11. Sphärische Geometrie und das Problem der guten Karten.

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Transkript:

11. Sphärische Geometrie und das Problem der guten Karten. Im 15. Jahrhundert hatte man die Technologie um sich von der Küstenschiffahrt zu lösen und Fernreisen zu machen. Kopernikus machte sich auf, um einen neuen Weg nach Indien zu finden. Es wurde dabei immer klarer, dass die Erde rund ist und dass im großen gesehen, die Euklidische Geometrie durch eine andere Geometrie ersetzt werden muß, nämlich die sphärische Geometrie, d.h. die Geometrie auf der Kugeloberfläche. Diese Geometrie wollen wir jetzt besprechen.

2. Geometrie (L2) 1. Euklidische und Sphärische Trigonometrie. In der letzten Vorlesung haben wir gesehen wie gut man Vektorrechnung für das Lösen von geometrischen Aufgaben einsetzen kann. Hier wollen wir noch einen Schritt weitergehen und zeigen wie man die Vektorrechnung auch benutzen kann, um trigonometrischen Probleme zu lösen. Bei allen trigonometrischen Problemen sind die trigonometrischen Funktionen wichtig, d.h. die Funktionen sin(x), cos(x), tan(x) usw. sowie ihre Umkehrfunktionen arcsin(x), arccos(x), arctan(x) usw. Um die trigonometrischen Funktionen einzuführen betrachte man das folgende rechtwinklige Dreieck im Einheitskreis. 1 R α P Q

11 Sphärische Geometrie 3 Da die Längen der Strecken P Q und QR nicht fest gegeben sind, sondern vom Winkel (bzw. vom Bogenmass) α abhängen, muss man diese Längen in der Funktionsschreibweise angeben. Man sich darauf geeinigt hierfür die folgenden Symbole zu verwenden: cos(α) := PQ und sin(α) = QR. Bis hierher ist noch nichts wesentliches passiert, wir haben nur Namen eingeführt. Wir wissen damit nicht mehr über die Strecken P Q und QR als vorher. Um weiterzugehen braucht man Analysis. In der Analysis wird nämlich gezeigt, dass man für die Funktionen tatsächlich Berechnungsformeln angeben kann. Allerdings sind diese Formeln nicht ganz einfach, denn sie sind unendliche Reihen: sin(α) = α 1 + α3 2 3 + α5 2 3 5 +... cos(α) = α2 2 + α4 2 4 + α6 2 4 6 +... Aber erst mit diesen Formeln sind die Funktionen sin(α) und cos(α) definiert. Genauso wie zunächst das Zeichen π nur eine Benennung für den Umfang

4. Geometrie (L2) des Einheitskreises ist und erst durch eine Reihenformel wie etwa die Leibnizformel π/4 = 1 1/3 + 1/5 1/7 + 1/9... die Zahl π wirklich definiert ist. Nachdem nun sin(α) und cos(α) definiert sind, kann man nun weitere Berechnungsformels herleiten. Zum Beispiel erhält man aus dem pythagoräischen Lehrsatz sofort die Formel sin 2 α + cos 2 α = 1 Ein weiteres Beispiel ist der Kosinussatz den wir uns jetzt genauer ansehen wollen. Der Kosinussatz ist ein Satz über allgemeine Dreiecke (also nicht mehr unbedingt rechtwinklige Dreiecke) - etwa das Dreieck ABC auf der linken Seite der nächsten Figur. A α c w v - w β γ b B a C D v

11 Sphärische Geometrie 5 Es gilt Satz. c 2 = a 2 + b 2 2a b cos γ. Beweis. Es gibt zwei Beweismethoden - eine mit Vektoren und eine ohne Vektoren. Wir wollen zeigen, dass es sich mit Vektoren besser arbeitet. 1. Beweis (ohne Vektoren). Man ziehe die beiden gestrichelten Hilfslinien, um ein rechtwinkliges Dreieck ABD zu erzeugen. Wenn wir berücksichtigen, dass cos(π γ) = cos γ und sin(π γ) = sin γ dann erhalten wir AD = b sinγ und CD = b cos γ Also gilt nach dem Satz von Pythagoras c 2 = (a b cos γ) 2 + (b sin γ) 2 = a 2 2abcos γ + b 2 cos 2 γ + b 2 sin 2 γ = a 2 2abcos γ + b 2 (cos 2 γ + sin 2 γ = a 2 + b 2 2abcos γ und dies ist der Kosinussatz.

