Fallbesprechung Grundkurs Öffentliches Recht. Fall 2 Schockwerbung

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Transkript:

Fall 2 Schockwerbung 1

Die Meinungsfreiheit, 1. Sachlicher Schutzbereich Differenzierung: Meinungen und Tatsachenbehauptungen a) Meinungen: durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägte, subjektive Äußerungen oder Werturteile gleichgültig, auf welchen Gegenstand sie sich beziehen, ob sie emotional oder rational, politisch oder privat, wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos sind. dem Wahrheitsbeweise nicht zugänglich geschützt in Wort, Schrift und Bild 2

b) Tatsachenbehauptung: ist dem Wahrheitsbeweise zugänglich; objektive Beziehung zur Realität steht im Vordergrund. Grundsätzlich nicht von geschützt. Ausnahme: Tatsachenbehauptungen sind geschützt, wenn sie eng mit einer Meinungsäußerung verbunden sind und daher Voraussetzung der Meinungsbildung sind (Entscheidung, wann, wo und wie eine Tatsache behauptet wird, hat wertende Qualität; Nicht jedoch: Angaben bei statistischen Erhebungen) Nicht geschützt sind erwiesen unwahre Tatsachenbehauptungen Zweck der Meinungsäußerung grundsätzlich unerheblich 3

2. Persönlicher Schutzbereich Jedermannsgrundrecht Moderner Eingriffsbegriff: Jedes Verhalten, das dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt ganz oder teilweise unmöglich macht oder erschwert. 4

III. Rechtfertigung III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung 1. Einschränkbarkeit qualifizierter Gesetzesvorbehalt in Art. 5 II GG a) Hier relevant: allgemeinen Gesetze e.a.: Sonderrechtstheorie = Gesetze, die nicht eine Meinung als solche verbieten, sondern einen anderen Zweck haben a.a.: Abwägungslehre = Gesetz ist verhältnismäßig Abwägung mit Rechtsgut, das vom Gesetz geschützt wird 5

III. Rechtfertigung BVerfG (Lüth-Urteil): Kombination beider Ansätze = Allgemein sind Gesetze, die sich nicht gegen die Äußerung der Meinung als solche richten, die vielmehr dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsgutes dienen. (Meinungsneutralität des einschränkenden Gesetzes) 6

III. Rechtfertigung b) Gesetze zum Schutz der Jugend (Bsp.: JuSchG, Verbot von Gewaltdarstellungen) c) Gesetze zum Schutz der persönlichen Ehre (Bsp.: 185 ff. StGB, 823 ff. BGB) 7

III. Rechtfertigung 2. Formelle Verfassungsmäßigkeit Keine Besonderheiten 3. Materielle Verfassungsmäßigkeit Bei Art. 5 I 1 HS. 1 GG zu beachten: Die herausragende Bedeutung der Meinungsfreiheit für die Freiheitlich Demokratische Grundordnung. Wechselwirkungslehre (siehe nächste Folie) 8

III. Rechtfertigung Die Wechselwirkungslehre [BVerfGE 7, 198 (208 f.) Lüth] 1. Grundaussage: Allgemeine Gesetze dürfen Art. 5 I 1 HS. 1 GG nicht uneingeschränkt einschränken. Das einschränkende Gesetz wird vielmehr selbst durch die Bedeutung des Grundrechts beschränkt. 2. Grundaussage: a) Abstrakte Abwägung der betroffenen Güter b) Einzelfallbezogene (konkrete) Abwägung 9

III. Rechtfertigung 3. Grundaussage: a) Herausragende Bedeutung der Meinungsfreiheit für die Freiheitlich Demokratische Grundordnung, besonders in politischen und gesellschaftlichen Fragen b) Einschränkungen bedürfen hinreichend gewichtiger Gemeinwohlbelange c) Die besondere Bedeutung der Meinungsfreiheit führt im Zweifel zu einer Vermutung zugunsten der freien Rede. 10

