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Technische Universität Berlin Fakultät IV Elektrotechnik und Informatik Fachgebiet Regelungsssteme Leitung: Prof. Dr.-Ing. Jörg Raisch Praktikum Grundlagen der Regelungstechnik 1 Einführung Versuch 1b Drehzahlregelung eines Gleichstrommotors In diesem Versuch soll für eine reale elektrische Antriebsstrecke eine kontinuierliche Kaskadenregelung nach dem Wurzelorts- und Frequenzkennlinienverfahren entworfen und anschließend erprobt werden. Der Versuch erstreckt sich über zwei Termine: im ersten Teil wird eine Regelung für den Ankerstrom erarbeitet. Die Ergebnisse dienen als Basis für den zweiten Versuchsteil, in dem der unterlagerte Stromregelkreis um eine Drehzahlregelung ergänzt wird. Ð ÒÖ ØÙÒ ÒØÖ ØÖ ËØÓ ÖÙÒ ËÓÐÐ Ö Þ Ð Ö Þ ÐÖ Ð Ö ËØÖÓÑÖ Ð Ö ËØÖÓÑÖ Ø Ö ÅÓØÓÖ ØÖ Ä Ø Ò Ö ØÖÓÑ ia(t) Ö Þ Ð ω(t) Abbildung 1: prinzipieller Aufbau des Antriebs Abbildung 1 zeigt den prinzipiellen Aufbau eines drehzahlgeregelten Antriebs, wie er in der Praxis häufig verwendet wird. Man erkennt die innere und äußere Regelschleife. Der Stromregelkreis weist hierbei eine deutlich höhere Dnamik auf. Die Struktur wird als Kaskadenregelung bezeichnet. Ziel der Versuchsreihe ist der Entwurf einer Regelstruktur, die eine konstante Drehzahl bei sprungförmig veränderlichem Lastmoment sicherstellt.

2 Versuchsaufbau 2.1 Aufbau der Strecke Den Aufbau der Versuchsstrecke zeigt Abbildung 2. Abbildung 2: Regelstrecke Die Strecke besteht aus einem Leistungsversta rker und einer Gleichstrommaschine, welcher zur Erho hung des Tra gheitsmoments bereits eine Schwungscheibe auf die Welle montiert wurde. Um ein Lastmoment zu erzeugen, kann ein Filzblock u ber eine Feder gegen die Schwungscheibe gepresst werden. Dieser bewirkt eine starke Reibung. Der Leistungsversta rker besitzt PT1-Dnamik mit kleiner Verzo gerungszeitkonstante und liefert eine maximale Ausgangsspannung von 15V. 2.2 Ansteuerung und Messung Die Ansteuerung erfolgt u ber eine Datenerfassungskarte. Mit einer Echtzeitanwendung kann die Eingangsspannung des Leistungsversta rkers vorgegeben werden. Ebenso werden die Messwerte angezeigt und gespeichert. Als Messgro ßen stehen der Ankerstrom ia und die Winkelgeschwindigkeit ω direkt zur Verfu gung. Der Ankerstrom weist hierbei sehr starkes Messrauschen auf, was beim Reglerentwurf bedacht werden muss. Die Drehzahl/Winkelgeschwindigkeit wird u ber einen Tachogenerator erfasst. Die Regler sollen in Scilab/Scicos realisiert werden. Am Versuchsstand wird mit den erstellten ScicosDiagrammen ein echtzeitfa higes Programm erstellt, welches den entworfenen Regler an den realen Motor koppelt. 2

