Klausurenkurs Handels- u. Wirtschafts- sowie Gesellschafts- u. Konzernrecht Lösungsskizze Handelsrecht Fall 4

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Transkript:

WM Stefan Müller/Cord Würmann WS 200/03 Klausurenkurs Handels- u. Wirtschafts- sowie Gesellschafts- u. Konzernrecht Lösungsskizze Handelsrecht Fall 4 (Fall zum Teil gebildet auf Basis von Martinek/Wimmer-Leonhardt, Handels-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht, 58 Fälle mit Lösungen, C. F. Müller, 3. A. 2001, Fall 14) Provisionsansprüche des H gegen U Komplex 1: I. Provisionsanspruch des H aus dem Geschäft mit Dr. T gem. 87, 87a HGB 1. Handelsvertreter, 84 I 1 HGB Voraussetzung für den Provisionsanspruch des H ist zunächst, dass er ein Handelsvertreter des Unternehmers U ist, 87 I HGB. In Abgrenzung zum angestellten Handlungsgehilfen ( Handelsreisenden ) kommt es darauf an, dass H als selbständiger Gewerbetreibender tätig war, vgl. 84 I, II HGB. a. Selbständigkeit Nach der Legaldefinition des 84 I 2 HGB ist selbständig, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestaltet und seine Arbeitszeit bestimmen kann (Weisungsfreiheit). Dabei sind die Gesamtumstände der inhaltlichen und zeitlichen Tätigkeitsgestaltung maßgebend. Hier hatte H nur geringe Vorgaben der U hinsichtlich der Art der Kunden ( vor allem chirurgische Tages- u. Großkliniken). Die Auswahl der Vertragspartner oblag dem H selbst. Seine Arbeitszeit konnte H frei bestimmen. Auch im übrigen bestand nach dem Sachverhalt bezüglich der Art und Weise seiner Tätigkeit Weisungsfreiheit. Es wurde kein Arbeitsbzw. Routenplan vorgegeben und keine Kontrollen durchgeführt. Der Umstand, dass H von U ein fixes Grundgehalt und einen Firmenwagen gestellt bekam, ändert an dieser Einschätzung nichts. b. Geschäftsvermittlung oder abschluss Nach dem Gesetzeswortlaut ( 84 I 1 HGB) wird hinsichtlich der Tätigkeit die Vermittlung oder der Abschluss von Verträgen im Namen des Unternehmers verlangt. In diesem Fall ist der H ausdrücklich als Vermittler tätig. Anmerkung: Entsprechend des Gesetzeswortlauts werden bei Handelsvertretern Vermittlungs- und Abschlussvertreter unterschieden. Praktisch hat diese Unterscheidung jedoch keinerlei Relevanz, da auf beide Formen die Vorschriften über den Handelsvertreter ( 84 ff. HGB) gleichermaßen angewendet werden. 1

