mehr wässrige Stühle pro Tag kürzer als 4 Wochen) Durchfallerkrankungen zu unterscheiden, weil als Ursache ganz andere 794 ARS MEDICI 16 2007

DURCHFALL BEI REISENDEN UND REISERÜCKKEHRERN Tabelle 1: Erregerspektrum akuter infektiöser Diarrhöen Situation des Industrieländer Entwicklungs- Patienten länder ohne Immundefekt, Norwalk-like Viren ETEC, Adenoviren, Erwachsene u.a., Salmonellen, Shigellen, Lamblien, Campylobacter, Campylobacter, ETEC, Shigellen, EPEC, Salmonellen, Yersinien Vibrio cholerae ohne Immundefekt, Rotaviren, Adenoviren, CMV, Salmonellen, Kinder Salmonellen, Adenoviren, Lamblien EPEC, EHEC Campylobacter mit Immundefekt CMV, Salmonellen, CMV, Salmonellen, (z.b. HIV oder IgA- Adenoviren, Lamblien, Adenoviren, Lamblien Mangel) Campylobacter Campylobacter infektiöse Diarrhö im Zytotoxin A von Zytotoxin A von Zusammenhang mit Clostridium difficile Clostridium difficile Antibiotikagabe ETEC = enterotoxische E. coli; EPEC = enteropathogene E. coli; EHEC = enterohämorrhagische E. coli; CMV = Zytomegalievirus Tabelle 2: Antibiotische Behandlung akuter bakterieller Diarrhöen Erreger Antibiotische Medikament Salmonellen nein, Ausnahme: Ciprofloxacin 2 x 500 mg/tag Immungeschwächte oral für 7 Tage und bei Sepsis Shigellen nur mittelschwere Ampicillin 4 x 500 mg/tag oder oder schwere Co-trimoxazol 2 x 160/800 mg/tag Verlaufsformen oder Ciprofloxacin 2 x 500 mg/tag oral für 7 Tage Campylobacter nein, nur schwere Erythromycin 4 x 500 mg/tag Verlaufsformen für 7 Tage EPEC, ETEC, EHEC nein Vibrio cholerae ja Doxycyclin 300 mg/tag oder Erythromycin 4 x 500 mg/tag oder Co-trimoxazol 2 x 160/800 mg/tag für 3 Tage Clostridium ja Metronidazol 4 x 250 500 mg/tag; difficile wenn Kontraindikation für Metronidazol (Zytotoxin A) (z.b. Allergie): Vancomycin 4 x 125 250 mg/tag, jeweils oral für 10 14 Tage ETEC = enterotoxische E. coli; EPEC = enteropathogene E. coli; EHEC = enterohämorrhagische E. coli Erreger infrage kommen. In der Regel ist die Reisediarrhö selbstlimitierend und dauert drei bis fünf Tage (5). Ob im Gefolge einer Reisediarrhö häufiger Reizdarmsyndrome («Colon irritabile») auftreten, ist nicht belegt. Dies ist aber eher unwahrscheinlich. Nur für infektiöse Durchfallerkrankungen durch Campylobacter und Salmonellen ist eine Assoziation mit dem Reizdarmsyndrom nachgewiesen (6, 7), nicht aber für die durch E. coli induzierten. Die chronische infektiöse Durchfallerkrankung kommt meist bei immungeschwächten Patienten und nur manchmal auch bei Immunkompetenten nach Aufenthalt in subtropischen oder tropischen Ländern vor. Der häufigste Erreger ist Giardia lamblia (8). Reisediarrhö Akute Diarrhö ist eines der häufigsten Symptome, die bei Auslandsreisenden vorkommen. Zwischen dem dritten und dem neunten Reisetag tritt sie bei zirka 40 Prozent aller Fernreisenden auf, die sogenannte Reisediarrhö. Akute Diarrhöen können aber auch noch nach Auslandsaufenthalten auftreten oder wenige Tage fortbestehen. Bei diesen Infektionen reicht in der Regel eine orale Flüssigkeitssubstitution aus. Eine weitere Diagnostik oder spezielle ist meist nicht erforderlich. Spektrum und Häufigkeit der Erreger Das Erregerspektrum der