Skript. Logik und Algebra. Mathematische Grundlagen. Andreas Zeh-Marschke. Version

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Transkript:

Skript Logik und Algebra Mathematische Grundlagen Andreas Zeh-Marschke Version 7.2-005

Diplom-Mathematiker Andreas Zeh-Marschke Tauberring 16 b, 76344 Eggenstein-Leopoldshafen E-Mail Andreas(at)Zeh-Marschke.de Homepage http://www.zeh-marschke.de Impressum Copyright: c 2016 (Version: 7.2-005) Layout und Satz: Andreas Zeh-Marschke Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen und so weiter in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz- Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. 2 Version 7.2-005

Inhaltsverzeichnis 1. Aussagen 13 1.1. Aussagen und Aussageformen..................... 14 1.2. Verknüpfung von Aussagen....................... 17 1.3. Aussagenlogik.............................. 26 1.4. Prädikatenlogik............................. 30 1.5. Beweisverfahren............................. 31 1.6. Aufgaben................................ 34 2. Mengen 37 2.1. Mengen................................. 37 2.2. Teilmengen und Potenzmenge..................... 42 2.3. Operationen von Mengen........................ 46 2.4. Klasseneinteilung............................ 52 2.5. Kartesisches Produkt.......................... 55 2.6. Aufgaben................................ 56 3. Relationen 59 3.1. Grundlagen............................... 59 3.2. Eigenschaften.............................. 64 3.3. Äquivalenzrelationen.......................... 67 3.4. Ordnungsrelationen........................... 70 3.5. Aufgaben................................ 76 4. Abbildungen 81 4.1. Definition von Abbildungen...................... 81 4.2. Eigenschaften.............................. 87 4.3. Mengen von Abbildungen....................... 93 4.4. Aufgaben................................ 94 5. Strukturen 97 5.1. Verknüpfungen und Operationen.................... 97 5.2. Gruppen................................. 101 5.3. Ringe und Körper............................ 103 Version 7.2-005 3

Inhaltsverzeichnis 5.4. Moduln und Vektorräume....................... 105 5.5. Verbände................................ 105 5.6. Aufgaben................................ 106 6. Boolesche Algebren 107 6.1. Boolesche Algebra............................ 107 6.2. Normalformen.............................. 110 6.3. Konstruktion der Normalformen.................... 113 6.4. KV-Diagramme............................. 122 6.5. Schaltnetze............................... 126 6.6. Aufgaben................................ 131 L. Lösungen der Aufgaben 133 L.1. Aussagen................................. 134 L.2. Mengen................................. 141 L.3. Relationen................................ 148 L.4. Abbildungen............................... 155 L.5. Strukturen................................ 158 L.6. Boolesche Algebren........................... 159 Literatur 167 4 Version 7.2-005

Abbildungsverzeichnis 2.1. Teilmenge................................ 42 2.2. Transitive Teilmengen......................... 44 2.3. Durchschnitt von Mengen....................... 46 2.4. Mengendiagramm............................ 48 2.5. Klasseneinteilung............................ 53 3.1. Darstellung Relation als Grafik.................... 60 3.2. Beispiel: Ortsverbindungen....................... 61 3.3. Beispiel: Ordnungsrelation....................... 72 3.4. Beispiel: maximale und minimale Elemente.............. 73 3.5. Ordnungsrelation Teiler von 36.................... 76 4.1. Abbildung................................ 82 4.2. Bild................................... 84 4.3. Urbild.................................. 85 6.1. disjunkte Zerlegung........................... 111 6.2. KV-Diagramm n = 2.......................... 123 6.3. KV-Diagramm n = 2 a......................... 123 6.4. KV-Diagramm n = 3.......................... 124 6.5. KV-Diagramm n = 4.......................... 124 6.6. KV-Diagramm n = 3.......................... 125 6.7. KV-Diagramm n = 4, Beispiel..................... 126 6.8. NOT-Gatter............................... 127 6.9. AND-Gatter............................... 127 6.10. OR-Gatter................................ 127 6.11. NOR-Gatter............................... 128 6.12. NAND-Gatter.............................. 128 6.13. XOR-Gatter............................... 128 6.14. Halbaddierer............................... 129 6.15. Halbaddierer (Symbol)......................... 129 6.16. Volladdierer............................... 130 6.17. Volladdierer (Symbol)......................... 130 Version 7.2-005 5

Tabellenverzeichnis 1.1. Beispiel Wahrheitstafel......................... 18 1.2. Wahrheitstafel Negation........................ 18 1.3. Wahrheitstafel Konjunktion...................... 19 1.4. Wahrheitstafel Disjunktion....................... 20 1.5. Wahrheitstafel Implikation....................... 21 1.6. Wahrheitstafel Äquivalenz....................... 21 1.7. Beispiel Auswertung Wahrheitstafel.................. 22 1.8. Liste 1-stellige Verknüpfungen..................... 23 1.9. Liste 2-stellige Verknüpfungen, Teil 1................. 24 1.10. Liste 2-stellige Verknüpfungen, Teil 2................. 24 1.11. Beweis A = A A = A A...................... 26 1.12. Beweis Satz vom ausgeschlossenen Dritten.............. 27 1.13. Beweis Regel von de Morgan...................... 28 1.14. Beweis Satz zum modus tollens.................... 29 3.1. Darstellung Relation in Tabellenform................. 60 4.1. Abbildungsvorschrift.......................... 94 6.1. Boolesche Funktion........................... 112 6.2. Beispiel 3-stellige boolesche Funktion................. 113 6.3. Beispiel: Min-Terme.......................... 114 6.4. Quine-McCluskey Boolesche Funktion................. 116 6.5. Quine-McCluskey Stufe 0, disjunktive Normalform.......... 116 6.6. Quine-McCluskey Stufe 1........................ 117 6.7. Quine-McCluskey Stufe 2........................ 117 6.8. Beispiel Max-Terme........................... 118 6.9. Beispiel mit vier Aussagen....................... 119 6.10. Beispiel mit vier Aussagen, Klassen, Stufe 0............. 119 6.11. Beispiel mit vier Aussagen, Klassen, Stufe 1............. 119 6.12. Beispiel mit vier Aussagen, Tabelle Min-Terme und Primimplikanten120 6.13. Boolesche Funktion........................... 123 6.14. Schalttabelle Halbaddierer....................... 128 Version 7.2-005 7

Tabellenverzeichnis 6.15. Schalttabelle Volladdierer....................... 130 8 Version 7.2-005

