Darstellung von Spielen: Extensivform versus Normalform

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Transkript:

Spieltheorie Sommersemester 2007 1 Darstellung von Spielen: Extensivform versus Normalform Wir haben zwei Arten kennen gelernt, ein Spiel zu beschreiben: die Normalform, oder auch strategische Form und die Extensivform (Spielbaum). Erstere ist für simultane Spiele besser geeignet, letztere für sequentielle Spiele. Prinzipiell kann man jedoch jedes Spiel auf beide Arten darstellen.

Spieltheorie Sommersemester 2007 2 Dass jedes Spiel in extensiver Form auch als Spiel in Normalform dargestellt werden kann, haben wir bereits gesehen: Nachdem wir aus der extensiven Form die Strategien der Spielerinnen abgeleitet haben, können wir die zugehörige Normalform aufstellen. Da es darin äquivalente Strategien geben kann, die für alle Strategiekombinationen der anderen Spielerinnen jeweils die selbe Auszahlung liefern, z.b., weil sie sich nur an Knoten unterscheiden, deren Erreichen durch die Strategie ausgeschlossen ist, waren wir dann zur reduzierten Normalform übergegangen.

Spieltheorie Sommersemester 2007 3 Umgekehrt haben wir auch bereits Beispiele dafür betrachtet, wie man ein Normalformspiel in extensiver Form darstellt. Dazu benötigten wir die Möglichkeit, im sequentiellen Ablauf des Spielbaums simultane Entscheidungen durch Informationsmengen abzubilden, die ausdrücken, dass eine Spielerin ihre Aktionen wählt, ohne die Wahl der anderen Spielerin bzw. Spielerinnen zu kennen. Im folgenden wollen wir die Zusammenhänge zwischen den beiden Darstellungsformen noch einmal kurz beleuchten

Spieltheorie Sommersemester 2007 4 Von der Normal- zur Extensivform Die Zuordnung einer Extensivform zu einem gegebenen Spiel in Normalform ist nicht eindeutig. Das heißt, ein gegebenes Spiel in Normalform kann durch unterschiedliche Extensivformen dargestellt werden. Beispiel: Geschlechterkampf Die Auszahlungs(bi)matrix lautet. T M B M T F 1, 2 0, 0. B F 0, 0 2, 1

Spieltheorie Sommersemester 2007 5 Wollen wir dieses Spiel in extensiver Form darstellen, müssen wir uns für eine künstliche sequentielle Struktur entscheiden: Entweder beginnt F oder es beginnt M, wobei die Spielerin, die als zweite an der Reihe ist, nicht weiß, welche Entscheidung ihre Vorgängerin gewählt hat. Es gibt also zwei mögliche Extensivformen des Geschlechterkampfes. Dabei schreiben wir in den Auszahlungen stets zuerst die für F und dann die für M.

Spieltheorie Sommersemester 2007 6 F T F B F M M T M B M T M B M 1 2 0 0 0 0 2 1

Spieltheorie Sommersemester 2007 7 M T M B M F F T F B F T F B F 1 2 0 0 0 0 2 1

Spieltheorie Sommersemester 2007 8 Wegen der Informationsmengen sind die beiden unterschiedlichen Extensivformen strategisch äquivalent; wir hatten ja beide von ein und derselben Normalform abgeleitet. Dies führt allgemein zu der Frage, welche auf den ersten Blick unterschiedlichen Spiele in extensiver Form tatsächlich das selbe Spiel beschreiben. Dazu gibt es eine Reihe von Arbeiten, die auf verschiedene Arten Ähnlichkeiten bzw. Äquivalenz von Extensivformspielen beschreiben.

Spieltheorie Sommersemester 2007 9 Der erste Ansatz stammt von Thompson (1952). Er führt vier Umformungen von Extensivformspielen ein, die alle gemeinsam haben, dass sie die reduzierte Normalform nicht ändern. Eine dieser Umformungen ist eine Änderung der Reihenfolge der Züge, die genau der entspricht, die wir für den Geschlechterkampf betrachtet haben. Die anderen sind die Einführung überflüssiger Aktionen, die Zusammenziehung von Aktionen und eine Manipulation von Informationsmengen, die zu nach unserer Definition verbotenen Informationsmengen führt, in denen eine Spielerin eigene Züge vergisst. Er zeigt, dass alle Spiele in Extensivform, die die selbe reduzierte Normalform aufweisen durch eine Folge von Anwendungen dieser vier Umformungen ineinander überführt werden können.

