3.3 Eigenwerte und Eigenräume, Diagonalisierung Definition und Lemma 3.3.1. Sei V ein K-Vektorraum, φ End K (V ), λ K. Wir defnieren den zu λ gehörigen Eigenraum von φ als Dies ist ein Unterraum von V. Eig(φ, λ) := {x V φ(x) = λx}. Bemerkung 3.3.. (1) Eig(φ, 0) = Kern(φ). () Allgemeiner: Betrachte φ λ id V End K (V ): (φ λ id V )(x) = φ(x) λx. Dann ist Eig(φ, λ) = Kern(φ λ id V ). Definition 3.3.3. λ K heißt Eigenwert von φ End K (V ) falls Eig(φ, λ) {0}, d.h. falls 0 x V mit φ(x) = λx. Jedes solche x 0 wird dann zum Eigenwert λ gehöriger Eigenvektor genannt. Satz 3.3.4. V endlich-dimensionaler K-Vektorraum, φ End K (V ). Dann gilt: φ diagonalisierbar V besitzt eine Basis bestehend aus Eigenvektoren von φ. Satz und Definition 3.3.5 (Direkte Summe). Sei V ein K-Vektorraum und U 1,..., U r Unterräume von V. Sei U := U 1 +... + U r und V i = U 1 +... + U i 1 + U i+1 +... + U r. Dann sind folgende Aussagen äquivalent: (i) i {1,..., r} gilt: U i V i = {0}; (ii) Für alle Vektorensysteme x 1,..., x r mit x i U i gilt: r i=1 x i = 0 = x i = 0 für 1 i r; (iii) Für zwei Vektorensysteme x 1,..., x r und y 1,..., y r mit x i, y i U i gilt: r i=1 x i = r i=1 y i = x i = y i für 1 i r. Falls eine (und somit jede) der obigen Aussagen erfüllt ist, so nennt man U direkte Summe der Unterräume U i, 1 i r, in Zeichen U = U 1 U... U r = r i=1 U i. Ferner gilt: Falls jedes U i endlich-dimensional ist, so ist jede der obigen Aussagen auch äquivalent zu jeder der beiden folgenden: (iv) dim U = r i=1 dim U i; (v) Falls e i1,..., e ini eine Basis von U i ist, wobei 1 i r und n i = dim U i, so ist e 11,..., e 1n1, e 1,..., e n,..., e r1,..., e rnr Basis von U. 1
Satz 3.3.6. Seien λ 1,..., λ r verschiedene Eigenwerte von φ End K (V ). Dann ist r i=1 Eig(φ, λ i) = r i=1 Eig(φ, λ i) eine direkte Summe. Korollar 3.3.7. Eigenvektoren zu verschiedenen Eigenwerten sind linear unabhängig. Korollar 3.3.8. Sei V ein n-dimensionaler K-Vektorraum, φ End K (V ). (i) φ hat höchstens n verschiedene Eigenwerte; (ii) φ ist genau dann diagonalisierbar wenn V die direkte Summe aller Eigenräume zu den verschiedenen Eigenwerten von φ ist. Definition 3.3.9. Seien A M n (K), λ K, L A : K n K n : x A x. Wir defnieren den zu λ gehörigen Eigenraum von A als Eig(A, λ) := Eig(L A, λ). Man nennt λ einen Eigenwert von A falls λ Eigenwert von L A ist, d.h. falls 0 x K n mit A x = λ x, und jedes solche x 0 wird dann zum Eigenwert λ gehöriger Eigenvektor von A genannt. Bemerkung 3.3.10. Eig(A, λ) = L(A λi n 0), die Lösungsmenge des homogenen LGS (A λi n 0). Aus.5.8, 3.1.10 und 3.3.9 folgt sofort: Satz 3.3.11. Seien A M n (K), λ K. Dann sind äquivalent: (i) λ ist Eigenwert von A; (ii) Das homogene LGS (A λi n 0) hat eine Lösung 0 x K n ; (iii) Rang(A λi n ) < n, d.h. A λi n nicht regulär; (iv) det(a λi n ) = 0. Sei K Körper, K[X] der Polynomring über K in der Variablen X. Diesen können wir als Unterring des rationalen Funktionenkörpers K(X) betrachten. Für A = (a ij ) M n (K) betrachten wir nun über dem größeren Körper K(X) die Matrix a 11 X a 1... a 1n a 1 a X... a n A XI n =..... a n1 a n... a nn X