Vorwort Vorwort zur Version 7.1 Dieses Skript entstand aus Vorlesungen, die ich an der Dualen Hochschule Baden- Württemberg - Karlsruhe (ehemalige Berufsakademie Karlsruhe), erstmals im Frühjahr 2001 im Studiengang Wirtschaftsinformatik im Fachbereich Wirtschaft, gehalten habe. Im zweiten Semester wird das Thema Logik und Algebra im Umfang von etwa 30 Stunden inklusive Übungen behandelt. Daher können in der Vorlesung in diesem Skript die Themen Logik und Algebra nur angerissen werden. Für die weite Reise ins Innere der Mathematik und für die Frage des Einsatzes mathematischer Theorie in die Praxis der Anwendung kann dies nur ein erster Startpunkt sein. Was soll im Rahmen einer solchen Vorlesung gelehrt werden? Was ist wichtig? Dies ist keine leichte Frage, denn die Mathematik und auch das Thema Logik und Algebra ist reichhaltig und bietet viele interessante Aspekte. Für die Auswahl kann man sich dann die Frage stellen, was ist für einen Wirtschaftsinformatiker wichtig? Hierzu zitiere ich Prof. Ernst Denert, den Gründer des Softwarehauses sd&m (software design & management), der auf die Frage, was man als Informatiker beherrschen sollte antwortete (siehe Denert 2000): Am wichtigsten ist: Denken und zwar systematisch, logisch, abstrakt und strukturiert!. Weiter sagt er: Nichts ist praktischer als eine gute Theorie. Dem kann ich beipflichten. Trotzdem werde ich versuchen, neben der Theorie auch praktische Beispiele zu bringen, um damit (hoffentlich) das Verständnis zu fördern. Des weiteren möchte ich Peter Hartmann beipflichten, der im Vorwort zu seinem Buch Mathematik für Informatiker (Hartmann 2002) geschrieben hat: Genauso wie Sie eine Programmiersprache nicht durch das Lesen der Syntax lernen können, ist es unmöglich Mathematik zu verstehen ohne mit Papier und Bleistift zu arbeiten. Das heißt, dass man sich intensiv mit der Mathematik beschäftigen muss, um sie zu verstehen und dass man viel üben muss. Das ist mit Arbeit verbunden, aber ohne dies geht es nicht. Version 7.2-005 9

Tabellenverzeichnis Anforderungen wandeln sich schnell und werden sich wohl auch immer schneller wandeln. Daher muss man sich schnell in neue Themen einarbeiten. Dafür ist eine stabile und solide Basis nötig. Dazu ist es notwendig, dass man denkt, um das vorhandene Wissen richtig einzusetzen. Daher werde ich in der Vorlesung Logik und Algebra auf Beweise nicht ganz verzichten, denn Beweise sind eine Möglichkeit, um das Denken zu üben. Das Denken darf sich jedoch nicht allein auf die Mathematik konzentrieren. Wichtig ist ein übergreifendes Denken. Wobei dies ein langer Entwicklungsprozess sein wird, der im Rahmen nur einer Vorlesung nicht erreicht werden kann. Dieses Skript stellt eine Einführung dar, um eine Basis für die Arbeit zu schaffen. Ich hoffe, dass mir dies einigermaßen gelungen ist, obwohl ich weiß, dass es schwierig ist, das mathematische Verständnis zu übermitteln. In den Übungsaufgaben versuche ich neben den theoretischen Aspekten auch immer wieder praktische Anwendungen mit einzubringen. In der praktischen Anwendung besteht meistens die Schwierigkeit, aus den Problemen den mathematischen Kern zu erarbeiten, um eine klare mathematische Aufgabe zu erhalten. Im Literaturverzeichnis sind einige grundlegende und weiterführende Bücher aufgeführt. Bücher, welche das Thema Logik und Algebra behandeln, oder Teilaspekte dieses Skripts beleuchten. Diese Literatur kann daher als Vertiefung aufgefasst werden, die jedoch in der Regel weit mehr beinhalten als dieses Skript. Manchmal habe die Bücher auch andere Herangehensweisen an die Thematik, was sehr spannend sein kann, denn es gibt viele Wege, sich der Mathematik zu erschließen. Am nächsten zu den Inhalten der Vorlesung passt das Buch von Staab 2007. Die Inhalte werden auch gut von Hartmann 2002, Lehmann und Schulz 2004, Meinel und Mundhenk 2002, Schichl und Steinbauer 2009 und Struckmann und Wätjen 2007 dargestellt. Die anderen Referenzen in der Literaturliste beziehen sich auf Bücher, die teilweise deutlich über den Stoff der Vorlesung gehen: Beutelspacher und Zschiegner 2002, Henze 2005, Knauer 2001, Lau 2004b, Lau 2004a, Schmidt 2000, Steger und Schickinger 2002, G. Teschl und S. Teschl 2006 und Witt 2001. Die Bücher Arens 2008 und Eichholz und Vilkner 2002 sind eher Nachschlagewerke. Die erste Version des Skripts entstand 2001. Im Laufe der Jahre wurden Anpassungen und Ergänzungen, sowohl auf fachlicher, als auch auf technischer Art umgesetzt. Von daher wird das Skript ständig Veränderungen unterzogen. Das Skript wurde mit TEX, genauer mit L A TEXerstellt. Ein Skript ist niemals fertig. Durch neue Erkenntnisse gibt es immer wieder neue interessante Sachverhalte, die eingearbeitet werden können. Veränderungen in den Schwerpunkten bedingen ebenso Veränderungen. Daher werde ich von Zeit zu Zeit immer wieder einzelne Kapitel anpassen. 10 Version 7.2-005

Tabellenverzeichnis Ich habe versucht Fehler herauszunehmen, ohne neue Fehler zu machen - nicht immer ganz einfach. Wenn Fehler entdeckt werden, so bitte ich, dass mir diese Fehler gemeldet werden, damit ich diese Fehler in einer neuen Version korrigieren kann. Auch Anregungen und weitere Anmerkungen sind gerne willkommen. Andreas Zeh-Marschke Eggenstein-Leopoldshafen, Februar 2014 Vorwort zur Version 7.2 Gegenüber der Version 7.1 des Skripts habe ich versucht Fehler zu beseitigen, die leider enthalten waren. Ich befürchte, dass weiterhin Fehler im Skript vorhanden sind. Im Kapitel Relationen (siehe Kapitel 3) habe ich den Unterabschnitt zu Komposition von Relationen und zur Inversen Relation im Abschnitt Grundlagen etwas erweitert. Darüber hinaus habe ich einige Anpassungen vorgenommen, insbesondere im Kapitel zu Booleschen Algebren (siehe Kapitel 6), in den Abschnitten zur Konstruktion der Normalformen (siehe Abschnitt 6.3) und KV-Diagramme (siehe Abschnitt 6.4). Für diese Anregungen hierzu bedanke ich mich ganz herzlich bei Dr. Christopher Jung. Andreas Zeh-Marschke Eggenstein-Leopoldshafen, 07.03.2016 Version 7.2-005 11

Kapitel 1. Aussagen In diesem Kapitel werden grundlegende Begriffe der mathematischen Logik eingeführt. Wir beschäftigen uns dabei mit einigen Themen, die wir für das mathematische Denken, die mathematische Sprechweise und das Beweisen benötigen. Es kann und soll damit im Rahmen dieser Einführung die mathematische Logik nur insoweit eingeführt werden, wie dies für das weitere Verständnis benötigt wird. Als Ziel kann hier die Einführung in das logische Denken und die Durchführung von logischen Schlussfolgerungen genannt werden. Logische Schlussfolgerungen, die gelernt und später auch angewendet werden. Ein weiteres Ziel ist es, mathematische Formulierungen kennen zu lernen, mathematische Formulierungen, die nicht nur in der Mathematik, sondern auch in anderen Bereichen (zum Beispiel Wirtschaftswissenschaften, Ingenieurwesen,... ) eingesetzt werden. Die Einführung in diesem Kapitel ist damit nur sehr knapp und geht somit nicht bis zu den philosophischen Fragen der Logik. Das würde den Rahmen ganz und gar sprengen. Die klare Formulierung von Aussagen ist in allen Bereichen notwendig, nicht nur in der Mathematik. Beispielsweise ist die Spezifikation einer Software ohne klare Aussagen, Aussagen, die vollständig und widerspruchsfrei sind, nicht denkbar. Auch andere Wissenschaften erfordern klare Aussagen und Folgerungen aus Aussagen. Auch in Programmiersprachen sind logische Konzepte implementiert. Um diese Konzepte zu verstehen, ist die Kenntnis von Aussagen eine unabdingbare Basis. Zuerst werden Aussagen und Aussageformen (Abschnitt 1.1) und Verknüpfungen von Aussagen (Abschnitt 1.2) betrachtet, um das Grundgerüst zu erhalten. Danach werden Sätze der Aussagenlogik (Abschnitt 1.3) untersucht und bewiesen. Im anschließenden Abschnitt 1.4 wird die Prädikatenlogik angerissen, die den Sprachumfang erweitert. Der abschließende Abschnitt 1.5 beschäftigt sich mit Beweisverfahren, die im weiteren Verlauf angewendet werden. Version 7.2-005 13

