Theorie der Phasenübergänge: Eine Einführung
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- Ulrike Schwarz
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1 Michael Kastner, SS06, Universität Bayreuth heorie der Phasenübergänge: Eine Einführung Übersicht: Ein Phasenübergang ist ein Phänomen aus der physikalischen Disziplin der Statistischen Physik bzw. der hermodynamik. Im folgenden: kurze Wiederholung der Grundlagen der Statistischen Physik und der hermodynamik Phasenübergänge: Definition Beispiele Klassifikation, Charakteristika 1 Vorbemerkung Historische Entwicklung: (i) Klassische Mechanik (17. Jahrhundert) Beschreibungsebene: Zeitentwicklung von Phasenraumpunkten oder -verteilungen (ii) hermodynamik (Mitte des 19. Jahrhunderts) Relationen zwischen makroskopischen Variablen, p, V,... (iii) Statistische Physik (Ende 19./Anfang 20. Jahrhundert) Statistische Aussagen aus der Kenntnis der mikroskopischen Gesetzmäßigkeiten (iv) Quantenmechanik (Anfang des 20. Jahrhunderts) Zeitentwicklung von Zustandsvektoren oder -operatoren Logische Hierarchie: hermodynamik Statistische Physik Klassische Mechanik/Quantenmechanik 2 Statistische Physik Ziel: Gleichgewichtsverhalten makroskopischer Systeme (d. h. Anzahl der Freiheitsgrade N 1) beschreiben. Idee: Aufgrund der großen Anzahl an Freiheitsgraden kann und muss man Aussagen statistischer Natur machen. 1
2 rick: Gleichgewichtsverhalten lässt sich durch ein (Lang-)Zeitmittel ausdrücken. Dieses kann unter geeigneten Voraussetzungen wie z. B. Ergodizität durch ein Ensemblemittel ersetzt werden: lim O t t (E) = r[o δ (E H N(x))] =: O r[δ (E H N (x))] mik (E) (1) t: Zeit O: interessierende Observable H N : Hamilton-Funktion bzw. -Operator r: Phasenraumintegral bzw. Hilbert-Raum-Spur 2.1 Statistische Ensembles In Gleichung (1) werden Ensemblemittelwerte bei konstanter Energie, also mikrokanonisch betrachtet. Man könnte genauso noch n weitere sog. extensive Variablen konstant halten, d.h. Variablen, die linear mit der Systemgröße skalieren: 2E(N) = E(2N) (Vorsicht, nur symbolische Schreibweise!). Stattdessen kann man auch ein Ensemblemittel definieren, das die extensive(n) Variable(n) nur im Mittel konstant hält. Diese Zwangsbedingung lässt sich z. B. mittels Lagrange-Multiplikatoren implementieren. Der zu E korrespondierende Lagrange-Multiplikator β ist eine intensive Variable, d. h. β(n) = β(2n), und man identifiziert β = 1 k B (k B: Boltzmann-Konstante, : emperatur). E und β heißen thermodynamisch konjugierte Variablen. Der sog. kanonische Mittelwert lautet dann O kan (β) = r [ O e βh ] N r[e βh (2) N ] (Im allgemeinen kann man so beliebige statistische Ensembles, abhängig von k extensiven und l intensiven Variablen definieren.) Die fundamentalen Größen der jeweiligen statistischen Ensembles sind die Zustandssummen: Z (N) mik = r [δ (E H N (x))] (3) Z (N) kan = r e βh N = E Z (N) mik (E)e βe (4) (Z (N) mik und Z(N) kan gehen durch Laplace-ransformation auseinander hervor.) 2.2 hermodynamischer Limes Von der statistischen Physik gelangt man zur makroskopischen hermodynamik durch Ausführen des thermodynamischen Limes N. Aber: Wie genau? Von welchen Größen? In welchem Ensemble? Die Antworten auf diese Fragen hängen miteinander zusammen... 2
