Seminar zur Theorie der Teilchen und Felder. Kritische Phänomene. Florian König WS 2009/2010

Ähnliche Dokumente
7. Kritische Exponenten, Skalenhypothese

Beschreibung von Phasenübergängen und kritischen Phänomenen im Rahmen von Thermodynamik und statistischer Physik

E 3. Ergänzungen zu Kapitel 3

Vorlesung Statistische Mechanik: Ising-Modell

Phasenübergänge und kritische Phänomene

Erreichte Punktzahlen: Die Bearbeitungszeit beträgt 3 Stunden.

Statistische Physik - Theorie der Wärme (PD Dr. M. Falcke) Übungsblatt 12: Ferromagnet

Probeklausur STATISTISCHE PHYSIK PLUS

8.4.5 Wasser sieden bei Zimmertemperatur ******

Theorie von Phasenübergängen Die Landau-Theorie

Die Renormierungsgruppe

Seminar zur Theorie der Teilchen und Felder Phasenübergänge und kritische Phänomene. Landau-Theorie. für Phasenübergänge 2.

3. Phasenübergänge und kritische Phänomene

4. Phasenübergänge und kritische Phänomene

Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Vorbereitung zur Diplomprüfung Theoretische Physik

4. Strukturänderung durch Phasenübergänge

Klassische Phasenübergänge Kritisches Verhalten Quantenphasenübergänge Quantenkritische Region Experiment Erklärungsversuche Anwendungen

Kritische Phänomene. -Klassifizierung von Phasenübergängen -Kritische Exponenten

d) Das ideale Gas makroskopisch

Theoretische Physik 25. Juli 2013 Thermodynamik und statistische Physik (T4) Prof. Dr. U. Schollwöck Sommersemester 2013

Flussquantisierung

Physik 4 Praktikum Auswertung Zustandsdiagramm Ethan

Verschränkung und Verschränkungsmaße

PC V: Physikalische Chemie der Festkörper WS 2009/10 1. Einführung Kristallsymmetrie und physikalische Eigenschaften, Neumannsches Prinzip

Kernmagnetismus: normalflüssiges 3 He. Kernspin magnetisches Moment schwacher Magnetismus des 3 He Suszeptibilität: T F.

Landau-Theorie der Phasenumwandlung von Membranen

Das ferromagnetische Curie Weiss Modell 1

Physikalisches Fortgeschrittenenpraktikum Spezifische Wärme. Vorbereitung. 1 Thermodynamische Grundlagen. 1.1 Die spezifische Wärme eines Festkörpers

Grundlagen der Physik II

PD Para- und Diamagnetismus

! #!! % & ( )! ! +, +,# # !.. +, ) + + /) # %

Mathematik II für Studierende der Informatik. Wirtschaftsinformatik (Analysis und lineare Algebra) im Sommersemester 2016

Musterlösungen Blatt Theoretische Physik IV: Statistische Physik

a) Welche der folgenden Aussagen treffen nicht zu? (Dies bezieht sind nur auf Aufgabenteil a)

Folgen und Reihen. Inhaltsverzeichnis. Fragen und Antworten. (bitte nur für den Eigengebrauch verwenden)

Kapitel 11. Phasen und Phasenübergänge Phasengleichgewichte

P = P(T, v) = k BT v b a v 2 (37.1)

Phasengleichgewichte und Phasenübergänge

Thermodynamik und Statistische Mechanik WS2014/2015

O. Sternal, V. Hankele. 5. Thermodynamik

Theorie der Phasenübergänge: Eine Einführung

Erreichte Punktzahlen: Die Bearbeitungszeit beträgt 3 Stunden.

Physikalisches Anfaengerpraktikum. Zustandsgleichung idealer Gase und kritischer Punkt

4 Thermodynamik mikroskopisch: kinetische Gastheorie makroskopisch: System:

Outline. 1 Funktionen von mehreren Veränderlichen. 2 Grenzwert und Stetigkeit. 3 Partielle Ableitungen. 4 Die verallgemeinerte Kettenregel

Analysis I. Guofang Wang Universität Freiburg

(VIII) Wärmlehre. Wärmelehre Karim Kouz WS 2014/ Semester Biophysik

Physik für Mediziner im 1. Fachsemester

2 Grundbegriffe der Thermodynamik

Abb lokales Maximum und Minimum

E2: Wärmelehre und Elektromagnetismus 6. Vorlesung

Suprauides Helium He, 4 He 2. Supraleitung und BCS-Theorie 3. Supraussiges 3 He 4. Die innere Struktur 5. Die suprauiden Phasen 6. Symmetriebre