1.1. Aussagen und Aussageformen Aussagen 1.1. Aussagen und Aussageformen Zur präzisen mündlichen oder schriftlichen Formulierung von Sachverhalten ist die Mathematik, aber nicht allein die Mathematik, dazu übergegangen, Aussagen zu treffen, die teilweise in natürlicher Sprache und teilweise in einer künstlichen und formalisierten Sprache wiedergegeben werden. Betrachten wir dazu zuerst einige Sätze und untersuchen die Frage, welche Sätze Aussagen darstellen, auch wenn wir erst danach eine Definition für Aussagen vornehmen werden: 1. 2 + 3 = 5 Dies ist eine wahre Aussage. 2. 4 ist eine Primzahl Dies ist eine falsche Aussage, das heißt Aussagen müssen nicht immer wahr sein, sie können auch falsch sein! 3. Es gibt unendlich viele Primzahlen. Dies ist eine wahre Aussage, die bereits vom griechischen Mathematiker Euklid (um 300 v.chr.) vor etwa 2.300 Jahren bewiesen wurde. 4. Die Gleichung x n + y n = z n hat, außer der trivialen Lösung, keine ganzzahligen Lösungen für n größer als 2 Dies ist eine Aussage, die von französischen Mathematiker Pierre de Fermat (1601-1665) 1 etwa 1637 aufgestellt wurde. Die Aussage ist als großer Fermat scher Satz oder Fermats letzter Satz bekannt. Sie wurde erst 1993 / 1995 vom britischen Mathematiker Andrew Wiles (*1953) bewiesen 2. 5. Jede gerade Zahl, die größer als 2 ist, ist Summe zweier Primzahlen. Die Aussage ist die Goldbach sche Vermutung, benannt nach dem deutschen Mathematiker Christian Goldbach (1690-1764). (Beispiele: 4 = 2 + 2, 6 = 3 + 3, 8 = 3 + 5, 10 = 5 + 5 = 3 + 7) Dies ist eine Aussage, von der noch nicht bekannt ist, ob sie wahr oder falsch ist. 1 Eine Kurzbiographie über Pierre de Fermat: Klaus Barner; Das Leben Fermats; in Mitteilungen der Deutschen Mathematiker-Vereinigung, Heft 3/2001 2 Eine interessante und lesenswerte Beschreibung der Geschichte des Satzes von Fermat, von den Grundlagen bis zu seiner Lösung, mit vielen historischen Anmerkungen steht in Simon Singh; Fermats letzter Satz; dtv, 2000 14 Version 7.2-005

Kapitel 1. Aussagen 6. Es ist Vollmond. Dies ist eine Aussage, die manchmal wahr ist, manchmal jedoch falsch. Der Wahrheitsgehalt hängt von der Zeit ab. Hier erreicht man dann die temporale Logik, welche zeitliche Zusammenhänge einbezieht. 7. Brasilia ist die Hauptstadt von Brasilien. Dies ist eine wahre Aussage, nicht aus der Mathematik. Der Wahrheitswert einer solchen Aussage kann sich im Laufe der Zeit verändern. Die Aussage Rio de Janeiro ist die Hauptstadt von Brasilien war bis 1960 eine wahre Aussage, seit 1960 nicht mehr, denn dann wurde Brasilia die Hauptstadt von Brasilien. 8. Guten Morgen! Dies ist keine Aussage, sondern ein Ausruf. 9. Dieser Satz ist falsch. Diesen Satz werden wir später, nach unserer Definition von Aussagen noch genauer betrachtet. 10. Diese Person ist groß. Auch diesen Satz werden wir nach der Definition von Aussagen noch betrachtet. Auf der Basis dieser Beispiele definieren wir nun, was wir unter einer Aussage verstehen. Definition 1.1 (Aussage). Ein sprachliches Gebilde A heißt Aussage, wenn man eindeutig entscheiden kann, ob sie wahr oder falsch ist. Der Aussage kann somit eindeutig der Wahrheitswert wahr oder falsch zugeordnet werden. Ist A eine Aussage, dann sei w(a) der zugehörige Wahrheitswert der Aussage. Dies ist keine klare Definition, da auf Begriffe zurückgegriffen wird, die selber nicht exakt definiert sind. Im Folgenden werde ich oftmals statt wahr auch andere Begriffe oder Kurzzeichen verwenden. Den englischen Begriff true oder die Kürzel W, w, T, t oder 1. Für falsch wird auch der englische Begriff false oder die Kürzel F, f oder 0 verwendet. Diese Definition von Aussagen basiert auf dem Prinzip vom ausgeschlossenen Dritten, das heißt auf der Tatsache, dass eine Aussage entweder wahr oder falsch ist. Daher spricht man hier von zweiwertiger Logik. Es gibt Kulturkreise, in denen das Prinzip der zweiwertigen Logik nicht gilt, in denen es neben wahr und Version 7.2-005 15

1.1. Aussagen und Aussageformen falsch auch noch andere Wahrheitswerte gibt, zum Beispiel vielleicht oder unbestimmt oder sogar noch andere Abstufungen. 3 Betrachten wir nun den Satz Dieser Satz ist falsch.. Auf den ersten Blick ist es eine Aussage. Daher können wir uns jetzt fragen, ob diese Aussage wahr oder falsch ist, denn einer Aussage muss nach unserer Definition eindeutig ein Wahrheitswert zugeordnet werden können. Wenn es eine wahre Aussage ist, dann besagt der Satz, dass die Aussage des Satzes falsch ist, dass es also eine falsche Aussage ist. Also kann es keine wahre Aussage sein. Ist es dann eine falsche Aussage? Wenn die Aussage des Satzes falsch ist, dann besagt dies, dass die Aussage des Satzes wahr ist!? Auch das führt zu einem Widerspruch. Es kann nicht entschieden werden, ob der Satz wahr oder falsch ist. Somit ist es keine Aussage (nach unserer Definition)! Es ist eine Paradoxie, die zu tiefer gehenden, philosophischen Problemen der Logik führt, die hier nicht näher beleuchtet werden. Beim Satz Diese Person ist groß. ist es ebenfalls schwer zu bestimmen, ob dieser Satz wahr oder falsch ist. Die Größe bezieht sich hierbei auf die Körpergröße. Für Pygmäen ist eine Person mit 1,70 m Körperlänge eine große Person, für Basketballspieler ist dies jedoch nicht groß. Dies führt in die moderne Entwicklung der Fuzzy Logik, die bewusst mit Unschärfen arbeitet. Die Fuzzy Logik wird hier nicht weiterverfolgt. Aussageformen Es gibt andere Formulierungen, für die man keinen Wahrheitswert zuordnen kann: P(x) := x ist eine Primzahl T(x, y) := x ist ein Teiler von y S(x, y, z) := x ist die Summe von y und z Wenn man jedoch für die Platzhalter x, y oder z konkrete Werte aus einem Grundbereich von Werten einsetzt, dann ergeben sich hieraus Aussagen, denen man einen Wahrheitswert zuordnen kann. Dies führt uns zur nachfolgenden Definition. 3 siehe hierzu John D. Barrow; Ein Himmel voller Zahlen - Auf den Spuren mathematischer Wahrheit; rororo, 1999 16 Version 7.2-005

