Erkenntnistheorie. Überblick: Empirie-Vorlesung. Erkenntnisphilosophie. 2. Vorles. Konstruktivismus. Objektivismus

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Überblick: Empirie-Vorlesung 2. Vorles. 3. Vorles. 4. Vorles. 5. Vorles. 6. Vorles. 7. Vorles. Erkenntnisphilosophie Alltagstheorien wissenschaftliche Theorien Empirie = wiss. Art der Erkenntnisgewinnung Konstruktivismus qualitativ Forschungsfrage Hypothesen Operationalisierung /Skalierung Erhebungsmethoden (Interview, Beobachtung, Experiment, ) reale Welt logisches Schließen Objektivismus quantitativ Gütekriterien /Frageformulierung Erkenntnistheorie Literatur: Diekmann, Kap. IV 1.- 6. Prim, R., Tilmann, H. 1997: Grundlagen einer kritisch-rationalen Sozialwissenschaft. Wiesbaden (ZHB-Signatur: So 15 Prim) Immanuel Kant (1724 1804) 3 Grundfragen der Philosophie: Was kann ich wissen? -> Erkenntnis Was soll ich tun? -> Moral Was darf ich hoffen? -> Ziele Erkenntnisphilosophie, philosophy of science, Epistemologie beschäftigen sich mit der Möglichkeit von Erkenntnissen über die Realität: Wie ist "Erkenntnis" möglich? Was sind die Voraussetzungen der Erkenntnis? Gibt es eine vom Erkennen unabhängige Realität? Müller-Benedict: Einführung - Wissenschaftstheorie 1 Müller-Benedict: Einführung - Wissenschaftstheorie 2 Entwicklung der Erkenntnisphilosophie Entwicklung der Erkenntnisphilosophie Jede empirische Methode der Datenerhebung impliziert bestimmte erkenntnisphilosophische Annahmen. Deshalb Erkenntnisphilosophie Grundlage für empirische Sozialforschung. Rationalismus (René Descartes 1596-1650) Ich denke, also bin ich Verstand einziger sicherer Ausgangspunkt für Erkenntnis Vorwissenschaftliche Erkenntnis: Mythos Animismus (Ursache ist "in den Dingen") Legitimation durch traditionelle Weitergabe Religion Annahme einer transzendentalen Welt (Wille Gottes als letzte Ursache) Formalisierung und Institutionalisierung Erleuchtung, innere Erfahrung als Wissen historische Verweise als Begründungen und Legitimation Empirismus (Francis Bacon, John Locke, David Hume 17. Jhdt.) Wir können die Natur nur dann verstehen, wenn wir die Natur zu Rate ziehen und nicht die Schriften von Aristoteles (Sinnes-) Erfahrung als einzig sichere Quelle des Wissens (Sensualismus) Erfolge der Naturwissenschaften (z.b. Galilei) Damit Erkenntnismöglichkeiten dominiert entweder durch die erlernten Sinneserfahrungen, d.h. objektiv vorgegeben oder durch die angeborene Vernunft, d.h. konstruierte Erkenntnis Objektivismus (Kritischer Rationalismus) Wissen über einen Gegenstand wird von diesem selbst vorgegeben Bedeutung des Gegenstands wird aufgedeckt und kann verstanden werden Verschiedene Personen kommen zu demselben Wissen über den Gegenstand Konstruktivismus Wissen über einen Gegenstand kommt durch menschliche Auseinandersetzung damit, z.b. Anwendung, zustande Bedeutung des Gegenstands wird durch menschliches Bewusstsein hinzugefügt Nur durch menschliche Kommunikation kann dasselbe Wissen hergestellt werden Müller-Benedict: Einführung - Wissenschaftstheorie 3 Müller-Benedict: Einführung - Wissenschaftstheorie 4