Fall 3: Schockwerbung Seit Längerem zeichnet sich ein beachtlicher Wandel in der Werbebranche ab. So erfolgt eine Trendwende hin zur so genannten produktunabhängigen Imagewerbung, welche ohne konkreten Produktbezug vor allem mit Life-Style, Statussymbolen sowie Glück und Reichtum auf einen positiven Übertragungseffekt zwischen einem Lebensgefühl und dem Namen des werbenden Unternehmens zielt. So betreiben einige Unternehmen Imagewerbung, indem sie statt mit heile Welt -Bildern auf soziale, ökologische oder gesellschaftliche Missstände aus der aktuellen Tagespolitik hinweisen und die bittere Realität in Form von Dokumentarbildern, denen sie lediglich ihr Firmenlogo hinzufügen, darstellen. Um eine solche, als schockierend empfundene Werbung zu unterbinden, plant der Bundesgesetzgeber eine Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Nach dem Entwurf soll folgender 1a in das UWG eingefügt werden: Die produktunabhängige Werbung eines Unternehmens durch Darstellung von realem Elend und Leid (schockierende Werbung) ist verboten. Begründet wird der Entwurf vor allem damit, dass ein solches Verbot zum Schutz einer funktionsfähigen Marktwirtschaft durch fairen Wettbewerb geboten sei. Eine Beeinträchtigung der Lauterkeit des Wettbewerbes sei im Falle der schockierenden Problemwerbung zwar nicht alleine in dem fehlenden Produktbezug, wohl aber in der schockierenden Wirkung auf das Publikum zu sehen, dessen Gefühle des Mitleides und der Ohnmacht angesichts des dargestellten Leides missbraucht würden, um die Bekanntheit eines Unternehmens im Verkehr zu fördern, ohne dass ein sachlicher Bezug zwischen den gewählten Motiven und den Produkten der Unternehmen bestehe. 11

Geschäftsführer G der deutschen Textilfirma Lucca-GmbH, die vor allem pastellfarbene Wollpullover vertreibt, ist entsetzt. Er sieht seine Werbekampagne als gefährdet an, die ein Werbeplakat mit einem ölverklebten Wasservogel, der auf einem Ölteppich schwimmt, enthält. Das Werbeplakat, das mit einem kleinen Firmenlogo der Lucca-GmbH versehen ist, fällt unter den Entwurf des 1a UWG. G ist der Ansicht, es könne einem Unternehmen nicht verwehrt werden, mit aus der Realität entnommenen Bildern zu werben, die ohnehin jeder in den Medien zu sehen bekomme. Es könne doch wegen der überragenden Bedeutung der Meinungsfreiheit im demokratischen Rechtsstaat nicht mit der Verfassung vereinbar sein, dass die Verbindung der Plakate mit dem Firmenlogo im Ergebnis weniger schützenswert sei als sonstige Meinungsäußerungen zu aktuellen Themen von erheblichem öffentlichen Interesse. Die Lucca-GmbH wolle mit der Werbekampagne die Menschen zum Nachdenken anregen und könne eine Verleitung der Verbraucher zu unmündigen und ohnmächtigen Kaufentscheidungen hierin nicht erblicken. Es könne nicht angehen, dass der Staat einem Unternehmen vorschreibe, seine Imagepflege nur mit der Vorspiegelung einer perfekten Welt, nicht aber mit realen Problemen unserer Gesellschaft betreiben zu können. Eine eventuelle Beeinträchtigung der Lauterkeit des Wettbewerbes müsse daher auf jeden Fall hinter dem Recht auf freie Meinungsäußerung zurücktreten. Daher sei 1a UWG-Entwurf verfassungswidrig. G beauftragt seinen Justitiar mit der Erstellung eines Rechtsgutachtens. Er möchte dabei nur geklärt haben, ob der Entwurf des 1a UWG mit dem Grundrecht der Lucca-GmbH auf freie Meinungsäußerung vereinbar ist. Bearbeitervermerk: Erstellen Sie das Rechtsgutachten des Justitiars. 12

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Lösung Fall 3 1. Sachlich Lösung zu Fall 3 Schockwerbung Obersatz: 1a UWG in der Entwurfsfassung ist mit Art. 5 I 1 Alt. 1 GG vereinbar, wenn er die Meinungsfreiheit nicht verletzt. Die Meinungsfreiheit ist verletzt, wenn 1a UWG in ihren Schutzbereich (I) eingreift (II), ohne verfassungsrechtlich gerechtfertigt (III) zu sein. 1. Sachlicher Schutzbereich a) Differenzierung zwischen Meinung und Tatsachenbehauptung Hier: Darstellung von realem Elend ist Tatsachenbehauptung, enthält aber zugleich ein (Un-)Werturteil über dieses Elend / die soziale Situation und trägt somit zur Meinungsbildung bei 16

