Majorana-Felder Niels Benedikter AG 2 Elementarteilchenphysik 29. September 2008 Quarks & Geladene Leptonen: Fermionen, beschrieben durch Dirac-Gleichung für Spinoren mit vier inneren Freiheitsgraden (bzw. entsprechende Feldoperatoren). Neutrinos: als Dirac-Spinoren, wie andere Fermionen auch? Keine Ladung! Möglichkeit: Majorana-Felder mit zwei Freiheitsgraden. 1 Helizität und Spinorfelder 1.1 Klassifikation von Zuständen nach Helizität Wir betrachten ein masseloses Dirac-Feld (Fermionen mit Spin 1/2), Bewegungsgleichung: iγ µ µ Ψ = 0. Wir kennen die Lösungen der u-form : Ψ(x) = e ipx u(p), wobei u(p) = ( p ζ σ ˆ p ζ ), mit normiertem Impulsvektor ˆ p = p p. Die Eigenwerte von σ ˆ p = 3 i=1 σ i ˆp i (2 2-Matrix, σ i : Pauli-Matrizen) sind ±1, nichtentartet (einfach explizit nachrechnen). Der 2-er Vektor ζ ist frei wählbar. Wir wählen als Basis die Eigenvektoren von σ ˆ p. Wir bestimmen die Spinkomponente parallel zur Impulsrichtung für eine solche Lösung (beachte ( σ ˆ p) 2 ζ = ζ): s ˆ p Proj. des Spin-Op.s ( ζ σ ˆ p ζ ) ( ( ) ) ( 1 σ 0 = 2 0 σ ˆ p siehe [2], Kap. 4.4 ζ σ ˆ p ζ ) = ± 1 ( 2 ζ σ ˆ p ζ Im Fall des Eigenwertes + 1 2, entsprechend σ ˆ pζ = +ζ, sprechen wir von einem rechtshändigen Teilchen, bei negativem Vorzeichen von einem linkshändigen Teilchen. s p Man sieht leicht, dass wir zur Helizität s p dann durch γ 5 einen entsprechenden Operator definieren können, denn: ( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ζ 0 1 ζ ζ ζ ζ γ 5 = =, γ +ζ 1 0 +ζ +ζ 5 =. ζ +ζ ). 1
Wir können damit leicht einen Zustand auf seinen linkshändigen Anteil projizieren: Ψ L := 1 2 (1 γ 5)Ψ. Das ist tatsächlich eine Projektion, denn ( 1 2 (1 γ 5) ) 2 = 1 2 (1 γ 5), und Ψ L ist linkshändig, denn γ 5 Ψ L = Ψ L (beachte beidesmal, dass γ5 2 = 1). Analog definieren wir Ψ R := 1 2 (1 + γ 5)Ψ und können dann jeden Zustand schreiben als Ψ = Ψ L + Ψ R. Die Projektionen sind jeweils für sich wieder Lösungen der Dirac-Gleichung, denn: iγ µ 1 µ 2 (1 γ 5)Ψ = 1 2 iγµ µ Ψ + 1 2 γ 5 iγ µ µ Ψ = 0. =0 =0 Mit den Antiteilchen-Lösungen der Dirac-Gleichung, den Lösungen vom v-typ, Ψ(x) = e ipx v(p), können wir genauso verfahren. 1.2 Teilchen mit Masse und Ladung Auch für Teilchen mit Masse können wir die Projektoren 1 2 (1 γ 5) und 1 2 (1 + γ 5) verwenden. Mit ihrer Hilfe stellen wir Dirac-Spinoren mit ihren vier Freiheitsgraden in der Helizitätsbasis dar durch 1 Ψ L, Ψ R Teilchen und ˆΨ L, }{{ ˆΨ R. } Antiteilchen Hat ein Teilchen Masse, so ist seine Geschwindigkeit kleiner als die Lichtgeschwindigkeit und es lässt sich via Lorentz-Transformation (Boost in Bewegungsrichtung) ein Bezugsystem finden, so dass der Impuls beim Boost sein Vorzeichen wechselt ( Überholen des Teilchens ). Da die entsprechende Spinkomponente vom Boost nicht beeinflusst wird, wechselt das Vorzeichen der Helizität: So wird z.b. aus einem linkshändigen Teilchen ein rechtshändiges. Damit stellt sich die Frage: Wenn wir ein linkshändiges Teilchen mit Zustand Ψ L aus einem geboosteten Bezugssystem betrachten, wie beschreiben wir das nun rechtshändig erscheinende Teilchen: durch Ψ R oder durch ˆΨ R? Für geladene Teilchen wie z.b. das Elektron lässt sich diese Frage leicht beantworten: Die Ladung ist Lorentz-invariant und folglich kommt nur Ψ R in Frage ˆΨ R gehört ja zum Positron mit entgegengesetzter Ladung. Die Lorentz-Invarianz der Ladung sehen wir