4 Gradient einer skalaren Funktion, Potential

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Wie man dieses (Weg-)Integral berechnet, kann man sich mit der folgenden Merkregel im Kopf halten. Man schreibt d~r = d~r

Transkript:

4 GRADIENT EINER SKALAREN FUNKTION, POTENTIAL 1 4 Gradient einer skalaren Funktion, Potential 4.1 1-dimensionaler Fall Als Beispiel betrachten wir eine (skalare) Funktion in einer Dimension x! f(x), diez.b. die Höhe über Meer einer Strasse angibt, wobei x die in der Horizontalen gemessene Distanz angibt. Das Differential der Funktion haben wir bereits eingeführt: df = df dx dx Das Differential ist als Beschreibung der Tangente g der Funktion f im Punkt x zu interpretieren: g(y) =f(x) + df (y, x) (1) dx Die Ableitung df=dx der Funktion bezeichnet man auch als Gradient der Funktion oder als die Steigung. Man kann sagen, dass df := (gradf)dx der Höhengewinn ist, wenn man von x ausgehendend sich um die kleine Strecke dx weiterbewegt. Die Beschreibung (1) der Funktion durch ihre Tangente an der Stelle x ist eine Näherung an die Funktion, die natürlich in der unmittelbaren Umgebung der Funktion besonders gut ist. Die Näherung kann verbessert werden, indem man höhere Ableitungenmitnimmt. Mit der zweiten Ableitungkann zusätzlich die lokale Krümmung der Kurve berücksichtigt werden. Dabei wird natürlich verlangt, dass die Funktion mindestens zweimal differenzierbar ist. Falls die Funktion beliebig oft differenzierbar ist (analytisch), dann kann f an jeder Stelle durch eine sogenante Taylorreihe dargestellt werden: f(y) = 1X n=0 Man findet dann häufig auch folgende Notation: f(x df +x) =f(x) + dx x 1 n! @ n f (y, x) n @x n x x + d2 f, (x) 2 + O x 3 dx 2 x Der letzte Term mit der Bezeichnung O(x 3 ) gibt an, dass die Fehler bei dieser Darstellung in der dritten Potenz der kleinen Abweichung x liegen. 4.2 2-dimensionaler Fall Eine Gebirgsfläche wird durch die Funktion h(x; y) beschrieben. h bezeichnet die Höhe über einem Punkt (x; y) in der horizontalen xy-ebene (z =0). Das Gelände kann, wie das auf Karten

4 GRADIENT EINER SKALAREN FUNKTION, POTENTIAL 2 üblich ist, durch Höhenkurven dargestellt werden. Sie sind definiert als: h(x; y) = H = const: Wir können nun versuchen, die Funktion lokal durch ihre Tangente näherungsweise zu beschreiben. Wir haben jetzt aber zwei Möglichkeiten, denn wir können uns fragen, wie die Höhe entlang der x-richtung oder entlang der y-richtung ändert. Im ersten Fall halten wir y konstant und betrachten x als Variable, d.h. wir betrachten die Funktion x! h(x; y) und erhlalten: h(x +x; y) =h(x; y)+ und analog, wenn wiry als Variable ansehen: h(x; y +y) =h(x; y)+ @x x + O(x 2 ) y + O(y 2 ) @y Für die Ableitung wurde hier das neue Symbol @ eingeführt. Dieses Symbol wird bei Funktionen mehrerer Variablen dann verwendet, wenn die Ableitung nur eine der Variablen betrifft. Man bezeichnet dies als partielle Ableitung. =@x heisst partielleableitung von h(x; y) nach x und ist definiert als: @x = lim h(x +x; y), h(x; y) x!0 x Die vorletzten beiden Gleichungen beschreiben die Tangente in die x und y Richtung. Angenommen wir fragen uns, wie die Funktion sich näherungsweise ändert, wenn wir uns vom Punkt (x; y) um den Vektor (x; y) entfernen, so liegt es auf der Hand, die beiden Änderungen zu addieren: h(x +x; y +y) =h(x; y)+ x + @x y + O(x 2 )+O(y 2 ) (2) @y Lassen wir die O-Terme weg, so haben wir eine Funktion, die linear ist in den beiden Argumenten x und y. Diese Funktion beschreibt daher eine Ebene und es handelt sich um die Tangentialebene. Die Beschreibung einer Ebene ist eindeutig, falls die Steigung in zwei unabhängige Richtungen angegeben wird. Genau das haben wir hier durchgeführt. Angenommen die Funktion h ist die Ebene dann folgt aus der Gleichung (2): h(x; y) =h 0 + ax + by ; h(x +x; y +y) =h 0 + a(x +x) +b(x +y) : Die Tangentialebene ist identisch der ursprünglichen Ebene.