2.3 Parameter Die folgenden Parameter sind gegeben. Gleichstrommotor: Ankerwiderstand R A = 10, 6Ω Ankerinduktivität L A = 0, 82mH Motorkonstante k m = 0, 0527 Nm A Ankerträgheitsmoment J m = 1, 16 10 6 kgm 2 Reibungskonstante c µ = 0, 4 10 6 Nms Schwungscheibe: Masse Radius M s = 68g r s = 2, 5cm Leistungsverstärker: Zeitkonstante Verstärkung V = 3 T v = 0, 0002s 3 Drehzahlregelung Ziel des zweiten Versuchteils ist es, einen Drehzahlregelkreis zu entwerfen, der vorgegebene Winkelgeschwindigkeiten einstellt und Störungen in Form von Lastmomentänderungen kompensiert. Zusätzlich soll eine Anti-Windup-Schaltung für beide Regler der Kaskadenregelung entworfen werden, um Windup-Effekte und eine Überlastung des Leistungsverstärkers zu verhindern. 3.1 Kaskadenregelung Für die Drehzahlregelung elektrischer Antriebe werden sehr häufig Kaskadenregelkreise eingesetzt. Wir wollen zunächste den Aufbau, das Wirkprinzip und den Entwurf von Regelkreisen mit Kaskadenstrukur wiederholen. 3.1.1 Aufbau und Wirkprinzip In Abbildung 3 ist das Blockschaltbild einer Kaskadenregelung dargestellt. Neben der Regelgröße wird eine weitere Sstemgröße gemessen und als Hilfsregelgröße ϕ zurückgeführt. Die gesamte Regelstrecke G besteht nun aus zwei Teilstrecken G 1 und G 2. Auf diese Weise wird ein unterlagerter innerer Regelkreis bestehend aus dem Streckenteil G 1 und dem Regler K 1 aufgebaut. Die Kaskadenstruktur kann im Vergleich mit dem einschleifigem Standardregelkreis eine bessere Dnamik erzielen. Hierfür gibt es mehrere Gründe: 3

G r K 1 u G 1 ϕ G 2 K 2 Abbildung 3: Kaskadenregelung 1. Auftretende Störungen im ersten Streckenteil (vor dem Abgreifen der Größe ϕ) wirken nur abgeschwächt auf die Regelgröße, da diese schon im inneren Regelkreis ausgeregelt werden können. Dieser Vorteil wird besonders deutlich, wenn der zweite Streckenteil G 2 große Verzögerungen oder Totzeiten aufweist. Eine Kaskadenregelung kann in diesen Fällen Störungen, die im ersten Streckenteil auftreten im Vergleich mit dem einschleifigem Kreis wesentlich schneller ausregeln. 2. Die Hilfsregelgröße ϕ lässt sich durch geeignete Dimensionierung der Regler K 1 und K 2 begrenzen. 3. Die Auswirkung von nichtlinearen Übertragungsgliedern wird von jeder Kaskade aufwärts mehr und mehr eingeschränkt, so dass sich durch den Einsatz einer Kaskadenregelung eine Verbesserung der Linearisierung erreichen lässt. Der Reglerentwurf für die Kaskadenregelung ist durch sukzessiven Entwurf der Teilregler K 1 und K 2 umsetzbar und dadurch besonders einfach. Ein Nachteil ist der erhöhte Hardwareaufwand, besonders durch zusätzlich notwendige Messeinrichtungen zur Erfassung der Hilfsregelgröße ϕ. 3.1.2 Entwurf Der Entwurf wird sukzessiv durchgeführt, d.h. zunächst wird ein Regler K 1 für den inneren Regelkreis mit der Regelstrecke G 1 entworfen (Abbildung 4). Die Anforderungen an den inneren Kreis können sich von den Anforderungen an den gesamten Regelkreis unterscheiden. Es wird meist ein ausreichend schneller Regler gefordert, um auftretende Störungen schnell auszuregeln. Anschließend kann die Übertragungsfunktion des geschlossenen inneren Kreises bestimmt werden: T 1 (s) = K 1(s)G 1 (s) 1 + G 1 (s)k 1 (s). Die resultierende Regelstrecke G des äußeren Regelkreises ergibt damit G (s) = T 1 (s)g 2 (s). Der Regler K 2 kann nun anhand eines einschleifigen Kreises mit der Regelstrecke G entworfen werden (Abbildung 5). Hierbei müssen die Anforderungen an den gesamten Regelkreis erfüllt werden. 4

r G K 2 K 1 u G 1 ϕ G 2 Abbildung 4: Entwurf des inneren Regelkreises G r K 2 T 1 G 2 G Abbildung 5: Entwurf des äußeren Regelkreises 4 Anti-Windup-Schaltung In der Praxis spielen Stellgrößenbeschränkungen sehr häufig eine Rolle und müssen beim Reglerentwurf beachtet werden. Wenn ein Regler mit integrierenden Anteil verwendet wird, können unerwünschte Effekte auftreten, die durch eine erweiterte Reglerstruktur verhindert werden können. 4.1 Problemstellung Es liegt eine Stellgrößenbeschränkung vor: Die maximale Eingangsspannung des Leistungsverstärkers darf einen Wert von 5V nicht überschreiten. Oberhalb dieser Grenze geht die Stellgröße in die Sättigung. Verallgemeinert liegt das in Abbildung 6 dargestellte Problem vor. Die Sättigung wird durch die sat-funktion r Ð Ö u R u ËØÖ Ë Ø¹ ÙÒ Ø ÓÒ Abbildung 6: Regelkreis mit Stellgrößenbeschränkung 5

