AG BGB AT I Fall 1: Grundstückskauf
Sachverhalt Fall 1: Der Grundstückskauf V hat sich mit K schriftlich darüber geeinigt, dass K ein Grundstück des V zum Preis von 200.000,- kaufen sollte. Beide vereinbaren, vor dem Notar nur einen Kaufpreis in Höhe von 100.000,- anzugeben, um bei der Grunderwerbssteuer und den Notargebühren günstiger wegzukommen. Entsprechend wurde im notariellen Termin verfahren. In dem privatschriftlichen Vertrag ist eine Klausel enthalten, nach der sich keine Partei auf eventuelle Formfehler berufen dürfe. 1. Kann K von V das Grundstück verlangen? 2. K und V einigen sich vor einem Notar zur Übertragung des Eigentums. Anschließend wird K ins Grundbuch eingetragen. Kann V von K Zahlung von 200.000,- verlangen? 3. V und K vereinbaren im notariellen Kaufvertrag einen Preis von 100.000 und außerdem, dass V gegen Zahlung von weiteren 100.000 ein auf dem Grundstück befindliches Gebäude sanieren soll. Dieses Gebäude gibt es aber gar nicht. Kann K von V Übergabe und Übereignung des Grundstücks verlangen?
Fall 1/ Frage 1 Anspruch aus 433 I S. 1 BGB: Übergabe und Übereignung 1. Notarieller Kaufvertrag über 100.000 a) zwei übereinstimmende Willenserklärungen (+)
Fall 1/ Frage 1 b) Nichtig nach 125 S. 1 BGB? notarielle Beurkundung von Angeb. und Ann., 311b I S. 1, 128 BGB (+)
Fall 1/ Frage 1 c) nichtig wegen 134 BGB? Steuerhinterziehung verboten, aber nicht Hauptzweck: (-)
Fall 1/ Frage 1 d) nichtig wegen 138 I BGB? s.o.
Fall 1/ Frage 1 e) Nichtig wegen Scheingeschäft, 117 I BGB? aa) Empfangsbedürftige WE (+) bb) einverständliche Abgabe zum Schein abzustellen auf den Parteiwillen: soll das Erklärte rechtlich gelten? hier: kein Rechtsbindungswille, Scheingeschäft WE nichtig kein wirksamer notarieller KV über 100.000
Fall 1 / Frage 1 2. KV über 200.000? a) zwei übereinstimmende Willenserklärungen (+)
Fall 1 / Frage 1 b) Nichtig nach 125 S. 1 BGB? aa) Formerfordernis wirksam abbedungen? Schutzzweck würde vereitelt, wenn 311b I S. 1 BGB dispositiv, daher (-) bb) notarielle Beurkundung, 311b I S. 1, 128 BGB: da Schriftform grds. (-)
Fall 1 / Frage 1 cc) Einhaltung der Form durch notariellen KV wegen Unbeachtlichkeit der Falschangabe, Regel der falsa demonstratio? (1) hm: falsa demonstratio gilt auch bei formbedürftigen Geschäften nach 311b I S. 1 BGB (2)auch hier bei scheingeschäftlicher Falschangabe? hm: fehlende Schutzbedürftigkeit, daher (-) aa: bei Kombination von Scheingeschäft und verdecktem Geschäft zwei Rechtsgeschäfte (statt einem): - das erste ist nichtig, 117 I BGB - das zweite ist grds. gültig, 117 II BGB
Fall 1 / Frage 1 h.m: kein Fall der falsa demonstratio nichtig a.a: zweites Rechtsgeschäft gem. 117 II, 311b I S. 1 BGB formbedürftig nichtig wegen Formmangel, 125 S. 1 BGB nach allen Ansichten kein wirksamer notarieller KV über 200.000 Ergebnis: Kein Anspruch aus dem notariellen KV Gesamtergebnis: Kein Anspruch aus 433 I S. 1 BGB
Sachverhalt 2. K und V einigen sich vor einem Notar zur Übertragung des Eigentums. Anschließend wird K ins Grundbuch eingetragen. Kann V von K Zahlung von 200.000,- verlangen?
Fall 1 / Frage 2 Frage 2 Anspruch aus 433 II BGB: Kaufpreiszahlung ihv 200.000 a) zwei WE (+)
Fall 1 / Frage 2 b) Formnichtigkeit, 125 S. 1 BGB aa) zunächst nichtig, 311b I S. 1, 125 S. 1 BGB bb) Heilung, 311b I S. 2 BGB? (1) Auflassung, 873 I, 925 I BGB (+) (2) Eintragung, 873 I BGB (+) KV wirksam
Fall 1/ Frage 1 Ergebnis: Anspruch aus 433 II BGB (+)
Sachverhalt 3. V und K vereinbaren im notariellen Kaufvertrag einen Preis von 100.000 und außerdem, dass V gegen Zahlung von weiteren 100.000 ein auf dem Grundstück befindliches Gebäude sanieren soll. Dieses Gebäude gibt es aber gar nicht. Kann K von V Übergabe und Übereignung des Grundstücks verlangen?