4 GRADIENT EINER SKALAREN FUNKTION, POTENTIAL 3 In Vektorschreibweise können wir die lineare Änderung (die durch die Tangentialebene beschrieben wird) kompakt als Skalarprodukt wiedergeben. Wir definieren den Gradienten der skalaren Funktion h als den zweikomponentigen Vektor grad h = @x ; @y und schreiben für die differentiellen Änderungen d~r := (dx; dy). DieHöhenänderung dh ist dann: dh = gradh d~r Wir fragen uns, wie sich die Funktion ausgehend vom Punkt ~r 0 in eine allgemeine Richtung definiert durch den Einheitsvektor ~e ändert. In der xy-ebene gehen wir dabei entlang des durch s parametrisierten Weges s! ~r(s) =~r 0 + s~e Offenbar wir die lineare Änderung beschrieben durch dh = grad h(~r 0 ) ~eds; (3) da (dx; dy) =~eds. Diese Gleichung zeigt uns gerade die Verallgemeinerung der Kettenregel der Differenzialrechnung. Die Höhe entlang der Geraden ~r(s) ist s! ~ h(s) :=h(~r(s)), also eine reelle Funktion in einer Variablen s. Ableiten nach s ergibt: d ~ h(s) ds = dh(~r(s)) ds was offenbar der Gleichung (3) entspricht. = grad h d~r ds ; Wird der Richtungsvektor tangential zur Höhenlinie gewählt, muss dh =0, woraus folgt, dass grad h senkrecht auf den Linien konstanter Höhe steht. dh ist maximal, falls der Richtungsvektor parallel zum Gradienten gewählt wird. Der Gradient gibt die Richtung der grössten Zunahme (Steigung) einer skalaren Funktion an. Die Linien konstanter Höhe stehen senkrecht zum Gradienten. Es ist möglich aus den Gradientenvektoren eine Schar von Kurven zu konstruieren mit der Eigenschaft, dass ihre Tangenten immer parallel zum Gradienten der Funktion h ist. Diese Kurven schneiden die Höhenlinien senkrecht. Man nennt sie die Orthogonaltrajektorien zu den Höhenlinien. Falls Sie beim Skifahren möglichst schnell vom Berg ins Tal gelangen wollen, d.h. den grössten Höhenunterschied auf kürzester Strecke überwinden wollen, dann wählen Sie die Fall-Linie, also eine Orthogonaltrajektorie zu den Höhenlinien (vorausgesetzt das Gelände lässt das überhaupt zu, keine Bäume...).

