Vorlesung Staatsrecht I Nr. 5: Der Bundesrat im bundesstaatlichen Gefüge

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Transkript:

Prof. Dr. Dagmar Richter INP PAN Warszawa Institut für Rechtswissenschaften der Polnischen Akademie der Wissenschaften d.richter@inp.pan.pl Universität des Saarlandes, WS 2014/15 Vorlesung Staatsrecht I Nr. 5: Der Bundesrat im bundesstaatlichen Gefüge 1

Bundesstaat: auf Dauer angelegte Staatenverbindung, die unter Aufrechterhaltung der Staatsqualität der Mitglieder (= Bundesstaaten) ihrerseits staatliche Qualität hat. Dabei ist die Souveränität der Gliedstaaten eingeschränkt (s.u.). Staatenbund: hat auf der Basis völkerrechtlicher Abkommen einzelne staatliche Funktionen vergemeinschaftet( integriert ): Mitglieder (Staaten) übertragen einzelne staatliche Hoheitsrechte an gemeinschaftliche Organe des Staatenbundes bzw. der Internationalen Organisation (vgl. Art. 23 f. GG), behalten aber die Kompetenz-Kompetenz und ihre völkerrechtliche Souveränität nach außen. Staatenverbund : Kunstbegriff des BVerfG (BVerfGE 89, 155, 190 Maastricht; 123, 267 ff. Lissabon)für EU: Staatenverbund sei stärker integriert als Staatenbund, aber weniger als Bundesstaat; vergleichbar einer supranationalen Organisation. 2

Staatsmerkmale der Bundesländer: Bevölkerung (Staatsvolk): Angehörige des Landesvolks können mithilfe der Landeswahlgesetze bestimmt werden; eigene Landes-Staatsangehörigkeit neben der deutschen Staatsangehörigkeit wird heute aber nicht mehr verliehen (siehe dagegen noch Art. 110 I 1 WRV1918!). Staatsgebiet vgl. Art. 29 und Art. 32 II GG. Staatsgewalt: Länder besitzen eigene Verfassungsordnung in den Grenzen der Homogenitätsklausel (Art. 28 GG), Gesetzgebungskompetenzen zur Schaffung eigenen Rechts (Art. 70 GG) und Staatsorgane (z.b. Landtag, Ministerpräsidentin). Sie schließen untereinander Staatsverträge. Ergebnis: Deutsche Bundesländer weisen alle drei Staatsmerkmale grundsätzlich auf; ihre Staatsgewalt unterliegt aber nach innen und außen den Grenzen der Bundesverfassung. Sie haben Staatsqualität, sind aber keine souveränen Staaten. 3

Bundesstaatsprinzip Normen: Art. 20 I ( Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Bundesstaat. ), 30, 31, 37, 79 III GG. Art. 28 I GG: Homogenitätsprinzip verlangt keine Uniformität! Verfassungsordnungen der Länder müssen so viel strukturelle Homogenität mit dem GG aufweisen, wie es für das Funktionieren des Bundesstaats unerlässlich ist. Staatsfundamentalprinzipien (Demokratie-, Rechtsstaats-, Sozialstaatsprinzip und Republikform) müssen grundsätzlich auch in den Ländern gelten; Ausformung kann in diesem Rahmen variieren. Vgl. Art. 2, 7 EUV. EU ist insofern bundesstaatsähnlich, aber derzeit noch kein Bundesstaat. Art. 79 III GG: Änderungsfestigkeit der tragenden Regelungen! 4

Bundesstaat grundgesetzliches Konzept: Souveräner Staat im völkerrechtlichen Sinne ist nur der Gesamtstaat. Kraft Ermächtigung (Art. 32 III GG) können Gliedstaaten als beschränkte Völkerrechtssubjekte agieren sofern andere Völkerrechtssubjekte dies anerkennen. Wahrung der Länderinteressen durch spezielles Bundesorgan im Rahmen eines Zweikammersystems, indem Länderkammer (Bundesrat) neben das Parlament (Bundestag) tritt. Bundesrat = Bundesorgan auf Basis der Bundesverfassung bzw. GG (kein Länderorgan!) Sämtliche innerstaatliche Funktionen sind zwischen dem Gesamtstaat und seinen Gliedstaaten aufgeteilt: Grundregelin Art. 30, 70, 83 GG weist Kompetenz im Zweifel den Ländern zu (vgl. auch Art. 4 EUV). Aber: Kompetenz-Kompetenz (Befugnis, sich Zuständigkeiten selbst zuzuordnen) liegt auf Bundesebene; Bund kann Einhaltung der Bundesverfassung erzwingen (Bundeszwang Art. 37 GG) und Bundesrecht setzt sich im Kollisionsfall gegen gliedstaatliches Recht durch (Art. 31 GG: Bundesrecht bricht Landesrecht). 5