Wie üblich können wir die Determinante det(a XI n ) berechnen, (da unsere Theorie der Determinanten über Körpern entwickelt wurde und K(X) ein Körper ist), z.b. Entwicklung nach der ersten Spalte. Man sieht, dass man dabei ein Polynom erhält, genauer det(a XI n ) = c n X n + c n 1 X n 1 +... + c 1 X + c 0 K[X] wobei Folgendes relativ leicht gezeigt werden kann: c n = ( 1) n ; c n 1 = ( 1) n 1 (a 11 + a +... + a nn ) = ( 1) n 1 Spur(A); c 0 = det A. Beispiel. Für A = ( ) a b c d erhält man det(a XI ) = a X b c d X = X (a + d)x + (ad bc). Definition 3.3.1. Sei A M n (K). Man nennt P A (X) := det(a XI n ) das charakteristische Polynom von A. Korollar 3.3.13. λ K ist Eigenwert von A M n (K) λ ist Nullstelle von P A (X) K[X]. Lemma 3.3.14. Seien A, B M n (K) ähnliche Matrizen, d.h. S GL n (K) mit B = SAS 1. Dann gilt P A (X) = P B (X). Insbesondere haben ähnliche Matrizen dieselben Eigenwerte. Mittels 3..7 und 3.3.14 folgt: Korollar und Definition 3.3.15. Sei V ein n-dimensionaler K-Vektorraum, φ End K (V ) und A := M E E (φ) M n(k) die Darstellungsmatrix von φ bzgl. einer Basis E von V. Dann ist det(a XI n ) unabhängig von der Wahl der Basis E, und man definiert das charakteristische Polynom von φ als P φ (X) := P A (X) = det(a XI n ) K[X]. Satz 3.3.16. Sei V ein n-dimensionaler K-Vektorraum, und sei entweder F End K (V ) oder F M n (K), und sei λ K. Dann gilt: λ ist Eigenwert von F λ ist Nullstelle von P F (X). 3
Einige Bemerkungen über K[X] 3.3.17. Hier ist K immer ein Körper und K[X] der Polynomring in der Variablen X über K. (i) K[X] ist ein kommutativer nullteilerfreier Ring. Die Elemente 0 f K[X] kann man schreiben als f = a n X n + a n 1 X n 1 +... + a 1 X + a 0 für geeignetes n N 0 und mit a n 0. Man nennt n den Grad von f, in Zeichen Grad(f) = n. a n heißt Leitkoeffizient von f, und f heißt monisch (oder normiert) falls a n = 1. Man definiert Grad(0) =. (ii) Es gilt f, g K[X]: Grad(fg) = Grad(f) + Grad(g) (wobei gelten soll + m = m + ( ) = m N 0 { }). (iii) λ K heißt Nullstelle von f = r i=0 a ix i falls f(λ) = r i=0 a iλ i = 0 K. (iv) Man nennt f K[X] irreduzibel falls gilt: Grad(f) 1 und Es gibt keine g, h K[X] mit 1 Grad(g), Grad(h) < Grad(f) und f = gh. (v) Satz von der Division mit Rest in K[X]: Seien f, g K[X] mit g 0. Dann existieren eindeutig bestimmte q, r K[X] mit f = qg + r, und r = 0 oder 0 Grad(r) < Grad(g). (vi) Satz von der eindeutigen Zerlegung in irreduzible Polynome: Jedes 0 f K[X] besitzt eine Zerlegung f = αg 1 g... g r, wobei r N 0, g i K[X] monisch und irreduzibel, und α K. Diese Zerlegung ist bis auf die Reihenfolge der g i eindeutig. Hierbei ist α der Leitkoeffizient von f. (Bemerkung: Dies ist analog zur eindeutigen Primfaktorzerlegung in Z.) (vii) Sei 0 f K[X], λ K. Dann gilt: λ Nullstelle von f X λ ist ein Faktor in der Zerlegung von f in irreduzible Polynome. Insbesondere gilt: f hat höchstens Grad(f) verschiedene Nullstellen. (viii) Polynome vom Grad 1 sind immer irreduzibel. Polynome vom Grad oder 3 sind genau dann irreduzibel, wenn sie keine Nullstelle haben. 4