4 GRADIENT EINER SKALAREN FUNKTION, POTENTIAL 4 Beispiele: 1. Die Funktion h(x; y) = (x 2 + y 2 )=2 beschreibt ein Paraboloid, siehe Figur 1. Die Linien konstanter Höhe p sind Kreise. Sei H eine vorgegebene Höhe, dann ist der Radius r des Kreises gleich r = 2H. Falls wir also die Höhenlinienso wählen, dass der Unterschied benachbarter Linien jeweils konstant ist, dann liegen sie umso dichter, je grösser die lokale Steigung ist, denn h ist in erster Ordnung gleich dem Produkt von jgradhj und dem (senkrechten) Abstand benachbarter Höhenlinien. Diese ist eine sehr wichtige Eigengenschaft! Für unser Beispiel ist der Gradient grad h = (x; y), zeigt also radial nach aussen und ist betragsmässig gleich dem Abstand vom Ursprung. Die Orthogonaltrajektorien ( Feldlinien ) sind radial nach aussen gerichtete Geraden. Fig. 1 2. Die Figur 2 zeigt eine etwas komplizierte Funktion, nämlich h(x; y) =x 4, x 2, y 2.Umdas Verhalten einer allgemeinen Funktion zu diskutieren, sucht man zunächst die sog. Extremalstellen. Das sind Orte mit horizontaler Tangentialebene, d.h. Orte, wo sich die Höhe in erster Ordnung nicht ändert. Es gilt somit für Extremalstellen: grad h = 0. Für unser Problem erhalten wir drei solche Punkte: (0; 0) und (1= p 2; 0). Imnächsten Schritt überlegt man sich, ob es sich bei diesen Punkten um lokale Minima, Maxima oder Sattelpunkte handelt. Dazu muss man die zweiten Ableitungen der Funktion an den Extremalstellen zu Rate ziehen. Für eine Funktion mit zwei Varaibalen gibt es davon vier, nämlich: @ 2 h @x 2 ; @ 2 h @y 2 ; @ 2 h @x@y und @2 h @y@x Da die letzten beiden identisch sind (Mathematik), gibt es nur deren drei. Eine allgemeine Regel kann mittels Methoden der linearen Algebra angegeben werden. Dies sprengt aber den Rahmen dieser Ergänzungen. Für unser Beispiel ist die Situation aber besonders einfach, da die

4 GRADIENT EINER SKALAREN FUNKTION, POTENTIAL 5 gemischten zweiten Ableitungen gleich Null sind. Im Nullpunkt sind die beiden zweiten Ableitungen (nach x und nach y) negativ, so dass es sich also um ein lokales Maximum handeln muss, siehe Figur 2. An den beiden anderen Stellen ist die zweite Ableitung nach y negativ und die nach x positiv. Es handelt sich somit um Sattelpunkte, was schön in der Darstellung der Höhenlinien ersichtlich wird (Schnittpunkt). 0.8 0.6 0 0.2 0.4 0.6 0.8 y0.4 0.2 1 0.8 0.4 0.2 0.4 0.6 0.8 1 x 0.2 0.4 0 0 y 0.2 x 0.5 0.6 1 Fig. 2a) Fig. 2b) 1 0.6 0.8 4.3 Nablaoperator, Wegintegral, Potential Der Nablaoperator r ~ ist ein vektorieller Differenzialoperator, der in kartesischen Koordinaten formal definiert ist als: ~r := @ @x ; @ @y ; @ @z Sei ~x! (~x) ein skalares Feld (z.b. die Höhe von vorhin oder das elektrische Potential). Die Anwendung des Operators ~ r auf ergibt den Gradienten: ~r =grad Dabei wird ein Skalarfeld auf ein Vektorfeld abgebildet. Nennen wir das Vektorfeld ~G.Dadieses Feld durch Differenzieren der Funktion entsteht, liegt es nahe, dass umgekehrt aus G ~ durch Integration gewonnen werden kann. Das ist in der Tat so. Dazu benötigen wir den Begriff des Wegintegrals, der in der Vorlesung bereits eingeführt wurde. Sei ~y ein beliebiger Referenzpunkt und ein Weg von ~y nach ~x. Wir definieren: (~x) := Z ~G d~r