leicht folgendermaßen: Der Ladungsoperator ist definiert als Generator q der U(1)-Eichgruppe des Elektromagnetismus. Für eine U(1)-Transformation e iqα und eine beliebige Lorentz-Transformation Λ gilt offenbar: e iqα ΛΨ = Λe iqα Ψ, da es sich bei e iqα um eine reine Phase handelt. Folglich gilt auch für den Ladungsoperator (wobei wir formal Q als Eigenwert des Ladungsoperators q einführen): q(λψ) = ΛqΨ = ΛQΨ = Q(ΛΨ). (1) Folglich hat auch ΛΨ, der Lorentz-transformierte Spinor, die Ladung Q, genau wie der Spinor Ψ selbst. 1 Wir verwenden das Symbol ˆ zur Bezeichung von Antiteilchenzuständen. 2
1.3 Neutrinos Es gibt experimentelle Hinweise, dass die Masse des Neutrinos größer als Null ist. Im Zusammenhang mit Boosts stellt sich also für Neutrinos die selbe Frage wie für Elektronen etc. interessanterweise ist uns aber experimentell bisher nur die Existenz von ν L und ˆν R bekannt! Idee: Können wir auf ν R verzichten und zur Beschreibung des rechtshändigen Neutrinos einfach ˆν R verwenden? Das Neutrino ist neutral Die Ladung stellt kein Problem dar. Aber: Im Standardmodell haben wir Erhaltung der Leptonenzahl L und es ist L(ν l ) = +1, aber L(ˆν R ) = 1! Warum ist die Leptonenzahlerhaltung kein Hindernis, im Gegensatz zur Ladungserhaltung? Die Ladungserhaltung folgt direkt aus der U(1)-Eichsymmetrie (heilig!) der (Quanten-)Elektrodynamik, siehe (1). Wollten wir die Ladungserhaltung verwerfen, so müssten wir auch die Eichsymmetrie aufgeben. Die L-Erhaltung dagegen folgt nicht aus einem tieferen Symmetrieprinzip, sondern steht mehr oder weniger einfach so im Standardmodell drin. Daher ist sie in der Bedeutung nicht höher einzustufen als unsere Idee (Ettore Majoranas Idee). Majoranas Idee lässt sich in der Theorie problemlos ausformulieren, experimentell ist jedoch noch nicht darüber entschieden. Wir konstruieren im Folgenden ein sogenanntes Majorana-Feld mit der Eigenschaft ν R = ˆν R und ν L = ˆν }{{ L, } ν=ˆν d.h. das Majorana-Neutrino ist sein eigenes Antiteilchen. Anschließend untersuchen wir die Eigenschaften dieses Feldes bei diskreten Raumzeit-Symmetrieen. 2 Konstruktion des Majorana-Feldes 2.1 Formulieren der Bedingung Erinnerung: Der Feldoperator des freien Dirac-Feldes ist: Ψ(x) = [f s (p)u s (p)e ipx + ˆf s (p) v s (p)e ipx] mit (γ µ p µ m)u s (p) = 0, (γ µ p µ + m)v s (p) = 0. Für Teilchen=Antiteilchen könnten wir einfach ˆf s (p) durch f s (p) ersetzen (was wir schlussendlich auch tun werden), aber: In L tauchen erstmal nur Feldstärkeoperatoren auf. Daher überlegen wir uns erstmal unabhängig von dieser konkreten Darstellung, wie wir die Forderung Teilchen=Antiteilchen allgemein mathematisch formulieren können. 3
Als Ansatzpunkt und ersten Hinweis verwenden wir wohl oder übel aber, dass Ψ von der Form Ψ f s (p) Teilchen-Erzeuger + ˆfs (p) Antiteilchen-Vernichter ist: Das legt als ersten Versuch nahe, Teilchen=Antiteilchen durch Ψ = (Ψ ) T =: Ψ (2) auszudrücken. (Die Transposition ist notwendig, damit auch rechts ein Spaltenvektor steht. Das Symbol sollte nicht mit komplexer Konjugation verwechselt werden; diese ist für Operatoren nicht definiert! Die Eigenschaften sind formal allerdings ähnlich.) Das Problem an dieser Gleichung ist, dass sie nicht Lorentz-kovariant ist. Um dies zu sehen betrachten wir eine Lorentz-Transformation der Form Λ : x µ x µ = x µ + ω µ ν x ν, ω µ ν reell. Die