beschrieben. Es gilt: u max, u(t) = sat(u R (t)) = u R (t), u max, u R (t) < u max u R (t) u max u R (t) > u max Überschreitet die geforderte Stellgröße u R ihren Maximalwert, so tritt die Nichtlinearität der sat-funktion in Kraft und führt zu störendem Verhalten. Die entstehenden Effekte bezeichnet man als Windup. Sie treten in allen Regelkreisen auf, deren Regler einen I-Anteil besitzt. In dem Beispiel der Gleichstrommaschine stellt sich folgendes Problem. Greift an der vollständig geregelten Maschine ein kurz wirkendes, ungewöhnlich starkes Lastmoment an, so wird die Stellgröße in die Sättigung getrieben, um die Solldrehzahl beizubehalten. Klingt das Moment ab, so verweilt die Stellgröße weiterhin in ihrem Maximalwert und es ist nicht möglich eine geringere Stellgröße einzustellen. Die Drehzahl wird so ebenfalls maximal und die Maschine wird überlastet. Je nach Dauer des angreifenden Moments kann der Windup-Effekt mehrere 10 Sekunden anhalten und muss daher verhindert werden. Der Effekt lässt sich wie folgt erklären. Übersteigt die vom Regler geforderte Größe u R den Maximalwert, so kann u dies nicht erfüllen. Als Folge dessen bleibt der Regelfehler r größer als vom Regler erwartet und wird weiter integriert und die Größe u R steigt unnötig. Wenn der Regelfehler sein Vorzeichennach einiger Zeit wechselt, verweilt u weiterhin in der Sättigung und kann nicht fallen, da u R nur mit der meist langsamen Intergratordnamik abnimmt. Die Stellgröße u sinkt erst wieder, wenn u R den Sättigungswert unterschreitet. 4.2 Entwurf einer Anti-Windup-Schaltung Das Problem tritt am Integrator auf, der den Regelfehler trotz Stellgröße in der Sättigung weiter integriert. Eine Möglichkeit dies zu unterbinden bietet die nun vorgestellte Anti-Windup-Schaltung. Ziel ist es, die Wirkung des Integrators auszuschalten, sobald die Stellgröße in der Sättigung ist. Ð Ö r k u R u ËØÖ s 0 Ë Ø¹ ÙÒ Ø ÓÒ γ Abbildung 7: Regelkreis mit PI-Regler und Anti-Windup-Schaltung In dem in Abbildung 7 dargestellten Aufbau wird die Differenz zwischen der vom Regler geforderten (u R ) 6

und der begrenzten Stellgröße u über einen Faktor γ auf den Integratoreingang zurückgekoppelt. Ein Wert u u R ist nur bei Überschreiten der Begrenzung ungleich Null. Ist dies der Fall (bei u R > u), so liefert die Differenz etwas Negatives. Der Integratoreingang wird auf Null getrieben. Alternativ bieten sich Anti-Windup-Schaltungen an, die den Integratoreingang durch Logik-Schaltungen bei Überschreiten der Beschränkung auf Null setzen. 5 Vorbereitungsaufgaben Führen Sie in diesem Versuchsteil ihre Simulationen in Scicos durch. Implementieren Sie dafür die PI-Anteile der beiden Regler durch Integratorschaltungen wie in Abbildung 8. s 0 $$\int$$ k $$\int$$ Abbildung 8: Struktur eines PI-Reglers 1. Geben Sie das Blockschaltbild der Regelstrecke mit der Stromregelung aus Versuchsteil 1a an und ermitteln Sie die Übertragungsfunktion G ω (s) = Ω(s) R i (s) zwischen dem Sollwert des Ankerstromes und der Drehzahl. Die induzierte Gegenspannung wirkt sich durch die Stromregelung in den für die Drehzahlregelung relevanten Frequenzbereichen kaum auf den Ankerkreis aus. Dadurch kann die Rückkopplung des mechanischen Teils auf den Ankerkreis des Motors vernachlässigt werden und wir können zwei separate Streckenteile betrachten. 2. Als Regler soll ein PI-Glied verwendet werden: s s 0,ω K ω (s) = k ω, k ω, s 0,ω R. s Begründen Sie, warum diese Reglerstruktur sinnvoll ist. Führen Sie einen Entwurf nach dem Frequenzkennlinienverfahren durch. Zeichnen Sie dafür zunächst das Bode-Diagramm von G ω. Bestimmen Sie Verstärkung und Lage der Nullstelle so, dass der geschlossene Regelkreis eine Ausregelzeit 1 von etwa 0.6 Sekunden aufweist und das Überschwingen einen Wert von 20% nicht übersteigt. Hinweis: Der Regelkreis sollte eine Phasenreserve von etwa 65 aufweisen. 3. Berechnen Sie die Führungsübertragungsfunktion T ω des Drehzahlregelkreises. Simulieren Sie die Führungssprungantwort. 1 Unter Ausregelzeit wird die Zeit zwischen dem Auftreten eines Sollwertsprunges und dem Eintritt der Regelgröße in ein Intervall von ±2% Abweichung um den Sollwert, so dass die Regelgröße nach Eintritt in diesem Intervall verbleibt, verstanden. 7