Die 4 Phasen des Carnot-Prozesses

6.2 Zweiter HS der Thermodynamik

Versuch 2. Physik für (Zahn-)Mediziner. c Claus Pegel 13. November 2007

Zustandsbeschreibungen

Die Zustandsgleichung realer Gase

11. Phasenübergänge 11.1 Phasen

Thermodynamik I. Sommersemester 2012 Kapitel 2, Teil 1. Prof. Dr. Ing. Heinz Pitsch

Karlsruher Institut für Technologie Festkörperphysik. Übungen zur Theoretischen Physik F SS 10

E2: Wärmelehre und Elektromagnetismus 5. Vorlesung

1. Wärmelehre 1.1. Temperatur. Physikalische Grundeinheiten : Die Internationalen Basiseinheiten SI (frz. Système international d unités)

Atom-, Molekül- und Festkörperphysik

11. Der Phasenübergang

4.6.5 Dritter Hauptsatz der Thermodynamik

Vorlesung Statistische Mechanik: Ising-Modell

Supraleitung - Ginzburg-Landau-Theorie

Funktionen mehrerer Variabler

Wärmelehre/Thermodynamik. Wintersemester 2007

Wiederholung von Linearer Algebra und Differentialrechnung im R n

Phasenübergänge im frühen Universum

5.4 Uneigentliche Integrale

= (n 2 ) 1 (Kurzschreibweise: a n = n 2 ) ergibt die Zahlenfolge 1, 4, 9, 16, 25, 36,.

Materie im Magnetfeld

Erinnerung an die Thermodynamik

Statistische Physik - Theorie der Wärme (PD Dr. M. Falcke)

T 1 T T Zustandsverhalten einfacher Systeme (Starthilfe S ) - Prozess und Zustandsänderung. Prozess (Q 12

Musterlösung Übung 10

1. Thermodynamik magnetischer Systeme

Magnetische Eigenschaften von periodisch angeordneten Nanopartikeln aus Nickel

22. Entropie; Zweiter Hauptsatz der Wärmelehre

Differentialgleichungen sind überall!

Grundlagen der Physik II

Theoretische Physik F: Zwischenklausur SS 12

3 Der 1. Hauptsatz der Thermodynamik

Beschreibung von Phasenübergängen in finiten Systemen durch die Nullstellen der Zustandssummen

Beschreibungskomplexität von Grammatiken Definitionen

Einführung in die Physikalische Chemie Teil 2: Makroskopische Phänomene und Thermodynamik

Physikalisches Praktikum I

Skript zur Vorlesung

Molekulare Bioinformatik

Funktionen mehrerer Variabler

Grundlagen der statistischen Physik und Thermodynamik

3. Diffusion und Brechungsindex

Flüsse, Fixpunkte, Stabilität

Abb. 5.10: Funktion und Tangentialebene im Punkt ( ) ( ) ( ) 3.) Die Zahlenwerte und in Gleichung (Def. 5.11) berechnen sich durch ( ) ( )

9. Thermodynamik. 9.1 Temperatur und thermisches Gleichgewicht 9.2 Thermometer und Temperaturskala. 9.4 Wärmekapazität

Ferienkurs Analysis 1, SoSe Unendliche Reihen. Florian Beye August 15, 2008

Abbildung 5.1: stabile und instabile Ruhelagen

Versuch: Sieden durch Abkühlen

Transkript:

Seminar zur Theorie der Teilchen und Felder Kritische Phänomene Florian König WS 2009/2010 1 Phasendiagramme Thermodynamische Systeme treten oft in mehreren unterschiedlichen Phasen in Erscheinung. In den Projektionen des Zustandsraums, festgelegt durch die jeweilige Zustandsfunktion des Systems, lassen sich bestimmte Gebiete den verschiedenen Phasen zuordnen. 1.1 Das reale Gas Das reale Gas, oder Gas-/Flüssigkeitssystem (G/F- System), tritt im Allgemeinen in den Erscheinungsformen fest, flüssig und gasförmig auf. In Abb. 1 sind einige Isothermen des realen Gases in der p-v-ebene dargestellt. Unterhalb der sogenannten kritischen Temperatur T c existiert ein Gebiet, in dessen Bereich die Isothermen horizontal verlaufen. Dieses Gebiet wird als Koexistenzgebiet bezeichnet, da die Zustände innerhalb dieses Bereiches dadurch realisiert sind, dass das System anteilig mit den Volumina ( = Dichten) V g und V fl auf dem Rand des Gebietes auftritt. V g und V fl entsprechen hier den Volumina von Gas und Flüssigkeit. Beim Durchlaufen der Isothermen T < T c findet ein Abb. 1: Isotherme in der p-v- Ebene; Koexistenzgebiet Phasenübergang erster Ordnung statt, da V = G p (G: freie Enthalpie) einen Sprung aufweist. Durch Erhöhung der Temperatur bis T c gleichen sich die Dichten von Gas und Flüssigkeit immer mehr aneinander an, bis kein Sprung mehr auftritt. Auf der kritischen Isothermen T c endet das Koexistenzgebiet in einem Scheitelpunkt: Dem kritischen Punkt (p c, V c, T c ). Dieser ist zudem ein Sattelpunkt der kritischen Isothermen. Der Übergang von Gas und Flüssigkeit vollzieht sich nun kontinuierlich. Oberhalb der kritischen Temperatur wird nicht mehr von zwei verschiedenen Phasen Gas und Flüssigkeit, sondern von einer überkritischen Phase gesprochen. 1

