S 12647 Einführung in die Psychologie des Gesundheitsverhaltens (Benjamin Schüz) 28.05.04.: Soziale Unterstützung, Zusammenfassung Gesundheitsverhalten Soziale Unterstützung Emile Durkheim (1897) entdeckte, dass unter sozial schlecht integrierten Menschen Suizide häufiger auftraten - psychische Erkrankungen treten häufiger auf - auch phyische Probleme treten öfter auf
Soziale Unterstützung Unterscheidung zwischen sozialer Integration und sozialer Unterstützung Soziale Integration beschreibt Struktur und Quantität sozialer Beziehungen (z.b. Dichte von Netzwerken, Anzahl sozialer Interaktionen) Soziale Unterstützung beschreibt Funktion und Qualität sozialer Beziehungen (z.b. wahrgenommene Unterstützung, erhaltene Unterstützung) Soziale Unterstützung Erfassung: Familienstand (Verheiratete leben im Schnitt länger als Alleinstehende) Anzahl von sozialen Rollen in Familie oder in Institutionen wie Kirche oder Vereinen Dauer und Reziprozität der Kontakte Soziale Netzwerke
Soziale Unterstützung Sterberaten für sozial unterschiedlich integrierte Männer; 1= Index für Verheiratete (nach Tucker et al., 1999) Soziale Unterstützung Sterberaten für sozial unterschiedlich integrierte Frauen; 1= Index für Verheiratete (nach Tucker et al., 1999)
Soziale Unterstützung Männer, die noch einmal heiraten vermindern ihr Sterberisiko minimal Frauen: Kein Unterschied zwischen verheiratet und verwitwet/geschieden, Wiederheirat erhöht Risiko eher Frauen verfügen über größere, partnerunabhängige soziale Netzwerke Netzwerk zudem intimer als bei Männern Soziale Unterstützung Das Ausmaß sozialer Unterstützung beeinflusst das Ausmaß gesundheitlicher Klagen (Schwarzer & Knoll, 2002)
Soziale Unterstützung Soziale Unterstützung hängt von sozialer Integration ab (banal, aber): Soziale Unterstützung Effekte sozialer Unterstützung: Schnellere Wiederaufnahme von Aktivitäten nach OP
Soziale Unterstützung Mobilisierung sozialer Unterstützung: Kontaktaufnahme zu Mitgliedern des sozialen Netzwerkes Mobilisierung von z.b. Freunden und Nachbarn, nicht aber Partnern Kritische Situation (Krankhenhausaufenthalt schon Mobilisierung genug) Mobilisierung nur außerhalb der engsten Bezugsgruppe notwendig Soziale Unterstützung Mobilisierung von sozialer Unterstützung hängt von der Art der Erkrankung und dem Umgang damit ab:
Soziale Unterstützung Unterscheidung zwischen wahrgenommener und erhaltener sozialer Unterstützung Oft schlechte Übereinstimmung zwischen geleisteter und subjektiv erhaltener Unterstützung Abhängig von den Erwartungen der Patienten Diskrepanzen bereits bei Kurzen Zeiträumen wie einer Woche Soziale Unterstützung Soziale Unterstützung kann instrumentell, informational oder emotional sein: Es gibt Menschen, die mir ihre Hilfe anbieten, wenn ich sie brauche. Meine Bezugsperson half mir, meiner Situation etwas positives abzugewinnen Wenn es mir schlecht geht, zeigen andere mir, daß sie mich mögen. (Beispielitems der Berliner Social Support Skalen, Schulz & Schwarzer, 2003)
Soziale Unterstützung Auch das Vorenthalten von Informationen kann unterstützend gemeint sein: Ich habe schlechte Nachrichten von ihm (dem Patienten) ferngehalten. Ich habe alles vermieden, was ihn aufregen könnte. Ich habe mir nicht anmerken lassen, wie verstimmt und niedergeschlagen ich war. Ich habe mir nicht anmerken lassen, wie verstimmt und niedergeschlagen ich war. (Beispielitems der Berliner Social Support Skalen, Schulz & Schwarzer, 2003) Soziale Unterstützung Einfluss von Partnervariablen auf das Befinden von Patienten Männer optimistischer Frauen genesen schneller von Bypass-Operationen (Schröder & Schwarzer, 1998) Schwere Krankheiten als Krise betreffen nicht allein vom Patienten, sondern die Dyade Bewältigung liegt daher nicht allein beim Individuum, sondern in der Dyade
