Übungen XVIII: Mathematischer Anhang Christian Keuschnigg Universität St.Gallen, FGN November 24 Exercise 1 Der Wert eines Assets V (t) zum Zeitpunkt t, z.b. einer Unternehmensbeteiligung, entspricht dem Barwert des Stroms zukünftiger Dividenden D (s), diemitdem Zins r abgezinst werden: V (t) = Z t D (s) e r (s t) ds. Wenden Sie die Leibnitz-Regel an und leiten Sie nach t ab. Interpretieren Sie das Ergebnis. (i) Lösung: Der Zeitindex t taucht in der unteren Grenze und im Integranden auf. Die Ableitung des Diskontfaktors beträgt de r (s t) / = r e r (s t). Die Anwendung der Leibnitz-Regel ergibt Z dv (t) = D (t)+ D (s) re r (s t) ds. t Der Zins r ist konstant und kann aus dem Integral herausgezogen werden. Der verbleibende Integralausdruck ist gerade der Wert des Assets in (i). Wir erhalten daher dv (t) rv (t) =D (t)+. (iii) Die linke Seite sind die Opportunitätskosten des Kapitaleinsatzes. Wäre der Vermögensbetrag auf dem Kapitalmarkt zum Zins r angelegt worden, wäre ein Zinsertrag rv (t) angefallen. Wenn derselbe Betrag in Form einer Unternehmensbeteiligung gehalten wird, dann Institut für Nationalökonomie, Varnbüelstrasse 19, CH-9 St.Gallen. 1
fällt anstatt des Zinsertrags eine laufende Dividende und ein Kapitalgewinn dv (t) / an. Damit die Investoren bereit sind, die Beteiligung zu halten, muss der Gesamtertrag bestehend aus Dividende und Kapitalgewinn mindestens dem alternativ möglichen Zinseinkommen bei Veranlagung auf dem Kapitalmarkt entsprechen. Anders ausgedrückt, die Rendite der Beteiligung muss im Kapitalmarktgleichgewicht gleich dem Marktzins sein. Exercise 2 Die Konsum-Freizeit-Präferenzen seien (a) mit einer quasikonkaven Nutzenfunktion U (C, 1 L) und (b) mit einer quasilinearen Nutzenfunktion U = C v (L) mit v > und v > beschrieben. Zeigen Sie, dass die Konsum-Freizeit-Präferenzen im C, L-Raum konvex nach oben gekrümmt sind. Lösung: (a) Nachdem entlang der Indifferenzkurve das Nutzenniveau konstant bleibt, ist sie implizit durch U (C, 1 L) = u gegeben. Durch Invertierung dieser Beziehung können wir die Indifferenzkurve C = C (L, u) mit u als Lageparameter anschreiben. Die konkrete Gestalt ergibt sich aus dem Differential der Nutzenfunktion für ein konstantes Niveau, du = U C dc + U F ( ) =,wobeiu F du/df die Ableitung nach dem zweiten Argument, d.h. nach der Freizeit F =1 L, bezeichnet. Die Indifferenzkurve C = C (L, u) hat also die Steigung dc u = U F (C, 1 L) U C (C, 1 L) >. Konvexität erfordert, dass die zweite Ableitung nach L positiv ist, wobei wir in (i) die Abhängigkeit dc/ = U F /U C berücksichtigen müssen. Wir erhalten d 2 C = 1 ½ ¾ U 2 u UC 2 C U FC UF U FF U F U CC UF U CF U C U C = 1 ½ U F U FC U C U FF U ¾ F 2 U CC + U F U CF U C U 2 C = U 2 CU FF + U 2 F U CC 2U C U F U FC ª /U 3 C >. Beim Übergang zur letzten Gleichung haben wir U CF = U FC benützt. Da U (C, F) eine quasikonkave Nutzenfunktion ist, muss gelten, dass die Matrix der zweiten Ableitungen (i) 2
negativ definit ist. Daher ist die Klammer in der letzten Zeile negativ und damit die zweite Ableitung von C (L, u) positiv. Die Indifferenzkurve ist somit konvex. (b) Im Falle von quasilinearen Präferenzen u = C v (L) lautet die Indifferenzkurve C = v (L) +u mit u als Lageparameter. Die Steigung und der Konvexitätsgrad der Indifferenzkurve betragen dc = v (L) >, u d 2 C = v (L) >. (iii) 2 u Exercise 3 Die Bruttolöhne n n seien in der Bevölkerung stetig mit der Dichte f (n) und der Verteilungsfunktion F (n) = R n f (s) ds verteilt. Die Präferenzen seien u = c v (l), v() =, v >, v >. (i) Es gebe eine Lohnsteuer t und einen konstanten Transfer z im Falle der Beschäftigungslosigkeit. Es gibt kein anderes Einkommen. (a) Leiten Sie das