In der p-t-ebene sind die Phasen durch Koexistenzkurven getrennt (Abb. 2). Der Übergang festflüssig vollzieht sich im Überschreiten der Schmelzkurve, gasförmige und feste Phase grenzen in der Sublimationskurve aneinander und Flüssigkeit und Gas sind durch die Dampfdruckkurve getrennt. Den Schnittpunkt dieser drei Kurven bezeichnet man als Tripelpunkt, da in diesem Zustand alle drei Phasen koexistieren. Auffällig ist, dass die Dampfdruckkurve im kritischen Punkt ein Ende hat, während die Schmelzkurve kein solches Ende besitzt. In der V-T-Projektion des Koexistenzgebiets von Gas und Flüssigkeit (Abb. 3) zeigt sich dann ein dem p-v- Diagramm entsprechendes Gebiet, begrenzt durch die Volumina von Gas und Flüssigkeit in Abhängigkeit von der jeweiligen Temperatur. Abb. 2: Koexistenzkurven in der p-t-ebene 1.2 Ferromagnetismus Durch die Vertauschung der Zustandsvariablen V M und p H lassen sich thermodynamische Relationen für Ferromagneten in Analogie zum G/F-System herleiten. Auch das ferromagnetische System tritt unterhalb einer Temperatur T c in verschiedenen Phasen auf. Unterhalb der Curie-Temperatur, welche der kritischen Temperatur entspricht, zeigt das System bei H = 0, also ohne äußeres Magnetfeld, eine spontane Magnetisierung M 0. Es können also Domänen mit unterschiedlicher Ausrichtung der Magnetisierung entstehen. In Abb. 4 zeigen die Isothermen in der M-H-Ebene dementsprechend einen Sprung von M 0 nach M 0 für T < T c und H = 0. Gemäß M = G H ist dies ein Phasenübergang erster Ordnung, bzw. ein diskontinuierlicher Phasenübergang. Die Erhöhung der Temperatur auf T c führt dann wiederum zu einem kontinuierlichen Phasenübergang. Für T > T c verhält sich das System dann paramagnetisch; ohne äußeres Magnetfeld stellt sich also keine Magnetisierung ein. Die der Dampfdruckkurve des G/F-Systems entsprechende Projektion beim Ferromagneten ist folglich eine Gerade bei H = 0, die in T = T c endet. In Abb. 5 sind Abb. 3: Koexistenzgebiet in der V-T-Ebene Abb. 4: Isotherme in der M-H- Ebene zur Veranschaulichung die magnetischen Momente des Systems entlang der Koexistenzlinie eingezeichnet. 2