Lösung Fall 3 1. Sachlich b) Schutz auch bei kommerzieller Werbung? der Zweck der Meinungsäußerung ist grundsätzlich unerheblich Auch Äußerungen im kommerziellen Rahmen sind grds. von geschützt, soweit sie meinungsbildenden Charakter aufweisen Hier: trotz werbendem Kontext trägt das Plakat zur Meinungsbildung bei Sachlicher Schutzbereich von ist eröffnet 17

Lösung Fall 3 1. Sachlich 2. Persönlich 2. Persönlicher Schutzbereich ist ein Jedermannsgrundrecht. Problem: ist auch auf juristische Personen nach Art. 19 III GG anwendbar (Lucca-GmbH)? a) Begriff der Juristischen Person nach dem GG Der Begriff ist weiter, als der einfachgesetzliche. Umfasst sind alle voll- oder teilrechtsfähigen Personenmehrheiten (GmbH, KG, GbR). Nicht dagegen Personenmehrheiten, denen keine Rechte zustehen (z.b. Skatrunde) 18

Lösung Fall 3 1. Sachlich 2. Persönlich geschützt sind nur inländische juristische Personen mit Tätigkeitsschwerpunkt in Deutschland (str,. a.a. Sitz der Juristischen Person) Grundsätzlich nur juristische Personen des Privatrechts Nicht solche des öffentlichen Rechts (Konfusionsargument) Ausnahmen: Universitäten, ö-r Rundfunkanstalten, Kirchen Hier: Lucca-GmbH ist inländische juristische Person (vgl. 13 I GmbHG) 19

Lösung Fall 3 1. Sachlich 2. Persönlich b) Wesensmäßige Anwendbarkeit Grundrecht knüpft nicht zwingend an die natürliche Eigenschaft des Menschen an (Leben, körperliche Unversehrtheit, Ehe) und BVerfG: Vorliegen eines personalen Substrates = Durchgriff auf die hinter der juristischen Person stehenden natürlichen Personen muss möglich sein. Literatur: Grundrechtstypische Gefährdungslage ggü. einem Hoheitsträger erforderlich = Gefährdungssituation ist bei juristischer Person vergleichbar mit der einer natürlichen Person. Hier: setzt nicht zwingend die Eigenschaft als natürlicher Mensch voraus. Nach beiden Ansichten ist die wesensmäßige Anwendbarkeit zu bejahen. Zwischenergebnis: Der Schutzbereich von ist eröffnet. 20

Lösung Fall 3 1. Sachlich 2. Persönlich Jedes staatliche Handeln, das dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt ganz oder teilweise unmöglich macht oder erschwert. Hier: Werbung mit Plakat wird unmöglich gemacht. Somit: 1a UWG greift in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit der Lucca-GmbH ein. 21

Lösung Fall 3 1. Sachlich 2. Persönlich III. verf. Rechtfertigung 1. Einschränkbrkt. III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung 1. Einschränkbarkeit Qualifizierter Gesetzesvorbehalt in Art. 5 II GG Hier relevant: Allgemeine Gesetze e.a.: Sonderrechtslehre a.a.: Abwägungslehre BVerfG: Kombination beider Ansätze = Meinungsneutralität des einschränkenden Gesetzes Gesetze, die sich nicht gegen die Äußerung einer Meinung als solche richten, die vielmehr dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsgutes dienen. 22

Lösung Fall 3 1. Sachlich 2. Persönlich III. verf. Rechtfertigung 1. Einschränkbrkt. Hier: 1a UWG bezweckt meinungsneutral generelle Verhaltenssteuerung; Schutz der Lauterkeit des Wettbewerbs bzw. Wettbewerbsfreiheit als allgemein anerkanntes Rechtsgut, das Vorrang vor der Meinungsfreiheit genießen kann (tatsächliche Abwägung ist Frage der Verhältnismäßigkeit im Rahmen der materiellen Verfassungsmäßigkeit). Somit: 1a UWG ist ein allgemeines Gesetz i.s.d. Art. 5 II GG 23

Vorbemerkung zu Lösung Fall 3 1. Sachlich 2. Persönlich III. verf. Rechtfertigung 1. Einschränkbarkt. 2. Form. Verf.mäßigkeit 2. Formelle Verfassungsmäßigkeit a) Gesetzgebungskompetenz Nach Art. 74 I Nr. 11 GG ist der Bund zuständig. UWG ist als Teil des Wettbewerbsrechts dem Wirtschaftsrecht zuzuordnen. Erforderlichkeit nach Art. 72 II GG zu bejahen. b) Verfahren und Form Entwurfsstadium keine Aussage zum Verfahren möglich Zitiergebot gilt nicht bei 24