intensive Arbeitsangebot l (w) eines Beschäftigten her, der nach Abzug einer proportionalen Lohnsteuer mit Satz t einen Nettolohn w =(1 t) n erzielt. Zeigen Sie, dass die Wohlfahrt und das Arbeitsangebot der Beschäftigten im Lohn zunehmen. (b) Charakterisieren Sie das kritische Individuum mit Lohn n, welches gerade noch zwischen Erwerbslosigkeit und Beschäftigung indifferent ist. Zeigen Sie, wie sich n mit dem Steuersatz t und dem Transfer z verändert. (c) Zeigen Sie, wie das aggregierte Arbeitsangebot L auf höhere Lohnsteuern und höhere Transfers reagiert: Lösung: L = Z n n l ((1 t) n) f (n) dn. (a) Das intensives Arbeitsangebot folgt aus der Nutzenmaximierung eines Beschäftigten mit Nettolohn c = wl =(1 t) nl. Ein Beschäftigter leistet ein Arbeitsangebot V (w) =max wl v (l) w = v (l), w =(1 t) n. (iii) l Das Differential der BEO w = v (l) lautet dw = v (l) dl und zeigt, wie das intensive Arbeitsangebot mit höherem Nettolohn zunimmt: dl dw = 1 v (l) >, V (w) =l>. (iv) 3
Die Ableitung der indirekten Nutzenfunktion folgt aus dem Envelopen-Theorem. (b) Ein Individuum mit Lohn n entscheidet über die Erwerbsaufnahme, indem es die Wohlfahrt V ((1 t) n) im Zustand der Beschäftigung mit dem Nutzen bei Erwerbslosigkeit V (z) =z vergleicht. Das Arbeitsangebot eines Erwerbslosen ist per Definition l =, so dass kein Arbeitsleid entsteht, und die Wohlfahrt nach (i) ausschliesslich von der Höhe des empfangenen Transfers abhängt, V (z) =z. Eine Beschäftigung ist nur interessant, wenn damit eine höhere Wohlfahrt als im Zustand der Erwerbslosigkeit erzielt werden kann. Die Bedingung V (w) > zwird auch als Teilnahmebedingung bezeichnet. Das kritische Individuum ist gerade indifferent zwischen den beiden Alternativen, V ((1 t) n )=z. (v) Individuen mit höheren Löhnen n>n erzielen nach (iv) eine strikt höhere Wohlfahrt (V > z) und bevorzugen die Beschäftigung, während solche mit geringeren Löhnen eine geringere Wohlfahrt als im Zustand der Erwerbslosigkeit erzielen, V < z, und sich daher vom Arbeitsmarkt zurückziehen. Das kritische Individuum ist gerade indifferent. Wenn sich Steuern und Transfers ändern, dann ändert sich auch die Position des indifferenten Individuums. Das Differential von (v) unter Berücksichtigung von V (w )=l ergibt dz = l [(1 t) dn n ] dn dz = 1 (1 t) l, dn = n 1 t. (vi) Höhere Transfers machen Erwerbslosigkeit im Vergleich zur Arbeit attraktiver, so dass sich mehr Individuen vom Arbeitsmarkt zurückziehen. Der niedrigste Lohn n,beidem sich Beschäftigung gerade noch lohnt, muss höher werden. Umgekehrt macht eine höhere Lohnsteuer die Beschäftigung im Vergleich zur Erwerbslosigkeit weniger attraktiv, so dass der Bruttolohn höher werden muss, um die Steuer zu kompensieren. Der niedrigste Lohn n, bei dem sich Beschäftigung gerade noch lohnt, muss ebenfalls ansteigen. (c) Die Transfers haben nur einen Einfluss auf den extensiven Rand des Arbeitsangebots, indem sie die untere Grenze n in nach oben verschieben. Aus diesem Grund 4
geht das aggregierte Arbeitsangebot zurück. Die Leibnitz-Regel ergibt dz = l (w ) f (n ) dn dz = f (n ) <, (vii) 1 t = l (w ) f (n ) dn Z n + dl ((1 t) n) f (n) dn n = l n f (n ) 1 t Z n n nf (n) dn <. v (l) (viii) Die Lohnsteuer beeinflusst sowohl das intensive wie auch das extensive Arbeitsangebot. Einmal geben die marginalen Individuen die Beschäftigung auf, wenn Arbeit im Vergleich zur Erwerbslosigkeit unattraktiver wird. Der erste Term in (viii) steht für diese extensive Reaktion. Zum anderen arbeiten alle Beschäftigten weniger, weil der geringere Nettolohn den Arbeitsanreiz aushöhlt, so dass auch aus diesem Grund das aggregierte Arbeitsangebot zurückgeht. Der zweite Integralausdruck in (viii) steht für diese intensive Reaktion. Exercise 4 Gehen Sie von der indirekten Nutzenfunktion in (XVIII.2) aus und beweisen Sie, dass die Ableitung gleich (XVIII.21) ist. Zeigen Sie dabei explizit, wie nach dem Envelopen-Theorem die BEO für das Maximierungsproblem genutzt werden, um die Ableitung zu vereinfachen. Lösung: Die Lösung des Maximierungsproblems in (XVIII.2) besteht in Funktionen X = X (P, w, I), L = L (P, w, I) und λ = λ (P, w, I). Indem wir diese Lösungen einsetzen, erhalten wir die indirekte Nutzenfunktion V = U (X,L )+λ [I + wl P X ]. (i) Wir leiten nach w ab und berücksichtigen explizit den Einfluss von w auf die Lösungen X [beachte die Vektorschreibweise für den Einfluss von X i ] dv dw = λ L +[U X P ] dx dw +[U L w] dw +[I + wl P X ] dλ dw = λ L. Die eckigen Klammern entsprechen den BEO für das Maximierungsproblem in (XVIII.2) und müssen im Maximum gleich Null sein. Daher fallen alle diese Terme weg. Es bleibt nur mehr die direkte Ableitung übrig, wie das Envelopen-Theorem besagt. 5
Exercise 5 Es seien linear-homogene CES-Präferenzen über ein Bündel von N kontinuierlich angeordneten Produktvarianten angegeben, die in den Mengen X j konsumiert werden und mit einer konstanten Substitutionselastizität σ>1 austauschbar sind: D = (X j ) σ dj σ. (i) (a)jedevariantehabeeinenpreisq j. Ermitteln Sie die funktionale Form des Konsumentenpreisindex P D und der Einheitsnachfragen x j. Überprüfen Sie, dass die Einheitsnachfragen gerade ein Nutzenniveau von D =1ergeben. (b) Zeigen Sie, dass P D mit dem Lagrange-Multiplikator des Problems identisch ist. Wie interpretieren Sie das? (c) Zeigen Sie, dass die minimalen Gesamtausgaben gleich dem Produkt P D D aus Preisindex und Mengenindex sind. Lösung: (a) Der Preisindex minimiert die Ausgaben für eine Nutzeneinheit D =1, Z ( N Z ) N P D (q) =min x q j x j dj + λ 1 (x j ) σ dj σ. Die BEO für die Ausgaben minimierenden Einheitsnachfragen lauten h R i (a) dp D /dx j =: q j = λ σ N (x j) 1 σ dj (x σ j) 1 σ, h R i (b) dp D N /dλ =: 1= (x j) σ σ dj. (iii) Bedingung (a) gilt für jede Variante. Dividiere q j durch q N, x j = µ qn q j σ x N 1=" Z N µ qn q j (x N ) σ dj # σ. (iv) Die zweite Gleichung ersetzt x j in (iii.b). Man ziehe konstante Terme (jene mit q N und x N ) aus dem Integral heraus und verwende Z als Hilfsvariable, 1=x N (q N ) σ Z σ, Z = q 1 σ j dj 1/(1 σ). (v) 6
Eine geringe Umformung ergibt die Nachfrage x N =(Z/q N ) σ, und mit (iv) die Einheitsnachfrage nach der j-ten Variante, x j =(Z/q j ) σ. (vi) Man setze (vi) in (iii.b) ein. Man stellt fest, dass die Gleichung identisch erfüllt ist, so dass die Nachfragemengen (vi) tatsächlich genau eine Nutzeneinheit ergeben. Um die funktionelle Form des Preisindex zu erhalten, setze man (vi) in die Ausgaben in ein. Dabei ziehe man Z σ aus dem Integral heraus und verwende die Definition von Z in (v) P D = Z N q j x j dj = Z σ Z N q 1 σ j dj = Z. (vii) Der Preisindex lautet also P D = Z. Wir fassen zusammen: x j = Z N P D σ /q j, P D = qj dj 1/(1 σ) 1 σ. (viii) (b) Man setze für x j die Nachfragefunktion (viii) in die BEO (iii.a) ein und erhalte q j = λ P D /q j dj 1 q j /P D. (ix) Man kürze q j und ziehe den konstanten Term P D aus der Klammer heraus, λ = q 1 σ j dj 1/(1 σ) = P D. (x) Der Schattenpreis λ zeigt, um wieviel der Wert der Zielfunktion (die minimalen Ausgaben) zunimmt, wenn ein zusätzlicher Warenkorb erworben wird. Mit anderen Worten, der Schattenpreis λ = P D gibt die Kosten für einen Warenkorb bzw. den Preisindex an. (c) Multipliziere die Zielfunktion (minimale Ausgaben) mit dem Nutzenindex D, P D D = Z N q j X j dj, X j x j D. (xi) Es ist x j die Einheitsnachfrage und X j diegesamtnachfragenachvariantej. 7