Die Abhängigkeit der spontanen Magnetisierung von der Temperatur zeigt in der M- T-Ebene (Abb. 6) einen zu Abb. 3 analogen Verlauf. Abb. 5: Koexistenzkurve in der H-T-Ebene Abb. 6: Koexistenzgebiet in der M-T-Ebene 1.3 Ordnungsparameter Bei Betrachtung kontinuierlicher Phasenübergänge lassen sich für das jeweilige System sogenannte Ordnungsparameter definieren. Diese Größen sind dadurch ausgezeichnet, dass sie nur in einer der beiden Erscheinungsformen des Systems auftreten. Im G/F- System wäre beispielsweise die Differenz der Flüssigkeits- und Gasdichten ρ = ρ fl ρ g der Ordnungsparameter, während die Phase höherer Ordnung des Ferromagneten durch die spontane Magnetisierung M 0 charakterisiert ist. Wie den Zustandsdiagrammen zu entnehmen ist, treten beide Größen in der ungeordneten Hochtemperaturphase T > T c nicht mehr auf. 2 Kritische Exponenten 2.1 Definition Sehr oft verhalten sich physikalische Größen f(x) in der Nähe des kritischen Punkts in führender Ordnung wie x λ, wobei x eine Variable ist, die am kritischen Punkt Null ist. Der Exponent λ, der das Verhalten der Größe f(x) beschreibt ist durch λ := lim x 0 + ln f(x) ln x definiert und wird - bei Existenz des Grenzwerts - kritischer Exponent genannt (f(x) und x müssen dieser Definition nach positiv sein, da sonst der Logarithmus nicht definiert ist). Man schreibt dann f(x) x λ und sagt f(x) verhält sich wie x λ. Die Schreibweise f(x) x λ bedeutet dabei keinesfalls, dass eine Proportionalität der Form f(x) = Ax λ gegeben ist. Die Definition umfasst wesentlich komplexere Abhängigkeiten, wie z.b. (1) 3

1. f(x) = Ax λ (1 + Bx y +...) mit y > 0 2. f(x) = B Cx y mit y > 0, y / N (divergente Ableitung) λ = 0 3. f(x) = A ln x + B (logarithmische Divergenz) λ = 0. Betrachtet man die Funktionen 2 und 3 so offenbart sich die Problematik der Definition (1) für λ = 0: Funktionen mit völlig unterschiedlichem Verhalten für x 0 werden durch den selben kritischen Exponenten beschrieben. Da das Ziel der kritischen Exponenten die quantitative Beschreibung des Verhaltens am kritischen Punkt ist, wird ein weiterer kritischer Exponent definiert, der die verschiedenen Fälle für λ = 0 unterscheidet. Ist k der kleinste Wert für den f (k) (x) = k f(x) x k divergiert, so ist ln f (k) (x) λ s := k + lim. (2) x 0 + ln x Im Falle einer logarithmischen Divergenz, wie Funktion 3, wäre λ s = 0; bei einer divergenten Ableitung, wie Funktion 2, wäre λ s = y. 2.2 Wichtige kritische Exponenten Kritische Exponenten sind für viele physikalische Größen definiert und sollten der Konvention nach immer mit den selben Buchstaben bezeichnet werden. So ist der kritische Exponent der Wärmekapazität im G/F-System definiert durch C V ( ε) α für ε < 0, V = V g oder V fl, (3) C V ε α für ε > 0, V = V c, (4) wobei ε = T Tc T die reduzierte Temperatur ist. α und α unterscheiden sich im Weg, auf dem der kritische Punkt erreicht wird, d.h. für ungestrichene Exponenten ist T > T c und für gestrichene T < T c. Der Festlegung des Weges dienen auch die Angaben zu den Volumina. Für das ferromagnetische System definiert man analog C H ( ε) α für ε < 0, H = 0, (5) C H ε α für ε > 0, H = 0. (6) Interessant ist diese Größe, da beispielsweise für den Übergang von flüssig zu gasförmig eine latente Wärme aufgebracht werden muss. Steckt man Wärme in das System erhöht sich also nicht die Temperatur und die Wärmekapazität sollte somit divergieren, was sich in dem negativen Vorzeichen des Exponenten α widerspiegelt. Aus der Steigung der kritischen Isothermen im kritischen ( ) Punkt lässt sich erschließen, dass auch die isotherme Kompressibilität κ T = 1 V V p, bzw. Suszeptibilität χ T = T 4