Historische Grundlagen: Paulskirchenverfassungvon 1849 (nicht in Kraft getreten): Staatenhaus. Reichsverfassung von 1871: Bundesrat; bildete zusammen mit dem Volkshaus den Reichstag ; bestand aus Gesandten der Bundesstaaten; stärkeres Gewicht als Volkshaus. Weimarer Reichsverfassung 1919: Reichsrat; bestand aus Mitgliedern der Landesregierungen. GG 1949: Bundesrat (BR); nur Mitglieder der Landesregierungen(Art. 51 I GG). Alternative wäre 1949 gewesen: Senatssystem sta Vertretung der Landesregierungen Vertretung der Landtage im Bundesrat. Aber: Da in Deutschland Vollzug der Bundesgesetze (!) durch Länder (Art. 83 GG), sollte die Spitze der Exekutive der Länder im BR vertreten sein. 6

Funktion: Art. 50 GG: Durch BR wirken Länder an der politischen Willensbildung im Gesamtstaat (insbes. Gesetzgebung, Verwaltung, Angelegenheiten der EU) mit. Zahlreiche spezielle Mitwirkungsrechte im GG (siehe z.b. Art. 104 a IV GG). Mitglieder: Bundesrat besteht nur aus Mitgliedern der Regierungen der Länder, die sich nur durch andere Regierungsmitgliedervertreten lassen können (Art. 51 GG); Bloße Gesandte oder Bevollmächtigte, die nicht Mitglied einer Landesregierung sind, können nicht im Bundesrat agieren! (Art. 51 Abs. 3 i.v.m. 51 Abs. 1 Satz 2 GG). Das gilt nicht für die Ausschüsse des Bundesrats und nicht für die Europakammer (Art. 52 Abs. 3a GG verweist nicht auf Art. 51 Abs. 1 Satz 2 GG). Besonderheit Europakammer: Beschlüsse gelten als Beschlüsse des Bundesrates! Bundesrat ist ewiges Organ, das sich nur vermittels Landtagswahlen personell erneut. Leitung: BR wählt für jeweils ein Jahr Präsidenten bzw. Präsidentin (Art. 52 Abs. 1 GG). Dabei kommen Bundesländer in der Reihenfolge ihrer Größe zum Zuge ( Königsteiner Abkommen vom 30.8.1950; gilt als Verfassungsgewohnheitsrecht [so z.b. Ipsen]). 7

Gebäude des Bundesrats in Berlin (vormals Preußisches Herrenhaus) Fertigstellung 1904; Architekt: Friedrich Schulze- Kolbitz Bundesrat/ v. Steffelin 8

Plenarsaal Bundesrat 9

Stimmenzahl: Zur Zeit gibt es 69 stimmberechtigte Mitgliederim Bundesrat. Die Länder haben je nach Bevölkerungszahl gem. Art. 51 Abs. 2 GG unterschiedlich viele Stimmen. Abgestuftes Stimmengewicht ist Kompromiss zwischen föderativer Gleichbehandlung der Länder und demokratischer Repräsentation anhand der jeweiligen Einwohnerzahlen. Lösung des Art. 51 II GG soll gewährleisten, dass große Länder nichtdie kleinen und umgekehrt nicht viele kleine Länder die großen majorisieren können. 10

Stimmenzahl: 11

Beschlussfassung: Art. 52 III GG BR beschließt mit mindestens der Mehrheit seiner Stimmen, d.h. mit 35 Stimmen(gesetzliche Mehrheit i.s.v. Art. 121 GG). Stimmen müssen nur vertreten sein: Beschlussfähigkeit des BR gegeben, wenn jedes der 16 Bundesländer mit mindestens einem Mitglied der Landesregierung vertreten ist( 28 GO-BR), das alle Stimmen des Landes per Stimmführerschaft abgeben kann. Es kommt auf die vertretenen Stimmen, nicht auf die Mitglieder an. Bundesratsmitglieder unterliegen den Weisungen ihrer Landesregierung. Dabei gilt Gebot der Weisungsklarheit (Charakter der Weisung muss klar erkennbar sein). Wer Weisungsbefugnis besitzt, bestimmt allein das Landesrecht z.b. Landesregierung als Kollegialorgan (i.d.r.) oder aber Teil der Richtlinienkompetenz des Ministerpräsidenten/der Ministerpräsidentin. Unvereinbar mit dem GG: Instruktion der Bundesratsmitglieder durch die Landtage. 12