entsprechende Transformation des Spinors ist (siehe [2] S.52 oder 1. Kollegsitzung): Ψ (x ) = exp ( i4 ) σ µνω µν Ψ(x). Dabei ist σ µν = i 2 [γ µ, γ ν ] für jedes feste Indexpaar eine Matrix. Es folgt: Folglich gilt: Ψ = Ψ = Ψ exp [ ( )] i T ( ) i Ψ exp 4 σ µνω µν = exp 4 σ µνω µν Ψ. ( i4 ) ( ) i σ µνω µν Ψ = exp 4 σ µνω µν Ψ, d.h. Ψ Ψ, außer im Fall, dass σ µν rein imaginär ist. Das ist aber abhängig von der Wahl der γ µ und wird i.a. nicht gelten, insbesondere für die häufige Dirac-Wahl. Lösung: Wir fordern stattdessen Ψ = ˆΨ := γ 0 CΨ, (3) mit einer zu bestimmenden 4 4-Matrix C, so dass die Bedingung kovariant wird, d.h. nach Lorentz-Transformation auch gilt Ψ = ˆΨ. Bemerkung: Nach Bestimmung der Matrix C kann man sehen, dass diese Definition von ˆΨ mit der Definition des ladungskonjugierten Dirac-Spinors übereinstimmt. Ein gutes Zeichen für unsere Interpretation von ˆΨ als Antimaterie- Feldoperator. 4
Bemerkung: Das Problem lässt sich auch auf andere Weise lösen: In der sogenannnten Majorana-Darstellung der γ µ -Matrizen ist σ µν rein imaginär und damit die Gleichung Ψ = Ψ kovariant. Unsere Lösung hat allerdings den Vorteil, dass wir nicht auf eine spezielle Wahl der γ µ -Matrizen beschränkt sind. Die Majorana-Darstellung ist mit der Dirac-Darstellung verknüpft durch γ µ Majorana = Uγµ Dirac U 1, mit der unitären Matrix U = 1 2 ( 1 σ 2 σ 2 1 Eine derartige Umrechnung ist zwischen verschiedenen Wahlen der γ µ -Matrizen immer möglich. Zur Bestimmung von C ziehen wir wieder die Lorentz-Transformation der Spinor- Felder heran. Mit Ψ (x ) = exp ( i 4 σ µνω µν) Ψ(x) in ˆΨ = γ 0 CΨ eingesetzt: ( ) i ˆΨ (x ) = γ 0 CΨ (x ) = γ 0 C exp 4 σ µνω µν Ψ (x). (4) Gleichzeitig soll ˆΨ nach Gl. (3) genauso transformieren wie Ψ damit wir das Kovarianz- Problem nicht haben: ˆΨ (x ) = exp ( i4 ) σ µνω µν ˆΨ(x). (5) Gleichungen (4) und (5) gleichgesetzt führen zu der Bedingung exp( i 4 σ µνω µν )γ 0 CΨ = γ 0 C exp( i 4 σ µνω µν )Ψ. (6) Bedingung (6) wird bei Dirac-Wahl der γ µ -Matrizen durch C = iγ 2 γ 0 erfüllt. In der Majorana-Darstellung genügt C = γ 0 (dies entspricht offenbar der im Majorana-Fall geeigneten Bedingung (2)). 2.2 Folgerungen für den Feldoperator Im folgenden leiten wir ab, wie sich die Bedingung Ψ = ˆΨ auf den Feldoperator auswirkt. Dazu verwenden wir die Entwicklung des Feldoperators nach Ebene-Welle-Lösungen der Dirac-Gleichung: Ψ(x) = [ f s (p)u s (p)e ipx + ˆf s (p) v s (p)e ipx], ). mit f s (p) und ˆf s (p) geeigneten Vernichtungsoperatoren. Wir setzen diese Entwicklung einfach in Bedingung (3) ein und berücksichtigen, dass γ 0 Cu s (p) = v s (p) und γ 0 Cv s (p) = u s (p) (Beweis dieser Gleichungen: Explizit in Dirac- Wahl der γ µ nachrechnen; via Uγ µ U 1 = γ µ auf andere Wahl übertragen). 5
Dann erhalten wir [ ˆfs (p) v s (p)e ipx + f s (p)u s (p)e ipx] (3) = γ 0 C [f s (p) u s (p) e ipx + ˆf s (p)v s (p) e ipx] = [ f s (p) v s (p)e ipx + ˆf s (p)u s (p)e ipx]. Das wird aber gerade durch ˆf s (p) = f s (p) und f s (p) = ˆf s erfüllt. Also [ Ψ Majorana (x) = f s (p)u s (p)e ipx + f s (p) v s (p)e ipx]. (7) Geht man obige Rechnung nochmals durch, so findet man, dass eine konstante Phase λ zwischen Teilchen- und Antiteilchenvernichtern (und Erzeugern) möglich ist: [ Ψ Majorana (x) = f s (p)u s (p)e ipx + λf s (p) v s (p)e ipx], wenn die Bedingung (3) modifiziert wird zu Ψ = λ ˆΨ da es sich nur um eine feste Phase handelt sind diese Zustände physikalisch äquivalent. Bemerkung: Fürs Photon hatten wir auch [ A µ (x) = b µ (p)e ipx + b µ (p) e ipx], mit bosonischen Erzeugern/Vernichtern b µ (p), b µ (p). Das Photon ist, wie das Majorana-Neutrino, sein eigenes Antiteilchen. 