Darstellende Geometrie - Akad. Dir. Cornelie Leopold - Lehrveranstaltung Architektur und Geometrie: Geometrische Raumstrukturen SS 2005 FRAKTALE

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Transkript:

FRAKTALE Wibke Brandes Fraktale - Wibke Brandes 1

Definition des Begriffs frangere (lat.): zerbrechen, zerteilen fraktal (engl.-frz.-lat.): vielfältig gebrochen, stark gegliedert Fraktal, das; -s, -e: komplexes geometrisches Gebilde (wie es ähnlich auch in der Natur vorkommt, z.b. das Adernetz der Lunge) Fraktalgeometrie, die; -: (Math.) Geometrie, die sich mit den Fraktalen befasst und mit deren Hilfe z.b. komplexe Naturerscheinungen mathematisch erfasst und am Computer simuliert werden können (Quelle: Dudenredaktion (Hrsg.), Duden, Band 5: Fremdwörterbuch, 7., neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Mannheim 2001) Eigenschaften von Fraktalen Fraktale haben spezifische Eigenschaften, die sich grundlegend von der allgemein bekannten, klassischen Euklidischen Geometrie unterscheiden. Elemente der euklidischen Geometrie sind zum Beispiel die Linie und der Kreis. Aus diesen einfachen Elementen werden alle weiteren, komplexeren Strukturen aufgebaut. Die Grundelemente selbst sind einfach erfassbar, sie enthalten keine weiteren Informationen, ob man sie eins zu eins darstellt oder um das x-fach vergrößert - ein Kreis bleibt ein Kreis, egal in welcher Größe oder mit welchem Zoom-Faktor. Fraktale hingegen sind selbstähnliche Gebilde: ein Teil eines Fraktals ergibt, geeignet vergrößert, wieder genau das Ganze. Diese Eigenschaft nennt man Skaleninvarianz. Grund für diese wichtigste Eigenschaft der Fraktale sind die rekursive Algorithmen, die allen Fraktalen zugrunde liegen. Bei rekursiven Algorithmen ( wenn..., dann... -Bedingungen) wird das Ergebnis der vorangehenden Gleichung in die darauffolgende eingesetzt. Das bedeutet ein Ergebnis bedingt das nächste. Dieser Aufbau aus rekursiven Algorithmen bedingt, dass Fraktale aus unendlich vielen, unendlich kleinen Teilen bestehen. Es gibt kein Ende und keinen Anfang, man kann sich beliebig in die entstandene Struktur ein- oder auszoomen. Dabei trifft man immer wieder auf selbstähnliche Strukturen. Ist daher von einem vorhandenen Fraktal die Ausgangsgleichung unbekannt, kann man auch keinen Anfang, also keine Ausgangsgleichung, definieren, da man nicht weiß, an welcher Stelle des Einzoomens man sich befindet. Ein einfaches Bei- Fraktale - Wibke Brandes 2

spiel macht dies deutlich. Betrachtet werden die rechts abgebildeten Strukturen. Eine beliebige Struktur, es kann prinzipiell wirklich alles sein, wird verdreifacht und im nächsten Schritt (sowie allen weiteren darauffolgenden) durch Rückkopplung wieder verdreifacht. Schon nach wenigen Iterationen ergeben sich bei unterschiedlichen Ausgangsformen ähnliche Strukturen, in denen das Ausgangsgebilde nicht mehr erkennbar ist. Mathematisch bedeutet dies, dass diese Strukturen gegen den gleichen, berechenbaren Grenzwert konvergieren, jedoch nicht zurück berechnet werden können. Eine weitere Eigenschaft der Fraktale wird durch nebenstehendes Beispiel deutlich: durch das Vorhanden sein unendlich vieler, unendlich kleiner Teilchen sind Fraktale nie in ihrer Gesamtheit darstellbar. Es kann immer nur ein Ausschnitt gezeigt werden. Diese Tatsache macht die Fraktale zu einem theoretischen Gedankenexperiment, welches nie ganzheitlich visualisierbar ist. Grundlegend unterscheiden sich die Fraktale zur Euklidischen Geometrie durch ihre Dimension: während sich Elemente der klassischen Geometrie durch gerade Dimesionen auszeichnen, haben Fraktale oft gebrochene, also rationale oder irrationale Dimensionen. Erklären lässt sich dies z.b. anhand der sogenannten Kochkurve (Dimension 1,262): eine Linie wird nach mehreren Iterationen immer mehr zu einer flächenhaften Struktur, jedoch nicht zu einer geschlossenen Fläche. Sie befindet sich sozusagen in einem Zustand zwischen Linie (1-dimensional) und Fläche (2-dimensional). Fraktale - Wibke Brandes 3