6. Geometrie (L2) Damit ist aber der Satz noch nicht bewiesen, denn man muss noch die Fälle betrachten wo die Lote auf die Seite a bzw links von der Seite a auftreffen. Dies ersparen wir uns aber und gehen zur zweiten Beweismethode über. 2. Beweis (mit Vektoren). Man betrachte das Dreieck auf der rechten Seite. Man sieht schon sofort, dass man offenbar mit viel weniger Bezeichnungen auskommt. Es gilt v = w + (v w) v 2 = w 2 + 2w (v w) + (v w) 2 v 2 = w 2 + (v w) 2 + 2w v 2w 2 v 2 = w 2 + (v w) 2 + 2w v v 2 = w 2 + (v w) 2 + 2 v w cos (v, w) Somit haben wir (v w) 2 = v 2 + w 2 2 v w cos (v, w) und dies beweist den Kosinussatz. Wir kommen nun zur Trigonometrie des 3-dimensionalen Raumes.

11 Sphärische Geometrie 7 Drei generisch gewählte Vektoren u, v, w R 3 bilden paarweise Winkel a, b, c und erzeugen paarweise Ebenen. Diese Ebenen schneiden sich in Geraden und treffen sich paarweise in jeweils drei Winkeln α, β, γ. Alle diese Winkel stehen in folgendem bemerkenswerten Verhältnis zueinander stehen. C w a b c v u A α B Satz. Seien drei Vektoren gegeben und seien a, b, c und α, β, γ die oben gegeben Winkel. Dann gilt: cos a = cos b cos c + sin b sinc cos α

8. Geometrie (L2) Beweis. Als erstes bestimmen wir den Winkel α, d.h. den Winkel in dem sich die beiden Ebenen schneiden, die jeweils von v, w und v, u erzeugt werden. Dieser Winkel ist gleich dem Winkel zweier Vektoren die in diesen Ebenen liegen und senkrecht auf der Schnittlinie dieser Ebenen stehen. Solche Vektoren sind z.b. die Lotvektoren der Vektoren u und w auf den Vektor v. Diese Lotvektoren sind nun durch die folgende Formel gegeben u (cos c)v bzw. w (cos b)v (hier nehmen wir o.b.d.a. an, dass u = v = w = 1). Also gilt für den Winkel α: und so cos α = (u cos c)v) (w (cos b)v) u (cos c)v w (cos b)v (u cos c)v) (w (cos b)v) = u (cos c)v w (cos b)v cos α u w (cos b)(u v) (cos c)(v w) + cos ccos b = u (cos c)(v w (cos b)v cos α cos a cos b cos c cos ccos b + cos ccos b = u (cos c)(v w (cos b)v cos α

Also haben wir 11 Sphärische Geometrie 9 (cos a cos b cos c) 2 =(u (cos c)v) 2 (w (cos b)v) 2 cos 2 α =(1 2(cos c)(u v) + (cos 2 c)) (1 2(cos b)(w v) + cos 2 b) cos 2 α =(1 2 cos c cos c + cos 2 c) (1 2 cos b cos b + cos 2 b) cos 2 α =(1 cos 2 c)(1 cos 2 b) cos 2 α = sin 2 c sin 2 b cos 2 α Hieraus folgt cos a = cos b cos c + sinc sinb cos α. 2. Sphärische Grundobjekte. Der Grundraum der sphärischen Geometrie ist gegeben durch Grundraum := S 2 := { v R 3 v = 1} R 3,

10. Geometrie (L2) d.h. durch die Einheitssphäre im 3-dimensionalen Raum. Die Grundobjekte einer 2-dimensionalen Geometrie sind Punkte und Geraden (= Geodätische) und Kreise. In der sphärischen Geometrie sind diese Objekte wie folgt definiert: Punkt :=Vektor v R 3 mit v = 1, =Schnitt von S 2 mit einem 1-dim. Unterraum von R 3, Geodätische :=Schnitt von S 2 mit einem 2-dim. Unterraum von R 3. An dieser Stelle mag es etwas ungewöhnlich erscheinen, die Punkte der sphärischen Geometrie mit Einheitsvektoren des 3-dimensionalen Raumes zu identifizieren. In der Praxis sieht man alternativ hierzu häufig eine andere Darstellung. Der Grund für diese alternative Darstellung liegt darin, dass man ungern die Idee eines intrinsischen Koordinatensystems für die Sphäre selbst aufgeben möchte. Wir haben ja in der Euklidischen Geometrie gesehen wie nützlich eine solche Idee für Berechnungen ist. Man stellt sich deshalb vor, dass auch die Sphäre mit einem Koordinatensystem versehen ist. Es ist natür-

