LEISTUNGSÄNGSTLICHKEIT. von Juliane Braunstein und Annemarie Winkler

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LEISTUNGSÄNGSTLICHKEIT von Juliane Braunstein und Annemarie Winkler

WAS IST ANGST? Der Begriff Angst äußert sich in 3 Ebenen gehört zu den meistthematisierten Konzepten Allgemeiner, Klinischer und Pädagogischer Psychologie hat nichts mit Schulphobie zu tun, einer behandlungswürdigen Form der Schulbesuchsverweigerung und Furcht werden oft als ein Phänomen abgehandelt. Physologische Indikatoren: Herzklopfen, erhöhter Puls und Blutdruck, Emotional subjektive Faktoren: Erleben der aufsteigenden Selbstwertbedrohung, Unruhe, depressive Verstimmungen, Beobachtbare Verhaltensweisen: Unruhe, Zittern, Artikulationsstörungen, Flucht, Aggression,

LEISTUNGSÄNGSTLICHKEIT IST EINE REAKTIONS- BZW. SITUATIONSBEZOGENE STRESSREAKTION, DIE ALS FOLGE EINES WAHRGENOMMENEN UNGLEICHGEWICHTS ZW. SELBST- UND FREMDGESETZEN LEISTUNGSANSPRÜCHEN UND DER LEISTUNGSKAPAZITÄT AUFTRITT. HOCHÄNGSTLICHE SIND SOMIT IM SCHULLEISTUNGSBEREICH, IM SOZIALVERHALTEN UND IM SELBSTKONZEPT STÄRKER BEEINTRÄCHTIGT Bedingungsfaktoren Hochängstliche Lehrerverhalten Inhalt und Vermittlung des Lehrstoffs Schulbezogene Fähigkeiten und Fertigkeiten Schulleistungsbewertung Gestaltung von Prüfungssituationen Schüler-Schüler-Verhältnis Verhalten und Einstellung der Eltern negatives Selbstbild in ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit oft unterschätzt nervöses Hantieren, schlechte Arbeitshaltung, mangelnde Aufgabenzuwendung Hilflosigkeit, Unsicherheit, mangelndes Selbstwertgefühl weniger Leistung und schlechtere Noten Leistungserfolge eher Zufall, Leistungsmisserfolge eher mangelnde Erfahrung häufiger krank, fehlen öfter

Tiefenpsychologischer Ansatz: Angst ein Affektzustand Primäre Ängste: Erleben des Geburtstraumas Sekundäre Ängste: aus Konflikten der 3 Ichs und der Umwelt spielt in der aktuellen Forschung eine untergeordnete Rolle Behavioraler Ansatz: Versuch, Angst als Reaktionstendenz auf bedrohliche Reize zu erklären, die durch Respondentes Lernen, Operantes Lernen und/oder Soziales Lernen erworben wurde. Kognitivistischer Ansatz: Angst wird durch Interpretation des Individuums definiert Selbstaufmerksamkeit: - besondere Bedeutung - zusammen mit erhöhter Erfolgserwartung und vermehrter Anstrengung positive Lernergebnisse - zusammen mit Selbstzweifeln, Misserfolgserwartungen und Anstrengungsvermeidung negative Lernergebnisse THEORETISCHE FACETTEN Vielzahl von vorliegenden Theorien zur (Leistungs) Ängstlichkeit. 3 Ansätze

DIAGNOSTIK VOR ALLEM ÜBER KLASSISCHE FRAGEBOGEN Verfahren mit unidimensionaler Auswertung Verfahren mit multidimensionaler Auswertung - sehen nur die Bildung eines Kennwertes vor - entsprechen nicht dem heutigen Wissensstand - sollten für Beratungs- und Modifikationszwecke nicht mehr verwendet werden Verfahren mit bidimensionaler Auswertung - Aufgliederung in Besorgniskomponente und Aufgeregtheitskomponente - in vielen Fragebogen verwendet - moderne Fragebögen - unterscheiden Besorgtheit und Aufgeregtheit - Differentiellen Leistungsangst Inventar (DAI) von Rost und Schermer (1997) genauere Analyse der Leistungsängstlichkeit - enthält neben Angsterscheinungsweisen Auslösefaktoren, stabilisierende Bedingungen, Bewältigungsstrategien

Geschlecht Mädchen scheinen Leistungsängstlichkeit eher einzugestehen stärker durch schulische Leistungssituationen beeinflusst zu werden empfinden diese als angstauslösend Sozialstatus Für SchülerInnen aus unteren sozialen Schichten sind die mittelschichtsorientierten Leistungssituationen in der Schule ungewohnt und weniger durchsichtig Unsicherheit und Angst Schulleistung und Intelligenz Allgemein leisten Hochängstliche in fast allen Schulfächern weniger als emotional stabile SchülerInnen. Motivation und Attribution Leistungsängstliche mit ihrer Misserfolgsorientierung tendieren eher dazu Erfolge dem Zufall zuzuschreiben Misserfolge eher auf persönliches Unvermögen zurückzuführen ihr negatives Selbstwertgefühl zu stabilisieren Erfolgswahrscheinlichkeit sinkt KORRELATE

PRÄVENTION UND MODIFIKATION SETZT AN 3 KOMPONENTEN AN Lehrer und Schule - Maßnahmen zur Reduzierung der Unsicherheit und Aufbau von erfolgsorientierten Leistungserwartungen - z.b.: emotional warme und experimentelle Atmosphäre, Entschärfung des Bedrohlichkeitschcharakters von Prüfungssituationen, Schülerpersönlichkeit - verhaltenstherapeutische Technik zur Reduzierung von Angstsymptomen - Soziales Lernen - Erwerb von Arbeitstechniken gute Ergebnisse steigern wieder das Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen Elternhaus - Anteil an der Genese - Intensivierung von Kommunikation und Kooperation zw. Elternhaus und Schule - eindeutig vorhersehbare elterliche Reaktionen auf die Leistungen - Kind als eigene Persönlichkeit achten