Zusammenhang mit der Chaostheorie Die Chaostheorie ist eine mathematisch-physikalische Theorie, die versucht, zufallsbedingte Vorgänge rechnerisch zu beschreiben. Damit ist die Chaostheorie Grundlage für nahezu alles Natürliche. Beispielsweise ein Samenkorn: man weiß, welche Pflanze daraus wächst, weiß wie sie prinzipiell in ihrem Wuchs (Blätter, Blüten, Größe) aussehen wird. Man kann jedoch nie voraus sagen, wie genau sie aussehen wird, das heißt, wie ihr Wuchs von Sonne, Wind und Witterung beeinflußt wird. Jedes Blatt wird aufgrund der Umweltbedingungen ein bißchen anders wachsen. Keines ist genau gleich wie das andere. Man kennt den Erwartungswert (Attraktor), kann das letzendliche Ergebnis jedoch nicht haargenau voraus bestimmen. Genau so verhält es sich bei dem berühmten Flügelschlag eines Schmetterlings, der erwartungsgemäß eine (kleine) Luftbewegung auslöst - ob daraus dann ein Sturm wird, ist nicht voraus zu sehen. Allgemeiner ausgedrückt: die Gegenwart von Chaos in deterministischen Systemen bedeutet, dass kleinste Unterschiede in den Ursachen zu größten Unterschieden in den resultierenden Wirkungen führen können. Das führt dazu, dass zahlreiche Phänomene trotz strengem Determinismus nicht berechenbar sind. Somit sind Fraktale mit der Chaostheorie nahe Verwandt: man kennt den zu erwartenden Grenzwert, aber in beiden Fällen ist eine genaue Berechnung, trotz Determinismus, nicht möglich. In der Wissenschaft wurde und wird versucht, chaotische Systeme mittels der Theorie der Fraktale zu berechnen, was zumindest teilweise gut gelingt. Mittlerweile werden die Fraktale jedoch zunehmend durch andere Theorien abgelöst, die den Zufallsfaktor, der der Chaostherie zugrunde liegt, besser berücksichtigen. Sowohl in der Chaostheorie als auch bei den Fraktalen wurden die schrittmachenden Entdeckungen erst durch die Erfindung des Computers möglich. Mit Hilfe des Computers können wesentlich mehr Schritte in wesentlich kürzerer Zeit berechnet und dargestellt werden. Gerade bei der Darstellung von Fraktalen spielt den Computer eine wesentliche Rolle, da erst durch einen Bildschirm das oben beschriebene, beliebige Ein- und Auszoomen möglich ist. Die Unendlichkeit der Fraktale setzt allerdings auch dem Computer Grenzen: es wird nie möglich sein, ein Fraktal visuelll als Ganzes zu erfassen. Die einzige Möglichkeit besteht nach wie vor in der mathematischen Beschreibung. Fraktale - Wibke Brandes 4