11 Sphärische Geometrie 11 lich nicht mehr rechtwinklig. Vielmehr behilft man sich mit der Vorstellung, dass ein rechtwinkliges Koordinatensystem angedeutet auf die Sphäre abgewickelt ist (siehe folgende Zeichnung). Breite Laenge Koordinaten: Längen- und Breitenkreise Die vertikalen Kreise heißen Längenkreise und die horizontalen Kreise heißen Brei- tenkreise. Wenn man nun noch einen Längenkreis als Standard Längenkreis und einen Breitenkreis als Äqutor auszeichnet, dann kann man jedem Punkt (auf der Sphäre) das Koordinatenpaar (α, β) = (Länge,Breite)i

12. Geometrie (L2) zuordnen, wobei Länge (des Punktes) :=Winkel zum Standard Längenkreis, Breite (des Punktes) :=Winkel zum Äquator. Bemerkung. Im obigen Bild sind Standard Längenkreis und Äquator fett gezeichnet. Ihre Festlegung ist natürlich willkürlich. Auf der Erdoberfläche ist der Äquator als der Breitenkreis festgelegt, der vom Nord- und Südpol gleichweit entfernt ist. Der Standard Längenkreis ist definiert als der Längenkreis der durch Greenwich, England geht. Ein Punkt der Sphäre ist demnach entweder gegeben durch das Tripel [x, y, z] von Koordinaten des zugehörigen Vektors oder durch ein Paar (α, β) = (Länge,Breite). Beide Darstellungen sind gleichberechtigt. Der folgende Satz gibt die Transformationsformel mit der man zwischen diesen Koordinatensystemen wechseln kann. Satz. Sei P = P(α, β) = P(x, y, z)

11 Sphärische Geometrie 13 ein Punkt der sphärischen Geometrie wobei (α, β) = (Länge,Breite) und [x, y, z] R 3 der zum Punkt gehörige Vektor ist. Dann gelten die folgenden Transformationsformeln: (α, β) x y z x y z = cos(β) cos(α) cos(β) sin(α) und sin(β) (α, β) = ( arctan(y/x),arcsin(z) ). Beweis. Für den Beweis müssen wir nur die trigonometrischen Formeln und etwas räumliches Vorstellungsvermögen einsetzen. Wir betrachten dazu die folgende Figur:

14. Geometrie (L2) z P 1 sin( β) y α β β cos( ) cos( β ) cos( α ) cos( β ) sin( α ) x Zwei Typen von Koordinaten für Einheitsvektoren In der Figur ist der Breitenkreis eingezeichnet auf dem der Punkt P liegt. Weiter soll die xy-ebene die Äquatorebene sein. Dann ist β der Winkel für den Breitenkreis und α der Winkel für den Längenkreis die P enthalten. Die Figur zeigt weiter zwei rechtwinklige Dreiecke. Die Hypothenuse des senkrechten Dreicks hat Länge 1 da P auf der Einheitssphäre liegt. Damit hat dann das rechtwinklige Dreieck in der xy- Ebene eine Hypothenuse der Länge cos(β). Die beiden Katheten dieses Dreiecks sind dann gerade die x-

11 Sphärische Geometrie 15 und y-koordinaten von P. Diese können wir mit Hilfe des Winkels α ausrechnen und erhalten x = cos(β) sin(α) und y = cos(β) cos(α) Aus der Figur entnimmt man weiter dass die z-koordinate von P durch z = sin(β) gegeben. Damit ist die Zuordnung (α, β) [x, y, z] gezeigt. Die andere Zuordnung zeigt man auf ähnliche Weise (Übung). 3. Sphärische Grundgrössen. Die Geodätischen haben alle eine endliche Länge und sie sind alle gleich lang. Wir sind frei die Länge der Geodätischen irgendwie festzusetzen (zu normieren) und wir definieren die Länge einer Geodätischen als die Zahl 2π (= Umfang des Einheitskreises). Der Abstand d(p, Q) von zwei Punkten P, Q auf der EInheitssphäre ist demnach gegeben durch d(p, Q) =Winkel zwischen den beiden Radien der Einheitsspäre mit Endpunkten in P und Q