akuten infektiösen Diarrhö auf und nach Reisen unterscheidet sich je nach Region (Industrieländer oder Entwicklungsländer). Es reicht von der Lebensmittelintoxikation durch bakterielle Toxine über enteropathogene Viren und Enterotoxinproduzierende E. coli (enterotoxische E. coli = ETEC; 26%), Shigellen (4%), Salmonellen (4%), Campylobacter (selten) bis hin zu Protozoen (sehr selten), wie Giardia lamblia (13). Allerdings ist die Ursache häufig (74%) nicht zu fassen. Der Import von Cholera ist eine Rarität, und auch das Risiko, Typhus abdominalis mitzubringen, ist sehr gering (1:30000 1:50000). Letztere Erkrankung beginnt auch meist ohne Diarrhö (10). In Tabelle 1 sind die Erreger nach Häufigkeit sortiert. Prophylaxe Zur Prophylaxe der Reisediarrhö gibt es prinzipiell fünf Ansätze: 1. Nahrungsmittelhygiene, 2. nicht antibiotische Optionen, 3. Antibiotika 4. Probiotika und 5. Impfungen. ARS MEDICI 16 2007 795

Tabelle 3: Anleitung zur Selbsttherapie einer Reisediarrhö Klinische Vermuteter Ausprägung Erreger wässrige Diarrhö Bakterien Flüssigkeits- und Elektrolyt- (kein Fieber, kein substitution. Bei Erwachsenen Blut im Stuhl) 4 mg Loperamid initial und 2 mg nach jedem ungeformten Stuhl (Maximaldosis 12 mg/tag) Dysenterie (blutige invasive antibiotische * Stühle und/oder Bakterien Fieber > 37,8 C) Erbrechen und Viren, BismutsubsalicyIat** Diarrhö Lebensmittel- (4 5 x 200 300 mg/tag) intoxikation maximal für 2 Tage Diarrhö bei Bakterien Flüssigkeits- und Elektrolyt- Kindern substitution. Dringend Arzt (< 2 Jahre) kontaktieren Diarrhö bei Bakterien Flüssigkeits- und Elektrolyt- Schwangeren substitution. Dringend Arzt kontaktieren Diarrhö besteht Viren, Versuch mit Bismutsubsalicylat** weiter trotz Rifaxi- Protozoen, (4 5 x 200 300 mg/tag) min-prophylaxe bakterielle Resistenz Diarrhö trotz Viren, Versuch mit Azithromycin Fluorochinolon- Protozoen, (500 mg/tag) oder Prophylaxe bakterielle Bismutsubsalicylat** Resistenz (4 5 x 200 300 mg/tag) * = Antibiotische : Norfloxacin (400 mg) oder Ciprofloxacin (500 mg) oder Ofloxacin (300 mg) zweimal täglich für maximal drei Tage, zusätzlich Elektrolyt- und Flüssigkeitssubstitution. Wenn die Diarrhö trotz der angegebenen Massnahmen länger als drei Tage anhält, Arzt konsultieren! ** = in Deutschland und der Schweiz nicht zugelassen 1. Am besten schützt eine penible Nahrungsmittelhygiene («Cook it, boil it, peel it or forget it»), die aber meist nicht eingehalten wird (14). Besonders problematisch sind Getränke. Es sollte darauf geachtet werden, dass nur gekochtes oder in Flaschen abgefülltes oder mit Kohlensäure versetztes Wasser getrunken wird. Das Wasser sollte mindestens eine Minute lang gekocht werden (in Höhen > 2000 m mindestens drei Minuten), damit die häufigsten Durchfallerreger abgetötet werden. Da auch in Flaschen abgefülltes Wasser als Quelle für Ausbrüche von Durchfallerkrankungen in Portugal und Mexiko nachgewiesen wurde (15, 16), sollte darauf geachtet werden, dass zumindest die Flaschen korrekt versiegelt sind. 2. Von den nicht antibiotischen Optionen wird in den USA am häufigsten das Bismutsubsalicylat (Pepto-Bismol, 4 2 Tabl. à 262 mg oder 4 30 ml jeweils