Soziale Unterstützung Längsschnittliche Untersuchung: Unterstützung des Partners schlägt sich zeitversetzt im Umgang des Patienten mit der Krankheit nieder Emotionale Unterstützung des Partners und Abpuffern fördern beim Patienten Kampfgeist, Planung und Sinngebung Unterstützung vor der OP fördert Bewältigung mit Humor (Schwarzer, Schulz & Taubert) Soziale Unterstützung Längsschnittliche Untersuchung:
Theorien des Gesundheitsverhaltens dienen der Erklärung und Vorhersage von Gesundheitsverhalten tragen zur Entwicklung psychologischer Interventionen für die Modifikation von Gesundheitsverhalten bei sind Modellvorstellungen, die bestimmten Zielen und Regeln folgen und nicht als Abbildungen einer Realität verstanden werden Theorienpluralismus Theorien des Gesundheitsverhaltens: Kernfragen Was motiviert Menschen dazu, sich gesund oder riskant zu verhalten? MOTIVATION Wie gelingt es Menschen, ihre Intentionen erfolgreich umzusetzen? VOLITION Wie können die Prozesse und Determinanten der Motivation und Volition beschrieben, erklärt und vorhergesagt werden.
Volitionstheorie: : Das Rubikon- Modell (Heckhausen, Gollwitzer) Intentionsbildung Intentionsinitiierung Intentionsdesaktivierung Intentionsrealisierung MOTIVATION (prädezisional) VOLITION (präaktional) VOLITION (aktional) MOTIVATION (postaktional) WÄHLEN RUBIKON Präaktionale Phase HANDELN BEWERTEN
Motivation Motivation ist in der Psychologie eine Sammelbezeichnung für vielerlei Prozesse und Effekte, deren gemeinsamer Kern darin besteht, dass ein Lebewesen sein Verhalten um der erwarteten Folgen willen auswählt und hinsichtlich Richtung und Energieaufwand steuert. Heckhausen, 1989; S. 10 Motivation Motivation ist eine momentane Gerichtetheit auf ein Handlungsziel. Motivation entsteht in Wechselwirkung zwischen Faktoren der Situation und der Person. Motiviertes Verhalten zeichnet sich aus durch: die Intensität, die Ausdauer und die Richtung. Heckhausen, 1989
Volition Volition bezieht sich auf die gewollte Umsetzung einer Intention in eine Handlung. Die Volitionsphase umfasst also Handlungsinitiierung und ausführung. Der Übergang zwischen Motivation und Volition liegt bei der Intentionsbildung (Überschreiten des Rubikon). Modelle des Gesundheitsverhaltens lassen sich grob in zwei Klassen einteilen: Kontinuierliche (statische) Prädiktionsmodelle dynamische Stadienmodelle
Kontinuierliche Modelle spezifizieren bestimmte kognitive und affektive Variablen (z.b. Risikowahrnehmung, Selbstwirksamkeitserwartungen, Einstellungen, etc.) als prädiktiv für ein Gesundheitsverhalten. nehmen an, dass Individuen je nach Ausprägung auf diesen Variablen an einem bestimmten Punkt auf dem Kontinuum einer Verhaltenswahrscheinlichkeit angesiedelt werden können Grundprinzipien kontinuierlicher Modelle Ökonomie und Sparsamkeit Spezifische verhaltensnahe Einflussgrößen die der Modifikation durch psychologische Interventionen zugänglich sind sozio-ökonomische, kulturelle oder Persönlichkeitsfaktoren werden über die Modellkonstrukte vermittelt (z.b. über die Einstellungen in der Theorie des geplanten Verhaltens)
Kontinuierliche Modelle: Interventionen Interventionen haben in diesen Modellen die Aufgabe, Personen auf diesem Kontinuum in Richtung einer höheren Handlungswahrscheinlichkeit zu bewegen. Z.B. Förderung der Selbstwirksamkeit einer Person führt zur höheren Wahrscheinlichkeit, dass diese Person eine Intention ausbildet. Kontinuierliche Modelle Health Belief Model (Becker, 1974; Rosenstock, 1966) Theory of Reasoned Action (Fishbein & Ajzen, 1975) Theory of Planned Behaviour (Ajzen, 1988) Protection Motivation Theory (Rogers, 1983; Rogers & Maddux, 1983)
Theory of Planned Behavior Ajzen, 1985 Dynamische Stadienmodelle spezifizieren qualitativ unterschiedliche Phasen, die Personen während des Prozesses einer Gesundheitsverhaltensänderung durchlaufen Nehmen an, dass eine Verhaltensveränderung über eine zeitlich geordnete Sequenz diskreter, qualitativ unterschiedlicher Phasen abläuft diese Phasen berücksichtigen Aspekte der Informiertheit, Entscheidungsfindung, Planung, Handlung und Aufrechterhaltung.