16. Geometrie (L2) (gemessen im Bogenmaß). Der Winkel zwischen zwei Geodätischen ist der Euklidische Winkel den die Tangenten der beiden Geodätischen im Scheitelpunkt des Winkels bilden. Satz. Der sphärische Abstand zwischen den sphärischen Punkten v 1, v 2 S 2 is gegeben durch cos d(v 1, v 2 ) = v 1 v 2 wobei v 1 v 2 das Skalarprodukt der Vektoren v 1, v 2 bezeichnet. Beweis. Sei k der Grosskreis, der die beiden Punkte v 1, v 2 enthält. Der Abstand d(v 1, v 2 ) gleich der Länge des Abschnitts auf dem Kreis der von v 1, v 2 begrenzt wird (man wählt den kürzeren der beiden Abschniite). Da der Kreis aber der Einheitskreis ist, ist diese Länge gleich dem Winkel (v 1, v 2 ) im Bogenmass gemessen. Da v 1, v 2 die LÄnge 1 haben, gilt für diesen Winkel cos(α) = v 1 v 2 Somit ist der Abstand durch cosd(v 1, v 2 ) = v 1 v 2. 4. Sphärische Dreiecke.

11 Sphärische Geometrie 17 Aus den sphärischen Grundobjekten kann man sphärische Figuren bilden, wie etwa 2-Ecke, 3-Ecke, 4- Ecke usw.: c Β a α b Χ Ein sphärisches 3-Eck In diesem sphärischen Dreieck gelten die folgenden Formeln: Der sphärische Sinussatz. sina : sinb : sinc = sin α : sinβ : sinγ. Der sphärische Seitenkosinussatz: cos a = cos b cos c + sinb sinc cos α.

18. Geometrie (L2) Der sphärische Winkelkosinussatz. cos α = cos β cos γ + sinβ sinγ cos a. Bemerkung. Diese Formeln sind sehr wichtig, wenn es darum geht Seiten oder Winkel im Dreieck zu berechnen. Der sphärische Seitenkosinussatz folgt sofort aus dem oben bewiesenen Satz über trigonometrische Winkel zwischen Raumvektoren. Jede sphärische Figur lässt sich in sphärische Dreiecke zerlegen. Um also den Flächeninhalt von sphärischen Figuren zu berechnen, genügt es den Flächeninhalt von Dreiecken zu bestimmen: Satz. Der Flächeninhalt F eines sphärischen Dreiecks mit den Winkeln α, β, γ ist gegeben durch F = α + β + γ π Korollar. Die Winkelsumme im sphärischen Dreieck ist grösser als 2 Rechte. Beweis. Der Flächeninhalt der Einheitssphäre ist 4π = 2 2π. Dies beweist man in der Analysis.

11 Sphärische Geometrie 19 Also ist der Inhalt eines sphärischen Zweiecks mit Winkel α gleich 2α (denn 2 2π ist der Inhalt der ganzen Sphäre). Zu jedem Winkel des sphärischen Dreiecks gehört ein Paar von sphärischen Zweiecken (zwei Grosskreise schneiden sich in zwei Punkten, bilden also zwei Zweiecke - eins vorne und eins hinten). Die Großkreise die das Dreieck P QR definieren induzieren eine Triangulation der 2-Sphäre aus 8 Dreiekken - 4 in jeder Halbkugel. R Q P Q R P Die Dreiecke PQR und P Q R haben gleichen Flächeninhalt

20. Geometrie (L2) Wir haben also Paare von sphärischen Zweiecken mit Öffnungswinkel α, β, γ. Also insgesamt 6 Zweiecke. Diese überlappen das Ausgangsdreieck P QR dreimal. Sie überlappen auch noch ein zweites Dreieck dreimal, nämlich das Dreieck P Q R gegenüber dem Ausgangsdreieck. Ansonsten überdecken die Zweiecke die ganze Sphäre. Der Inhalt der Sphäre ist also die Summe der Inhalte aller Zweiecke vermindert um die 4 extra Dreiecke von den Überlappungen. Also 4π = 2 2α + 2 2β + 2 2γ 4F wobei F der Inhalt des sphärischen Dreiecks ist. Also gilt F = α + β + γ π.