( M ) H T divergieren. Dementsprechend definiert man für das G/F-System κ T ( ε) γ für ε < 0, V = V g oder V fl, (7) κ T ε γ für ε > 0, V = V c (8) und analog für den Ferromagneten χ T ( ε) γ für ε < 0, H = 0, (9) χ T ε γ für ε > 0, H = 0. (10) Auch das Verhalten der Ordnungsparameter wird durch einen kritischen Exponenten β beschrieben, der natürlich nur für T < T c sinnvoll definierbar ist: ρ ε β, (11) M 0 ε β für H = 0. (12) Bisher wurden nur Funktionen in Abhängigkeit von ε beschrieben, jedoch ist der Formalismus auch für andere Abhängigkeiten anwendbar, wie z.b. beim Verhalten der kritischen Isothermen: G/F-System: p p c sgn (ρ ρ c ) ρ ρ c δ, (13) Ferromagnet: H sgn (M) M δ. (14) sgn ist dabei die Vorzeichenfunktionen, die je nach Vorzeichen des Arguments ±1 ergibt. 3 Korrelationslänge Die Korrelationsfunktion g(r, r ) ist ein Maß für die Korrelation zweier Punkte r und r eines Systems. Zwei Punkte werden als miteinander korreliert bezeichnet, wenn die Statistiken der beiden Punkte nicht unabhängig voneinander sind. Das bedeutet z.b. für ein System aus ortsfesten Spins, dass bei Korrelation der Punkte r und r beide Spins mit großer Wahrscheinlichkeit parallel zueinander ausgerichtet sind. Über die Funktion g(r, r ) lässt sich eine Korrelationslänge ξ definieren, die dementsprechend den maximalen Abstand zweier korrelierter Punkte angibt. Es zeigt sich, dass ξ am kritischen Punkt divergiert. Um das Verhalten von ξ zu erfassen definiert man einen kritischen Exponenten nach ξ ( ε) ν für T < T c (15) ξ ε ν für T > T c (16) mit H = 0 für Ferromagneten, bzw. für das F/G-System V = V c bei T > T c und V = V g oder V fl bei T < T c. 5

In Abb. 7 ist das Verhalten eines Teils eines Spinsystems in Nähe des kritischen Punkts schematisch dargestellt. Ein Kästchen wird schwarz gezeichnet, wenn der zugehörige Spin aus der Zeichenebene heraus zeigt, sonst ist das Kästchen weiß. Die Korrelationslänge entspricht dann ungefähr der Abmessung einer Insel aus schwarzen Kästchen. Für T T c richten sich dann die Spins im gesamten betrachteten Bildausschnitt parallel zueinander aus. Dieses Modell soll dabei nicht suggerieren hier wäre totale Ordnung gegeben, da hier ja nur ein Teil des Systems betrachtet wird! Totale Ordnung wäre nur am absoluten Nullpunkt zu erwarten, während hier T = T c betrachtet wird. So bedeutet auch die Divergenz der Korrelationslänge nicht, dass sie unendlich im eigentlichen Sinne wird, sondern dass sie makroskopische Ausmaße erreicht. Es werden also makroskopische Teile des Systems geordnet. In Zusammenhang mit Modellsystemen, Abb. 7: Korrelationslänge in einem Modellsystem aus ortsfesten Spins [Stan] denen kurzreichweitige Wechselwirkungen zugrunde liegen (wie z.b. der Kopplung von Spins in unmittelbarer Nachbarschaft), bedeutet dies, dass die am kritischen Punkt auftretenden Phänomene gewissermaßen nicht mehr von der Art der Wechselwirkung des Systems auf mikroskopischer Ebene abhängen. So deutet sich eine Universalität des kritischen Verhaltens verschiedenster Systeme an, die mit Hilfe der kritischen Exponenten überprüft werden kann und meist Bestätigung im Experiment findet. Bezüglich der Divergenz der Korrelationslänge spricht man auch von kritischen Fluktuationen. G/F-Systeme zeigen z.b. ein Phänomen namens kritischer Opaleszenz am kritischen Punkt, bei dem Licht durch vermehrte Tröpfchen- und Gasbläschenbildung, d.h. durch Dichtefluktuationen, stark gestreut wird. 4 Exponentenungleichungen Da die Bestimmung kritischer Exponenten oft nicht exakt möglich ist, sind exakte Beziehungen der Exponenten untereinander wünschenswert. Und tatsächlich lassen sich solche in Form von Ungleichungen aus der Thermodynamik streng herleiten. Drei grundlegende 6

Beziehungen zwischen den hier eingeführten Exponenten sind im Folgenden angegeben: Rushbrooke-Ungleichung: α + 2β + γ 2 (17) Griffiths-Ungleichung: α + β(1 + δ) 2 (18) Widom-Ungleichung: γ β(δ 1). (19) Es existieren noch beliebig viele weitere Ungleichungen (insbesondere für hier nicht definierte kritische Exponenten), denen jedoch oft zusätzliche, nicht streng beweisbare Annahmen zugrunde liegen Literatur [Fish] M.E. Fisher, The Theory of Equilibrium Critical Phenomena, Rep. Prog. Phys. 30 (1967) 615 [Hell] P. Heller, Experimental Investigations of Critical Phenomena, Rep. Prog. Phys. 30 (1967) 731 [Nolt] W. Nolting, Grundkurs Theoretische Physik 4, Springer Berlin Heidelberg, 2005 [Stan] H.E. Stanley, Introduction to Phase Transitions and Critical Phenomena, Oxford University Press, Oxford, 1971 7