mit der Mahlzeit) eingesetzt. Diese Substanz hat eine milde antimikrobielle, antisekretorische und antiinflammatorische Wirkung (20 22). Bismutsubsalicylat reduziert die «attack rate» der Reisediarrhö bei dieser Anwendung von 40 Prozent auf 14 Prozent verglichen mit Plazebo (23, 24). Diese Substanz ist in den USA, nicht aber in Deutschland oder der Schweiz erhältlich und muss gegebenenfalls von der Apotheke importiert werden. Als unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW) von Bismutverbindungen kommt es zur Schwarzfärbung der Zunge und des Stuhls. Darüber hinaus kann milder Tinnitus auftreten. 3. Eine antibiobische Prophylaxe ist nur für bestimmte Hochrisikopatienten empfehlenswert. Bei Patienten mit Aids, aktiver chronisch-entzündlicher Darmerkrankung, insulinpflichtigem Diabetes mellitus, schwerer Herzerkrankung oder Patienten, die Protonenpumpenhemmer einnehmen müssen (Patienten, die mit Protonenpumpenhemmern behandelt werden, haben ein deutlich erhöhtes Risiko, an einer Salmonellose zu erkranken, da die Magensäure eine natürliche Barriere für Salmonellen und andere enteropathogene Bakterien darstellt) und die nicht vermeiden können, in die Tropen zu reisen (bei Aufenthalten < 3 Wochen), kann eine antibiotische Prophylaxe sinnvoll sein. Als wirksam erwies sich zweimal 500 mg/tag Ciprofloxacin oder zweimal 200 mg/tag Rifaximin (ein neues, gering resorbierbares Antibiotikum, das nur in Italien und den USA zugelassen ist; 17, 18). Als UAW von Ciprofloxacin ist mit neurologischen und psychiatrischen Störungen, Hauterscheinungen und intestinalen Beschwerden bis hin zur Antibiotika-assoziierten Diarrhö zu rechnen. Unter Rifaximin können Kopfschmerzen und intestinale Beschwerden auftreten. Andere, früher häufig eingesetzte antibiotische Substanzen, wie zum Beispiel Doxycyclin oder Sulfonamide, verlieren bei dieser Indikation wegen zunehmender Resistenz an Bedeutung (19). 4. Bisherige Studien mit Probiotika zur Prophylaxe der Reisediarrhö brachten sehr unterschiedliche Ergebnisse. Es wurde eine Reduktion mit einer Streubreite von 0 bis 47 Prozent mitgeteilt (25 27). Daher ist ihr Einsatz für die Prophylaxe der Reisediarrhö äusserst fragwürdig. 5. Impfstoffe wären eine elegante Methode, Reisediarrhöen zu vermeiden. Ein auf der B-Untereinheit des Choleratoxins beruhender Impfstoff schützt offensichtlich auch vor Diarrhöen, die durch andere Erreger verursacht werden. Dies scheint auf Homologien zwischen der B-Untereinheit des Choleratoxins und anderen Enterotoxinen zu beruhen. Die Weiterentwicklung eines solchen Impfstoffs führte zu einer erfolgreichen Anwendung bei finnischen Touristen, die nach Marokko reisten (28). 798 ARS MEDICI 16 2007