Spieltheorie Sommersemester 2007 10 Kohlberg und Mertens (1086) vertreten die Ansicht, entscheidend für die Beurteilung eines Spiels in extensiver Form sei nur die zugehörige reduzierte Normalform; rationale Spielerinnen sollten zwei Spiele in extensiver Form, die die selbe reduzierte Normalform haben als strategisch äquivalent ansehen. Osborne und Rubinstein (1994) hingegen präsentieren ein Beispiel, das auf Elmaes und Reny (1994) zurückgeht, und zeigen soll, dass zwei Spiele in extensiver Form, die zur selben reduzierten Normalform führen, unterschiedliche strategische Eigenschaften haben können. Nachfolgende Arbeiten zu diesem Thema, die zur Definition äquivalenter Extensivformspiele an verschiedenen strukturelle Elementen ansetzen sind Selten (1983), Elmes und Reny (1994), Bonano (1992), Peleg, Rosenmueller und Sudhölter (1999, 2000) und Casajus (2003).

Spieltheorie Sommersemester 2007 11 Mit dem Zusammenhang zwischen Extensivform und Normalform befassen sich auch Mailath, Samuelson und Swinkels (1993, 1994). Auf die erste dieser beiden Arbeiten werden wir im nächsten Abschnitt noch zurückkommen. In der anderen behandeln sie die Frage, ob bestimmte Strukturen des Normalformspiels in einer Extensivform dargestellt werden können und gelangen zu dem Ergebnis, dass dies nicht immer der Fall ist.

Spieltheorie Sommersemester 2007 12 Von der Extensiv- zur Normalform Jedes Spiel in extensiver Form kann auch als Spiel in Normalform dargestellt werden. Allerdings geht beim Übergang zur Normalform Information über die Struktur des Spielbaums verloren. Beispiel: sequentieller Geschlechterkampf Hier noch einmal extensive und zugehörige Normalform dieses Spiels. F T B M M TT BT TB BB T B T B T 1, 2 0, 0 1, 2 0, 0 B 0, 0 0, 0 2, 1 2, 1 1 2 0 0 0 0 2 1

Spieltheorie Sommersemester 2007 13 Wir hatten bereits ermittelt, dass das Spiel drei Nash Gleichgewichte besitzt, nämlich (T, TT), (T, TB) und (B, BB). Durch Rückwärtsinduktion hatten wir das Gleichgewicht (T, TB) als das einzige teilspielperfekte Nash Gleichgewicht bestimmt. Letzteres ist aus der Normalform nicht mehr ohne weiteres ersichtlich, da die durch den Spielbaum augenfällige zeitliche Struktur und damit die Teilspiele nicht mehr direkt erkennbar sind. Anders gesagt, können Extensivformspiele mit völlig unterschiedlichen Informationsmengen und Teilspielen zu ein und der selben reduzierten Normalform führen.

Spieltheorie Sommersemester 2007 14 Mailath, Samuelson und Swinkels (1993) setzen an diesem Punkt an. Wenn nach Kohlberg und Mertens (1986) die reduzierte Normalform eines Extensivformspiels die entscheidenden strategischen Aspekte enthält, und wir andererseits überzeugt sind, dass auf der extensiven Form aufbauende Konzepte wie das der Teilspielperfektheit, wichtig sind, sollten letztere eine Entsprechung in der reduzierten Normalform besitzen. Aufbauend auf der Idee der strategischen Unabhängigkeit gelingt es den Autoren, innerhalb der reduzierten Normalform Analoga zu Informationsmengen, Teilspielen und zum teilspielperfekten Nash Gleichgewicht der Extensivform zu definieren. Wir werden dies hier aber nicht weiter vertiefen.

Spieltheorie Sommersemester 2007 15 Spiele mit unvollständiger Information Grundlegende Konzepte Bisher haben wir angenommen, dass alle Daten des Spiels Common knowledge sind, d. h., dass alle Spielerinnen sie kennen, wissen, dass alle sie kennen etc.. Die Daten des Spiels sind dabei für ein Normalformspiel die Spielerinnenmenge, die Strategiemengen sowie die Auszahlungsfunktionen und für eine Extensivformspiel der komplette Spielbaum, d.h. alle Knoten und Äste, die Informationsmengen und wer dort an der Reihe ist sowie die Auszahlungen an den Endknoten. Mit anderen Worten haben wir bisher nur Spiele mit vollständiger Information betrachtet.