11 Sphärische Geometrie 21 5. Sphärische Vierecke. Ein 4-Eck und ein nicht-4-eck Bemerkung. An dieser Stelle beachte man dass die Figur auf der rechten Seite kein 4-Eck der sphärischen Geomtrie ist. Die Figuren der sphärischen Geometrie müssen - wie auch in der euklidischen Geometrie - geradlinig begrenzt sein. Die Seiten von sphärischen Figuren müssen also geodätische Strecken sein und das ist bei der figur auf der rechten Seite nicht der fall. Kommen wir nun zu den Vierecken in der sphärischen Geometrie.

22. Geometrie (L2) Wir erinnern uns noch daran welche Mühe die Griechen hatten, in ihrer Geometrie die Existenz von Quadraten zu beweisen. Ihr Problem war, dass sie nicht messen konnten (oder durften). Sie bewiesen die Existenz von Quadraten indem sie eine Theorie der Parallelen entwickelten. In der sphärischen Geometrie gibt es aber von vornherein keine Parallelen, denn je zwei Geraden (= Geodätische) schneiden sich immer in ganau zwei Punkten (die übrigens immer gegenüber liegen - Warum?). Es stellt sich als das Problem. Gibt es Quadrate in der sphärischen Geometrie?. Um diese Frage zu beantworten müssen wir uns daran erinnern, dass bei den Griechen ein Quadrat definiert war als ein Viereck in dem alle Seiten gleichlang und alle Winkel rechte Winkel sind. Eine solche Konfiguration kann es aber für sphärische Vierecke nicht geben. Man kann ja jedes solche Viereck so drehen, dass eine Seite im Äquator liegt. Dann zeigt das Bild oben links, dass ein solches Viereck kein Quadrat sein kann. Die Antwort zu unserem Problem ist also: Nein.

11 Sphärische Geometrie 23 6. Karten für Sphären. Unter einer Karte versteht man die bijektive und stetige Abbildung eines Teils der Sphäre auf die Ebene. Da es eine längentreue Abbildung nicht geben kann (denn dann könnte man ja ein Quadrat der Ebene in eine Quadrat der Sphäre transportieren, was es aber nicht gibt), muß man sich mit Karten mit schwächeren Eigneschaften begnügen. Es gibt nun Karten die winkeltreu sind und andere Karten die flächentreu sind. Für die Landvermessung sind flächentreue Karten wichtig, für die Navigantion (Schiffahrt, Luftfahrt) sind die winkeltreuen Karten wichtig. Hier sind ein paar typische Beispiele: gnomonisch stereographisch Mercator Projektion

24. Geometrie (L2) Satz. Es kann keine Karte geben, die die ganze Sphäre abbildet. Beweis. Keine Ebene kann eine Sphäre enthalteni, d.h. keine stetige Abbildung S 2 R 2 ist injektiv (dies ist eine Satz aus der Topologie). Satz. Die gnomonische Projektion bildet Geodätische der sphärischen Geometrie auf Geraden der Euklidischen Geometrie der Kartenbene ab. Beweis. Um zu sehen, daß, unter der gnomonischen Projektion, Geodätische (= Grosskreise) in Geraden übergehen, beachte man, daß Großkreise Schnitte der Sphäre mit solchen Ebenen sind, die durch den Nullpunkt gehen. Solche Ebenen werden aber unter der Projektion auf ihre Schnitte mit der Kartenebene abgebildet. Bemerkung. Die gnomonische Projektion ist aber die einzige unter den obigen Projektonen, die Geodätische (= Großkreise) auf Geraden abbildet. Satz. Die Mercator Projektion bildet Geodätische der Sphäre auf Kreise des Zylinders ab.