Bekannte Fraktale Es gibt eininge bekannte Fraktale, die nach ihren Erfindern benannt wurden.im Folgenden werden die Wesentlichen vorgestellt: Die Kochkurve wurde 1904 von dem schwedischen Mathematiker Koch veröffentlicht. Dieser teilt eine Linie in unterschiedliche Strecken ein, die sich dann an unterschiedlichen Stellen mit unterschiedlichen Winkeln ausbeulen. Durch Iteration entstehen so unterschiedliche, teils schneeflockenartige Strukturen. Die sogenannte Schneeflockenkurve ist bedeutend in der Geschichte der Fraktale. Fraktale - Wibke Brandes 5

Bereits 1883 trat der deutsche Mathematiker Georg Cantor, der Begründer der Mengenlehre, mit der Cantormenge an die Öffentlichkeit. Bei dem auch als Cantorstaub bezeichneten Fraktal schrumpfen Strukturen durch eine schrittweise Reduktion zu Punkten (Dimension kleiner 1), was sowohl mit zweials auch im dreidimensionalen Ausgangselementen funktioniert. Das System ist chaotisch, die Punkte sind auf einem Zahlenstrahl nicht abzählbar bzw. bestimmbar. Fraktale - Wibke Brandes 6

1916 stellte Waclav Sierpinski, ein bedeutender polnischer Mathematiker, sein Sierpinski-Dreieck vor. Von ihm stammen ebenso das Sierpinski-Sechseck, der Sierpinski-Teppich und die Sierpinski-Pyramide. Letztere ist eine Übertragung des Sierpinski-Dreiecks in die nächsthöhere Dimension: statt zweidimensionaler Dreiecke sind hier dreidimensionale Pyramiden der Ausgangspunkt. Karl Menger griff in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Idee des Sierpinski-Teppichs wieder auf: von ihm stammt der Mengerschwamm. Fraktale - Wibke Brandes 7

Eine etwas andere Richtung beschreiten die Juliaund Mandelbrotmengen. Die Juliamengen stammen von Gaston Julia, der 1918 sein Werk Abhandlungen über die Iteration rationeller Formen vorstellte. Juliamengen lassen sich wiefolgt beschreiben: entweder verlassen allepunkte jeden Kreis um den Ursprung oder alle Punkte verlassen nie einen bestimmten Punkt. Der polnische Mathematiker Benoît B. Mandelbrot bezieht sich bei seinen Forschungen in den 1970er Jahren auf die Juliamengen und veröffentlicht schließlich 1977 das Buch The fractal Geometry of Nature ( Die fraktale Geometrie der Natur ). Von Mandelbrot stammt die sogenannte Mandelbrotmenge, auch als Apfelmännchen bezeichnet. Mandelbrot löste einen wahren Boom an comptergenerierten, bunten Kunstgebilden aus, welche nun einfach per Rechner zu visualisieren waren. Fraktale - Wibke Brandes 8

Fraktale Geometrie in der Natur Zahlreiche natürliche Phänomene können durch Fraktale annähernd beschrieben werden, bzw. es wird versucht, sie durch die Mathematik der Fraktale zu beschreiben und zu generieren. Im Folgenden seien einige bekannte Beispiele genannt: Farnblätter Blumenkohl und Brokkoli Romanesco Zeichnung von Tierfellen Blitze auch: Rissbild eines ausgetrockneten Bodens Fraktale - Wibke Brandes 9