Kapitel 1. Aussagen Definition 1.2 (Variable, Aussageform). Eine Variable über einem Grundbereich ist ein Symbol, für das spezielle Objekte eines Grundbereichs eingesetzt werden können. Eine mit Hilfe mindestens einer Variablen ausgedrückte Formulierung heißt Aussageform oder Prädikat, wenn beim Einsetzen von bestimmten Objekten des Grundbereichs für die Variable(n) eine Aussage entsteht. Auch diese Definition agiert mit schwammigen Begriffen. Für die obigen Aussageformen gelten: w(p (3)) = w; w(p (4)) = f; w(p (5)) = w w(t (2, 3)) = f; w(t (2, 4)) = w w(s(5, 2, 3)) = w Durch die Einsetzung von konkreten Werten aus dem Grundbereich in die Aussageformen werden konkrete Aussagen gebildet, für die jeweils ein Wahrheitswert bestimmbar ist. In Java, aber auch in anderen Programmiersprachen, gibt es den primitiven Datentyp boolean mit den beiden möglichen Werte true und false. Dies ist eine Darstellung der Wahrheitswerte. Eine Aussage ist dann einfach eine Boolesche Variable. Bei der Programmierung haben wir es mit vielen Aussageformen zu tun. Jede Methode mit einem Rückgabewert vom Typ boolean ist eine Aussageform public boolean istprimzahl (); public boolean istteilervon (long zahl); public boolean istsummevon (double x, double y); 1.2. Verknüpfung von Aussagen Im Nachfolgenden beschäftigen wir uns mit Verknüpfungen von Aussagen, das heißt mit Verbindungen von mehreren Aussagen und wie ausgehend von Aussagen andere Aussagen gebildet werden können. Diese Verknüpfungen kennen wir auch aus dem Alltag. Es sind dies die Verknüpfungen nicht, und, oder, wenn, dann und genau dann, wenn. In der Aussagenlogik werden diese Verknüpfungen so festgelegt, dass sich der Wahrheitswert der Verknüpfung eindeutig aus den Wahrheitswerten der Teilaussagen ergibt, unabhängig davon, ob zwischen Version 7.2-005 17

1.2. Verknüpfung von Aussagen den Teilaussagen ein inhaltlicher Zusammenhang besteht oder jedoch kein Zusammenhang besteht. Auch wenn wir die Verknüpfungen teilweise aus dem Alltagsleben kennen, so ist deren mathematische Definition und Deutung manchmal etwas anders als in der Umgangssprache. Zur Darstellung der Aussagen verwenden wir eine Wahrheitstafel oder Verknüpfungstafel. Durch eine Belegung der Teilaussagen mit Wahrheitswerten und die Belegung der Verknüpfung mit Wahrheitswerten erhält man die vollständige Darstellung der Verknüpfung. Die Wahrheitstafel in Tabelle 1.1 zeigt als Beispiel die Wahrheitstafel für die und-verbindung. A B A B w w w w f f f w f f f f Tabelle 1.1.: Beispiel Wahrheitstafel Kommen wir nun zur Definition der einzelnen Verknüpfungen. Negation Definition 1.3 (Negation). Es sei A eine beliebige Aussage. Eine Aussage C heißt Negation der Aussage A, falls C genau dann wahr ist, wenn A falsch ist und falsch, wenn A wahr ist. Die Negation von A wird mit C = A oder mit C = not(a) oder mit C = A bezeichnet. Die Negation von A wird auch durch die Wahrheitstafel in Tabelle 1.2 dargestellt. A A w f f w Tabelle 1.2.: Wahrheitstafel Negation Auch wenn hier nur eine Aussage verwendet wird, sprechen wir hier von einer Verknüpfungen, einer 1-stelligen Verknüpfung. Beispiel 1.1. Ist A die Aussage, dass eine Kugel ist rot ist, dann ist A die Aussage, dass die Kugel nicht rot ist. 18 Version 7.2-005

Kapitel 1. Aussagen Konjunktion Definition 1.4 (Konjunktion). Es seien A und B beliebige Aussagen. Eine Aussage C heißt Konjunktion oder und-verknüpfung oder and-verknüpfung der Aussagen A und B, falls C genau dann wahr ist, wenn A wahr ist und B wahr ist. Die Konjunktion von A und B wird mit C = (A B) oder mit C = (A and B) bezeichnet. Die Konjunktion von A und B wird durch die Wahrheitstafel in Tabelle 1.3 dargestellt. Alle möglichen Kombinationen der Wahrheitswerte für A und B sind mit dem Ergebnis der Verknüpfung dargestellt. A B A B w w w w f f f w f f f f Tabelle 1.3.: Wahrheitstafel Konjunktion Beispiel 1.2. Ist A die Aussage, dass eine Kugel rot ist und B die Aussage, dass auf einer Kugel eine gerade Zahl ist, dann ist die Aussage C = (A B) die Aussage, dass eine Kugel rot ist und eine gerade Nummer hat. Beispiel 1.3. Ist A die wahre Aussage, 2 ist gerade und B die falsche Aussage 3 ist gerade, so ist die Aussage (A B) ( 2 ist gerade und 3 ist gerade ) eine falsche Aussage. Disjunktion Definition 1.5 (Disjunktion). Es seien A und B beliebige Aussagen. Eine Aussage C heißt Disjunktion oder Adjunktion oder oder-verknüpfung oder or- Verknüpfung der Aussagen A und B, falls C genau dann wahr ist, wenn A wahr ist oder B wahr ist (oder A wahr ist und B wahr ist). Die Disjunktion von A und B wird mit C = (A B) oder C = (A or B) bezeichnet. Version 7.2-005 19

1.2. Verknüpfung von Aussagen Die Verwendung von oder im mathematischen Sinne ist ein nicht ausschließendes oder. In der Umgangssprache verwendet man das oder oftmals als exklusives oder, also als entweder... oder. Dies ist zu beachten. Wir verwenden immer das nicht-ausschließende oder. Ein ausschließendes oder werden wir später noch kennen lernen. Die Disjunktion von A und B wird durch die Wahrheitstafel in Tabelle 1.4 dargestellt. A B A B w w w w f w f w w f f f Tabelle 1.4.: Wahrheitstafel Disjunktion Beispiel 1.4. Ist A die Aussage, dass eine Kugel rot ist und B die Aussage, dass auf einer Kugel eine gerade Zahl ist, dann ist die Aussage C = (A B) die Aussage, dass die Kugel rot ist oder eine gerade Nummer hat. Die Kugel kann auch rot sein und eine gerade Nummer haben. Beispiel 1.5. Ist A die wahre Aussage, 2 ist gerade und B die falsche Aussage 3 ist gerade, so ist die Aussage (A B) ( 2 ist gerade oder 3 ist gerade ) eine wahre Aussage. Implikation Definition 1.6 (Implikation). Es seien A und B beliebige Aussagen. Eine Aussage C heißt Implikation oder Subjunktion oder Folgerung von A nach B, falls C genau dann wahr ist, wenn A und B wahr sind oder aber A falsch ist. Die Implikation von A nach B wird mit C = (A B) bezeichnet. Die Implikation von A und B wird durch die Wahrheitstafel in der Tabelle 1.5 dargestellt. Mit dieser Definition haben viele Personen, die vom normalen Sprachgebrauch ausgehen Schwierigkeiten, denn in der vorletzten Zeile steht, dass man von etwas Falschem etwas Richtiges folgern kann. Das ist auf den ersten Blick merkwürdig, aber ich habe bereits oben erwähnt, dass die mathematische Definition manchmal etwas anderes ist. 20 Version 7.2-005