4 GRADIENT EINER SKALAREN FUNKTION, POTENTIAL 6 Die Funktion hängt vom Anfangs- und Endpunkt des Weges, sowie im allgemeinen von der Wahl des speziellen Weges ab (es gibt viele Wege, die von ~x nach ~y führen). Um konkret ein Wegintegral zu berechnen, benötigt man eine Parametrisierung des Weges. Für die kinematischen Bewegungen von Punktmassen in der Newton schen Mechanik gibt die Zeit eine natürliche Parametrisierung vor. Im allgemeinen kann aber jeder beliebige Weg gewählt werden. Sei s eine konkrete Parametrisierung des Weges : s 2 [0; 1]! ~r(s) 2R 3 mit ~r(0) = ~x; ~r(1) = ~y Um das Wegintegral zu berechnen, benötigen wir jetzt nur noch die Wegänderung d~r. Sie lautet: d~r = d~r ds ds Damit ist das Problem auf ein gewöhnliches Integral einer Funktion einer Variablen (s)zurückgeführt (siehe Übungen Physik I). Kommen wir zurück zur ursprünglichen Fragestellung. Als Integrand haben wir ~ G d~r oder grad d~r. Der letzteren Form entnehmen wir, dass der Integrand der differentiellen Änderung von (in Wegrichtung) entspricht. Die Summe aller Änderungen (also das Integral) ergibt demnach: (~x) = (~x), (~y) Damit haben wir in der Tat die Funktion als Linienintegral aus ~G gewonnen: (~x) = (~y) + Z ~r d~r (4) Weiter zeigt diese Herleitung auch, dass das Linienintegral nicht vom speziell gewählten Weg abhängt, sondern nur vom Anfangs- und Endpunkt. Für jeden geschlossenen Weg c ist der Endpunkt gleich dem Anfangspunkt und mit (4): I ~G d~r = I ~r d~r = 0 c c Jedes Wegintegral eines Vektorfeld, das als Gradienten eines Skalarfeldes dargestellt werden kann, hängen nur vom Anfangs- und Endpunkt des Weges ab. Alle Integrale über geschlossene Wege verschwinden identisch. Es gilt auch das Umgekehrte: Sei ~F ein beliebiges Vektorfeld mit der Eigenschaft, dass alle Wegintegral von ~ F nur vom Anfangs- und Endpunkt abhängen. Dann existiert ein Skalarfeld mit der Eigenschaft ~ r= ~ F. wird wie oben angegeben als Linienintegral definiert. Die Funktion ist bis auf eine additive Konstante eindeutig.

4 GRADIENT EINER SKALAREN FUNKTION, POTENTIAL 7 Vektorfelder mit dieser Eigenschaft nennen wir konservativ. In der (klassischen) Physik werden alle grundlegenden Wechselwirkungen durch konservative Kraftfelder beschrieben. Das dazugehörende Skalarfeld ist die potentielle Energie E pot definiert als: E pot (~x) =E pot (~y), Das Minuszeichen ist reine Konvention. Es gilt daher: Z ~F d~r (5) ~F =, ~ re pot Für eine Feder mit Federkonstante k gilt das Kraftgesetz F =,kx, sodasse = kx 2 =2. Die potentielle Energie ist minimal im Gleichgewichtszustand x =0. Angenommen die Feder würde von x =0(in Ruhe) auf eine Länge x gestreckt und wäre danach wiederum in Ruhe, dann ist dabei die potentielle Energie grösser geworden. Diese Zunahme entspricht genau der Arbeit, die von aussen dem System zugeführt wurde. In der Konvention, dass Arbeit W, die von aussen einem System zugeführt wird, positiv gerechnet wird, gilt: E =W Das ist der Inhalt des Energiesatzes (im quasistatischen Fall). Mit Bewegung, muss die kinetische Energie zur totalen Energie dazugezählt werden. Beipiel: Das Potential sei gegeben als: E(~x) =C 1 j~xj Gesucht ist das Kraftfeld ~F :=,~re. Zunächst diskutieren wir die skalare Funktion E. Sie hängt nur vom Betrag des Abstandes zum Ursprung ab, ist also isotrop. Die Höhenlinien, die wegen der zusätzlichen Dimension nun Flächen sind, nennen wir die Äquipotentialflächen. Es handelt sich offenbar um konzentrische Kugelschalen. Die Feldlinien (die Orthogonaltrajektorien) sind radial aus- oder einlaufende Geraden. Die Kraft ist somit proportional zu ~e r.dadas Problem isotrop (richtungsunabhängig) ist, gilt: Offensichtlich ist f(r) =, d ~F = f(r)~e r dr Cr,1, also gleich C=r 2 : ~F (~r) =C 1 r 2 ~e r

