REIZDARM UPDATE REIZDARM UPDATE PRAXISORIENTIERT Dr. med. Diana Abraham Schmitz HAUPTHEMEN Diagnostik- quo vadis? Wen behandeln wir? Was beeinflussen wir noch? 1
WIESO EIN WICHTIGES THEMA? Prävalenz hoch 15-20% Morbidität/Einbussen von Lebensqualität Canavan et al. 2014 DIAGNOSE- STELLUNG Typische Laborbefunde Biomarker Bildgebung fehlen 2
WIE NÜTZLICH IST ROM? 95% mit akkurater Diagnose 5 Prozent zeigen im Verlauf trotzdem eine organische Erkrankung. 4% der RDS Patienten haben eine Zöliakie erhöhtes relative Risiko RR von 16.5 um eine CED zu entwickeln. Erhöhtes Risiko für abdominale Operationen (CE, Hysterketomie) Holmes et al. Br. Med. J 1982;285:1533-4, Costanza et al. Clin Gastroenterol Hepatol 2004; 208: 395-9 3
LEITLINIEN DGVS (Deutsche Gesellschaft für Verdauung- und Stoffwechselkrankheiten) 1. Es bestehen chronische (d.h. länger als 3 Monate) anhaltende Beschwerden (Schmerzen, Blähungen), die vom Patienten und dem Arzt auf den Darm bezogen werden und mit einer Veränderung der Stuhlgewohnheiten einhergehen. 2. Die Beschwerden sollen begründen, dass der Patient deswegen Hilfe sucht und sich sorgt 3. und so stark sein, dass die Lebensqualität hierdurch relevant beeinträchtigt wird. 4. Voraussetzung ist, dass keine für andere Krankheitsbilder charakteristische Veränderungen vorliegen, welche für die Symptome verantwortlich sind. Layer et. Al, Gastroentreol 2011; 49: 237-3 C. functional bowel disorder C1. irritable bowel syndrome C2. Functional constipation C3. Functional diarrhea C4. Functional abdominal bloating/distension C5. Unspecified functional bowel disorder C6. Opioid-induced constipation 4
DIE NEUEN ROM IV KRITERIEN Recurrent abdominal pain, on average, at least 1 day per week in the last 3 months, associated with 2 or more of the following criteria: 1. Related to defecation 2. Associated with change in frequency of stool 3. Associated with a change in form (appearence) of stool Criteria fulfilled for the last 3 month with symptom onset al least 6 months before diagnosis TESTEVALUATION Diagnose Sensitivität Richtig positiv Spezifität Richtig negativ IBS 62.7% 97.1% FD 54.7% 93.3% FC /ex OIC/IBS 33.9% 94.5% FC 70.5% 93.1 5
WAS WIRD SICH AENDERN? HAUSARZT ALGORHYTHMUS Rom IV - Fettstühle - Progredienz der Beschwerden - Störung des Nachtschlafes 6
REIZDARM UPDATE Ein Bild der Schwäche, Beute des Augenblicks, ein Spielball des Schicksals, ein Bild der Unbeständigkeit, eine Verbindung von Leid und Missgeschick und das Übrige: Schleim und Galle. (Aristoteles) Der Mensch ist immer noch ein Wunderwerk der Natur, das ein bewusstes Denken sowie ein Erinnerungsvermögen hat und dieses (manchmal leider) eigennützig verwenden kann. Und ein Herdentier, welches sich äusserst erstaunlich und erschreckend den Gegebenheiten anpassen kann. (Gepflogenheiten)? 7
Mensch?? Eine irdische Lebensform? Ein Supraorganismus auf dem und in dem sich viele kleinste Lebensformen niedergelassen haben. In der Erkenntnis, dass der Mensch ein enges symbiontisches Verhältnis zu seinem Mikrobiom hat, liegt die grösste Chance der zukünftigen Medizin. Ergebnisse des Human Mikrobiom Project Ziel Sequenzierung aller Gene der Mikroorganismen, welche den Mensch besiedeln. Ein Erwachsener besteht aus 10 14 oder 100 Billionen oder 100 000 000 000 000 einzelnen Zellen. Mikrobiom 1 Billarde Zellen/10x mehr als menschliche Zellen Bei der Geburt ist der Mensch keimfrei. Besiedlung während und nach der Geburt >10 000 verschiedenen Arten 300x mehr genetisches Material 8
ERNÄHRUNG UND DARM-MIKROBIOTA IM LEBENSZYKLUS N. Jain and W.A.Walker; Nat. Rev. Gastroenterol.hepatol.12,14-25 (2015) Mikrobiom und RDS Drei Hauptenterotypen Bakterien der Gattung Bacteroides Herstellung von Vitamin C, B2 (Riboflavin), B5 (Pantothensäure), H (Biotin) Fleischesser westliche Welt Gattung Prevotella Produktion B1 (Thiamin) und Folsäure Vegetarier Ruminococcus Am häufigsten 70% der Bevölkerung Verwerten Zellulose und viele Kohlehydrate 9