Kapitel 1. Aussagen A B A B w w w w f f f w w f f w Tabelle 1.5.: Wahrheitstafel Implikation Beispiel 1.6. Es sei A die wahre Aussage 2 ist gerade und B die wahre Aussage 4 ist gerade. Die Aussage A B ist ebenfalls wahr. Beispiel 1.7. Es sei A die falsche Aussage 1 = -1 und B die wahre Aussage 1 2 = ( 1) 2. Auch die Aussage A B ist wahr. Aus etwas Falschem kann alles gefolgert werden! Äquivalenz Definition 1.7 (Äquivalenz). Eine Aussage C heißt Äquivalenz oder Bijunktion von A und B, falls C genau dann wahr ist, wenn A wahr ist und B wahr ist oder aber A falsch ist und B falsch ist. Die Äquivalenz von A und B wird mit C = (A B) bezeichnet. Die Äquivalenz von A und B wird durch die Wahrheitstafel in Tabelle 1.6 dargestellt. A B A B w w w w f f f w f f f w Tabelle 1.6.: Wahrheitstafel Äquivalenz Damit sind die fünf wichtigsten Verknüpfungen (Negation, Konjunktion, Disjunktion, Implikation und Äquivalenz) eingeführt. Sie werden auch Junktoren genannt. Version 7.2-005 21

1.2. Verknüpfung von Aussagen Bei der Darstellung von Ausdrücken kann es zu Problemen kommen, wenn man keine Klammern setzt oder wenn man keine Vereinbarung über die Reihenfolge der Verknüpfungen festlegt. Beispiel: A B C. Daher vereinbaren wir: Die Junktoren,,, und binden jeweils stärker als die Nachfolger in dieser Liste. Daher kann man den Ausdruck A B C auch als (A B) C schreiben, während A (B C) etwas anderes darstellt. Im Zweifelsfall sollte man eher etwas mehr Klammern schreiben als zu wenig, um mögliche Fehlerquellen zu vermeiden. Beispiel 1.8. Mit Hilfe einer Wahrheitstafel können auch zusammengesetzte Aussagen schrittweise gelöst werden. Betrachten wir hierzu die zusammengesetzte Aussage (A B) (A C) und betrachten den Wahrheitswert der Aussage in Abhängigkeit von den Wahrheitswerten der elementaren Aussagen A, B und C. (siehe Tabelle 1.7) A B C (A B) (A C) w w w w w w w w w w w w f w w w w w f f w f w w f f w w w w w f f w f f f w f f f w w f w w w f f w f w f f w w w f f f f f w f w f w f f w f f f f w f w f f f 0. 1. 0. 2. 0. 1. 0. Tabelle 1.7.: Beispiel Auswertung Wahrheitstafel Die zusammengesetzte Aussage wurde schrittweise gelöst. In der untersten Zeile steht, in welcher Reihenfolge die Teilaussagen gelöst wurden. Dabei steht 0. für die einfache Übertragung der Basiswerte. Gleiche Zahlenwerte in der letzten Zeile bedeuten, dass die Ergebnisse auf dieser Ebene in beliebiger Reihenfolge gebildet werden können. Die Erstellung von Wahrheitstafeln für Aussagen kann auch mit Hilfe eines Tabellenkalkulationsprogramms erstellt werden. Diese Programme bieten logische Funktionen und Ausdrücke. Auch moderne Programmiersprachen bieten Konstrukte für die Bearbeitung von logischen Ausdrücken. 22 Version 7.2-005

Kapitel 1. Aussagen Wir haben einige 1- und 2-stelligen Verknüpfungen kennen gelernt. Wir wollen nun alle 1- und 2-stelligen Verknüpfungen kennen lernen. Einige dieser Verknüpfungen haben besondere Namen und sind (insbesondere in der Informatik) bedeutend. Um zu sehen, welche weiteren Verknüpfungen es noch gibt, können wir die möglichen Verknüpfungen systematisch erarbeiten. 1-stellige Verknüpfungen Es sei A eine Aussage, dann gibt es vier 1-stelligen Verknüpfungen. Das heißt, es gibt vier Möglichkeiten, wie die Wahrheitwerte in Abhängigkeit des Wahrheitwertes von A verteilt sein können. In der Tabelle 1.8 werden die möglichen 1-stelligen Verknüpfungen dargestellt: V 1 V 2 V 3 V 4 A true id(a) A f alse w w w f f f w f w f Tabelle 1.8.: Liste 1-stellige Verknüpfungen In dieser Wahrheitstafel sind in der ersten beiden Zeilen die Aussagen oder einstelligen Verknüpfungen aufgeführt, in den beiden nachfolgenden Zeilen die möglichen Verteilungen der Wahrheitswerte von V i (A), für i = 1, 2, 3, 4 bei gegebenem Wahrheitswert der Aussage A. In der zweiten Zeile stehen die kurzen Bezeichnungen der Verknüpfung. Die Bezeichnungen dieser Verknüpfungen sind in der Literatur allerdings nicht einheitlich. Die Verknüpfungen true(a) und false(a) sind unabhängig vom Wahrheitswert von A stets wahr beziehungsweise f alsch. Die Verknüpfung id(a) ist die Identität von A, so dass als einzige nicht-triviale 1-stellige Verknüpfung die Negation A, not(a) oder A bleibt. 2-stellige Verknüpfungen Zweistellige Verknüpfungen gibt es insgesamt 16, die in den Tabellen 1.9 und 1.10 vollständig aufgeführt sind. In der Tabelle stehen die Wahrheitswerte von V i (A, B) für i = 1, 2,..., 16 in Abhängigkeit der Wahrheitswerte von A und B. Version 7.2-005 23

1.2. Verknüpfung von Aussagen V 1 V 2 V 3 V 4 V 5 V 6 V 7 V 8 A B true id(a) id(b) w w w w w w w w w w w f w w w w f f f f f w w w f f w w f f f f w f w f w f w f Tabelle 1.9.: Liste 2-stellige Verknüpfungen, Teil 1 V 9 V 10 V 11 V 12 V 13 V 14 V 15 V 16 A B B A f alse w w f f f f f f f f w f w w w w f f f f f w w w f f w w f f f f w f w f w f w f Tabelle 1.10.: Liste 2-stellige Verknüpfungen, Teil 2 Aus der Wahrheitstafel kann man erkennen, dass die Verknüpfungen aus dem zweiten Teil aus der Negation der Verknüpfungen aus dem ersten Teil entsteht. Es gilt V i (A, B) = (V 17 i (A, B)) für i = 1,..., 16. Die Verknüpfung V 3 setzt sich zusammen aus A B oder aber B A, die Verknüpfungen V 1, V 4 und V 6 sind trivial, so dass sich alle 2-stelligen Verknüpfungen auf die fünf Verknüpfungen,,, und zurückführen lassen. Daraus ergibt sich die Bemerkung 1.8. Die 2-stelligen Verknüpfungen lassen sich alle allein mit Hilfe der Junktoren darstellen. Die Verknüpfungen und lassen sich allein mit Hilfe der Verknüpfungen, und darstellen lassen: Bemerkung 1.9. Es seien A und B beliebige Aussagen dann gelten Damit ergibt sich sogar die (A B) (A B) (B A) (1.1) (A B) A B. (1.2) 24 Version 7.2-005