4 GRADIENT EINER SKALAREN FUNKTION, POTENTIAL 8 Als Übungsaufgabe sollten Sie unbedingt den Gradienten in kartesischen Komponenten einmal berechnen. Dazu schreiben Sie die potentielle Energie als: E pot (~x) = C p (x 2 + y 2 + z 2 ) Berechnen Sie jetzt die einzelnen Komponenten von, ~ re pot,also,@e pot =@x usw. 4.4 Die Rotation eines Vektorfeldes Da wir oben den Nablaoperator eingeführt haben und früher das Vektorprodukt, streife ich hier noch kurz einen weiteren Differenzialoperator, der in der Physik II zur Anwendung kommt, die sog. Rotation eines Vektorfeldes. Wir verwenden Indizes für die Komponenten des Vektorfeldes ~F und dem Nablaoperator ~r (im kartesischen Koordinatensystem) F i und @ j := @=@x j.die Rotation von F ~ ist definiert als: rot ~ F = ~ r ~ F In Komponentenschreibweise unter Verwendung des -Tensors: (rot ~F ) i = X jk ijk @ j F k Wir nehmen nun an, dass das Vektorfeld konservativ ist. Dann existiert ein Skalarfeld E (das Potential) mit der Eigenschaft, dass ~F =,~re. Einsetzen ergibt: (rot ~F ) i =, X jk ijk @ 2 E @x j @x k Der Term mit der zweiten Ableitung in der Summe ist symmetrisch in den beiden Indizes j und k (d.h. ändert sein Vorzeichen beim Vertauschen nicht), während der -Tensor antisymmetrisch ist. Aus diesem Grund verschwindet die Summe. Wir erhalten also den wichtigen Satz: Die Rotation eines konservativen Vektorfeld verschwindet identisch: rot ~ F = 0 Konservative Kraftfelder sind wirbelfrei, wie man sagt. Es stellt sich natürlich sofort die Frage, ob die letzte Aussage auch umkehrbar ist. Folgt aus rot~f = 0,dass~F konservativ ist? Die Antwort ist jein. Gilt rot~f = 0, dann existiert lokal ein Potential mit der Eigenschaft ~F = ~ r. Das Vektorfeld muss aber nicht notwendigerweise global konservativ sein! Beispiele: 1. Sei F ~ :=,a~r ein Vektorfeld im dreidimensionalen Raum. Zeigen Sie, dass rot F ~ =0, und bestimmen Sie das Potential.

4 GRADIENT EINER SKALAREN FUNKTION, POTENTIAL 9 2. Wir betrachten das Geschwindigkeitsfeld, das sich aus der Rotation mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ~! ergibt: ~v := ~! ~r. Dies ist ein Wirbelfeld, denn die Rotation ist überall verschieden von null. Zeigen Sie, dass rot~v =2~!. 3. In der Vorlesung haben wir ein spezielles Zirkulationsfeld in 2-Dimensionen betrachtet, nämlich das Vektorfeld ~F := ~e z ~r 1. Hierbei ist der Ortsvektor ~r r 2 := (x; y; 0), diez- Komponente gleich null. F ~ ist wirbelfrei in der Ebene, d.h. rot F ~ = 0; (r 6= 0und z = 0). Versuchen Sie dies nachzuweisen. Betrachten Sie die Figure 3. Das Wegintegral von F ~ entlang einer Geraden (z.b. 1 ), die radial nach aussen läuft (aber nicht durch den Nullpunkt) verschwindet offenbar, da die Wegrichtung senkrecht zum Feld steht. Diese Linien sind also die Höhenlinien (Linien konstanten Potentials). Die Orthogonaltrajektorien sind Kreise mit konstantem Radius. Das Wegintegral auf einem solchen Kreis entlang 2 entspricht der Zunahme des polaren Winkels. Offenbar haben wir das Skalarfeld gefunden, dass die gewünschte Eigenschaft aufweist. Das einzige Problem von ist, dass nach einmaligem Umlaufen des Ursprungs ein Winkel von 2 akkumuliert wird, so dass der Wert des Wegintegrals über solch einen geschlossenen Weg nicht null ist! Das Vektorfeld ist daher global auf R 2 nicht konservativ. Unterbindet man aber die Möglichkeit geschlossener Wege einmal oder mehrmals um den Ursprung herum, in dem man die Ebene aufschneidet, ist das Feld konservativ. γ 2 r φ γ 1 Fig.3 Fig. 3