Beschlussfassung: Weisungswidrige Stimmabgabe hat keine Folgen für Wirksamkeit der Stimmabgabe im BR (= Außenverhältnis); innerhalb des Landes (= Innenverhältnis) können sich politische (!) Konsequenzen(Bruch der Koalition) ergeben. Die im BR abgegebene Stimme gilt nicht wie sie instruiert, sondern wie sie abgegeben wird (Adolf Arndt, Kommentar zur Verf. des Dt. Reiches von 1871, zu Art. 6 unter Hinweis auf Bismarck-Rede von 1871). Stimmen eines Landes können nur einheitlich [...] abgegeben werden (Art. 51 Abs. 3 Satz 2 GG). Historische Begründung: Land kann nicht zwei sich widersprechende Willen bilden (Laband). Heute: Im BR sollen sich nicht wieder dieselbenparteipolitischen Gruppierungen wie im BT zusammenfinden. Wird nicht einheitlich abgestimmt, sind nach h.m. alle Stimmen des betroffenen Landes ungültig. Siehe auch Art. 51 Abs. 3 Satz 2 GG ( können nur ). Beides voneinander trennen! (1) Wurde weisungswidrig abgestimmt? wirkt sich nicht im BR aus. (2) Wurde uneinheitlich abges mmt? Uneinheitlichkeit führt zur Ungültigkeit der Stimmen! 13

Koalitionsregierungen auf Länderebene und Abstimmung im BRat: Gefahr uneinheitlicher S mmabgabe entsteht insbes. bei Koali onsregierungen. Bundesratsmitglieder unterliegen intern den Weisungen ihrer Landesregierung, können sich darüber aber extern bei Abstimmung im BR hinwegsetzen. Abstimmungsverhalten im Bundesrat muss schon im Koalitionsvertrag auf Landesebene geregelt werden. I.d.R. gilt für den Fall der Kontroverse: Land enthält sich insgesamt der Stimme (Bundesratsklausel). Möglich bleibt je nach Landesrecht, dass Ministerpräsident/Ministerpräsidentin das widersetzliche BR-Mitglied (Parteimitglied des Koalitionspartners) vor der Abstimmungaus der Landesregierung entlässt(art. 51 Abs. 1 Satz 1 GG) und die Stimme im Wege der Stimmführerschaft übernimmt. Problem: Drohender Koalitionsbruch! 14

Beispiel: Abstimmung über das Zuwanderungsgesetz vom 22.3.2002 BVerfGE 106, 310 ff. (329 ff.); Stenografische Berichte des BR, Plenarprotokoll 774 (774. Sitzung v. 22.3.2002), S. 171 ff. Kernaussagen des BVerfG: Länder wirken durch BR nicht unmittelbar an Staatstätigkeit des Bundes mit, sondern werden durch ihre anwesenden BR-Mitglieder vertreten. GG erwartet einheitliche Stimmabgabe der Länder und respektiert Praxis der landesautonom bestimmten Stimmführer. Aber: Wenn der Abgabe der Stimmen durch Mitglied aus demselben Land widersprochen wird, entfällt Stimmführerschaft. BR-Präsident darf in neutraler Weise (!) auf wirksame Stimmabgabe hinwirken. Aber: Recht zur Nachfrage entfällt, wenn einheitlicher Wille des Landes erkennbar nicht besteht; Nachfrage in dieser Lage greift in Verantwortungsbereich der Länder über. Kein Recht des Ministerpräsidenten, anderes Regierungsmitglied zur richtigen S mmabgabe im BR (= Bundesorgan!) anzuweisen landesrechtlicherichtlinienkompetenz begründet keine bundesverfassungsrechtlich herausgehobene Stellung (d.h. Irrelevanz im BRat). Ergebnis: ZuwanderungsG ist wegen Verstoßes gegen Art. 78 GG nichtig. 15