Arzneimittel im Alkoholentzug AWMF-S3-Leitlinie Sucht (Entwurf)

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Transkript:

Arzneimittel im Alkoholentzug AWMF-S3-Leitlinie Sucht (Entwurf) Dr. Barbara Richter Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Chefärztin am Psychiatrischen Zentrum Nordbaden

Zur Kupierung von akuten Entzugserscheinungen Erhöhter Blutdruck Erhöhter Puls Hyperhidrosis Tremor Muskelkrämpfe Magenbeschwerden Übelkeit/Erbrechen Diarrhoe Kopf- und Rückenschmerzen Psychomotorische Unruhe Schlafstörungen Reizbarkeit Affektlabilität Angst Konzentrationsstörungen

Mittelschwere und schwere Entzugssymptome, sollen laut Leitlinie pharmakologisch behandelt werden Evidenzgrad A Bei leichten Entzugssymptomen wird eine individuelle Entscheidung empfohlen Zu beachten: Kindling-Phänomen = Hyperexzikation des Zentralnervensystems durch häufige Entzüge

Zur Vermeidung von gefährlichen Komplikationen delirante Zustände (hyperaktiv oder hypoaktiv) epileptische Anfälle Herzrhythmusstörungen hypertensive Krisen Elektrolytstörungen Hypothermie/Hyperthermie Rhabdomyolysen Wernicke-Enzephalopathie Evidenzgrad A

Benzodiazepine Gut wirksam gegen schwere Entzugssymptomatik Reduzieren die Häufigkeit von Deliren Reduzieren die Häufigkeit von epileptischen Anfällen Evidenzgrad A Bei Delir in Kombination mit Antipsychotikum (z.b. Haloperidol) Evidenzgrad B Diazepam, Lorazepam, Oxazepam, Chlordiazepoxid Aber kein statistisch signifikanter Unterschied Mittel der Wahl bei Schwangerschaften

Benzodiazepine Cave Leberzirrhose: Sedierung da Abbau behindert Dosisanpassung erforderlich Benzodiazepin mit kurzer Halbwertszeit auswählen und geringer Verstoffwechselung über die Leber ohne aktive Metabolite wie z.b. Oxazepam oder Lorazepam

Benzodiazepine Sind gut steuerbar Können auch bei nicht so fittem Pflegepersonal oder bei ambulanten Entzügen eingesetzt werden aber längere Entzüge potenziert ggf. die bereits nach Alkoholabsetzen bestehende Schlafstörungen werden vom Pat. als angenehm erlebt, besonders bei Substanzen mit stimmungsaufhellender Wirkung, deshalb hohes Missbrauchspotential werden in ambulanten Bereich unkritisch verordnet.

Clomethiazol Einsetzbar nur unter stationären Bedingungen (ambulant keine Zulassung) Reduziert gut die schweren Alkoholentzugssymptome Reduziert die Häufigkeit von Deliren Reduziert die Häufigkeit von epileptischen Anfällen Zur Delirbehandlung in Kombination mit Antipsychotika (z.b. Haloperidol), so gut wirksam wie Benzodiazepine Hohes Abhängigkeits- und Missbrauchspotential und geringe therapeutische Breite Evidenzgrad B Kürzere Halbwertszeit, deshalb regelmäßige Kontrolle erforderlich (2-stündlich) Verschschleimen, Risiko bei hohen Dosen und Bettlägerigkeit für Pneumonien

Clomethiazol Kurze Halbwertszeit, deshalb regelmäßige Kontrolle erforderlich (2- stündlich) Verschschleimen, Risiko für Pneumonien bei hohen Dosen und Bettlägerigkeit

Antikonvulsiva Nur bei leichten Entzügen: Carbamazepin zugelassen, Valproinsäure Ergänzend zu anderen Entzugsmedikamenten zur Verhinderung von epileptischen Anfällen Evidenzgrad B Pregabalin bis 450 mg/tag: War so effektiv wie Lorazepam bis 10 mg/tag und Tiaprid (800 mg/tag überlegen) Lamotrigin: Wird wegen schwerer Komplikationen bei rascher Aufdosierung nicht empfohlen Levetiracetam: Hatte keine Effekte auf die Reduktion von Alkoholentzugssymptomen, keine Hepatoxizität

Antikonvulsiva Zonisamid: Reduzierte die Alkoholentzugssymptome gut Oxcarbazepin: Hatte keine eigenen Effekte auf die Reduktion von Alkoholentzugssymptomen Gabapentin: (1200 mg/tag) wie 3 x 2 mg Lorazepam (600 mg waren unwirksam) keine Hepatoxizität In den Untersuchungen haben sich differenzielle Bilder bezüglich der Wirksamkeit unterschiedlicher Substanzen auf die Entzugssymptomatik ergeben. Die Aussagen sind noch nicht klar, deshalb bisher keine Empfehlung für bestimmte Substanzen.

Antikonvulsiva Helfen Benzodiazepine oder Clomethiazol einzusparen Carbamazepin verhindert kein Delir Cave: Allergische Reaktionen Gabapentin Abhängigkeitspotential?

Neuroleptika Zur Delirbehandlung nur ergänzend Haloperidol 0,5 bis 2 mg oral, i.m., i.v. alle 2 Stunden (10 40 mg/tag) Keine niederpotenten Neuroleptika Keine trizyklischen Antidepressiva da prokonvulsiv und anticholinerge Wirkung Evidenzgrad B

Neuroleptika Haloperidol löst selbst epileptische Anfälle aus deshalb Dosisbegrenzung: 2 x 5 mg reichen

Alkohol Evidenzgrad KKP

Tiapridex Kann in Kombination mit einem Antikonvulsivum zur Behandlung des unkomplizierten (leichten) Alkoholentzugsdyndroms eingesetzt werden Evidenzgrad 0

Beta Blocker Nicht als Monotherapie, aber als Ergänzung Evidenzgrad 0 Helfen Benzodiazepine und Clomethiazol sparen (Dosis niedriger), schneller rausdosierbar

Clonidin Leichter sedierender Effekt, keine Delirprophylaxe Evidenzgrad 0 Delir bei normalen RR- und Puls-Werten führen zur Verlegung aus internistischen Kliniken wegen Psychosen

Baclofen Wird nicht empfohlen Evidenzgrad 0

GHB Gammahydroxybuttersäure Wird wegen Nutzen-Risiko-Bewertung nicht empfohlen Schwindel Müdigkeit Missbrauch/Abhängigkeit Evidenzgrad B

Elektrolytausgleich (Na, K, Mg, Ca) Als Anfallsprophylaxe und Delirprophylaxe Vorbeugung von Herzrhythmusstörungen Thiaminsubstitution Bei alkoholbezogenen Hypoglykämien Zur Prophylaxe einer Wernicke-Enzephalopathie Schlechter Ernährungszustand

Es fehlen Nichtsteroidale Antirheumatika Werden häufig als Schmerzmittel gegeben Risiko der Herzrhythmusstörungen Pantozol Risiko der Herzrhythmusstörungen sind sehr schlecht abzusetzen