Spieltheorie Sommersemester 2007 16 Eine solche Annahme ist allerdings sehr restriktiv. Es gibt häufig Situationen, in denen bestimmte Details des Spiels nicht allen Spielerinnen bekannt sind. Denken wir z.b. an das Cournot Modell eines Duopols. Hier ist es nicht unbedingt klar, dass eine Firma für jede Mengenkombination den Gewinn ihrer Konkurrentin (also ihre Auszahlungen) kennt. Zwar kennt sie den Preis und damit den Erlös, aber dass dies auch für die Kosten der Konkurrentin gilt ist in der Realität sicherlich fraglich. Ebensowenig ist klar, dass die Handlungsmöglichkeiten (also die Strategiemenge) der Konkurrentin bekannt ist. Denkbar wären etwa Kapazitätsgrenzen, deren genaue Höhe bei der Konkurrenzfirma in der Regel nicht bekannt sind. In solchen Fällen spricht man von Spielen mit unvollständiger Information.

Spieltheorie Sommersemester 2007 17 Zwar wurde diese Unterscheidung bereits von von Neumann und Morgenstern (1953) eingeführt, es gab aber bis zu der bahnbrechenden Arbeit von John C. Harsanyi (1967/68) kaum Fortschritte in der Behandlung von Spielen mit unvollständiger Information. Wir werden im weiteren zur Vereinfachung davon ausgehen, dass sich die unvollständige Information nur auf die Auszahlungen bezieht unvollständige Information über andere Parameter kann auf analoge Weise behandelt werden. Anders gesagt, nehmen wir an, dass die Spielform Common knowledge ist, nicht aber die Nutzenfunktionen über die Ausgänge und damit die Auszahlungsfunktionen.

Spieltheorie Sommersemester 2007 18 Mit der Konzentration auf diesen Fall, betrachten wir den sicherlich wichtigsten Fall der unvollständigen Information, denn während es bei den restlichen Daten des Spiels um eher physische Dinge geht wer sind die Spielerinnen, welche Aktionen/Strategien stehen ihnen zur Verfügung und welche Ausgänge des Spiels sind möglich handelt es sich bei den Auszahlungen um die Bewertung der Ausgänge durch die individuellen Spielerinnen, also um den klassischen Fall von privater Information.

Spieltheorie Sommersemester 2007 19 Im übrigen ist es gelegentlich auch unmittelbar einsichtig, wie sich andere Fälle von unvollständiger Information als unvollständige Information über Auszahlungen modellieren lassen: Betrachten wir z.b.das Cournot Modell mit Kapazitätsschranken, die die Konkurrentinnen nicht kennen, also mit unvollständiger Information über die Strategiemengen. Stattdessen können wir auch sämtliche denkbaren Angebotsmengen zulassen, aber für Mengen oberhalb der Kapazitätsschranke prohibitiv hohe Kosten annehmen; dadurch haben wir das Problem in eines mit unvollständiger Information über die Auszahlungen transformiert.

Spieltheorie Sommersemester 2007 20 Um das Problem der Modellierung von Spielen mit unvollständiger Information zu verdeutlichen und Harsanyis Ansatz zu seiner Lösung zu erläutern, betrachten wir folgendes Beispiel. Beispiel: Markteintrittspiel mit unvollständiger Information Firma 1 will in einen Markt eintreten, in dem sich Firma 2 als Monopolistin befindet. Ohne Markteintritt erhält die Monopolistin einen Gewinn von 2, Firma 1 macht keinen Gewinn.

Spieltheorie Sommersemester 2007 21 Tritt Firma 1 in den Markt ein, gibt es zwei mögliche Reaktionen der Firma 2: Sie lässt den Eintritt zu. In diesem Fall erhält Firma 1 einen Gewinn von 2, Firma 1 einen Gewinn von 1. Firma 2 kämpft. In diesem Fall macht die eintretende Firma 1 einen Verlust von 3. Über die Auszahlung von Firma 2 in diesem Fall herrscht unvollständige Information: Firma 2 erhält die Auszahlung 1, aber dies ist Firma 1 nicht bekannt. Dieses Spiel sieht aus Sicht der beiden Firmen unterschiedlich aus.