Wissenschaft Wissenschaftstheorie (im engeren Sinn) untersucht, wie Wissenschaft vorgeht, um fruchtbare und tragfähige Resultate zu erhalten. Methodologie der Wissenschaft Kriterien für Wissenschaft Intersubjektiv überprüfbare Aussagen sinnvoll zusammenhängend und widerspruchsfrei Wahrheit ausschlaggebend möglichst interessant, neu, kühn "Für mich ist also Wissenschaft folgendes. (...) es sind Menschen mit mutigen Ideen, die aber ihren Ideen gegenüber höchst kritisch sind. (...) Sie arbeiten mit kühnen Vermutungen und strengen Widerlegungsversuchen ihrer eigenen Vermutungen. (...) Mutige Ideen sind neue, kühne Hypothesen oder Vermutungen. (...) Wann ist eine Vermutung kühn, und wann ist sie es in dem hier vorgeschlagenen Sinne nicht? Antwort: Sie ist dann und nur dann kühn, wenn Sie ein großes Risiko eingeht, falsch zu sein - wenn die Dinge anders sein könnten, und wenn sie zu jener Zeit anders zu sein scheinen (Karl R. Popper) Wissenschaft muss sich notwendigerweise der Sprache bedienen Alltagssprache ist mehrdeutig, redundant, enthält latente Verweise deshalb gewisse Strukturen für wissenschaftlichen Sprachgebrauch deshalb logische Widerspruchsfreiheit wissenschaftlicher Aussagen Arten von Sätzen Empirische Sätze Logische Sätze Präskriptive Sätze Empirische Sätze enthalten empirisch beobachtbare Sachverhalte. Sie sind falsifizierbar, d.h. sie können wahr oder falsch sein, je nach der Beschaffenheit der Wirklichkeit (empirische Überprüfung). Ein Falsifikator eines empirischen Satzes ist eine Beobachtung, die ihn als falsch erweist. Probleme bei der Überprüfung: Beobachtungsfehler Endlichkeit der Beobachtungsmöglichkeiten Übereinstimmung bei mehreren Beobachtern Müller-Benedict: Einführung - Wissenschaftstheorie 5 Müller-Benedict: Einführung - Wissenschaftstheorie 6 Singuläre empirische Sätze: Raum zeitlich fixiert, Basissätze, (auch: einzelne Beobachtung) Hypothetische oder gesetzmäßige empirische Sätze: allgemein gültig Quasi-Gesetz (Albert) für Raum-zeitlich beschränkte, aber dort allgemein gültige Hypothesen Der Informationsgehalt eines empirischen Satzes ist die Menge der von diesem Satz ausgeschlossenen Sätze. Aussage 1: A begeht einen Raub, Aussage 2: A ist kriminell. Aussage 1 schließt aus, dass A einen Mord begeht, Aussage 2 nicht. Aussage 1 ist informativer als Aussage 2. Logische Sätze sind Analytisch wahre Sätze (immer wahr unabhängig von der Empirie) Kontradiktionen (immer falsch) Präskriptive Sätze sind Werturteile, Normen Soll-Sätze Die Herleitung präskriptiver Sätze aus empirischen Sätzen ( Sollen aus Sein herleiten) ist nicht möglich und heißt naturalistischer Fehlschluss. Empirische Sätze können jedoch für die Legitimation präskriptiver Sätze bedeutsam sein (Folgen von Rechts- und Verhaltensnormen: Begründungszusammenhang). Sie haben keinen empirischen Gehalt (sind tautologisch), sind nur logisch auf Widerspruchsfreiheit überprüfbar. Müller-Benedict: Einführung - Wissenschaftstheorie 7 Müller-Benedict: Einführung - Wissenschaftstheorie 8