Tabelle 4: Erregerspektrum bei chronischer infektiöser Diarrhö Infektion im Infektion im Infektion Bei HIV- Dünndarm Dickdarm als Ursache Infektion vermutet Giardia Entamoeba tropische HIV, Mikrosporidien, lamblia, histolytica, Sprue, Cryptosporidien, Cyclospora Balantidium Brainerd- Isospora belli, cayetinensis, coli Diarrhö Zytomegalie, Tropheryma whipplei, Hakenwürmer Strongyloides Die Ergebnisse dieser Studie konnten bei Mexiko-Reisenden bestätigt werden. Der Impfstoff zeigte eine Protektion von 50 Prozent (29). Kürzlich wurde von einem Expertengremium empfohlen (30), dass bei den oben genannten Risikogruppen vor Reisen in die Tropen durch spezialisierte Zentren geprüft werden sollte, ob eine Impfung mit dem Cholera-/ETEC-Schluckimpfstoff (Dukoral ) zum Schutz vor Reisediarrhö sinnvoll ist. Die Reisediarrhö ist eine selbstlimitierende Erkrankung. Wie bei anderen akuten infektiösen Diarrhöen ist auch hier die Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution die wichtigste therapeutische Massnahme. Besonders anfällig für Dehydratation sind Kinder, Schwangere und ältere Menschen. Bei milder Diarrhö können die Flüssigkeits- und Mineralverluste durch kohlensäurehaltige Getränke, Salzstangen und Suppen und so weiter ausgeglichen werden. Eine spezielle Diät hat keinen Stellenwert in der Behandlung der infektiösen Diarrhö (31). Bei schweren Verlaufsformen kann zur oralen Flüssigkeitssubstitution die von der WHO empfohlene orale Rehydratationslösung verwendet werden (z.b. Elotrans Helvepharm: 3,575 g Natriumchlorid, 2,5 g Natriumcitrat, 1,5 g Kaliumchlorid, 20 g Glukose auf 1 Liter abgekochtes Wasser). Sie kann als Trockenpulver in der Reiseapotheke mitgenommen werden. Mobilitätshemmer, zum Beispiel Loperamid, sollten nicht generell und vor allem nicht bei Fieber und blutigen Stühlen (Dysenterie) eingesetzt werden (32). Die Anwendung sollte auch auf 48 Stunden begrenzt werden. Als weiteres Medikament zur Verkürzung der Reisediarrhö kommt noch Bismutsubsalicylat infrage. Aktivkohle wird zwar häufig eingesetzt, ihre Wirksamkeit ist jedoch nicht belegt. Die meisten bakteriellen Durchfallerkrankungen bei Immunkompetenten bedürfen keiner antibiotischen (11; Tabelle 2), wenn sie nicht mit Fieber und/oder blutigen Durchfällen verlaufen. Zurzeit wird diskutiert, ob ältere Menschen (> 65 Jahre) mit Samonelleninfektion und Arteriosklerose doch antibiotisch behandelt werden sollten, da es im Rahmen einer Bakteriämie zur Absiedlung in den geschädigten Gefässwänden mit Ausbildung mykotischer Aneurysmen kommen kann (in den USA so empfohlen). Bei Infektionen mit Campylobacter ist besonders auf die Resistenzlage zu achten. In Berlin sind zirka 40 Prozent der isolierten Stämme Ciprofloxacin-resistent (12). Eine antibiotische kann die Dauer der Symptome (Diarrhö, abdominelle Krämpfe) bei Reisediarrhö in einigen Fällen von 50 bi 95 Stunden (unbehandelt) auf 16 bis 30 Stunden (behandelt) verkürzen, wenn der Erreger auf das Antibiotikum sensibel ist (33 35). Wegen der potenziell gefährlichen UAW sollten Antibiotika allerdings nur bei besonders schwerer Erkrankung, Fieber und/oder blutigem Durchfall, möglichst nach bakteriologischer Diagnostik genommen werden. Die Wirksamkeit der Antibiotika hat sich in den letzten Jahren wegen Resistenzentwicklungen verändert. Früher waren Sulfonamide Mittel der ersten Wahl, heute sind es Fluorochinolone, wie Ciprofloxacin. Nur in Nepal, wo Infektionen mit Cyclospora während der Sommermonate eine Rolle spielen, können Sulfonamide noch erfolgreich eingesetzt werden (siehe Tabelle 5). Ein weiteres Antibiotikum für die der Reisediarrhö ist das oben