Kapitel 1. Aussagen Bemerkung 1.10. Die 2-stelligen Verknüpfungen lassen sich alle allein mit Hilfe der Verknüpfungen, und darstellen. Dies ist auch der Grund, wieso in einigen Programmiersprachen, zum Beispiel in Java, und in Tabellenkalkulationsprogrammen oftmals nur die logischen Operatoren, und realisiert sind. Einige Verknüpfungen aus der obigen Tabelle haben einen besonderen Namen, die in der Tabelle auch bereits eingetragen sind. = (nicht und; nicht zugleich; nand), = (nicht oder; weder noch; nor) = exclusive or (exklusives oder; entweder oder; xor) Die Verknüpfungen haben ihre besondere Bedeutung in der Schaltalgebra, die auf der nachfolgenden Bemerkung beruht. Bemerkung 1.11. Die 2-stelligen Verknüpfungen lassen sich alle allein mit den Verknüpfung beziehungsweise darstellen. Beweis: Es gelten die nachfolgenden Äquivalenzen, die leicht nachgerechnet werden können. A (A A) (1.3) (A A) A B (A B) (A B) (1.4) (A A) (B B) A B (A A) (B B) (1.5) (A B) (A B) A B A (A B) (1.6) (B (A B)) (B (A B)) Diese Äquivalenzen können beispielsweise mittels Wahrheitstafeln bewiesen werden. Dies führe ich an Hand der erste Äquivalenz aus, siehe Tabelle 1.11. Version 7.2-005 25

1.3. Aussagenlogik A A A A A A w f f f f w w w Tabelle 1.11.: Beweis A = A A = A A Es kann aber auch ohne Wahrheitstafeln bewiesen werden, durch Äquivalente Umformungen. (A B) (A B) (A B) ( (A B)) A B Die Ausführung des Beweises der restlichen Äquivalenzen kann als einfache Übung durchgeführt werden. 1.3. Aussagenlogik Wenn A eine beliebige Aussage ist, dann ist die Verknüpfung A A stets wahr, während die Verknüpfung A A stets falsch ist, unabhängig vom Wahrheitswert von A. Dies führt zur nachfolgenden Definition. Definition 1.12 (Tautologie). Eine Aussage heißt eine Tautologie, wenn sie stets eine wahre Aussage ist. Eine Aussage heißt eine Kontradiktion, wenn sie stets eine falsche Aussage ist. Allgemein gültige Aussage (Tautologien) heißen auch Sätze der Aussagenlogik. Sie bilden die Basis für die mathematische Logik und das Beweisen. Wir werden im Folgenden einige Tautologien aufstellen und beweisen. Satz 1.13 (Satz vom ausgeschlossenen Dritten). Es sei A eine Aussage, dann ist eine Tautologie. A A (1.7) 26 Version 7.2-005

Kapitel 1. Aussagen A A A w w w f f f w w 0. 2. 1. Tabelle 1.12.: Beweis Satz vom ausgeschlossenen Dritten Beweis: Der Beweis kann mit Hilfe einer Wahrheitstafel (siehe Tabelle 1.12) erbracht werden. Dies bedeutet, dass eine Aussage wahr oder falsch ist. Dies hängt auch damit zusammen, dass wir eine 2-wertige Logik behandeln. Ansonsten gäbe es neben wahr und falsch noch weitere Wahrheitszustände. Satz 1.14 (Satz vom Widerspruch). Es sei A eine Aussage, dann ist eine Tautologie. (A A) (1.8) Die Aussage (A A) ist eine Kontradiktion. Dies bedeutet, dass eine Aussage nicht gleichzeitig wahr und falsch sein kann. Satz 1.15 (Assoziativ-, Kommutativ- und Distributivgesetz). Es seien A, B und C Aussagen. Es gelten das Assoziativgesetz, das Kommutativgesetz und das Distributivgesetz (A B) C A (B C) (1.9) (A B) C A (B C) (1.10) A B B A (1.11) A B B A (1.12) A (B C) (A B) (A C) (1.13) A (B C) (A B) (A C). (1.14) Version 7.2-005 27

1.3. Aussagenlogik Das Assoziativgesetz ermöglicht es, einfach A B C beziehungsweise A B C zu schreiben, ohne dass man Klammern setzen muss. Dies erleichtert oftmals die Schreibarbeit. Das Assoziativgesetz gilt auch für mehr als drei Aussagen. Diese drei Gesetze erinnern stark an die entsprechenden Gesetze bei der Arithmetik mit + und, doch beim Distributivgesetz ist zu sehen, dass es Unterschiede gibt. Satz 1.16 (Satz von der doppelten Verneinung). Es sei A eine Aussage, dann gilt ( (A)) A (1.15) Die doppelte Verneinung einer Aussage hebt sich gegenseitig aus, es entsteht wieder die ursprüngliche Aussage. Satz 1.17 (Regeln von de Morgan). Es seien A und B Aussagen, dann gelten (a) (A B) A B (1.16) (b) (A B) A B (1.17) Die Negation einer and-verknüpfung ist die or-verknüpfung der Negationen der Aussagen. Ebenso ist die Negation einer or-verknüpfung die and-verknüpfung der Negationen. Die Regeln von de Morgan sind nach dem britischen Mathematiker Augustus de Morgan (1806-1871) benannt. Beweis: Es soll (A B) ( (A) (B)) bewiesen werden. A B (A B) A B w w f w w f f f w f w f w f w w f w w f w w w f f f w f w w w w 2. 1. 3. 1. 2. 1. Tabelle 1.13.: Beweis Regel von de Morgan Durch ersetzen von A durch A und B durch B in der obigen Äquivalenz, erhalten wir, dabei hilft auch der Satz von der doppelten Verneinung, ( A B) ( ( A) ( B)) A B. (1.18) Negation auf beiden Seiten und nochmalige Anwendung des Satzes der doppelten Verneinung ergibt die zweite Regel von de Morgan. 28 Version 7.2-005

Kapitel 1. Aussagen (A B) (doppelte Verneinung) ( ( A) ( B)) (Regel von de Morgan, a) ( ( A B)) (doppelte Verneinung) A B Die nachfolgenden Sätze sind wichtige Sätze für die Beweisverfahren. Satz 1.18. Es seien A, B und C beliebige Aussagen, dann gelten 1. Kontrapositionssatz (A B) ( B A) (1.19) 2. Satz zum modus ponens / Abtrennungsregel ((A B) A) B (1.20) 3. Satz zum modus tollens (A B) B A (1.21) 4. Satz zum modus barbara / Kettenschlussregel [(A B) (B C)] (A C) (1.22) Beweis: (teilweise) Satz zum modus tollens: Der Beweis ist als Wahrheitstabelle in der Tabelle 1.14 zu sehen. A B (A B) B A w w w f f w f w f f f w w f f w w f f w w f f w w w w w 1. 2. 1. 3. 1. Tabelle 1.14.: Beweis Satz zum modus tollens Version 7.2-005 29