3 Voraussetzungen: Sei H N = N i=1 2m i + V N ({q i }) ein Standard- Hamiltonian und sei außerdem V N ({q i }) = i,j ϕ(q i q j ) stabil und temperiert. Stabilität: B Ê so dass V N ({q i }) BN q = (q 1,...,q N ) Γ N (Γ N : Konfigurationsraum des Systems), d.h. Existenz einer unteren Schranke an V N, die geeignet mit N skaliert.. emperiertheit: C, x, R > 0 so dass p 2 i ϕ(q q ) C q q d x (5) für q q > R (dabei ist d die Raumdimension). Also: Wechselwirkung hinreichend kurzreichweitig! Satz: dann existieren die Grenzwerte s(u) = k B lim N N f(β) = lim N ln Z(N) mik (un), (6) 1 Nβ s und f heißen thermodynamische Funktionen. hermodynamische Interpretation: ln Z(N) kan (β). (7) s Entropie f freie Energie (8) (jeweils pro eilchen). Ganz genauso kann man auch thermodynamische Funktionen von zwei oder mehr Variablen erhalten, z. B. s(u,v), f(β,v), g(β,p),... Welches Ensemble ist jetzt aber das richtige? Wir haben ja s aus dem mikrokanonischen und f aus dem kanonischen abgeleitet! Satz: Unter den oben genannten Voraussetzungen an V N (Stabilität, emperiertheit) ist s konkav. Dann sind die statistischen Ensembles im thermodynamischen Limes äquivalent, d. h. es ergeben sich dieselben Werte für physikalische Größen, unabhängig vom verwendeten Ensemble. 3 hermodynamik hermodynamik ist das Studium von mathematischen Identitäten zwischen partiellen Ableitungen der thermodynamischen Funktionen. Wichtige Eigenschaften dieser thermodynamischen Funktionen können dabei entweder in Form der Hauptsätze der hermodynamik angegeben werden, oder direkt (z. B. Konkavität und Extensivität der Entropie,...). 3
4 ransformation zwischen thermodynamischen Funktionen: Die verschiedenen thermodynamischen Funktionen gehen durch Legendre- ransformation auseinander hervor, z. B. βf(β,v) = sup[s(u,v) βu] (9) u (dies ist eine Konsequenz des Übergangs zwischen den Zustandssummen durch Laplace-ransformation, vgl. Kap. 2.1). Antwortfunktionen: Physikalisch bedeutsam da experimentell am besten zugänglich sind die Antwortfunktionen. Sie charakterisieren die Antwort des Systems auf eine Änderung von außen. So charakterisiert z. B. die isochore spezifische Wärme c v = u = 2 f v 2 (10) v die Änderungsrate der Energie eines Systems bei Variation der emperatur. 4 Phasenübergänge Beobachtung: hermodynamische Funktionen sind stückweise C - Funktionen; es existieren aber u. U. auch gewisse Punkte, an denen eine thermodynamische Funktion nicht unendlich oft differenzierbar (auch: nicht-analytisch) ist. Definition: Ein Phasenübergang ist eine Nicht-Analytizität in der (Gibbsschen) freien Energie g. Warum sind solche Nicht-Analytizitäten interessant? Nicht- Analytizitäten signalisieren eine sprunghafte Veränderung der physikalischen Eigenschaften eines Systems (z. B. zweite Ableitung von f() unstetig Sprung in der spezifischen Wärme)! Beispiele von Phasenübergängen gibt es zuhauf und in allen Bereichen der Physik. Diese Häufigkeit und Verbreitung ist auch einer der Gründe für das große Interesse, das Phasenübergängen zuteil wird: fest flüssig gasförmig, Supraleitung, -fluidität, Ferromagnetismus, Galaxienbildung, Vereinheitlichung der fundamentalen Wechselwirkungen, u.v.m. Bei dieser Vielfalt versucht man den Überblick zu behalten durch eine geeignete 4
5 4.1 Charakterisierung von Phasenübergängen Dazu als Motivation erst mal ein paar typische Graphen von thermodynamischen Größen bei Auftreten eines Phasenübergangs, hier anhand zweier Beispiele von Ferromagneten (modelliert z. B. durch Ising-artige Modelle) bei verschwindendem äußerem Magnetfeld h = 0. g g g g c = 2 g 2 c = 2 g 2 m = g h h=0 m = g h h=0 c c kontinuierlicher Phasenübergang (Ordnungsparameter sowie erste Ableitung der thermodynamischen Funktion sind stetig) Nomenklatur: 5 diskontinuierlicher Phasenübergang (Ordnungsparameter sowie erste Ableitung der thermodynamischen Funktion sind unstetig)