erwähnte und hier nicht zugelassene Rifaximin. Es wird nicht aus dem Darm resorbiert und ist daher relativ nebenwirkungsarm. Verläuft die Erkrankung mit Fieber und/oder blutigen Durchfällen, sollte eine bakteriologische Untersuchung des Stuhls, gegebenenfalls eine Endoskopie und eine gezielte erfolgen. Es kann sich um schwere Shigellen-, Campylobacter- oder Amöbeninfektionen handeln (Tabelle 1). In diesen Fällen ist eine die Darmmotilität hemmende, wie zum Beispiel mit Loperamid, kontraindiziert. Wichtig ist ausserdem, dass bei Patienten, die mit Fieber und Diarrhö aus den Tropen zurückkehren, unbedingt eine Malariauntersuchung durchgeführt wird, denn in einer Studie aus dem Tropeninstitut in München gaben immerhin 13 Prozent der Patienten, bei denen schliesslich Malaria diagnostiziert wurde, Diarrhö als führendes Symptom an (9). Einige Gesichtspunkte zur Selbsttherapie für Reisende, die in entlegenen tropischen Ländern nicht sofort einen Arzt konsultieren können, sind in Tabelle 3 zusammengefasst. Eine Selbsttherapie bei Reisediarrhö sollte nur kurze Zeit durchgeführt werden. Als Medikamente für die Reiseapotheke kommen in Betracht: Elotrans, Loperamid, Bismutsubsalicylat, und als Antibiotikum Ciprofloxacin, Azithromycin oder (wenn verfügbar) Rifaximin. Chronische infektiöse Diarrhöen Als Ursache chronischer Durchfallerkrankungen kommt eine Reihe auch nicht infektiver Ursachen infrage. In jedem Fall ist eine ausführliche Diagnostik, die auch endoskopische Verfahren einschliessen kann, indiziert. Das Spektrum chronischer infektiöser Diarrhöen unterscheidet sich von dem der akuten Diarrhöen (Tabelle 4). Die häufigste Ursache chronischer Diarrhöen nach Fernreisen ist eine Infektion mit Giardia lamblia (8). Zur Diagnostik dieser Infektion sind Stuhluntersuchungen 800 ARS MEDICI 16 2007

DURCHFALL BEI REISENDEN UND REISERÜCKKEHRERN Tabelle 5: Diagnostik und der chronischen infektiösen Diarrhöen Erkrankung Diagnose Morbus Whipple PAS-Färbung in der Histologie der Ceftriaxon l x 2 g i.v. oder Meropenem 3 x 1 g i.v. für 2 Wochen danach tiefen Duodenalbiopsie Co-trimoxazol (160/800 mg) 2 x/tag oral für 1 Jahr (Tropheryma whipplei) Giardia lamblia 3 x Stuhluntersuchung (direkter Metronidazol 2 g/tag für 3 Tage oder 3 x 400 g/tag für 5 7 Tage; mikroskopischer Nachweis oder Tinidazol 2 g/tag oder 1 g/tag für 5 Tage Immunfluoreszenztest) Entamoeba histolytica 3 x Stuhluntersuchung (direkter Metronidazol 3 x 800 mg/tag für 10 Tage, im Anschluss: Diloxanid mikroskopischer Nachweis oder furoat 3 x 500 mg/tag für 10 Tage oder Paromomycin 2 x 1 g/tag PCR) für 10 Tage (36) Cyclospora cayetanensis 3 x Stuhluntersuchung (direkter Co-trimoxazol (160/800 mg) 2 x/tag für 7 Tage (Cyclospora) Isospora belli mikroskopischer Nachweis oder bzw. 4 x/tag für 10 Tage, gefolgt von 2 x/tag für 21 Tage lmmunfluoreszenztest) (Isospora belli) HIV HIV-Test = Antikörpernachweis hochaktive antiretrovitale (Kombinations-) (HAART) im Serum (ELISA, Immunoblot) oder im Heparinblut PCR (Genom-Nachweis) Tropische Sprue Ausschlussdiagnose; Zottenatrophie Doxycyclin 200 mg/tag für 6 Monate in der Histologie der tiefen und Folsäure 5 mg/tag für 6 