1.4. Prädikatenlogik Der Beweis kann jedoch auch ohne Wahrheitstafel, durch äquivalente Umformungen erfolgen. (A B) B ( A B) B ( A B) (B B) ( A B) false A B A Distributivgesetz Satz 1.13 (Satz vom Widerspruch) Die weiteren Aussagen können leicht als Übung bewiesen werden. 1.4. Prädikatenlogik Für die Formulierung mathematischer Theorien reicht die Aussagenlogik noch nicht aus. In der Aussagenlogik werden Aussagen betrachtet. In der Prädikatenlogik werden Prädikate oder Aussageformen betrachtet. Bei der weiteren Analyse von Aussagen stößt man auf Subjekte, Prädikate und sogenannte quantifizierbare Redeteile wie für alle und es gibt. Subjekte sind Namen für Dinge aus einer bestimmten vorgegebenen Individualmenge, Prädikate sind Namen für Relationen 4 auf dieser Individualmenge. 1-stellige Prädikate heißen Eigenschaften. Weiter führt man die Quantoren ( für alle oder Generalisator) und ( es gibt oder Partikularisator) ein. Darüber hinaus gibt es noch das Gleichheitszeichen = und Vergleichsoptionen < und >, um Identitäten darstellen zu können. Führt man noch Funktionen 5 (in n Variablen) ein, die jedoch genau genommen nur ((n + 1)-stellige) Relationen sind, so haben wir die Elemente der Prädikatenlogik der 1. Stufe mit Identität, um damit mathematische Aussagen formulieren zu können. Dies und die Erweiterung in höhere Stufen wird hier nicht weiter ausgeführt. Wir werden an einigen Beispielen die Prädikatenlogik betrachten. 4 Relationen werden wir erst später genauer kennen lernen 5 Funktionen werden wir erst später genauer kennen lernen 30 Version 7.2-005

Kapitel 1. Aussagen Beispiele: 1. Es existiert (mindestens) eine Primzahl größer 5 und kleiner 9. Sei P das 1-stellige Prädikat (Eigenschaft) ist Primzahl, dann lässt sich dies darstellen als n N : P (n) (5 < n < 9). (1.23) 2. Für alle reelle Zahlen x größer 0 existiert (mindestens) eine natürliche Zahl n, so dass 1/n kleiner x ist: (x R + ) : (n N) : 1/n < x. (1.24) Damit hilft die Prädikatenlogik bei klaren Beschreibung mathematischer Aussagen. Die Prädikatenlogik wird an dieser Stelle nicht weiter detailliert. Wir werden sie jedoch immer wieder anwenden und dadurch genauer kennen lernen. 1.5. Beweisverfahren Unter einem Beweis versteht man die Ableitung einer Aussage aus anderen Aussagen nach bestimmten, logischen Schlussregeln. Wir werden hier einige der Beweisverfahren an konkreten Beispielen betrachten. Ziel eines Beweises ist es immer, aus einem gegebenen Satz von wahren Aussagen durch logische Schlussfolgerungen eine Behauptung zu bestätigen. Gegenbeispiel Nicht jede Behauptung ist wahr. Die Anführung eines einzigen Gegenbeispieles ist eine Möglichkeit, eine Behauptung zu widerlegen. Eine Möglichkeit, die man immer in Erwägung ziehen sollte. Für die Widerlegung einer Aussage genügt ein einziges Gegenbeispiel. Für einen Beweis einer Aussage reichen auch viele Beispiele nicht. Version 7.2-005 31

1.5. Beweisverfahren Vollständiges Durchrechnen Ebenfalls eine einfache Möglichkeit ist das vollständige Durchrechnen aller Fälle. Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn es endlich viele Fälle gibt. Es ist nur dann wirklich einfach, wenn die Anzahl der möglichen Fälle klein ist. In den ersten Abschnitten wurden einige Beweise dadurch geführt. Mit dem Aufkommen der Computer sind derartige Beweise verstärkt aufgekommen. Ein berühmtes Beispiel ist der Beweis des Vierfarbenproblem 6, das mit Hilfe der Reduzierung auf endliche viele Untersuchungsfälle und dem anschließenden Durchrechnen mittels eines Computerprogramms gelöst wurde. Direkter Beweis Beim direkten Beweis wird eine Aussage aus einer wahren Aussage durch direkte logische Schlussregeln hergeleitet. Als Basis dient hierbei der Satz zum modus ponens. ((A B) A) B (1.25) Beispiel 1.9. Beispiel für einen direkten Beweis: Behauptung: Es sei n eine ungerade natürliche Zahl, dann ist auch n 2 eine ungerade Zahl. Hierbei sei n ist ungerade die Ausssage A und n 2 ist ungerade die Aussage B. Beweis: Da n eine ungerade natürliche Zahl ist, existiert eine Zahl k, mit n = 2k + 1. Damit gilt n 2 = (2k + 1) 2 = 4k 2 + 4k + 1 = 2(2k 2 + 2k) + 1. (1.26) Somit ist auch n 2 eine ungerade Zahl. Damit wurde die Aussage direkt bewiesen. Indirekter Beweis Der indirekten Beweis basiert auf dem Kontrapositionssatz, der folgenden Äquivalenz: (A B) ( B A) (1.27) 6 Wie viele Farben reichen aus, um eine beliebige Karte so einzufärben, dass je zwei aneinander grenzende Länder unterschiedliche Farben haben? Diese Problem wurde von Francis Guthrie (englischer Mathematiker) 1852 formuliert. Erst 1977 gelangen Kenneth Appel und Wolfgang Haken mit Hilfe eines Computerprogrammes der Beweis. 32 Version 7.2-005

Kapitel 1. Aussagen Es wird somit von der Negation der Aussage B ausgegangen und daraus die Negation der Aussage A bewiesen. Beispiel 1.10. Beispiel für einen indirekten Beweis: Behauptung: Ist n 2 eine gerade Zahl, dann ist auch n eine gerade Zahl. Beweis: A sei die Aussage n 2 ist gerade, B sei die Aussage n ist eine gerade Zahl. Die Negation zu B ist die Aussage n ist ungerade. Aus dem Beispiel zum direkten Beweis haben wir gesehen, dass dann n 2 eine ungerade Zahl ist, dies ist die Negation von A. Aus der Negation von B folgt die Negation von A, damit folgt aus A die Aussage B. Damit wurde die Aussage indirekt bewiesen. Beweis durch Widerspruch Der Beweis durch Widerspruch basiert auf dem Satz zum modus tollens. (A B) B A (1.28) Wenn aus der Aussage A die Aussage B folgt, jedoch die Negation von B wahr ist, dann ist kann die Aussage A nicht wahr sein, denn ansonsten würde auch die Aussage B wahr sein, was ein Widerspruch darstellt. Somit ist die Negation von A wahr. Beispiel 1.11. Beispiel für einen Beweis durch Widerspruch: Behauptung: 2 ist irrational. Beweis: Wenn 2 rational ist, dann gibt es teilerfremde, natürliche Zahlen p und q, so dass 2 = p q gilt. Damit ergibt sich 2q2 = p 2. Damit ist p 2 gerade und damit auch p (siehe Beispiel zum indirekten Beweis). Somit gibt es eine Zahl k, so dass p = 2k gilt. Eingesetzt in die Gleichung ergibt sich 2q 2 = 4k 2. Hier kann man durch 2 kürzen und man erhält q 2 = 2k 2. Damit ist q 2 gerade und somit auch q. Dies widerspricht jedoch der Annahme, dass p und q teilerfremd sind, also ist die Annahme, dass 2 rational ist falsch! Damit wurde die Aussage, dass 2 irrational ist, indirekt bewiesen. Der Beweis durch Widerspruch ist nur möglich, wenn man von der 2-wertigen Logik ausgeht, denn dann ist eine Aussage entweder wahr oder falsch! Version 7.2-005 33