Fall 1 / Frage 3 Frage 3 1. Anspruch aus 433 I S. 1 BGB: Übergabe und Übereignung a) zwei übereinstimmende Willenserklärungen (+) b) Nichtig nach 125 S. 1 BGB? notarielle Beurkundung, 311b I S. 1, 128 BGB (+)
Fall 1 / Frage 3 c) aber als Scheingeschäft ist die Sanierungspflicht des V gegen Zahlung von 100.000 nichtig, 117 I BGB Rspr. (aa): da Kauf zu 200.000 gewollt, fällt nur die Sanierungspflicht unter 117 I BGB
Fall 1 / Frage 3 d) KV nichtig nur bezüglich der Sanierungspflicht, 139 BGB? Teilbarkeit des Geschäfts? Sanierungspflicht lässt sich nicht aus KV streichen, weil dann auch die Gegenleistung ihv 100.000 entfiele Kauf für 100.000 ist von den Parteien aber nicht gewollt, 139 BGB daher (+) Rspr. (aa): da Kauf zu 200.000 gewollt, 139 BGB (-) KV nach dieser Ansicht wirksam
Fall 1 / Frage 3 KV als ganzes daher als Scheingeschäft nichtig, 117 I BGB Ergebnis: Vertrag (-); Anspruch des K (-)
Fall 2: Die fehlerhafte Preisliste
Sachverhalt Fall 2: Die fehlerhafte Preisliste Der Winzer W lässt eine Preisliste drucken. Leider enthält die Liste einen Fehler: Die 0,7 I Flasche Deidesheim 1987 Qualitätswein ist mit einem Verkaufspreis von 2,- anstelle von 3,- ausgewiesen. W bemerkt diesen Fehler zunächst nicht. Der Gastwirt G erhält ein Exemplar der Preisliste. Er bestellt 200 Flaschen Deidesheim 1987 Qualitätswein wie angeboten, die er drei Tage später erhält. Eine Woche später erhält G eine Rechnung in Höhe von 600,- von W. G will unter Hinweis auf die Preisliste nur 400,- bezahlen. Dadurch bemerkt W den Fehler erstmals. Er fragt seinen Sohn, der Jura studiert, ob er Zahlung von 600,- verlangen könne. Andernfalls wolle er an dem Verkauf nicht festhalten. 1. Wie ist die Rechtslage? 2. Wie wäre der Fall zu entscheiden, wenn G vor Absendung der 200 Flaschen zufällig von dem Fehler in der Preisliste erfahren hätte?
Fall 2/ Frage 1 I. Anspruch des W gegen G aus 433 II BGB, auf 600 1. Vor. des KV: zwei übereinstimmende WE a) Angebot des W durch Preisliste (-) mangels Rechtsbindungswille invitatio ad offerendum
Fall 2/ Frage 1 b) Angebot des G durch Schreiben an W - Kaufgegenstand - Kaufpreis durch Bezug auf Preisliste: 2 Problem: W hat Angebot anders verstanden (3 ) aber: Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont, 133, 157 BGB - gemeinter Preis war durch Bezugnahme auf Preisliste für W objektiv erkennbar: 2
Fall 2/ Frage 1 c) konkludente Annahme von W durch Zusendung des Weins: Auslegung nach dem obj. Empf.horizont: Listenpreis: 2 zwei übereinstimmende WE
Fall 2/ Frage 1 Zwischenergebnis: Anspruch des W auf Zahlung von 400, nicht 600
Fall 2/ Frage 1 2. Anfechtbarkeit, 119 ff, 143, 142 BGB?
Fall 2/ Frage 1 a) Anfechtungsgrund: 119 I Alt. 1 BGB (Inhaltsirrtum), nicht: Alt. 2 (Erklärungsirrtum) b) Anfechtungserklärung: Dem G gegenüber zu erklären, 143 I, II BGB c) Anfechtungsfrist: 121 I S. 1 BGB (+) unverzüglich nach Kenntniserlangung vom Irrtum Anfechtung noch möglich Bei unverzüglicher Anfechtung: Vertrag von Anfang an nichtig, 142 I BGB
Fall 2/ Frage 1 Ergebnis: Wenn angefochten wird, Anspruch aus 433 II BGB (-) (aber Herausgabeanspruch (Weinflaschen) nach 812 I S. 1 Alt. 1 BGB (Leistungskondiktion))
Fall 2/ Frage 1 II. Anspruch des G gegen W aus 122 I BGB Falls Anfechtung: SE-Anspruch. Aber kein Schaden ersichtlich.
Sachverhalt 2. Wie wäre der Fall zu entscheiden, wenn G vor Absendung der 200 Flaschen zufällig von dem Fehler in der Preisliste erfahren hätte?
Fall 2/ Frage 2 Frage 2: zunächst wie 1 I b c) konkludente Annahme von W durch Zusendung Inhalt: Auslegung nach dem obj. Empf.horizont, 133, 157 BGB: - G wußte, daß W sich geirrt hatte - G mußte klar sein, daß W Irrtum nicht bemerkt hat, sonst hätte er den G über falschen Preis aufgeklärt.
Fall 2/ Frage 1 Divergenz zwischen Angebot und Annahme Annahme des W ist neues Angebot, 150 II BGB Dieses ist von G nicht angenommen worden KV (-)
Fall 2/ Frage 1 Ergebnis: Kein Anspruch auf Kaufpreiszahlung