6 (Alternativ spricht man auch von Phasenübergängen zweiter bzw. erster Ordnung.) Möglichkeiten der Charakterisierung von Phasenübergängen: Ordnung des Phasenübergangs Übergangstemperatur c Symmetrien der Phasen unterhalb bzw. oberhalb von c Phasendiagramme: Informativ sind außerdem sog. Phasendiagramme, d. h. Linien im Parameterraum (hier: (, h)-ebene), an denen Phasenübergänge auftreten. Für einen Ferromagneten (bzw. Ising-Modell): h kritischer Punkt ( c, 0) (oder auch das bekannte Phasendiagramm von Wasser). 4.2 Kontinuierliche Phasenübergänge & kritische Phänomene Kritische Punkte und die an diesen Punkten auftretenden kontinuierlichen Phasenübergänge sind von ganz besonderem Interesse und ihre Untersuchung hat zu faszinierenden Entwicklungen im Grenzbereich zwischen Mathematik und Physik geführt. Um dieses Interesse zu begründen benötigen wir noch den Begriff des kritischen Exponenten. Kritische Exponenten: Man definiert die reduzierte emperatur t = c c, die den Abstand vom kritischen Punkt c quantifiziert. Asymptotisch in der Umgebung von t 0 findet man u.a. folgende Potenzgesetze spezifische Wärme: c t α, (11) Ordnungsparameter: m Θ( t)t β, (12) Suszeptibilität: χ t γ, (13) wobei α, β und γ kritische Exponenten heißen. Man kann noch etliche weitere kritische Exponenten definieren. Wichtig ist vor allem noch ein weiterer namens ν, der das Verhalten der räumlichen Korrelationen (in d Dimensionen) des Ordnungsparameters beschreibt: g( r ) = m( r )m( 0 ) r d 2 η e r/l, (14) 6
7 wobei die Korellationslänge l skaliert wie l t ν. (15) Die kritischen Exponenten sind nicht alle unabhängig voneinander, sondern es existieren Relationen zwischen verschiedenen Exponenten. Interessant sind kritische Phänomene unter anderem aus folgenden Gründen (Details dazu in Vortrag 5, Skalentheorie & Renormierung ): (i) Universalität: Viele physikalisch sehr unterschiedliche Systeme zeigen identisches kritisches Verhalten, d. h. beispielsweise identische Werte der kritischen Exponenten (Beispiel: easy-axis Ferromagneten und binäre Legierungen sind in der selben Universalitätsklasse). Das kritische Verhalten hängt dabei nur von der Raumdimension des Systems und der Symmetrie des Ordnungsparameters ab. (ii) Skalenverhalten: In der Umgebung des kritischen Punktes ist das System invariant unter der ransformation r λ r mit λ Ê, auch wenn der Hamiltonian keine solche Symmetrie besitzt. Das mit dieser Invarianz einhergehende Fehlen einer charakteristischen Längenskala am kritischen Punkt bildet die Basis für die (iii) Renormierungsgruppentheorie: Elegante Rechenmethode, die die Hintergründe zu (i) und (ii) sowie die Relationen zwischen den kritischen Exponenten liefert, aber auch explizites Berechnen kritischer Größen erlaubt. Entwickelt von K. Wilson (Nobelpreis 1982) im Zusammenhang mit kritischen Phänomenen, hat die Renormierungsgruppentheorie auch wichtige Anwendungen in anderen Gebieten, z. B. der Chaostheorie. 5 Ausblick Angewandt wird der Begriff Phasenübergang inzwischen auch in einem weiteren Sinne, z.b. auch auf Phänomene, bei denen die emperatur nicht der relevante Parameter ist (also außerhalb der hermodynamik im eigentlichen Sinne), siehe z. B. Vortrag 6, Perkolation. auf Nichtgleichgewichtsphänomene, z.b. zelluläre Automaten oder Kontaktprozesse, siehe auch Vortrag 10, Epidemien. Gemeinsam haben all diese Phänomene sowohl gewisse Charakteristika (Nicht- Analytizitäten, sprunghafte Änderung gewisser Eigenschaften, evtl. Universalität) als auch die verwendeten Methoden (z. B. Renormierungsgruppentheorie,...). 7
8 Literatur [1]. C. Dorlas, Statistical Mechanics: Fundamentals and Model Solutions, IoP publishing (1999). [2] D. C. Mattis, Statistical Mechanics Made Simple, World Scientific (2003) [3] M. Le Bellac, F. Mortessagne und G. G. Batrouni, Equilibrium and Non-Equilibrium Statistical hermodynamics, Cambridge University Press (2004) [4] L. P. Kadanoff, Statistical Physics: Statics, Dynamics and Renormalization, World Scientific (2000) 8
ν und λ ausgedrückt in Energie E und Impuls p
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