Vorbemerkung zu Lösung Fall 3 1. Sachlich 2. Persönlich III. verf. Rechtfertigung 1. Einschränkbarkt. 2. Form. Verf.mäßigkeit 3. Mat. Verf.mäßigkeit 3. Materielle Verfassungsmäßigkeit a) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Legitimes Ziel: Lauterkeit des Wettbewerbs ist legitimes Ziel Geeignetheit: provokante Werbung kann Verbraucher beeinflussen. Manipulation zugunsten der Werbenden widerspricht grds. dem Leistungswettbewerbsprinzip. 1a UWG ist geeignet solche Werbung zu verhindern und damit die Lauterkeit des Wettbewerbs zu wahren. 25

Vorbemerkung zu Lösung Fall 3 1. Sachlich 2. Persönlich III. verf. Rechtfertigung 1. Einschränkbarkt. 2. Form. Verf.mäßigkeit 3. Mat. Verf.mäßigkeit Erforderlichkeit: Warnhinweise (Bsp.: Tabakwerbung) sind nicht gleich wirksam und im Zweifel auch nicht weniger belastend. Angemessenheit: Abstrakt: Eine Vorschrift ist grds. dann angemessen, wenn der mit ihr verbundene Eingriff nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung des verfolgten Ziels steht. Wechselwirkungslehre: Beachtung der besonderen Bedeutung von für die Freiheitlich Demokratische Grundordnung Im Zweifel Zulässigkeit der Meinungsäußerung. Meinungsäußerungen sind bei mehreren Interpretationsmöglichkeiten in einem für die Grundrechtsausübung günstigen Licht zu deuten (Lüth-Entscheidung). 26

Vorbemerkung zu Lösung Fall 3 1. Sachlich 2. Persönlich III. verf. Rechtfertigung 1. Einschränkbarkt. 2. Form. Verf.mäßigkeit 3. Mat. Verf.mäßigkeit Anwendung auf den Fall: Meinungsfreiheit gegenüber Schutz des lauteren Wettbewerbs Besonderer Rang der Meinungsfreiheit, aber kein genereller Vorrang vor lauterem Wettbewerb. Für Vorrang des Wettbewerbsschutzes spricht: Kein/wenig Informationswert für Verbraucher widerspricht Sinn und Zweck des Leistungswettbewerbes zweifelhafte Motivation (Ausnutzen altruistischer Gefühle zu Imagezwecken und finanziellen Zwecken) Beitrag zur Meinungsbildung tritt hinter finanziellen Interessen zurück (geringere Schutzwürdigkeit) 27

Vorbemerkung zu Lösung Fall 3 1. Sachlich 2. Persönlich III. verf. Rechtfertigung 1. Einschränkbarkt. 2. Form. Verf.mäßigkeit 3. Mat. Verf.mäßigkeit Für den Vorrang der Meinungsfreiheit spricht: konstituierende Stellung der Meinungsfreiheit für die Freiheitlich Demokratische Grundordnung Meinungsfreiheit gerade bei provokanten und problematischen Aussagen besonders schutzbedürftig auch Gewerbetreibende dürfen zu aktuellen Themen Stellung nehmen Auch Schockwerbung stellt einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung dar. Wandel der Gesellschaft und der Kommunikationsformen ist zu berücksichtigen. 28

Vorbemerkung zu Lösung Fall 3 1. Sachlich 2. Persönlich III. verf. Rechtfertigung 1. Einschränkbarkt. 2. Form. Verf.mäßigkeit 3. Mat. Verf.mäßigkeit Insgesamt kommt damit der Meinungsfreiheit das höhere Gewicht zu (a.a. vertretbar). Zwischenergebnis: b. Sonstiges materielles Verfassungsrecht Keine Verstöße ersichtlich 1a UWG ist nicht angemessen, damit unverhältnismäßig und materiell verfassungswidrig Eingriff in Schutzbereich nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt Endergebnis: Die Lucca-GmbH wird daher in ihrer Meinungsfreiheit verletzt. 29

Hinweise zur Nachbearbeitung: Der Schwerpunkt von Fall 3 liegt auf der Grundrechtsfähigkeit Juristischer Personen und dem Grundrecht der Meinungsfreiheit gem. Bitte die Besonderheiten bei der Verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bei Art. 5 I 1 GG (Einschränkbarkeit allgemeine Gesetze, Wechselwirkungslehre) ausführlich nacharbeiten Die Meinungsfreiheit ist sehr klausur- und examensrelevant!! 30