4. Berechnen Sie die Störübertragungsfunktion für Änderungen des Lastmoments m L. Simulieren Sie die Störsprungantwort. 5. Erweitern Sie ihre bestehende Reglerstruktur in Scicos um eine Anti-Windup-Schaltung, indem Sie die Differenz zwischen beschränkter und geforderter Stellgröße über eine Konstante γ auf die Integratoreingänge rückkoppeln. Realisieren Sie dafür die beiden PI-Regler in einer Parallelform mit P- und I-Anteil. 6 Versuchsdurchführung 1. Implementieren Sie ihre Kaskadenregelung mit den zwei Reglern und der Anti-Windup-Schaltung in Scicos und erstellen Sie mit dem Betreuer das echtzeitfähige Programm zur Motoransteuerung. 2. Nehmen Sie die Führungssprungantwort des Drehzahlregelkreises auf. Schalten Sie dafür den Sollwert der Drehzahl von 0 rad s Regelkreises auf. auf 150 rad s. Nehmen Sie zusätzlich zu der Regelgröße auch die Stellgröße des 3. Nehmen Sie die Störsprungantwort des Sstems auf. Betreiben Sie den Motor bei einer Drehzahl von 150 rad s und lösen sie die Schranke der Bremse um ein Sprunghaftes Lastmoment zu erhalten. Nehmen Sie zusätzlich zu der Regelgröße auch die Stellgröße des Regelkreises auf. 4. Testen Sie ihre Anti-Windup-Schaltung, indem Sie die Scheibe sehr kurz festhalten und sofort wieder lösen. Wie sieht der Windup-Effekt ohne Schaltung aus? Nehmen Sie neben der Drehzahl und dem Ankerstrom die Stellgrößen vor und nach der Beschränkung auf. Anhang Nützliche Scilab-Befehle Scilab-Hilfe zum Befehl X help X Definition eines Polnoms über die Nullstellen (in Abwandlung über Koeffizienten) pol Beispiel s=pol(0, s ); Definition eines linearen Sstems aus den Matrizen des Zustandsraummodells (A, B, C) oder einer Transferfunktion sslin Beispiel G=sslin( c,a,b,c); G=sslin( c,1/(1+s)); 8

Zustandsraummodell in Transferfunktion umwandeln oder umgekehrt ss2tf, tf2ss Komplexen Frequenzgang eines Sstems bestimmen repfreq Beispiel (andere Aufrufmethoden siehe Scilab-Hilfe) repf=repfreq(sstem,frequenzvektor) Amplitude in db und Phase in aus dem komplexen Frequenzgang bestimmen dbphi Beispiel [db,phi]=dbphi(repf) Soll die Amplitude linear vorliegen, verwendet man abs Simulation einer Sprungantwort csim Beispiel t=0:0.01:10; //Zeitvektor u=ones(t); //Vektor gleicher Elementzahl wie t, Elemente alle 1 =csim(u,t,ss); //ss lineares Sstem //auch: =csim( step,t,ss); Phasenreserve errechnen: Scilab-Funktion liefert nur die Phase bei der Durchtrittsfrequenz p_margin Um die Phasenreserve zu erhalten muss man die Differenz zu ±180 bilden. Ein Ergebnis von kleinen Koeffizienten säubern (Entstehung durch numerische Berechnung) clean Hinweis: Schreiben Sie ihre eigenen Plotroutinen. Diese können als Scilab-Funktionen gespeichert und so immer wieder von ihnen verwendet werden. Weitere, tiefergehende Beispiele und Hinweise finden sich in der Scilab-Einführung 2 des Instituts, welche auf der Webseite verfügbar ist. 2 http://www.control.tu-berlin.de/teaching:scilab 9