PATHOPHYSIOLOGIE Vom Stammhirn zum Darmhirn Motilität Hormone Darmflora Gehirn Darm Achse Viszerale Hypersensitivität Neurotransmitter Immunsystem 10
Viszerale Hypersensitivität 11
HERAUSFORDERUNG: GESPRÄCH Empathie und Zeit Normale Befunde mit Sicherheitsgefühl vermitteln Symptome nicht in Frage stellen Vermeiden «Untersuchungen haben nichts gezeigt» Kennenlernen konkreten der Krankheitsvorstellung Aufstellen eines realistischen Behandlungskonzept ICE: IDEAS, CONCERNAS & EXPECTATION Viele Patienten mit RDS vermuten Nahrungsmittelunverträglichkeiten RDS 5-15% NM-Unverträglichkeiten 5-20% Laktose Fruktose Sonstige KH NW Allergien 2% Histamin- Intoleranz Es besteht eine unrealistische, hohe Erwartung bezüglich der Nahrungsumstellungen. 12
Symptome Schmerz und Blähungen Therapeutika Ja/Nein Evidenz Empfehlung Analgetika (ASS/NSAR) Sollten eher nicht B Opioide Eher Nein A Spasmolytika Hyascine (Buscopan) Pinaverium (Dicetel) Mebeverin (Duspatalin) Ja/sollten Lösliche Balaststoffe Ja/können A Trizyklische Antidepressiva SSRI Ja/können Pregabalin (Lyrica) Nein B Probiotika Ja/können A Phytotherapeutika/Iberogast Ja A Pankreasenzyme Eher nein D Antibiotika=Rifaximin Ja A A A Layer et. Al, Gastroentreol 2011; 49: 237-3 PROBIOTIKA Zubereitung, welche lebensfähige Mikroorganismen enthält, sog. Functal Food Hemmen kompetitiv das Anhaften pathologischer Keime an das Darmepithel Stärken die Darmbarriere Hemmen die Vermehrung pathogener keime durch Bildung von Bateriozinen und Stimulation der Defensive Hemmen die Bildung proinflammatorischer Zytokine Modulieren das angeborenen und erworbene intestinale Immunsystem 13
PROBIOTIKUM SYMPTOME IN VERSCH. STUDIEN EFFEKT PROBIOTIKUM VERSUS PLAZEBO Lactobacillus GG Lactobacillus plantarum Stuhlfrequenz Schmerzintensität Flatulenz Schmerzintensität Flatulenz Schmerzintensität identisch identisch identisch Identisch Identisch Lactobacillus reuteri identisch Bifidobacterium lactis E. Coli Nissle (Mutaflor) Saccharomyces boulardii (Perenterol) Durchfall Durchfall VSL# 3 (8 versch. Keime) Blähungen E. coli+ Enterococcus SF 68 (Bioflorin) Meier Remy, Journal of Gastrology, 2012, 10: 20-26 ERWEITERETER ALGORHYTHMUS Meier Remy, Journal of Gastrology, 2012, 10: 20-26 14
WEITERE THERAPIEANSÄTZE Viele Patientinnen probieren ständig etwas aus, nach dem Moto try and error weitere Phytotherapeutika vom Apotheke oder Heilpraktiker Traditionell chinesische Therapie Osteopathie Kinesiologie Bioresonanz Geistheiler 15
ERWIESEN WIRKSAM Bewegungsansätze: Effect of Yoga in the therapy of Irritable Bowel Syndrome: A Systematic Review Dania Schumann et al.: Clin Gastroenterol Hepatol ; 2016 April 22 Tai Chi for Chronic Pain Conditions: A Systematic Review and Meta-analysis of Randomized Controlled Trials Ling Jun Kong et al: Sci Rep 2016; 6:25325 Chinesische Kräuter Therapie -Studien in den USA über Wirksamkeit besser als bei uns 16
TAKE HOME Die Prävalenz des RDS liegt bei 15-20% Die Diagnose wird symptom-basiert gestellt. Biomarker wie das Calprotectin erleichtern die differential-diagnostische Abgrenzung gegenüber organischen Erkrankungen. Die Pathogenese ist multifaktoriell. Veränderungen der Interaktionen auf der Brain-Gut Achse scheinen eine entscheidenden Rolle zu spielen. Die Kenntnis über die Krankheitsvorstellung, Ängste und Wünsche unserer Patientinnen und Patienten ist entscheidend bei der Erarbeitung eines realistischen Behandlungskonzept. Bei hohem Leidensdruck sollte eine Symptom orientierte medikamentöse Therapie durch eine Psychopharmakologie oder kognitive Verhaltenstherapie ergänzt werden. Unsere Patientinnen und Patienten fragen häufig nach Ernährungsansätzen. 17