c. Dauerhaftigkeit Voraussetzung für die Handelsvertretereigenschaft ist die dauerhafte Tätigkeit. H übte diese Vermittlertätigkeit seit 1990 aus, also über einen längeren Zeitraum und damit auch dauerhaft. d. Gewerbetreibender Das es sich bei der Tätigkeit eines Handelsvertreters um eine gewerbliche handelst, ist unproblematisch. Obwohl der Handelsvertreter im HGB geregelt ist, ist die Anwendung der 84 ff. HGB aber darüber hinaus nicht vom Vorliegen eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Gewerbebetriebes abhängig. Dies ist systematisch zwar inkonsequent, wird aber in 84 IV HGB explizit bestimmt. e. Zwischenergebnis H war Handelvertreter i.s.d. 84 HGB. 2. Sonderfall: Provisionsanspruch nach 87 II HGB? Möglicherweise hat der H hier einen gesetzlichen Provisionsanspruch gemäß 87 II HGB. Dies setzt jedoch voraus, dass H als Handelsvertreter ein bestimmtes Gebiet zugewiesen bekommen hat, in dem er exklusiv tätig ist (sog. Bezirksschutz). Dies ist jedoch nicht der Fall, da H nach Abrede mit U nur vorwiegend in Berlin tätig wird. 3. Geschäftsabschluss des Unternehmers mit dem Dritten Der Geschäftsabschluss, aus dem ein Provisionsanspruch erwächst, muss während der Dauer des Handelsvertreterverhältnisses (Abgrenzung zu 87 III HGB) geschlossen worden sein. Der fragliche Vertrag mit Dr. T wurde von U im Herbst 2001 geschlossen. H kündigt sein Handelsvertreterverhältnis mit U erst zum Ende des Jahres 2001. Die Voraussetzung liegt also ebenso vor. 4. Kausalität Der Vertragsschluss des Unternehmers mit dem Dritten muss dazu auf H zurück zuführen sein, 87 I 1. Dabei ist nicht maßgebend, ob der Handelvertreter den Vertrag selbst abgeschlossen oder vermittelt hat. Vielmehr ist ausreichend, dass die Produkte des Unternehmers vorgeführt werden und auf diese Weise der grundsätzlich Kaufentschluss herbeigeführt wird. Erforderlich ist mit anderen Worten nur eine Mitursächlichkeit der Bemühungen des Handelsvertreters für den Vertragsschluss (so zumindest BAG DB 1969, 266). Die Kausalität wird also in diesem Fall nicht dadurch unterbrochen, dass die Bemühungen des H zunächst scheiterten und der Vertragsschluss erst später durch unmittelbare Kontaktaufnahme durch T mit U zustande kam. 5. Ausführung des vermittelten Geschäfts Voraussetzung für die Entstehung des Provisionsanspruchs ist aber nicht nur der Abschluss des vermittelten Geschäfts, sondern grundsätzlich auch dessen Ausführung, 87a I 1 HGB (Prinzip der Erfolgsprovision im Gegensatz zu einer Leistungsprovision). Ausgeführt ist das Geschäft mit dem Erbringen der vertragsgemäßen Leistung. Dazu ist es hier aber nicht gekommen, da die Leistungen aufgrund des Rücktritts des T rückabgewickelt wurden ( 437 Nr. 2, 434, 323, 346 BGB). 2

Allerdings hat der Handelsvertreter die Provision auch dann verdient, wenn der Unternehmer das abgeschlossene Geschäft nicht ausführt, sofern diese nicht auf Umständen beruht, die der Unternehmer nicht zu vertreten hat, 87a III HGB. Der berechtigte, sachmangelbedingte Rücktritt des vom Vertrag ist aber vom Unternehmer stets zu vertreten. Darin liegt die Verletzung des Vertragsverhältnisses mit seinem Handelsvertreter nach 276 BGB. 6. Ergebnis Wegen 87a III HGB steht dem H für das Geschäft mit T ein Provisionsanspruch gegen U gemäß 87 I HGB zu, obwohl es nicht zur Ausführung des Kaufgeschäftes zwischen T und U nach 87a I HGB kam. II. Provisionsanspruch des H aus dem Geschäft mit dem Land B, 87, 87a HGB Auch insoweit liegen die Voraussetzungen des 87 I 1 vor (s. dazu oben Punkte I. 1.-4.). Fraglich ist lediglich, ob der Provisionsanspruch daran scheitert, dass U die Ware nicht fristgerecht ausgeliefert hat. Dies ist nicht der Fall, da auch insoweit 87a III HGB gilt. Ein interner Kapazitätsengpass aufgrund Fehlorganisation des Produktionsablaufes geht zu Lasten des Unternehmers (Idee des Organisationsverschuldens ). U verletzt damit seine Pflicht gegenüber H aus dem Handelsvertretervertrag schuldhaft, 276 BGB. H kann also auch für das Geschäft mit dem Land B Zahlung der Provision verlangen. Komplex II: Abfindungsanspruch des H gegen U Ein solcher Abfindungsanspruch könnte sich als Ausgleichsanspruch aus 89b HGB ergeben. (Hinweis: 89b HGB ist im Rahmen des 89b IV HGB zwingendes Recht!) Dazu müssten folgende Voraussetzungen vorliegen. I. Beendigung eines Handelsvertretervertrags Ein zuvor bestehender Handelsvertretervertrag muss dazu zunächst beendet worden sein. Das Zustandekommen wurde in Komplex I bereits festgestellt. Die Beendigung durch Kündigung des H ergibt sich unproblematisch aus dem Sachverhalt. II. Die Einzelnen Voraussetzungen des 89b I HGB 1. Vorteile des Unternehmers Nach Beendigung des Vertretungsverhältnisses müssen dem Unternehmer erhebliche Vorteile aus der Handelsvertretertätigkeit erwachsen sein, die auch fortbestehen. Dies ist hier nach den Sachverhaltsangaben zu unterstellen. Diese wären nur dann nicht gegeben, wenn der Unternehmer die vom Handelsvertreter aufgebauten Geschäftsbeziehungen aufgrund Geschäftsaufgabe bzw. änderung nicht mehr nutzen kann. 2. Verlust der Provisionsansprüche Zusätzlich müssen dem Handelsvertreter wegen der Beendigung des Vertretungsverhältnisses Provisionsansprüche verloren gehen. Dabei sind nicht nur die Geschäfte zu berücksichtigen die auf bereits abgeschlossen wurden, sondern auch die, 3

