Zusammenfassung

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Transkript:

- 54-4. Zusammenfassung Seit mehr als hundert Jahren stellen die operative und die strahlentherapeutische Therapie die Grundsäulen der Behandlung von Patientinnen mit einem Zervixkarzinom dar. Durch die Etablierung und Standardisierung der Laparoskopie in der gynäkologischen Onkologie steht ein Verfahren zur Verfügung, das es erlaubt, ohne Erhöhung der therapiebedingten Toxizität die genaue Tumorausdehnung und den Befall von Lymphknoten paraaortal und pelvin zu evaluieren, sowohl für Patientinnen mit einem Zervixkarzinom, Karzinom des Endometriums oder der Vulva, und damit Therapiekonzepte individuell zu gestalten. Trotz der stetigen Weiterentwicklung der Bestrahlungstechniken sowie des simultanen Einsatzes der Chemotherapie ist die Heilung gynäkologischer Malignome, vor allem für Patientinnen mit fortgeschrittenen Lokalbefunden und /oder Lymphknotenmetastasen, weiterhin eine interdisziplinäre Herausforderung. In der vorliegenden Arbeit wird der Einfluss innovativer onkologischer Operationsverfahren in der Gynäkologie auf radioonkologische Therapiekonzepte, deren Indikationsstellung und Zielvolumina dargelegt. Vor dem Hintergrund der enttäuschenden Sensitivität und Spezifität der bildgebenden Verfahren konnten wir für das Zervixkarzinom nachweisen, dass es bei 43% der Patientinnen durch die klinische FIGO-Klassifkation zu einer Unterschätzung der lokalen Tumorausdehnung und, unter Berücksichtigung der Lymphknotenmetastasen, zu einer Fehleinschätzung des Krankheitsstadiums bei 87% der Patientinnen kam. Die Neufestlegung des Tumorstadiums führt zu entscheidenden Änderungen der radiotherapeutischen Therapiekonzepte: - zur Erfassung der paraaortalen Lymphknoten bei Patientinnen mit unauffälligem CT/MRT der Region, aber histologisch gesichertem Befall; - zur Indikationsstellung einer primären Radiochemotherapie bei Patientinnen mit großen Tumoren und /oder parametranem Befall und /oder Lymphknotenmetastasen, um die erhöhte Spättoxizität von radikaler Operation und adjuvanter Therapie zu vermeiden; - zur Selektion von Patientinnen, die von einer primären Exenteration profitieren; - zur Selektion von Patientinnen mit Fernmetastasen, denen die erhöhte Toxizität eines kurativen Therapiekonzeptes erspart werden kann.

- 55 - Ein Vorteil für das Überleben der Patientinnen durch die Anpassung der Therapiekonzepte konnte bisher nicht eindeutig nachgewiesen werden. Die hier vorgestellten Ergebnisse stellen die Grundlage einer prospektiv randomisierte Studie der AGO (Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie) und der ARO (Arbeitsgemeinschaft Radioonkologie) dar. Im Gegensatz dazu konnte durch die vorliegende Arbeit die Prognoseverbesserung durch das konsequente Debulking pelviner und/oder paraaortaler Lymphknotenmetastasen eindrucksvoll dargestellt werden. Die Abklärung und Therapie möglicher strahlentherapiebedingter Nebenwirkungen (Uterusnekrose, infizierte Lymphozele, Subileus) kann in der Mehrzahl der Fälle sicher laparoskopisch ebenso erfolgen wie der Nachweis oder Ausschluss einer Tumorpersistenz in Verbindung mit einer diagnostischen Abrasio. In Abhängigkeit vom Tumorstadium ist das Erzielen einer lokalen Langzeitkontrolle bei Patientinnen mit Zervixkarzinomen weiterhin eine Herausforderung. Dafür ist es unabdingbar, alle Regionen mit hohem Risiko für eine Lymphknotenmetastasierung zu erfassen und mit einer adäquaten Strahlendosis zu versorgen. In Abhängigkeit vom Tumorstadium und dem Befall pelviner Lymphknoten steigt das Risiko für den Befall iliakal kommuner Lymphknoten. Diese sind mit einer schlechteren Prognose assoziiert als der pelvine Lymphknotenbefall außerhalb dieser Region. Der Wahl der Bestrahlungszielvolumen kommt hier eine besondere Bedeutung bei, da diese Lymphknoten im Feldrandbereich der Standardbestrahlungsfelder liegen. Anhand der Bestrahlungsplanungs-Computertomographien von Patientinnen mit Zervixkarzinom konnte nachgewiesen werden, daß bei 60% der Patientinnen diese Lymphknotenregion außerhalb bzw. im Randbereich mit unzureichender Dosis liegt. Deshalb ist zu fordern, die Zielvolumina anhand der individuellen Patientenanatomie zu generieren, um die iliakal kommune Gruppe vollständig zu erfassen. Mittels Sentinel-Lymphknotenmarkierung konnte gezeigt werden, dass die Hauptwege der lymphogenen Metastasierung beim Zervixkarzinom nach iliakal extern, iliakal intern und interiliakal verlaufen. Aus der Inzidenz von bis zu 8% für das Vorkommen von Lymphknotenmetastasen in anderen Regionen (iliakal kommun, präsakral, paraaortal) muss der Schluss gezogen werden, dass die Modifikation der Strahlentherapiefelder durch selektive Kompromittierung einzelner Lymphknotenregionen mit dem Ziel der Minimierung von Spätnebenwirkungen nicht