1.6. Aufgaben Vollständige Induktion Beim Beweis durch vollständige Induktion beweist man eine Aussage der Form n N : A(n), indem zuerst die Aussage für n = 1 bewiesen wird (Induktionsbeginn oder Induktionsverankerung). In der Induktionsannahme wird angenommen, dass A(n) gilt. Im Induktionsschritt von n auf n + 1 wird die Aussage A(n + 1), basierend auf der Aussage A(n) (manchmal auch auf den Aussagen A(n 1),...) bewiesen: (A(n) A(n+1)). Durch wiederholte Anwendung des Satzes des modus ponens gilt A(n) für alle n N. Beispiel 1.12. Beispiel für einen Beweis durch vollständige Induktion: Behauptung: n N : n i = i=1 n(n + 1) 2 (1.29) Beweis: Die Aussage A(n) ist für n N A(n) : n i = i=1 n(n + 1) 2 (1.30) Induktionsbeginn: Es gilt A(1), denn 1 i=1 i = 1 = 1(1+1) 2. Induktionsannahme: A(n) gilt. Induktionsschritt von n auf n + 1: n+1 n i = i + (n + 1) = i=1 i=1 n(n + 1) 2 + (n + 1) = (n + 1)(n + 2) 2 (1.31) Beim ersten Gleichheitszeichen wurde der Term für n + 1 so umgeformt, dass ein Term entsteht, für den die Induktionsannahme verwendbar ist. Beim mittleren Gleichheitszeichen wurde die Induktionsannahme verwendet. In den nachfolgenden Kapiteln wird es noch oft die Gelegenheit geben, die verschiedenen Beweisverfahren einzusetzen. 1.6. Aufgaben Aufgabe 1.1. Es seien A, B und C Aussagen. Erstellen Sie die Wahrheitstafeln für die nachfolgenden logischen Aussagen 34 Version 7.2-005

Kapitel 1. Aussagen 1. (A B) ( A C) 2. (A (B C)) (A B) 3. (A B) (B C) 4. ( A B) (B C) Aufgabe 1.2. Es seien A, B und C Aussagen. Bestimmen Sie die Wahrheitstafeln der nachfolgen Aussageformen 1. (A B) C 2. A (B C) 3. (A B) C 4. A (B C) Aufgabe 1.3. Erstellen Sie Wahrheitstafeln mit Hilfe eines Tabellenkalkulationsprogramms ihrer Wahl. Aufgabe 1.4. Erstellen Sie Wahrheitstafeln mit Hilfe eines Programms in einer beliebigen Programmiersprache Ihrer Wahl. Aufgabe 1.5. Zeigen Sie, dass die logischen Verknüpfungen,, und allein durch den logischen Operator darstellbar sind. Aufgabe 1.6. Zeigen Sie, dass die logischen Verknüpfungen,, und allein durch den logischen Operator darstellbar sind. Aufgabe 1.7. Es seien A und B zwei beliebige Aussagen. Zeigen Sie, dass (A B) ( B A) eine Tautologie ist. (Kontrapositionssatz) Aufgabe 1.8. Beweisen Sie den Satz zum modus ponens. Aufgabe 1.9. Zeigen Sie, dass die nachfolgenden Aussagen Tautologien sind: (a) (A B) ( A B) (b) (A B) ((A B) ( A B)) (c) (A B) (A B) (d) (A B) (A B) (e) (A B) (A B) Aufgabe 1.10. Es seien A, B und C Aussagen. Zeigen Sie, dass folgende Aussagen Tautologien (Sätze der Aussagenlogik) sind. Version 7.2-005 35

1.6. Aufgaben 1. (splitten) [(A B) C] [(A C) (B C)] 2. (verschieben) [(A B) C)] [A B C] 3. (tauschen) [(A B) C)] [(A C) B] 4. (aggregieren) [(A B) (A C)] [A (B C)] Aufgabe 1.11. Beweisen Sie durch vollständige Induktion: n N : n i 2 = i=1 n(n + 1)(2n + 1) 6 36 Version 7.2-005

Kapitel 2. Mengen In diesem Kapitel werden die wichtigsten Grundbegriffe und Notationen, der Mengenlehre eingeführt. Begriffe und Symbolik der Mengenlehre und der formalen Logik zusammen gestatten eine präzise Formulierung mathematischer Aussagen. Zuerst werden Mengen eingeführt (Abschnitt 2.1), bevor dann Teilmengen und die Potenzmenge definiert werden (Abschnitt 2.2). Im Abschnitt 2.3 werden Operationen von Mengen betrachtet und die Mengenarithmetik untersucht. Im anschließenden Abschnitt 2.4 werden Klasseneinteilungen das heißt Zerlegungen von Mengen betrachtet, die eine Verbindung zu Äquivalenzrelationen haben, die erst im nächsten Kapitel betrachtet werden, beschrieben. Ein wichtiges Beispiel von Mengen, die ebenfalls im nachfolgenden Kapitel eine weiter gehende Bedeutung haben, ist das kartesische Produkt, welches im abschließenden Abschnitt 2.5 definiert wird. 2.1. Mengen Definition und Beschreibung Die grundlegende Definition einer Menge geht zurück auf den deutschen Mathematiker Georg Cantor (1845-1918). Definition 2.1 (Menge). Eine Menge ist die Zusammenfassung bestimmter, wohlunterschiedener Objekte unserer Anschauung oder unseres Denkens zu einem Ganzen. Die Objekte, die zu einer Menge zusammengefasst werden heißen Elemente der Menge. Ist M eine Menge und x ein Objekt, so schreibt man x M, wenn x ein Element von M ist und x / M, wenn x nicht Element von M ist. Version 7.2-005 37

2.1. Mengen Mengen können entweder durch die Aufzählung ihrer Elemente oder die Angabe der Eigenschaften der Elemente der Menge beschrieben werden. Die Elemente werden in geschweifter Klammer geschrieben. Einige Beispiele von Beschreibungen von Mengen: Beispiel 2.1. A sei die Menge aller Farben einer Verkehrsampel. A := {rot, gelb, grün} Beispiel 2.2. B sei die Menge aller möglichen Farbzustände einer Verkehrsampel. B := {rot, rot-gelb, grün, gelb, gelb-blinkend, aus} Beispiel 2.3. C sei die Menge aller geraden Zahlen. Beispiel 2.4. D sei die Menge aller Quadratzahlen kleiner als 100. D := {1, 4, 9, 16, 25, 36, 49, 64, 81} Beispiel 2.5. E sei die Menge der Studentinnen und Studenten einer Vorlesung. Die Beschreibung von Mengen kann auch mit Hilfe von Prädikaten erfolgen. Beispiel 2.6. Es sei P 3 das Prädikat ist gerade, also P 3 (x) die Aussageform x ist gerade. Weiter sei C := {x P 3 (x)} die Menge, deren Elemente diejenigen Objekte sind, für welche die Aussage P 3 (x) wahr ist. Beispiel 2.7. Es seien P 4 das Prädikat ist Quadratzahl und P 4 (x) die Aussageform x ist Quadratzahl. Weiter seien Q 4 das Prädikat ist kleiner als 100 und Q 4 (x) die Aussageform x ist kleiner als 100. Die Menge der Quadratzahlen kleiner als 100 kann durch D := {x P 4 (x) Q 4 (x)} beschrieben werden. Die obige Definition der Menge kann zu Widersprüchen führen. Die Bildung der Menge M aller Mengen X, die nicht Element von sich selbst sind, führt zu einem Widerspruch. Gehört M selbst zu dieser Menge oder nicht? Dies ist unter dem Namen Antinomie von Russell bekannt, benannt nach dem britischen Mathematiker und Philosoph Bertrand Russell (1872-1970, Nobelpreis für Literatur 1950). Diese Problematik wird hier nicht weiter verfolgt. Daher beschäftigen wir uns nur mit der sogenannten naiven Mengenlehre. Wichtige Mengen Beispiele wichtiger Mengen aus der Mathematik: 38 Version 7.2-005