Monate Duodenalbiopsie nötig (mikroskopischer Nachweis beziehungsweise hochsensitiver Fluoreszenztest); eine obere Endoskopie bringt keinen zusätzlichen Gewinn (8). Bei Patienten mit chronischer Diarrhö nach Tropenaufenthalt, bei denen kein Erregernachweis gelingt und bei denen endoskopisch gewonnene Duodenumbiopsien eine Zottenatrophie ergeben, sollte man an eine tropische Sprue denken. Diese Krankheit wird zwar selten von Touristen importiert, kann aber sehr schwer verlaufen. Ist die Diagnose gestellt, führt eine adäquate Behandlung fast immer zum Erfolg (Tabelle 5). Im Gegensatz zur akuten Diarrhö ist bei der chronischen infektiösen Diarrhö fast immer eine spezielle notwendig, die jedoch erst nach entsprechender Diagnostik beginnen kann. Die der chronischen infektiösen Diarrhöen ist in Tabelle 5 zusammengefasst. Interessenkonflikte: keine deklariert Literatur: 1. Harms, G., et al. Dtsch. Med. Wochenschr. 2002, 127, 1748. 2. Gorbach, S.L., et al. JAMA 1985, 253, 2700. 3. Cobelens, F.G., et al. Trop. Med. Int. Health 1988, 3, 896. 4. Sanchez, J.L., et al. Am. J. Trop. Med. Hyg. 1988, 58, 299. 5. Steffen, R., et al. JAMA 1983, 249, 1176. 6. Spiller, R.C.: Gastroenterology 2003, 124, 1662. 7. Spiller, R.C., et al. Gut 2000, 47, 804. 8. Wahnschaffe, U., et al. Scand. J. Gastroenterol. 2006 im Druck. 9. Jelinek, T., et al. J. Travel Med. 1994, 1, 199. 10. Kunkel, J., et al. Internist 2006, 47 Suppl. 1, S49. 11. Schneider, T., und Zeitz, M: Internist 2000, 41, 1302. 12. Luber, P., et al. Antimicrob. Agents Chemother. 2003, 47, 3825. 13. Paredes, P., et al. J. Travel Med. 2000, 7, 15. 14. Kozicki, M. et al. Int. J. Epidemiol. 1985, 14, 169. 15. Blake, P.A., et al. Am. J. Epidemiol. 1977, 105, 344. 16. Gonzalez-Cortes, A., et al. Am. J. Public Health 1982, 72, 844. 17. Robins, G. VJ., und Wellington, K.: Drugs 2005, 65,1697. 18. AMB 2005, 39, 75. 19. Hoge, C.W., et al. Clin. Infect. Dis. 1998, 26, 341. 20. Comick, N.A., et al. Rev. Infect. Dis. 1990, 12 Suppl. 1, S9. 21. Ericsson, C.D., et al. Rev. Infect. Dis.1990,12 Suppl. 1, S16. 22. Gorbach, S.L.: Gastroenterology 1990, 99, 863. 23. DuPont, H.L., et al. JAMA 1987, 257, 1347. 24. Steffen, R., et al. Antimicrob. Agents Chemother. 1986, 29, 625. 25. Hilton, E., et al. J. Travel. Med. 1997, 4, 41. 26. Oksanen, P.J., et al. Ann. Med. 1990, 22, 53. 27.Scarpignato, C., und Rampal, R. Chemotherapy 1995, 41 Suppl. 1, 48. 28. Peltola, H., et al. Lancet 1991, 338, 1285. 29. Agents and Chemotherapy 2002, San Diego, California. 30. Weinke, T., et al.: Dtsch. Med. Wochenschr. 2006, 131, 1660. 31. Huang, D.B., et al. Clin. Infect. Dis. 2004, 39, 468. 32. DuPont H.L., und Homick, R.B.: JAMA 1973, 226,1525. 33. de Bruyn, G., et al. Cochrane Database Syt. Rev. 2000, 3, CD002242. 34. DuPont, H.L., et al. Antimicrob. Agents Chemother. 1992, 36, 87. 35. DuPont, H.L., et al. N. Engl. J. Med. 1982, 307, 841. 36. Blessmann, J., und Tannich, E.: N. Engl. J. Med. 2002, 347, 1384. Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Arzneimittelbrief» Nr. 10, Oktober 2006. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Herausgeber D. von Herrath und W. Thimme. ARS MEDICI 16 2007 801