die bei normalem Geschäftsverlauf künftig noch mit dem geworbenen Stammkunden zu erwarten gewesen wären. Diese Einschätzung ist im Einzelnen schwierig. Dass es aber nach dem Ausscheiden des H überhaupt noch zu weiteren Geschäftsabschlüssen zwischen der U und dem von ihm aufgebauten Kundenstamm gekommen wäre, kann als lebensnah angenommen werden. 3. Billigkeitsklausel Die Zahlung muss auch unter Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit entsprechen. Die Rechtsprechung verfährt an dieser Stelle recht großzügig. Es sind nicht nur auf der einen Seite die sozialen Verhältnisse des Handelsvertreters zu berücksichtigen, sondern auf der anderen auch die wirtschaftliche Lage des Unternehmers. Im hier anzunehmenden Normalfall kann von einem Vorliegen der Voraussetzung ausgegangen werden. II. Kein Ausschlussgrund, 89b III HGB Hier könnte aber der Ausschlusstatbestand des 89b III Nr. 1 HGB greifen und dem Anspruch entgegen stehen. Eine Eigenkündigung des Handelsvertreters H liegt vor. In dieser Situation ist ein Ausgleichsanspruch grds. ausgeschlossen, es sei denn, es läge ein Ausnahmefall i. S. des 89b III 2. Hs. HGB vor: Grund der Eigenkündigung liegt im Verhalten des Unternehmers Fortsetzung der Handelsvertretertätigkeit unzumutbar wegen Alter Fortsetzung der Handelsvertretertätigkeit unzumutbar wegen Krankheit Da keiner dieser Ausnahmetatbestände greift, ist der Ausschlussgrund gemäß 89b III Nr. 1 HGB gegeben. III. Ergebnis Da der Ausschlussgrund nach 89b III Nr. 1 HGB vorliegt, besteht kein Anspruch auf Ausgleichszahlung gemäß 89b I HGB. H als Vertragshändler Komplex III: I. Eigenmächtige Erweiterung des Sortiments durch H 1. Zulässigkeit der Sortimentserweiterung Beim Vertragshändler ist wie beim Handelsvertreter - zu beachten, dass er im Interesse des Unternehmers tätig werden muss und ihn somit eine entsprechende Pflicht zur Interessenwahrung bzw. Rücksichtnahme trifft. Ausfluss dieser Pflicht ist es, dass den H jedenfalls für die Zeit, in der er mit U vertraglich verbunden ist, ein Wettbewerbsverbot trifft. Dieses Wettbewerbsverbot lässt sich nicht auf eine Gesetzesvorschrift zurückführen, wird aber von der Rspr. angenommen. 2. Möglichkeiten des U bei Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot Die Rspr. gesteht dem Unternehmer in einer solchen Situation ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund zu. Dogmatisch könnte man dieses Kündigungsrecht in analoger Anwendung des 89a HGB (Vorschrift aus dem Handelsvertreterrecht) herleiten, dessen ratio auch im vorliegenden Fall gilt. 4