3 Majorana-Felder & diskrete Symmetrien Wir untersuchen im folgenden die Eigenschaften eines Majorana-Feldes hinsichtlich Ladungskonjugation C, CP mit Parität P und CPT mit Zeitumkehr T. Das Verhalten der Spinoren unter den einzelnen Symmetrien ist [2] entnommen. 3.1 Verhalten unter C Unter Ladungskonjugation transformiert der Operator eines freien Fermionen-Feldes folgendermaßen: CΨC 1 = η γ 0 CΨ. (8) = ˆΨ 6
Für ein Majorana-Feld also: Durch Einsetzen des Feldoperators (7) erhalten wir: η CΨC 1 = ηψ. (9) [f s (p)u s (p)e ipx + f s (p) v s (p)e ipx]... s [ ] (9) = C f s (p)u s (p)e ipx + f s (p) v s (p)e ipx... = s s C 1 [ Cf s (p)c 1 u s (p)e ipx + Cf s (p) C 1 v s (p)e ipx] ;... es folgt: Cf s (p)c 1 = ηf s (p) und Cf s (p) C 1 = ηf s (p). Da C unitär ist: ηf s (p) = Cf s (p)c = (Cf s (p) C ) = (ηf s (p) ) = η f s (p). Folglich η R. Falls das Vakuum invariant ist unter Ladungskonjugation: C p, s = Cf s (p) C 1 C 0 = ηf s (p) 0 = η p, s, = 0 es handelt sich also hier um Eigenzustände; der Eigenwert η ist unabhängig von p und s für alle p, s gleich. Verwenden wir diese Impulseigenzustände also als Basis um einen beliebige Zustand aufzubauen, so folgt dass dieser beliebige Zustand auch Eigenvektor der Ladungskonjugation ist. Aber: Die Aufstellung eines ladungskonjugierten Feldes CΨC 1 scheitert z.b. im Standardmodell auf Grund C-verletzender Terme in der Lagrangedichte. 3.2 Verhalten unter CP und CPT Die Diskussion dieser Symmetrien läuft im wesentlichen analog zu der der Ladungskonjugation ab. Das Verhalten des Feldoperators unter Parität ist gegeben durch PΨ( x, t)p 1 = η P γ 0 Ψ( x, t), Verbunden mit der Ladungskonjugation also 2 und speziell für das Majorana-Feld CPΨ( x, t)p 1 C 1 = ηγ 0 ˆΨ( x, t), CPΨ( x, t)p 1 C 1 = ηγ 0 Ψ( x, t). 2 Wir verwenden hier wieder η für die Phase, die sich natürlich von der bei Ladungskonjugation unterscheiden kann. 7
Wir setzen nun wieder die Entwicklung des Feldoperators (7) nach ebenen Wellen ein, führen eine Substitution von p durch p durch und verwenden γ 0 u s ( p) = u s ( p), γ 0 v s ( p) = v s ( p). Wir erhalten η ir und CP p, s = η p, s, offenbar wurde die Helizität des Zustandes umgekehrt. Bemerkung: Auch die CP-Symmetrie ist z.b. im Standardmodell verletzt. Schließlich betrachten wir Θ = CPT. Wir verwenden hier, dass ΘΨ(x)Θ 1 = η Θ γ T 5 Ψ ( x). Außerdem gilt γ T 5 C 1 γ 0 u s (p) = ( 1) s 1/2 u s(p), γ T 5 C 1 γ 0 v s (p) = ( 1) s+1/2 v s(p) und es ist zu beachten, dass T antilinear ist und damit auch Θ, d.h. ΘzΨ = z ΘΨ z C. Schlußendlich folgt dann: Θ p, s = η s p, s, wobei die Phase η s vom Spin abhängt. Offenbar hat sich auch hier die Helizität umgekehrt. Die CPT -Invarianz lässt sich ganz allgemein beweisen und wird daher auch im Standardmodell und seinen Erweiterungen gelten. 4 Literaturverzeichnis Literatur [1] R.N. Mohapatra, P.B. Pal: Massive Neutrinos in Physics and Astrophysics, 3rd Edition. World Scientific, Singapur 2004. Kapitel 4.1 4.5 inkl. [2] O. Nachtmann: Elementarteilchenphysik Phänomene und Konzepte. Vieweg, Braunschweig 1986. Kapitel 4.3 4.5 inkl. 8