Fraktale Geometrie in der Architektur In der Architektur und im Bauingenieurwesen finden sich nur wenige Beispiele für fraktale Grundlagen. Eines der bekanntesten Beispiele stellt hierbei der Eiffelturm in Paris von Gustave Eiffel dar. Der Turm wurde 1989 fertiggestellt und besteht laut Benoît B. Mandelbrot in einer ersten Approximation aus vier A-förmigen Strukturen. alle vier A s haben eine Spitze gemeinsam und je zwei benachbarte A s teilen sich eine Kante. Man kann den aus einem riesigen Stabwerk bestehenden Eiffelturm als fraktale Kurve voller Verzweigungspunkte sehen. Die Einführung von Substabwerken und die damit verbundene Auflösung der Tragstruktur ähnlich der Sierpinsky-Pyramide, welche zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfunden war, dient der Gewichtsreduktion des Bauwerks. Ein Architekt, der Selbstähnlichkeit zum Thema einiger seiner Gebäude macht, ist Bruce Goff. So organisiert er zum Beispiel das Price-Haus (1956-76) mit selbstähnlichen Dreiecken, Sechsecken und Trihexa, vom größten bis zum allerkleinsten Detail. Winkel von 60, ihr Vielfaches und Bruchteile davon treten in allen Formen und Materialien auf. Ähnliche Ansätze finden sich in den Bavinger- und Garvey- Häusern (1950 bzw. 52). Aus neuerer Zeit stammt der Entwurf für die Sarphatistraat Offices in den Niederlanden von Steven Holl. Diese wurden im Jahr 2000 eröffnet und orientieren sich an der Idee des Mengerschwamms: die Außenhaut besteht aus perforiertem Metall, in unterschiedlichen Ebenen angeordnet (Tag- / Nachtwirkung). Auch der Innenraumgestaltung - Ebenen und Boxen schieben sich in- bzw. übereinander - sollen fraktale Überlegungen zugrunde liegen. Ein weiterer Versuch, fraktale Geometrie in Architektur umzusetzen, unternahmen Brandlhuber & Knies bei einem Pavillon für die Expo 2000 in Hannover. Thema hierbei war die telematische Landschaft. Durch Überlagerung von analogem und digitalem Material sollte eine neue optische und haptische Qualität, ein fließender Übergang von Gebautem zu digitaler Scheinwelt, erzeugt werden. Das Konzept konnte aufgrund seiner Komplexität in dieser Form nicht durchgeführt werden. Grundsätzlich tauchen auch in den Werken von Frank O. Gehry und Daniel Libeskind immer wieder Ansätze von fraktalem Gedankengut (Selbstähnlichkeit) auf. Sie werden jedoch nicht bis in die letzte Konsequenz verfolgt oder ausgeführt, sondern sind nur als Ansätze in einigen Entwürfen enthalten. Fraktale - Wibke Brandes 10

Der nur vereinzelte - und nie konsequent eingehaltene - Bezug auf Fraktale liegt vermutlich an deren Eigenschaften, vor allem an den Aspekten der Unendlichkeit und der Selbstähnlichkeit: Räume können nicht unendlich klein bzw. groß werden, sondern brauchen eine gewisse, menschenbezogene Größe. Zudem nimmt jedes Bauteil, jeder Raum unterschiedliche Funktionen auf, weshalb in der Regel unterschiedliche Zuschnitte geschaffen werden. Eine Selbstähnlichkeit ist diesbezüglich eher hinderlich als förderlich. Möglichkeiten für den Einsatz fraktaler Geometrie in der Architektur - und im Ingenieurwesen - bieten sich deshalb eher bei der Schaffung von Strukturen, sei es eine Tragstruktur oder eine schmückende, ornamentale Struktur von Flächen. Fraktale - Wibke Brandes 11

Literatur und Bildquellen Chaos und Fraktale, mit einer Einführung von Hartmut Jürgens, Heinz-Otto Peitgen und Dietmar Saupe, Heidelberg 1989 Die fraktale Geometrie der Natur, Benoît M. Mandelbrot, New York 1977, Basel, Boston, Berlin 1991 Fractal Forms, Joost Kircz (Publisher), Etienne Guyon and H Eugen Stanley (Editors), Haarlem / Niederlande 1991 Fraktale und Chaos - Eine Einführung, Herbert Zeitler und Wolfgang Neidhardt, 2., durchgesehene Auflage, Darmstadt 1994 Arch+ Nr.141, Die Architektur des springenden Universums, Aachen April 1998 Arch+ Nr.142, Architektur natürlich, Aachen Juli 1998 Fraktale - Wibke Brandes 12