Spieltheorie Sommersemester 2007 22 Sicht der Firma 2: Extensivform Firma 1 E N Firma 2 K Z 0 2 3 1 2 1 Normalform K Z E 3, 1 2, 1 N 0, 2 0, 2

Spieltheorie Sommersemester 2007 23 Sicht der Firma 1: Extensivform Firma 1 E N Firma 2 K Z 0 2 3? 2 1 Normalform K Z E 3,? 2, 1 N 0, 2 0, 2

Spieltheorie Sommersemester 2007 24 Firma 2 ist vollständig informiert. Die unvollständige Information der Firma 1 haben wir durch das Fragezeichen an Stelle der Auszahlung für Firma 2 bei einem Preiskampf nach erfolgtem Markteintritt gekennzeichnet. Die entscheidende Frage für die eintretende Firma 1 ist, ob die Monopolistin 2 den Eintritt bekämpfen wird oder nicht. Das hängt natürlich von der Auszahlung ab, die die Monopolistin in diesem Fall erhält. Wüsste Firma 1, dass die Monopolistin in diesem Fall einen Verlust von 1 macht, könnte sie überlegen, dass 2 nicht kämpfen wird und in den Markt eintreten. Hält sie es aber für denkbar, dass die Monopolistin, wenn sie sich für das Kämpfen entscheidet, eine Auszahlung erhält, die diese Entscheidung wahrscheinlich macht, wäre ein Markteintritt für Firma 1 nicht lohnend.

Spieltheorie Sommersemester 2007 25 Wie in diesem Beispiel werden wir stets annehmen, dass jede Spielerin ihre eigenen Auszahlungen kennt, unvollständige Information also nur hinsichtlich der Auszahlungen der anderen Spielerinnen besteht. In dem Beispiel handelt es sich um einseitige unvollständige Information, da Firma 2 auch sämtliche Auszahlungen ihrer Konkurrentin kennt. Dennoch kann man schon beim Nachdenken über dieses einfache Spiel die Probleme erkennen, die die unvollständige Information aufwirft.

Spieltheorie Sommersemester 2007 26 Wenn Firma 1 überlegt, welche Strategie sie wählen soll, muss sie Vermutungen über die ihr unbekannte Auszahlung der Firma 2 im Falle eines Preiskampfes nach Eintritt in den Markt anstellen. Dies führt aber dazu, dass Firma 2, obwohl sie selbst vollständig informiert ist, wenn sie die Situation analysiert ihrerseits ebenfalls Vermutungen anstellen muss. Denkt sie nämlich darüber nach, was Firma 1 tun wird, muss sie dazu Vermutungen über deren Vermutungen hinsichtlich ihrer eigenen Auszahlung anstellen. Und so weiter, ganz wie bei unseren Überlegungen über die Bedeutung der Annahme der Common knowledge.

Spieltheorie Sommersemester 2007 27 Diesen unausweichlichen unendlichen Regress von Vermutungen sieht Harsanyi als den Grund dafür an, dass die Behandlung von Spielen mit unvollständiger Information nicht voran kam. Seine Idee bestand darin, ein Spiel mit unvollständiger Information in ein Spiel mit vollständiger aber unvollkommener Information zu transformieren. Dieses Spiel kann dann mit den vorhandenen Methoden analysiert werden. Die grundlegende Idee ist einfach: Harsanyi nimmt an, dass sämtliche für das Spiel relevanten Attribute einer Spielerin in deren Typ zusammengefasst werden können. Welche Typen für die einzelnen Spielerinnen möglich sind ist Common knowledge.

Spieltheorie Sommersemester 2007 28 Zu Beginn des Spiels, ex ante, wählt die Natur für jede Spielerin eine Typ aus. In mediis erfährt dann jede Spielerin ihren eigenen Typ, aber nicht unbedingt den der anderen. In einem Spiel mit vollständiger Information ist also der Typ sämtlicher Spielerinnen Common knowledge, in einem Spiel mit unvollständiger Information ist dies (zumindest für den Typ einiger Spielerinnen) nicht der Fall; es liegt unvollkommene Information über den Anfangszug der Natur vor. Ex post erhalten alle Spielerinnen die Auszahlungen gemäß der gewählten Strategiekombination und der von der Natur gezogenen Typkombination; man kann sich also vorstellen, dass ex post die tatsächlichen Typen aller Spielerinnen allgemein bekannt sind.

Spieltheorie Sommersemester 2007 29 Wir werden stets annehmen, dass die Wahrscheinlichkeitsverteilung gemäß derer die Natur die Typen auswählt Common knowledge ist. Dieser Fall wird in der Literatur auch als gemeinsame a priori Verteilung oder als konsistente Vermutungen bezeichnet. Harsanyi selbst wie auch Mertens und Zamir (1985), die zeigen, dass seine Idee mathematisch korrekt modelliert werden kann, betrachten den allgemeineren Fall, dass jede Spielerin ihre individuelle subjektive Wahrscheinlichkeitsverteilung über den Zug der Natur hat. Unsere Annahme macht nicht nur das Modell weitaus leichter handhabbar sondern kann auch durch gute Argumente gestützt werden, wie etwa die von Aumann (1976) formulierten.