Wissenschaftliche Sprache 2: Begriffsdefinitionen Wissenschaftliche Sprache 2: Begriffsdefinitionen Ein empirischer Begriff ist ein Wort (designator), dem bestimmte Sachverhalte (designata) zugeordnet sind. Extension (Umfang): Menge aller Objekte, die der Begriff einschließt Intension (Inhalt): Menge aller Eigenschaften, die der Begriff einschließt Unterschied: logische Begriffe (und, oder, nicht, ) Nominaldefinition eines Begriffs: Gleichsetzung ( = def, :=: ) des zu definierenden Begriffs (definiendum) mit einer Kombination von anderen, bereits bekannten Begriffen (definiens) durch Konvention Probleme einer Nominaldefinition: Zirkularität Anwendung des Begriffs nicht berücksichtigt Vorteile: Zweckmäßig Unstrittig, da tautologisch Normalform einer wissenschaftlichen Definition Nominaldefinitionen sind logische Sätze und sind nicht falsifizierbar! Bedeutungsanalysen untersuchen, wie ein Begriff in einer Sprachgemeinschaft gemeinhin verwendet wird Empirische Aussage (wahr/falsch) über Verwendung des Begriffs möglich Für wissenschaftlichen Theoriebildung unerheblich Wichtig bei Verwendung von uneindeutigen Begriffen in Umfragen Realdefinitionen geben das Wesen eines Sachverhalts wieder. Beispiel: in Wörterbüchern Begriff des Wesens unklar Oft Bedeutungsanalysen Operationale Definitionen definieren einen Begriff durch genaue Anweisungen seiner Messung (Datenerhebung) Definitionen werden danach beurteilt, ob sie zweckmäßig theoretisch fruchtbar sind Müller-Benedict: Einführung - Wissenschaftstheorie 9 Müller-Benedict: Einführung - Wissenschaftstheorie 10 Wissenschaftliche Sprache 3: Aussagenlogik Aussagenlogik untersucht den Wahrheitswert von zusammengesetzten Aussagen, insbesondere logischen Schlüssen, in Abhängigkeit von den Wahrheitswerten der Elementaraussagen. Singuläre empirische Sätze werden in der Logik als Aussagen mit kleinen Buchstaben (z.b. p, q) bezeichnet und können nur wahr (w) oder falsch (f) sein. Sie ordnen einem Objekt ein Merkmal (Eigenschaft) zu. Die Aussagen werden zusammengesetzt mit logischen Junktoren: Wissenschaftliche Sprache 3: Aussagenlogik Der Wahrheitswert zusammengesetzter Aussagen wird mit Wahrheitstafeln ermittelt. Seien p, q zwei Aussagen: Die Wahrheit der Konjunktion (&, und ) von zwei Aussagen ist von der Wahr- bzw. Falschheit der Einzelaussagen abhängig: p = Schüler schubst q = Schüler ist Junge p q p & q w w w w f f f w f f f f Junktor Bedeutung Symbol Negation nicht Konjunktion und & Disjunktion oder Implikation wenn.., dann.. Äquivalenz genau dann.., wenn.. Die Wahrheit der Implikation (, wenn, dann ) ist so von der Wahr- bzw. Falschheit der Einzelaussagen abhängig: p = es ist schönes Wetter q = ich gehe mit Dir spazieren p q p q w w w w f f f w w f f w Müller-Benedict: Einführung - Wissenschaftstheorie 11 Müller-Benedict: Einführung - Wissenschaftstheorie 12

Wissenschaftliche Sprache 3: Aussagenlogik Wissenschaftliche Sprache 3: Deduktion Eine Tautologie (auch allgemeingültige Aussage) ist eine zusammengesetzte Aussage, die immer wahr ist Beispiel 1: p p ist immer wahr Beispiel 2: (p q) ( q p) ist immer wahr Aussage p, Falsifikator für p: p Aussage q, Falsifikator für q: q Es gelte: p q. Dann gilt auch q p, d.h. jeder Falsifikator von q ist auch einer von p, Aussage p hat mindestens so viele Falsifikatoren wie Aussage q, Aussage p ist informativer. Gilt p und gilt p q, dann kann man logisch q ableiten ( modus ponens ) : (p & (p q)) q ist immer wahr. Um einen unbeobachteten singulären Satz q aus einem beobachteten singulären Satz p logisch abzuleiten, benötigt man p q für alle empirischen Objekte p und q, also als (Natur-)Gesetz oder als Hypothese. D.h.: Aus einer einzelnen Beobachtung kann nur dann ein logisch gültiger Schluss auf eine einzelne Folge gezogen werden, wenn ein allgemeines Gesetz vorhanden ist oder hypothetisch angenommen wird. Aussage p: A begeht einen Raub Aussage q: A ist kriminell : Aussage p informativer als Aussage q, weil gilt: p q. Deduktion ist der logisch gültige Schluss aus einer einzelnen Ursache mit Hilfe eines Gesetzes oder einer Hypothese auf eine einzelne Folge. Deduktion ergibt keine neuen Informationen. Müller-Benedict: Einführung - Wissenschaftstheorie 13 Müller-Benedict: Einführung - Wissenschaftstheorie 14 Induktion Induktion ist der Schluss von einzelnen empirischen Beobachtungen auf ein Gesetz (Verallgemeinerung einer Menge gleicher Beobachtungen). Induktion führt zu Aussagen mit höherem Informationsgehalt. Kritischer Rationalismus Konsequenz: der Kritische Rationalismus (Begründer: K. Popper) und seine Weiterentwicklungen sind das (natur-) wissenschaftliche Leitbild auf der Basis objektivistischer Erkenntnistheorie mit folgender Vorgehensweise: Induktion empirischer Beobachtungen ist logisch nicht möglich (logisch falsch): (p 1 q 1, p 2 q 2,, p n q n ) (p q für alle p,q) ist falsch (p i, q i singuläre Sätze) Auf Gesetze kann nicht durch eine große Anzahl einzelner Beobachtungen geschlossen werden. Empirische Induktion ist deshalb kein wissenschaftliches Verfahren, sondern kann nur heuristisch eingesetzt werden. Daraus folgt das Ende des Gewissheitsdenkens : Empirische Gesetze und Hypothesen können grundsätzlich nicht bewiesen ( verifiziert, logisch aus Beobachtungen abgeleitet) werden! Ausweg: eine einzelne Beobachtung kann eine Hypothese widerlegen ( falsifizieren ): (p q für alle p i, q i ) & (p 1 q 1 ) ist falsch. Wissenschaftler entwickeln (möglichst informative) Hypothesen über die Realität irgendwoher. Es wird versucht, die Hypothesen mit elementaren Beobachtungen zu falsifizieren. Jeder scheiternde Falsifizierungsversuch gilt als Bestätigung der Hypothese. Eine Einigung über das Ergebnis elementarer Beobachtungen ist möglich (weil es objektivistisch letztlich nur vom Gegenstand abhängt). Aber: Bestätigte Hypothesen sind keine Wahrheit, sondern nur Hypothesen, die falsifiziert und weiter verbessert werden können Müller-Benedict: Einführung - Wissenschaftstheorie 15 Müller-Benedict: Einführung - Wissenschaftstheorie 16

Meinungen zur Erkenntnistheorie Hausaufgabe "Nach meiner Auffassung ist es der größte Skandal der Philosophie, dass, während um uns herum die Natur - und nicht nur sie zugrunde geht, die Philosophen weiter darüber reden - manchmal gescheit, manchmal nicht -, ob diese Welt existiert." [Karl R. Popper] 1. Lesen Sie den Text von K. Popper (steht im Semesterapparat in der ZHB) und notieren Sie 3 Fragen dazu! 2. Versuchen Sie für den Begriff Unterrichtsstörung eine Nominaldefinition eine Realdefinition eine operationale Definition "Ich hasse die Wirklichkeit, aber sie ist der einzige Ort, wo man ein anständiges Steak bekommt" [Woody Allen] 3. Formulieren Sie einen rein singulären empirischen Satz tautologischen Satz präskriptiven Satz Müller-Benedict: Einführung - Wissenschaftstheorie 17 Müller-Benedict: Einführung - Wissenschaftstheorie 18