11 Sphärische Geometrie 25 Beweis. Ein Grosskreis ist Schnitt einer Ebene mit der Sphäre. Jede solche Ebene schneidet den Zylinder in einem Kreis. Satz. Die stereographische Projektion und die Mercator Projektion ist winkeltreu. 7. Kegelschnitte. Unter Kegelschnitten versteht man die folgenden Figuren: Ellipse Parabel Hyperbel

26. Geometrie (L2) Im Lehrbuch von Euklid wurden nur Kreise behandelt. Die Behandlung von Kegelschnitten gehört einer späteren (der hellinistischen) Periode an. Sie kommen etwa bei Archimedes vor der 287-212 gelebt hat (zum Vergleich: Euklid und Platon um 400 v.u.z. und Pythagoras um 600 v.u.z.). Wir wollen die Theorie der Kegelschnitte benutzen um die stereographische Projektion zu untersuchen. Insbesondere wollen wir zeigen, dass sie winkeltreu ist. Wäre dem so, dann müsste sie Großkreise auf der Sphäre (= Geodätische) auf Kreise abbilden. K K In dem obigen Diagramm ist K ein Kreis als Schnitte einer Ebene mit der Sphäre und K eine Ellipse,

11 Sphärische Geometrie 27 als Schnitt einer Ebene mit einem Kegel (evtl. einem Kegel über einer Ellipse). Frage. Ist K eine Kreis? Dies ist geometrisch nicht so leicht zu entscheiden. Bei einem Kegel über einem Kreis gibt es nur eine Schar von paprallelen Ebenen, die den Kegel in einem Kreis schneiden. Aber bei Elipsen ist dies anders. Für alle Ebenen, die die Achse des Kegels und im gleichen Punkt scheiden sind gleich (modulo Drehung um die Kegelachse). Also könnte der Kegel im obigen Bild ein Kegel über einer Ellipse sein so dass wieder verschieden Ebenen den Kegel in Kreisen schneiden könnten. Tatsächlich is das der Fall. 8. Die Stereographische Projektion. Satz. Die Transformationsformel der stereographischen Projektion (vom xyz-raum auf die uv-ebene) lautet: x = u 1 + u 2 + v 2, y = v 1 + u 2 + v 2, z = u2 + v 2 1 + u 2 + v 2

28. Geometrie (L2) und u = x 1 z, v = y, für alle z 1. 1 z Beweis. Wir wählen eine 2-Sphäre in R 3 mit Durchmesser (nicht Radius!) = 1 1 - z s l P = [x,y,z] [0,0] [x,y] [u,v] Dann haben wir nach dem Strahlensatz s : l = 1 : l oder s l = 1 s : l = 1 z : 1 = x 2 + y 2 : u 2 + v 2 = x : u = y : v l 2 = 1 + u 2 + v 2 Demnach gilt (wegen der ersten Relation) s l = 1 1 + u 2 + v 2

11 Sphärische Geometrie 29 und hieraus folgt der Satz (wegen der zweiten Relation). Satz. Die allgemeine Formel des Kreises in der uv Ebene lautet a(u 2 + v 2 ) + bu + cv + d = 0 mit reellen Koeffizienten a, b, c, d die die Bedingung b 2 + c 2 4ad > 0 erfüllen. Satz. Die stereographische Projektion bildet Großkreise der Sphäre auf Kreise der Ebene ab und umgekehrt. Beweis.. Ein Kreis der Sphäre ist Schnitt der Sphäre mit einer Ebene und ist somit durch die Sphärengleichung und die allgemeine Gleichung der Ebene bestimmt. Also durch die Gleichung ax + by + cz + d = 0

30. Geometrie (L2) für die die reellen Koeffizienten die Bedingung a 2 + b 2 4(c + d)d > 0 erfüllt. Ersetzt man hier x, y, z durch die Transformationsformeln so erhalten wir (c + d)/u 2 + v 2 ) + au + bv + d = 0 und dies ist die allgemeine Gleichung eines Kreises in der uv-ebene.. Wendet man auf die allgemeine Gleichung des Kreises in der uv-ebene die Transformationsformel der stereographischen Projektion an, dann erhält man a x2 + y 2 (1 z) 2 + b x 1 z + c y 1 z + d = 0 und so, wegen der Gleichung x 2 + y 2 + z 2 z = 0 unserer Sphäre, folgt 1 1 z [az + bx + cy + d(1 z)] = 0

und deshalb 11 Sphärische Geometrie 31 bx + cy + (a d)z + d = 0. Diese Ebene hat vom Mittelpunkt [0,0, 1 2 ] unserer 1 Sphäre einen Abstand kleiner als 2 und schneidet daher die Sphäre in einem Kreis. Dies ist der Bildkreis unter der stereographischen Projektion. Damit ist der Satz bewiesen. Literatur: H. Behncke, F. Sommer, Theorie der analytischen Funktionen, Springer 1972