Es ist möglich, dass Polynome vom Grad > 3 keine Nullstellen haben, aber trotzdem reduzibel sind. Beispiel: (X + 1)(X + ) = X 4 + 3X + R[X] hat sicher keine Nullstellen, ist aber reduzibel. (ix) Die irreduziblen Polynome über C sind genau die Polynome vom Grad 1. Daraus folgt, dass jedes Polynom 0 f C[X] in Linearfaktoren zerfällt, d.h. sich schreiben lässt als Produkt von Polynomen vom Grad 1: f = α n i=1 (X c i), für geeignete α, c i C. Falls ein Körper K die Eigenschaft hat, dass jedes Polynom sich in ein solches Produkt von Linearfaktoren zerlegen lässt, so sagt man, K ist algebraisch abgeschlossen. (x) Die irreduziblen Polynome in R[X] sind genau die Polynome vom Grad 1 sowie diejenigen Polynome von Grad, die keine Nullstellen haben. (xi) Beispiel einer Zerlegung in R[X]: f(x) = X 4 +X 3 X 1. Suche zunächst Nullstellen: man sieht schnell: ±1 sind Nullstellen. Also taucht (X 1)(X + 1) = X 1 als Faktor auf. Verwende nun Polynomdivision und man erhält: (X 4 + X 3 X 1) : (X 1) = X + X + 1. Die Nullstellen von X + X + 1 berechnet man mit der üblichen Formel für 1± quadratische Gleichungen: 3 C \ R, also keine Nullstellen in R, daher irreduzibel. Die Faktorisierung in irreduzible Polynome über R lautet also: X 4 + X 3 X 1 = (X 1)(X + 1)(X + X + 1) Über C: X 4 + X 3 X 1 = (X 1)(X + 1)(X + 1+ 3 )(X + 1 3 ). Mittels der eindeutigen Zerlegung in irreduzible Polynome (insbesondere unter Berücksichtigung von obigem (vii)) erhält man: Satz und Definition 3.3.18. (1) Sei 0 f K[X] und sei λ K Nullstelle von f. Dann existieren eindeutig bestimmte m N und g K[X] mit f = (X λ) m g und g(λ) 0. Man nennt m die Vielfachheit der Nullstelle λ, in Zeichen m(f, λ) := m. Man setzt m(f, λ) = 0 falls f(λ) 0, also falls λ keine Nullstelle von f ist. () Sei V ein n-dimensionaler K-Vektorraum, und sei entweder F End K (V ) oder F M n (K), und sei λ K ein Eigenwert von F. Dann heißt m(p F, λ) die algebraische Vielfachheit des Eigenwerts λ. Ferner nennt man dim Eig(F, λ) auch die geometrische Vielfachheit des Eigenwerts λ. Satz 3.3.19. Sei V ein n-dimensionaler K-Vektorraum, und sei entweder F End K (V ) oder F M n (K), und sei λ K. 5
(i) dim Eig(F, λ) m(p F, λ). (ii) F ist genau dann diagonalisierbar, wenn die beiden folgenden Bedingungen erfüllt sind: (a) P F zerfällt in Linearfaktoren: P F (X) = ( 1) n wobei r i=1 m i = n = dim V, und (b) λ K: dim Eig(F, λ) = m(p F, λ). r (X λ i ) m i Algorithmus zur Diagonalisierung von Matrizen 3.3.0. Sei A M n (K). Wir wollen A über K diagonalisieren, falls möglich. (1) Berechne P A (X) = det(a XI n ). () Faktorisiere P A (x): Falls nicht zerlegbar in Linearfaktoren, dann nicht diagonalisierbar: Stopp. Falls zerlegbar in Linearfaktoren: bestimme alle Nullstellen λ 1,..., λ r und deren Vielfachheiten m i := m(p A, λ i ). (3) Für jedes λ i, bestimme Eig(A, λ i ) = L(A λi n 0). Falls i mit dim Eig(A, λ i ) < m i, dann nicht diagonalisierbar: Stopp. Falls i: dim Eig(A, λ i ) = m i : diagonalisierbar, und eine zu A ähnliche Diagonalmatrix D sieht dann so aus: λ 1 I m1 D =... λ r I mr (4) (Falls verlangt). Falls A diagonalisierbar mit Diagonalmatrix D, bestimme eine Matrix S GL n (K) mit S 1 AS = D: Bestimme eine Basis für jeden der Eigenräume Eig(A, λ i ). Wir wissen (da diagonlisierbar nach Annahme): all diese Vektoren bilden eine Basis (bestehend aus Eigenvektoren) von V. Sei diese Basis e 1,..., e n, und sei jeweils µ i K der zu e i gehörige Eigenwert: A e i = µ i e i. Sei nun S = ( e 1 e i=1... e n ), und D die Diagonalmatrix µ 1 D =... µ n 6
Dann gilt S GL n (K) (S ist regulär da ihre Spaltenvektoren e 1,..., e n nach Konstruktion linear unabhängig). Ferner gilt AS = A( e 1... e n ) = (A e 1... A e n ) = (µ 1 e 1... µ n e n ) µ 1 = ( e 1... e n )... = SD µ n also AS = SD bzw. S 1 AS = D. 7