Spieltheorie Sommersemester 2007 30 Neben der Wahrscheinlichkeitsverteilung nach der die Natur zu Beginn die Typen zieht, sind auch die Informationsmengen aller Spielerinnen Common knowledge, d.h., Spielerin i weiß, dass Spielerin j in mediis ihren eigenen Typ kennt, und weiß auch, welche weiteren Informationen Spielerin j gegebenenfalls erhält. Insbesondere bedeutet die Annahme von Common knowledge der Verteilung über die Typkombinationen aller Spielerinnen und deren Informationsmengen, dass jede Spielerin in mediis, wenn sie ihren eigenen Typ kennt (und möglicherweise noch weitere Informationen besitzt), aufgrund dieser Information gemäß Bayes Regel eine bedingte Wahrscheinlichkeitsverteilung über die Typkombinationen berechnen kann. Darüber hinaus weiß sie, dass alle Typen aller anderen Spielerinnen das selbe tun, so dass sich aus dem Typ jeder Spielerin automatisch auch die Vermutungen hinsichtlich der Typen aller anderen ergeben.

Spieltheorie Sommersemester 2007 31 Beispiel: Markteintrittspiel mit unvollständiger Information Fortsetzung In unserem Beispiel können wir uns darauf beschränken, mögliche Typen für Firma 2 anzugeben, die festlegen, welche Auszahlung sie im Falle eines Markteintritts der Firma 1 und anschließendem Preiskampf erhält. Dabei sollten wir natürlich den tatsächlichen Typ der Firma 2 als eine der Möglichkeiten vorsehen. Über diese möglichen Typen müssen wir dann noch eine Wahrscheinlichkeitsverteilung festlegen.

Spieltheorie Sommersemester 2007 32 In mediis erfährt dann Firma 2 ihren Typ, während für Firma 1 sämtliche auf den Zug der Natur folgende Knoten, in denen sie über den Markteintritt zu entscheiden hat, in einer Informationsmenge liegen. Nehmen wir an, dass es zwei mögliche Typen der Firma 2 gibt. Ihre Typmenge sei T 2 = { 1, 1}. Ferner sei die Wahrscheinlichkeitsverteilung, gemäß derer die Natur die Typen wählt gegeben durch P mit P( 1) = 0.7 und P(1) = 0.3.

Spieltheorie Sommersemester 2007 33 Dann können wir das transformierte Spiel in Extensivform folgendermaßen darstellen. Natur 0.7 0.3 Firma 1 Firma 1 E N E N Firma 2 Firma 2 K Z 0 2 K Z 0 2 3 1 2 1 3 1 2 1

Spieltheorie Sommersemester 2007 34 Durch die Harsanyi Transformation verfügen wir wieder über ein geschlossenes Modell des Spiels, über das Common knowledge herrscht. Zwei Bemerkungen sind angezeigt. Zum einen besteht zwischen der ursprünglichen Beschreibung des Markteintrittsspiels mit unvollständiger Information und obiger Modellierung ein Unterschied bezüglich der Information der Firma 1. Im Modell haben wir die Unwissenheit der Firma 1 deutlich strukturiert; sie kennt die möglichen Typen und deren Wahrscheinlichkeiten.

Spieltheorie Sommersemester 2007 35 Zum anderen haben wir eine Metaebene eingeführt. Zu Beginn des Spiels, bevor die Natur die Typen der Firma 2 zieht, hat auch Firma 2 keine Informationen. Da wir wie üblich die Wahl einer Strategie für das gesamte Spiel zu diesem, in unserem Falle fiktiven, Zeitpunkt ansiedeln, bedeutet das, dass Firma 2 in ihrer Strategie auch Typen berücksichtigen muss, von denen sie weiß, dass sie tatsächlich nicht gezogen worden sind. Dies ist deshalb wichtig, weil es in der Analyse des Spiels unabdingbar ist, zu wissen, welche Strategien für die anderen Typen der Firma 2 als den tatsächlich vorliegenden Firma 1 in Betracht zieht. Dabei müssen wir im Hinterkopf behalten, dass die Harsanyi Transformation lediglich ein Instrument zur Analyse des ursprünglichen Spiels mit unvollständiger Information ist. In diesem zeigt Firma 2 keinerlei Anzeichen von Schizophrenie.