- 56 - empfohlen werden kann. Erstmals erfolgte in der vorliegenden Studie die Analyse der Sentinellymphknoten in Korrelation zum Tumorstadium und der Histologie. Es konnte gezeigt werden, daß die Verteilung der Sentinellymphknoten unabhängig von der Histologie un vom Tumorstadium ist. Ein Konsens zur topographischen Kartierung pelviner und paraaortaler Lymphknoten ist zu fordern, um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu ermöglichen. Ein weiterer Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit ist der systematische Einsatz der Laparoskopie, um Patientinnen im Stadium IVA für die primäre Exenteration mit kurativem Therapieziel zu selektieren. Die Daten zeigen, dass die primäre Exenteration bei Patientinnen mit lokal fortgeschrittenen Tumoren eine realistische Chance auf Langzeitüberleben der Patientinnen bei akzeptabler Lebensqualität bietet. Dies ist allerdings neben der Mortalität von ca. 5% mit einer erheblichen perioperativen Morbidität und gravierenden Veränderungen (Harn- und Stuhlableitung, notwendige plastische Rekonstruktionen) verbunden. Die unbefriedigende Datenlage zur primären kombinierten Radiochemotherapie im Stadium IVA erlaubt keine Empfehlungen zum alternativen Einsatz dieser Therapiemodalität. Eine interdisziplinäre Entscheidung, die die Tumorausdehnung der einzelnen Patientin und deren Erwartung an das Therapieergebnis berücksichtigt, ist zu fordern. Für Patientinnen mit Endometriumkarzinomen kann die laparoskopische Darstellung der Lymphabflusswege in Zukunft dazu dienen, bei Patientinnen ohne nachgewiesene Lymphknotenmetastasen und ohne weitere Risikofaktoren auch im Stadium Ic/II die Indikation zur perkutanen adjuvanten Radiatio zurückhaltend zu stellen und Patientinnen mit entsprechenden Risikofatoren (Adipositas, Diabetes) eine unnötige Toxizität zu ersparen. Die Therapie von Patientinnen mit Vulvakarzinomen ist mit erheblicher Toxizität verbunden. Führend, und die Lebensqualität deutlich beeintächtigend, ist die hohe Inzidenz an Lymphödemen der unteren Extremitäten. Dies führt zu einer Einschränkung der Mobilität der ohnehin älteren Patientinnen. Für Patientinnen mit histologisch gesicherten Leistenlymphknotenmetastasen wird die adjuvante Strahlentherapie der Leistenregion empfohlen. Da mit zunehmender Anzahl an Leistenlymphknotenmetastasen auch die Wahrscheinlichkeit für eine pelvine Metastasierung steigt, wird bei mehreren Leistenlymphknoten, einer kritischen Tumorgröße >2 cm und einem niedrigem Differenzierungsgrad auch die adjuvante