II. Ausgleichsanspruch des H 1. Anspruchsgrundlage Die Rspr. gestattet hinsichtlich des möglichen Ausgleichsanspruchs unter bestimmten Voraussetzungen einen Rückgriff auf die für den Handelsvertreter geltende Regelung des 89b HGB (vgl. dazu oben II) im Wege der Analogie. Voraussetzungen für eine solche Analogie sind jedoch - Einbindung des Vertragshändlers in die Absatz- und Vertriebsorganisation des Unternehmers wie ein Handelsvertreter und - Bestehen einer Verpflichtung des Vertragshändlers zur Übertragung des Kundenstammes. (Die rein tatsächliche Überlassung im Laufe des Vertragsverhältnisses reicht nach Ansicht der Lehre ebenso aus bzw. wird von der Rspr. zumindest als Indiz für das Vorliegen einer entsprechenden Verpflichtung gewertet. Ein Teil der Lehre konstruiert dagegen eine generelle (Auskunfts-)Pflicht ( 675, 666 BGB) zur Übertragung des Kundenstammes und damit einen grundsätzlich bestehenden Ausgleichsanspruch.) Zu diesen Einzelheiten lässt sich nach den spärlichen Sachverhaltsangaben jedoch nichts sagen. 2. Hilfsweise: Bestehen eines solchen Anspruchs Hier scheidet ein solcher Anspruch soweit man die Analogie zu 89b HGB als Anspruchsgrundlage überhaupt bejaht (vgl. dazu oben Komplex III: II 1) - wie in Komplex II aus, da ein Ausschlussgrund nach 89b III Nr. 1 vorliegt. 5

Zu Handelsvertreter und Vertragshändler: 1. Vertriebskanäle: - direkter Vertrieb über eigene Filialen bzw. Verkaufsangestellte des Herstellers - über eine (klassische) Absatzkette (Hersteller - Großhandel Einzelhandel Endverbraucher), bei der jeder im eigenen Namen und auf eigene Rechnung tätig wird. - Sonderform des Vertragshändlers; ein Eigenhändler, der in die Vertriebsorganisation des Unternehmers/Herstellers eingebunden ist. - Einschaltung von Handelsvertretern (rechtlich selbständig aber ständige Absatzvermittlung für einen Hersteller; lediglich Vermittlung von Verträgen bzw. Abschluss von Verträgen in fremdem Namen und auf fremde Rechnung, Verdienst durch Provision). 2. Begriffsmerkmale Handelsvertreter - Vermittlung oder Abschluss von Geschäften - Für einen anderen Unternehmer (nicht notwendig Kaufmann) - Als selbständiger Gewerbetreibender - In ständiger Betrauung 3. Handelvertreter als Kaufmann? - nur nach Maßgabe des 1 II; aber: auch auf den Kleingewerbetreibenden HV gelten die HGB-Vorschriften über Handelsvertreter, 84 IV! 4. Vertragshändler: Begriff? - ist (anders als der Handelsvertreter): Eigenhändler (d.h. Abschluss der Absatzgeschäfte im eigenen Namen auf eigene Rechnung, Verdienst durch den Handelsgewinn), trägt also das volle Absatzrisiko - aber im Unterschied zum konventionellen Groß- bzw. Einzelhändler ist er wie der Handelsvertreter - ständig damit betraut, Produkte eines Herstellers zu vertreiben und deren Absatz in ähnlicher Form wie eine Handelsvertreter zu fördern. 6