Stadienmodelle: Interventionen Für jede Stufe werden unterschiedliche psychologische Prozesse angenommen, welche auf jeweils phasentypische Weise von verschiedenen sozial-kognitiven Einflussgrößen beeinflusst sind Personen in unterschiedlichen Stufen können demnach von unterschiedlichen Interventionen profitieren. Erfolgsevaluation am Stadienübergang Stadienmodelle Transtheoretisches Modell der Verhaltensänderung (TTM; Prochaska & DiClemente, 1983) Precaution Adoption Process Model (PAPM; Weinstein & Sandman, 1992) HealthAction ProcessApproach (HAPA; Schwarzer, 1992) Berliner Sportstadienmodell (BSM; Fuchs, 2003)
Beispiel für ein Stadienmodell: Transtheroetisches Modell der Verhaltensänderung (Prochaska & DiClemente) Zuordnung von Personen zu den einzelnen Stadien aufgrund der motivationalen Ausgangslage der Absicht für zukünftiges Verhalten des vergangenen Verhaltens "Transtheoretisches Modell" bzw. "Stages of Change-Modell" (Prochaska et al., 1979, 1984, 1992, 1994) Stadien der Veränderung Beispiel: Zigarettenrauchen Precontemplation (Sorglosigkeit) Das Aufgeben des Rauchens wird in den nächsten Monaten nicht in Betracht gezogen. Das Rauchen stellt kein Problem dar. Six-Step-Program Contemplation (Bewußtwerden) Preparation (Vorbereitung) Action (Handlung) Man denkt ernsthaft darüber nach, das Rauchen in den nächsten Monaten aufzugeben. Man ist zum Aufgeben des Rauchens bereit und plant eine entsprechende Verhaltensänderung in den nächsten Monaten. Das Rauchen wird aufgegeben. Die Verhaltensänderung ist auch für Außenstehende erkennbar. Maintenance (Aufrechterhaltung) Man schafft es, über einen Zeitraum von mehreren Monaten hinweg nicht zu rauchen. Termination
Intervention im TTM stadienspezifisch d.h. eine Person, die in der präkontemplativen Phase ist, wird z.b. darauf aufmerksam gemacht, dass Rauchen schädlich ist (Risikokommunikation) eine Person, die schon in der Aufrechterhaltungsphase ist, braucht eher Hilfestellung bei der erfolgreichen Bewältigung von schwierigen Situationen (in der Kneipe, Freunde, die noch rauchen, etc.) Precontemplators: Not seriously thinking about quitting in the next 6 months Contemplators: seriously thinking about quitting in the next 6 months + but not within the next 30 days + not made at least one 24-hr quit attempt in the past year Preparers: seriously thinking about quitting in the next 30 days + had made at least one 24-hr quit attempt in the past year Action stage: First 6 months of abstinence Maintenance stage: Abstinence beyond 6 months