- 57 - Radiatio der pelvinen Lymphbflusswege empfohlen. Die kritische Anzahl befallener Leistenlymphknoten, die eine Indikation zur Radiatio des Beckens darstellen, wird weiterhin kontrovers diskutiert. Die Strahlentherapie des Beckens kann, wie auch für das Zervixarzinom nachgewiesen, die Rate der Spättoxizität erhöhen. Die laparoskopische Evaluation der pelvinen Lymphknoten bei Patientinnen mit histologisch gesicherten Leistenlymphknoten erlaubt die Selektion des Subkollektivs, welches trotz Befalls der Leistenregion, aber ohne nachgewiesenen Befall der pelvinen Lymphknoten, nicht von einer Radiatio des gesamte Beckens profitieren würde. Auch hier erlaubt die Laparoskopie die Anpassung der Zielvolumina. Die Gleichwertigkeit der onkologischen Ergebnisse ist an einem größeren Patientengut zu überprüfen. Die Verbesserung der Therapieergebnisse in der gynäkologischen Onkologie, die kritische Überprüfung und ggf. Anpassung gängiger radioonkologischer Konzepte mit dem Ziel der Reduktion von Spätnebenwirkungen setzt eine gemeinsame Betreuung der Patientinnen von der Diagnosestellung über die Festlegung des Therapiekonzeptes bis zur Betreuung von möglichen Nebenwirkungen oder Therapieversagen durch Gynäkologen und Radioonkologen voraus. Die kombinierte Radiochemotherapie bei Frauen mit lokal fortgeschittenen bzw. nodalpositiven Zervixkarzinomen ist mit akzeptabler Akut- und Spättoxizität durchführbar. Das Risiko für die Ausbildung urogenitaler Komplikationen wie Ureterstenosen und vesikovaginale Fisteln beträgt ca. 0,7% pro Jahr und zeigt nach 25 Jahren ein konstantes aktuariales Risiko von 25%. Die gastrointestinale Morbidität korreliert mit dem Dünndarmvolumen, das mit 100% der verschriebenen Dosis belastet wird. Im Gegensatz zu den urogenitalen Komplikationen, ist das Risiko für die Ausbildung von Spätnebenwirkungen in den ersten zwei Jahren nach der Therapie am höchsten. Die Inzidenz für die Entwicklung einer Dünndarmobstruktion beträgt 5%, für die Ausbildung einer Fistel 3% nach 20 Jahren. Die Dosisverteilung der Brachytherapie, die steilen Dosisgradienten und die großen intraindividuellen Schwankungen der Lage und Füllung der benachbarten Organe sowie der Applikatorlage implizieren ein hohes potentielles Risiko für Spätkomplikationen vor allem an Rektum und Blase. Bei einer Komplikationswahrscheinlichkeit für Spätnebenwirkungen von 5% beträgt die Rektumtoleranz 64 Gy (Brachytherapie und perkutane Strahlentherapie). Das Risiko

- 58 - steigt bei höheren nominellen Dosen, bei mehr als zwei transvaginalen Behandlungen und bei Erhöhung der Dosis pro Behandlung. Die Risikoabschätzung auf der Grundlage der Referenzpunktdosen birgt sehr große Unsicherheiten. Modelle für die Abschätzung der Komplikaionswahrscheinlickeiten, wie das NTCP-Modell, existieren. Ihre Anwendung auf die Kombination aus perkutaner und intrakavitärer Therapie ist problematisch. Andere Modelle wie das von Dale et al. sind in den klinischen Alltag wegen des erheblichen Aufwandes kaum zu integrieren. Zudem bilden diese Modelle mögliche additive oder synergistische Effekte durch eine simultane Chemotherapie nicht ab. Die Schwankungsbreite der Angaben von gastrointestinaler Toxizität Grad 3 und 4 für die simultane platinbasierte Chemotherapie ist mit 6-23% sehr groß. Sie verdoppelt sich im Vergleich zur alleinigen Radiatio bei Frauen mit Zervixkarzinom. In der randomisierten Studie von Keys et al. sind bei zwei Patientinnen nicht näher bezeichnete Nekrosen beschrieben worden. Über Uterusnekrosen findet sich in der vorliegenden Literatur kein Hinweis. Nach Analyse des klinischen Verlaufes der beiden Patientinnen, der Strahlentherapiepläne, Dosis-Volumen-Histogramme und Chemotherapieprotokolle fanden sich keine Hinweise auf Besonderheiten bzw. Abweichungen. Die radiogene Nekrose des Uterus stellt eine schwere Komplikation der primären Radiochemotherapie dar. Durch die Implementierung der MRT-basierten Brachytherapieplanung, die Konturierung der Risikoorgane und Generierung von Dosis-Volumen-Histogrammen ist eine validere Abschätzung der Komplikationswahrscheinlichkeiten zu erwarten als es durch die Verwendung der ICRU-Referenzpunkte möglich ist. In jedem Fall sollten die Patientinnen auch nach unauffälligem Behandlungsverlauf von einem interdisziplinären Team engmaschig nachgesorgt werden. Unklare abdominelle Symptomatik, unklare bildgebende Befunde ggf. in Verbindung mit erhöhtem CRP sollten laparoskopisch abgeklärt werden.